Die Arbeit stellt die persönlichen Aufzeichnung zu Friedrich II. in den Tagebüchern von Joseph Goebbels seinen und Hitlers öffentlichen Äußerungen über denselben gegenüber. Es wird dabei die Frage gestellt, inwieweit sich die Friedrich-Bilder unterschieden und ob sich im Lauf der Zeit eine qualitative oder quantitative Veränderung der Friedrich-Rezeption in Goebbels Tagebüchern, oder in den öffentlichen Äußerungen findet und wie sich eine solche erklären lässt. „Friedrich der Große hat einen Krieg 7 Jahre durchgehalten. [...] Hätte er damals den Kopf
verloren und einen feigen Frieden unterzeichnet, dann wäre Preußen niemals zur Weltmacht
emporgestiegen. Politik wird viel mehr mit dem Charakter als mit dem Verstande gemacht.
Und dem Mutigen gehört die Welt!“
Diese fatale Schlussfolgerung aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – niedergeschrieben
bereits am 16. September 1932 – vermittelt einen ersten Eindruck der Rezeption Friedrichs
des Großen im nationalsozialistischen Denken. Überhaupt unterlag die Figur des berühmten,
preußischen Königs in der Vergangenheit einer ganzen Reihe von Vereinnahmungen, ebenso
wie Ablehnungen. Dies mag, neben seiner historischen Wirkungsmacht, nicht zuletzt an
seinem ambivalenten Wesen liegen, das stets ein breites Spektrum an Interpretationen zuließ,
oder vielleicht geradezu herausforderte. War Friedrich Philosoph auf dem Thron, ein
Antimachiavell? Oder war er vielmehr der skrupellose Machtmensch, ein neuer Alexander,
der Preußen ohne Rücksicht auf Verluste ins Konzert der europäischen Mächte führen wollte?
Die Frage wird wohl immer unbeantwortet bleiben und sei es nur, weil keine der
Beschreibungen ausreicht um Friedrich II. zu charakterisieren. Allerdings verraten
Interpretationen stets auch etwas über den Interpreten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die
Deutung besonders einseitig ausfällt, wie im Falle des Nationalsozialismus, der die Figur
Friedrichs des Großen ganz unzweifelhaft auf unzulässige Weise vereinnahmte. Doch welche Rolle spielte Friedrich II. tatsächlich im Geschichtsbild der
nationalsozialistischen Größen? Wann und wie wurde er zur Legitimation des eigenen
Handelns herangezogen und unterlag dies, über die wechselvolle Geschichte des Dritten
Reiches hinweg, einer signifikanten Veränderung?
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Das Preußenbild im Nationalsozialismus
2 Friedrich der Große in den Tagebüchern von Joseph Goebbels
3 Friedrich der Große in den öffentlichen Äußerungen Hitlers und Goebbels'
Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Einleitung
„Friedrich der Große hat einen Krieg 7 Jahre durchgehalten. [...] Hätte er damals den Kopf verloren und einen feigen Frieden unterzeichnet, dann wäre Preußen niemals zur Weltmacht emporgestiegen. Politik wird viel mehr mit dem Charakter als mit dem Verstande gemacht. Und dem Mutigen gehört die Welt!“
Diese fatale Schlussfolgerung aus dem Tagebuch von Joseph Goebbels – niedergeschrieben bereits am 16. September 1932 – vermittelt einen ersten Eindruck der Rezeption Friedrichs des Großen im nationalsozialistischen Denken. Überhaupt unterlag die Figur des berühmten, preußischen Königs in der Vergangenheit einer ganzen Reihe von Vereinnahmungen, ebenso wie Ablehnungen. Dies mag, neben seiner historischen Wirkungsmacht, nicht zuletzt an seinem ambivalenten Wesen liegen, das stets ein breites Spektrum an Interpretationen zuließ, oder vielleicht geradezu herausforderte. War Friedrich Philosoph auf dem Thron, ein Antimachiavell? Oder war er vielmehr der skrupellose Machtmensch, ein neuer Alexander, der Preußen ohne Rücksicht auf Verluste ins Konzert der europäischen Mächte führen wollte? Die Frage wird wohl immer unbeantwortet bleiben und sei es nur, weil keine der Beschreibungen ausreicht um Friedrich II. zu charakterisieren. Allerdings verraten Interpretationen stets auch etwas über den Interpreten. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Deutung besonders einseitig ausfällt, wie im Falle des Nationalsozialismus, der die Figur Friedrichs des Großen ganz unzweifelhaft auf unzulässige Weise vereinnahmte.
