Sexuelle Funktionsstörungen können die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken und zudem eine bestehende Partnerschaft nachhaltig belasten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Entwicklung einer adäquaten Behandlungsmethode, um den Leidensdruck zu mindern. Die Hamburger Sexualtherapie-Studie von Arentewics und Schmidt (1986) kommt anhand der Daten von über 200 Paaren zu dem Ergebnis, dass sich Paartherapie, bei der die sexuellen Funktionsstörungen im Vordergrund stehen, positiv auf die drei Bereiche Sexualität, Partnerschaft und allgemeines Wohlbefinden auswirkt. Zudem konnte eine befriedigende Stabilität der therapieinduzierten Veränderungen in einem Zeitraum von bis zu 4 Jahren nachgewiesen werden. Schließlich weisen auch die Resultate von Baucom et al. (1998) darauf hin, dass es sich bei Paartherapie um eine wirksame psychologische Intervention handelt, mit Hilfe derer sich sexuelle Funktionsstörungen nachhaltig bessern lassen und mit der sich die Lebensqualität der Patienten merklich erhöht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Hamburger Sexualtherapie-Studie von Arentewics u. Schmidt (1986)
2.1 Stichprobe
2.2 Fallbeispiel: Paar 18
2.3 Design
2.4 Datenerhebung
2.5 Therapiesettings
2.6 Hauptergebnisse
2.7 Stabilität der Ergebnisse
3 Vergleich der Hamburger Sexualtherapie-Studie mit den Ergebnissen von Masters und Johnson (1970)
4 Vergleich mehrerer Wirksamkeitsstudien durch Baucom et al. (1998)
5 Diskussion
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Beeinträchtigung der sexuellen Funktionsfähigkeit eines Erwachsenen kann sich schwerwiegend auf seine Lebensqualität auswirken. So ist nicht zuletzt – falls vorhanden – die Partnerschaft unmittelbar betroffen und darüber hinaus kann insbesondere die Beeinträchtigung organischer Funktionen, wie z.B. die Unfähigkeit zum Geschlechtsverkehr durch Vaginismus, den Selbstwert des Betroffenen ins Wanken bringen. Solche Störungen, zu denen neben dem Scheidenkrampf auch Orgasmusstörungen der Frau, Erektions- und Ejakulationsstörungen gehören, können schwerwiegend und chronisch werden, sodass aufgrund des hohen Leidensdrucks des Kranken und oftmals auch des Partners eine gezielte Behandlung dringend erforderlich scheint. Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich gleich die Frage nach der geeigneten Therapieform und nach der längerfristigen Stabilität und Nachhaltigkeit einer jeweiligen Therapiemethode.
Gegenstand der folgenden Ausarbeitung im Rahmen des Seminars Partnerschafts- und Sexualtherapie im SS2007 ist die Effektivität (efficacy) von Sexualtherapie am Beispiel der Hamburger Sexualtherapie-Studie von Arentewics und Schmidt (1986). Dabei werde ich im Folgenden Methode und Design darstellen und erläutere im Anschluss die Hauptergebnisse sowie die konkreten Schlussfolgerungen hinsichtlich ihrer Stabilität. Weiterhin stelle ich die Studienresultate denen aus einer anderen Wirksamkeitssuntersuchung von Masters und Johnson (1970) gegenüber und ziehe schließlich einen Vergleich zu den Ergebnissen von Baucom et al. (1998), die mehrere Studien über die Effektivität verschiedener Therapieprogramme genauer analysiert und diskutiert habe. Den letzten Abschnitt dieser Arbeit bildet eine kurze Diskussion.
2 Die Hamburger Sexualtherapie-Studie von Arentewics u. Schmidt (1986)
Bei der Hamburger Sexualtherapie-Studie von Arentewics und Schmidt (1986) handelt es sich um eine wissenschaftliche Begleituntersuchung zur Wirksamkeit von Sexualtherapie in Form einer Paartherapie in drei unterschiedlichen Therapiesettings. Die Auswertung der durch mehrere Beurteilungsverfahren erhobenen Daten konzentriert sich dabei besonders auf therapieinduzierte Veränderungen in den drei Bereichen Sexualität, Partnerbeziehung und psychisches Allgemeinbefinden. Anhand der Resultate aus follow up – Untersuchungen zu vier Messzeitpunkten nach Abschluss der Behandlung konnten die Autoren weiterhin die längerfristige Stabilität der Therapieeffekte beurteilen.
Insgesamt kommen Arentewics und Schmidt (1986) nach Auswertung ihrer Ergebnisse zu dem Schluss, dass Paartherapie als Behandlungsmethode bei sexuellen Funktionsstörungen sowohl die sexuelle Funktionsfähigkeit, also auch das sexuelle Erleben und die Paarbeziehung in positiver Weise beeinflusst.