Doch welche Rolle spielte Friedrich II. tatsächlich im Geschichtsbild der nationalsozialistischen Größen? Wann und wie wurde er zur Legitimation des eigenen Handelns herangezogen und unterlag dies, über die wechselvolle Geschichte des Dritten Reiches hinweg, einer signifikanten Veränderung? Diesen Überlegungen soll in der vorliegenden Arbeit nachgegangen werden. Die angesprochene Frage nach Friedrichs 'tatsächlichem' Wesen wird dagegen nicht Teil der Untersuchung sein, soll sie sich doch nicht in die Vielzahl von Deutungsversuchen einreihen, sondern vielmehr – am Beispiel der nationalsozialistischen Variante – als kritische Betrachtung derselben dienen.
Zu diesem Zweck wird soweit möglich auf ausgewählte zeitgenössische Quellen zurückgegriffen. Natürlich kann hierbei unmöglich eine vollständige Berücksichtigung der Rezeption Friedrichs des Großen im Nationalsozialismus erreicht werden. Aus diesem Grund werden exemplarisch die Tagebücher von Joseph Goebbels sowie öffentliche Äußerungen von ihm selbst und dem „Führer“ herausgegriffen.
Ziel der Arbeit ist es anhand dieser Quellen zu zeigen, auf welche Art und Weise Friedrich der Große im Dritten Reich – im speziellen von dessen genannten Führungspersönlichkeiten – thematisiert wurde. Im ersten Kapitel soll hierfür in aller Kürze ein Einblick in das Preußenbild des Nationalsozialismus vermittelt und die besondere Bedeutung Friedrichs des Großen aufgezeigt werden. In den folgenden beiden Kapiteln, dem Schwerpunkt der Arbeit, werden das persönliche Friedrich-Bild von Joseph Goebbels, sowie die öffentlichen Äußerungen von ihm und dem 'Führer' einander gegenübergestellt und einer kritischen Betrachtung unterzogen. Abschließend sollen die gewonnen Eindrücke in der Schlussbetrachtung zusammengeführt und bewertet werden.
1 Das Preußenbild im Nationalsozialismus
In einer Wahlkampfansprache zu den preußischen Landtagswahlen vom April 1932 verkündete der Reichspropagandaleiter der NSDAP, Joseph Goebbels:
„Der Nationalsozialismus darf mit Fug und Recht von sich behaupten, daß er Preußentum sei. Wo immer wir Nationalsozialisten stehen, in ganz Deutschland sind wir Preußen. Die Idee, die wir tragen ist preußisch. [...] Die Ziele, die wir zu erreichen trachten, sind in verjüngter Form die Ideale, denen Friedrich Wilhelm I., der große Friedrich und Bismarck nachstrebten.“[1]
Diese Gleichsetzung von Preußentum und Nationalsozialismus zeigt deutlich die intensive Vereinnahmung der Geschichte Preußens und seiner (vermeintlichen) Ideale im Dienste nationalsozialistischer Propaganda. Preußen stellte neben den Parolen gegen die „Knechtschaft“ des Versailler Vertrages, sowie der antijüdischen und der antibolschewistischen Ausrichtung eine weitere zentrale Leitlinie nationalsozialistischer Propaganda dar. Dies wird sowohl von einer Fülle von zeitgenössischen Quellen, als auch von den wenigen ausführlichen Studien[2], die hierzu durchgeführt wurden, verdeutlicht.[3]
Das preußische Beispiel war an alle Bevölkerungsschichten gerichtet, jedoch lassen sich zwei besondere Zielgruppen dieser Propaganda hervorheben: Preußisch-Konservative Führungsschichten, die dem Nationalsozialismus insbesondere in der Anfangszeit kritisch gegenüberstanden und – beispielsweise mit dem Tag von Potsdam – für das Dritte Reich gewonnen werden sollten; Außerdem, besonders in der Zeit des militärischen Niedergangs nach Stalingrad, die noch immer weitgehend preußisch-adlig geprägte Wehrmachtführung. Hier sollten Appelle an preußische Pflichterfüllung diejenigen Führungsoffiziere auf Linie bringen, die Zweifel an den nationalsozialistischen Durchhalteparolen hatten.[4]