2.1 Stichprobe
Von 275 Paaren, bei denen eine Indikation gestellt worden ist, nahmen 202 am Therapieprogramm teil. Bei der Auswahl mit Hilfe einer ärztlichen Voruntersuchung mussten folgende Kriterien erfüllt sein: die sexuelle Symptomatik sollte deutlich im Vordergrund stehen, sie sollte so schwerwiegend sein, dass einfache Beratung nicht mehr ausreichend wäre und zudem durfte bei keinem der Partner eine Psychose oder Alkoholsucht vorliegen. Alle Paare, von denen mindestens ein Partner an einer sexuellen Funktionsstörung litt (in 22 Fällen waren beide Partner betroffen), wurden in vier Diagnosegruppen eingeteilt:
(1) Orgasmusstörungen der Frau:
noch nie oder selten erlebter Orgasmus bei Petting u./o. Geschlechtsverkehr, Begleiterscheinungen sind Erregungsstörungen sowie Vermeidungsverhalten
(2) Vaginismus:
Scheidenkrampf, Unfähigkeit zum Geschlechtsverkehr
(3) Erektionsstörungen:
Betroffene hatten noch nie (primäre Störung) oder zu selten eine Erektion des Penis bei Petting oder Geschlechtsverkehr
(4) Vorzeitige Ejakulation:
Orgasmus des Mannes unmittelbar noch dem Eindringen des Penis in die Scheide
Hinsichtlich der demografischen Daten der Stichprobe lag eine so genannte Schichtakzentuierung vor. Das bedeutet in diesem Fall, dass die Paare überdurchschnittlich oft verheiratet waren, Kinder hatten, der Mittelschicht angehörten und eine hohe Schulbildung aufwiesen. Dieser Sachverhalt schränkt damit die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ein.
2.2 Fallbeispiel: Paar 18
Um die Situation eines betroffenen Paares und v. a. den mit einer sexuellen Funktionsstörung verbundenen Leidensdruck zu verdeutlichen, zitiere ich im Folgenden das Fallbeispiel von Paar 18 aus der Hamburger Studie (Arentewics & Schmidt, 1986, S. 98f.):
Die Frau ist Mitte 30 (Kosmetikerin), der Mann Ende 40 (Kaufmann), seit 15 Jahren verheiratet. Sie konnte noch nie Geschlechtsverkehr machen wegen eines schweren Vaginismus. Das Paar macht Petting, bei dem die Frau auch zum Orgasmus kommt; außerdem onaniert sie gelegentlich mit Orgasmen. Die sexuellen Schwierigkeiten haben ihr jahrelang nichts ausgemacht. Seit zwei bis drei jahren ist sie jedoch zunehmend beunruhigt, sie fühlt sich als Frau nicht vollwertig, kommt sich unfertig vor. Sie stellt ihre Fraulichkeit in Frage und leidet darunter. Seit dieser Zeit hat sie auch psychosomatische Kreislauf- und Herzbeschwerden und war mehrfach im Krankenhaus wegen dieser Beschwerden, ohne dass ein organischer Befund erhoben werden konnte. Der Mann ist ihr gegenüber in einer eindeutigen Vaterrolle, durch die sie sich lange beschützt, jetzt aber zunehmend beengt fühlt. Er umsorgt sie ständig, nimmt viel Rücksicht auf sie, macht sie dabei ständig klein und kehrt seine Wichtigkeit für sie heraus. Daraus resultiert eine starke Bevormundung, gegen die sie sich immer stärker wehrt. Er sagt, dass ihm eigentlich nichts fehle und dass er die Therapie nur der Frau zuliebe mache. (…)
2.3 Design
Insgesamt fanden 6 therapiekontrollierende Untersuchungen zu jeweils unterschiedlichen Messzeitpunkten statt, um die therapieinduzierten Veränderungen sowie Ihre Stabilität in den drei Bereichen Sexualität, Partnerbeziehung und psychisches Allgemeinbefinden zu erfassen. Es handelt sich dabei genauer um 2 Vor- und weiterhin 4 Nachuntersuchungen (Arentwics, G. & Schmidt, 1986, S.65):
Voruntersuchung 1 (V1). Nach der Erstuntersuchung und Indikationsstellung in der Abteilung für Sexualforschung, mindestens drei Monate, maximal zwölf Monate vor der Therapie.
Voruntersuchung 2 (V2). Unmittelbar vor Therapiebeginn (nach dem Vorgespräch mit den Therapeuten).
Nachuntersuchung 1 (N1). Unmittelbar nach Abschluss der Therapie.
Nachuntersuchung 2 (N2). Drei Monate nach Abschluss der Therapie.
Nachuntersuchung 3 (N3). Ein Jahr nach Abschluss der Therapie.
Nachuntersuchung 4 (N4). Zweieinhalb bis vier Jahre nach Abschluss der Therapie.
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- Arbeit zitieren
- Annika Simon (Autor:in), 2007, Effektivität (efficacy) von Sexualtherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92291
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