Die Geschichte Preußens wurde von den Nationalsozialisten jedoch keineswegs in ihrer Gesamtheit aufgenommen. Wie so oft in der späteren Rezeption Preußens, wurden nur die Phasen seiner Geschichte herausgegriffen, die sich für die Mythenbildung eigneten. Das wilhelminische Preußen-Deutschland beispielsweise diente – abgesehen vom glorifizierten Bismarck – als unrühmliches Beispiel, von dem man sich abgrenzte. Und auch Bismarck selbst wurde für seine Kriege geachtet, jedoch weitgehend nicht für seine folgende Politik. Die bedeutende Zeit der industriellen Revolution dagegen, fand kaum Beachtung. Punktuell wurde die Zeit der Befreiungskriege aufgegriffen, indem einzelne Persönlichkeiten hervorgehoben wurden, während man andere bewusst ignorierte. Die zentrale Phase der preußischen Geschichte aber, bildet im Geschichtsbild der Nationalsozialisten das Preußen des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts. Hier orientierte man sich im speziellen am Preußen unter dem Großen Kurfürst, Friedrich Wilhelm I., sowie im besonderen unter Friedrich II.[5]
Betrachtet man dabei, mit welchen Aspekten Preußens sich die Nationalsozialisten verglichen, ergeben sich drei zentrale Bereiche. Eher am Rande ist hier die vornehmlich von Heinrich Himmler und seinen Gesinnungsgenossen hervorgehobene ordensstaatliche Geschichte Preußens zu nennen. Hierbei wird erwartungsgemäß auf die Zeit der Ost-Kollonisation durch den Deutschen Orden verwiesen, die die Grundlage für die Idee vom deutschen 'Lebensraum im Osten' gelegt habe. Darüber hinaus ist es ebenso wenig überraschend, dass diese Sichtweise insbesondere auf die historische Legitimation von SS, Ordensburgen und weiteren Auswüchsen nationalsozialistischer 'Ordenstradition' abzielt.[6]
Von weitaus größerer Bedeutung für eine an breitere Bevölkerungsschichten gerichtete Propaganda war die preußische Staats- und Gesellschaftsauffassung, oder was die Nationalsozialisten dafür hielten. Zentrale Merkmale sind dabei der Dienst an einer höheren Sache, sowie die sogenannten preußischen Tugenden, wie unbedingter Gehorsam und Disziplin. Hier griffen sich die nationalsozialistischen Vordenker die Aspekte heraus, die ihnen zur Verwirklichung einer Symbiose von Nationalsozialismus und Preußentum nutzbar schienen. Insbesondere in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, jedoch auch schon zuvor, wurde der Begriff des Preußentums durch den inflationären und willkürlichen Gebrauch zunehmend unschärfer, bis er schließlich in Anbetracht der totalen Niederlage zu einer reinen Durchhalte- und Gehorsamsparole entstellt worden war.[7]
Die weitaus wichtigste Figur im Preußenbild des Nationalsozialismus war jedoch Friedrich der Große. Der preußische König stellt im nationalsozialistischen Geschichtsbild eine, wenn nicht die zentrale Persönlichkeit dar, mit deren Hilfe die nationalsozialistischen Größen, allen voran Hitler und Goebbels, das eigene Handeln sowohl öffentlich, als auch vor sich selbst legitimierten. Die Vielfältigkeit – oder eher Willkürlichkeit – mit der Friedrich dem Großen Eigenschaften zugeschrieben und Vergleiche gezogen wurden, übertrifft die heute anerkannte Ambivalenz seines Wesens bei weitem. Eine genauere Betrachtung jedoch zeigt, dass bei aller Willkür kein breit gefächertes Bild Friedrichs entstand. Vielmehr wurde er mit wechselnden Bezügen und Hervorhebungen – je nach aktuellem Legitimationsbedürfnis – zum preußischen Vorreiter des Nationalsozialismus stilisiert.[8]
Dies geschah auf verschiedenste Weise: Durch die Bezugnahme auf das friederizianische Beispiel in Ansprachen und Artikeln, aber auch durch indirektere Methoden wie der filmischen Verarbeitung Friedrichs in Veit Harlans Film „Der Große König“. Diesen hatte Goebbels, der in Ansprachen und auch seinem Tagebuch immer wieder die Realitätsnähe des Filmes pries, freilich mehrfach redigiert, bis er schließlich seinem Bild des „großen Königs“ entsprach. Und er war es auch gewesen, der seinerzeit – Stalingrad hatte gerade blutig den Traum der deutschen Unbesiegbarkeit zerplatzen lassen – die Schlacht von Kunersdorf als Ausgangspunkt des Filmes ausgewählt hatte. Die Deutschen sollten sich daran ein Beispiel nehmen wie (sein) Friedrich mit dieser Niederlage umging, sie überwand und schließlich den Sieg davontrug.[9]
Es lässt sich also in einem Gesamtüberblick feststellen, dass das Preußen unter Friedrich dem Großen die zentrale Phase und Friedrich selbst die zentrale Bezugsperson des nationalsozialistischen Preußenbildes darstellte. Daher scheint es angebracht, die Untersuchung auf seine Person einzugrenzen, was im Folgenden geschehen soll.
2 Friedrich der Große in den Tagebüchern von Joseph Goebbels
In den Tagebüchern des „Reichspropagandaleiters der NSDAP“ und späteren „Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“, Joseph Goebbels, finden sich eine Vielzahl von Anspielungen, Verweisen und Berufungen auf Friedrich den Großen. Wie im ersten Kapitel dargelegt wurde, war Friedrich von großer Bedeutung, für die Propaganda im Dritten Reich, darüber hinaus war er, aber gerade für Hitler und Goebbels auch persönliche Identifikationsfigur. Selbst wenn man unterstellt, dass Goebbels bei seinen späteren Tagebucheinträgen eine mögliche Veröffentlichung bereits berücksichtigte, finden sich eindeutige Belege für seine Verehrung für den preußischen König, schon in frühester Zeit. Bereits am 17. September des Jahres 1926 notiert er in seinem Tagebuch:
„Friedrich der Einzige! [...] Ich stand heute Nachmittag an seinem Sarg. [...] Friedrich schläft. Einer der größten Augenblicke meines Lebens. Das ist das größte an ihm: Ein Künstler ist so Herr über sich geworden, daß er Diener am Staate wird und 7 Jahre ficht. Friedrich der Einzige. Der König!“[10]
[...]
[1] Zit. nach: Schlenke, Manfred: Nationalsozialismus und Preußen/Preußentum, Bericht über ein Forschungsprojekt, in: Büsch, Otto (Hrsg.): Das Preußenbild in der Geschichte, Protokoll eines Symposions, Berlin, New York, 1981, S. 248.
[2] Zu nennen sind hier: Schlenke: Nationalsozialismus und Preußen/Preußentum (siehe Anmerkung 1);
Mirow, Jürgen: Das alte Preussen im deutschen Geschichtsbild seit der Reichsgründung, Berlin, 1981;
sowie mit Abstrichen: Barthel, Konrad: Friedrich der Große in Hitlers Geschichtsbild, Wiesbaden, 1977.
[3] Vgl. z.B. Schlenke, Nationalsozialismus und Preußen/Preußentum, S. 255
[4] Vgl. Schlenke: Nationalsozialismus und Preußen/Preußentum, S. 263
[5] Vgl. Schlenke: Nationalsozialismus und Preußen/Preußentum, S. 253
[6] Vgl. Kroll, Frank-Lothar: Preußenbild und Preußenforschung im Dritten Reich, in: Neugebauer, Wolfgang (Hrsg.): Das Thema „Preußen“ in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin, 2006, S. 315.
[7] Vgl. Schlenke: Nationalsozialismus und Preußen/Preußentum, S. 255
[8] Vgl. Kroll, Frank-Lothar: Friedrich der Große als Gestalt der europäischen Geschichtskultur, in: Wehinger, Brunhilde (Hrsg.): Geist und Macht, Friedrich der Große im Kontext der europäischen Kulturgeschichte, Berlin, 2005, S. 195
[9] Vgl. Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Band 3 Januar bis März 1942, S. 187
[10] Reuth, Ralf Georg (Hrsg.): Joseph Goebbels Tagebücher, Band 1: 1924-1929, München, 1992. S 277.
- Quote paper
- Stefan Weidemann (Author), 2007, Friedrich der Große im Spiegel des Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92245
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