Es wird in dieser Arbeit angestrebt, Kriterien für das organisationale Lernen aus Unternehmenskrisen zu erarbeiten. Ein zusätzlicher Fokus wird hierbei auf die produzierenden Unternehmen gelegt. Die Arbeit soll die Unterschiede, in Bezugnahme auf Unternehmensbranche und Unternehmensstruktur für das organisationale Lernen aus Unternehmenskrisen, aufzeigen. Dazu soll der Begriff der Unternehmenskrise aufbereitet werden und ein Bezug zum organisationalen Lernen erstellt werden.
Im Laufe dieser Arbeit sollen zielführende Lerntheorien konstatiert werden, welche ein erfolgreiches Lernen aus der Unternehmenskrise sicherstellen. Die Arbeit geht darüber hinaus auf die unterschiedlichen Charaktere in einer Organisation ein, die das organisationale Lernen aus der Unternehmenskrise positiv oder negativ beeinflussen können. Der Begriff des Krisenmanagements soll hinsichtlich des organisationalen Lernens aufbereitet werden, um daraus abzuleiten, mittels welcher Ansätze das Lernen aus einer Unternehmenskrisensituation stattfinden kann. Darüber hinaus werden Ansätze verglichen, um das bestmögliche organisationale Lernen in einem Unternehmenskrisenfall zu bewerkstelligen.
Jede Unternehmenskrise bietet Chancen: Die Chancen zur Neuorientierung und die Chancen zur Veränderung von eingefahrenen Abläufen in einem Unternehmen. Meist fehlt einem Unternehmen der Leidensdruck, um richtungsweisende Veränderungen durchzuführen. In einer Krise ist jedoch das Querdenken nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht – das Lernen aus der Krise beginnt.
Die Thematik der Unternehmenskrisen und des Krisenmanagements ist gerade in diesen Zeiten, wo sich die Covid-19-Pandemie über unsere Welt erstreckt, ein aktuelleres Thema denn je. Die schwierige Vorhersehbarkeit und der ungewisse Ausgang, ebenso das hohe Bedrohungspotential einer Unternehmenskrise machen sie zu einem spannenden Forschungsfeld der Betriebswissenschaft und zu einer großen Herausforderung für produzierende Unternehmen.
Der Begriff der Krise durchlebt in den Medien seit der Ölkrise in den 1970er eine regelrechte Hochkonjunktur. In den Medien wird er als plakatives Passepartout verwendet, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Die Anziehungskraft der Krise beruht auf seiner destruktiven Wirkung und Außergewöhnlichkeit.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis / Glossar
Kurzfassung
Executive Summary
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau und Struktur
1.4 Interviewleitfaden
2 Krisen
2.1 Unternehmenskrisen
2.1.1 Bedeutung und Begrifflichkeit
2.1.2 Eigenschaften der Unternehmenskrise
2.1.3 Phänomene mit Krisencharakter
2.2 Unternehmenskrise und deren Ursachen
2.2.1 Unternehmenskrisenverlauf
2.2.2 Phasenmodell nach Müller
2.2.3 Phasenmodell nach Krystek
2.3 Die Wirkung von Unternehmenskrisen
2.3.1 Unternehmenskrisen und deren endogene destruktive Wirkung
2.3.2 Unternehmenskrisen und deren exogene destruktive Wirkung
2.3.3 Unternehmenskrisen und deren endogene konstruktive Wirkung
2.3.4 Unternehmenskrisen und deren exogene konstruktive Wirkung
3 Krisenmanagement
3.1 Krisenmanagement im engeren Sinn
3.2 Krisenmanagement im weiteren Sinn
3.3 Sichtweisen auf das Krisenmanagement
3.3.1 System
3.3.2 Prozess
3.3.3 Institution
3.4 Begriffsabgrenzung zum Risikomanagement
3.5 Persönlichkeitsprofile in einer Krise
4 Lernen
4.1 Lernbegriff
4.2 Lernen als Individuum
4.2.1 Reiz-Reaktion-Theorie
4.2.2 Sozial kognitive Lerntheorien
4.3 Lernen in der Gruppe
4.3.1 Partizipatives Lernen in der Gruppe
4.3.2 Kooperatives Lernen in der Gruppe
4.3.3 Kollektives Lernen in der Gruppe
4.4 Organisationales Lernen
4.4.1 Single Loop Learning
4.4.2 Douple Loop Learning
4.4.3 Deutero Learning
4.5 Lernen aus Krisen
5 Fazit und Ausblick
6 Empirie
6.1 Forschungsmethode
6.2 Forschungsfrage und Forschungsdesign
6.3 Leitfaden des Interviews
7 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: vgl. Phänomene mit Krisencharakter, Krystek & Moldenhauer (2007, S. 28)
Abbildung 2: Krisenverlaufsmodell in Anlehnung an Pohl (1977)
Abbildung 3: Vier-Phasenmodell angelehnt an Müller (1986 , S. 56)
Abbildung 4: Vier-Phasenmodell nach Krystek (2007, S. 49)
Abbildung 5: Vergleich der Krisenprozesse Krystek und Müller (Klein, 2008, S. 23)
Abbildung 6: Krisenmanagement im engeren und weiteren Sinn angelehnt an Töpfer (2009, S. 18)
Abbildung 7: Erweiterung von Klein (2008, S. 23)
Abbildung 8: Die drei Persönlichkeitstypen angelehnt an Denzler und Schuler (2018, S. 68)
Abbildung 9: Reiz-Reaktion-Theorie angelehnt an Lunzer (1974, S. 132)
Abbildung 10: Reifegradfaktoren des organisationalen Lernens kombiniert mit dem Zusammenspiel zwischen Kennen, Können und Wollen in Anlehnung an Probst und Schön (2. Auflage 1997, S. 180f)
Abbildung 11: Single-Loop-Learning nach Argyris und Schön (1978) aus Probst und Büchel (2. Auflage 1997, S. 35)
Abbildung 12: Douple-Loop-Learning nach Argyris und Schön (1978) aus Probst und Büchel (2. Auflage 1997, S. 37)
Abbildung 13: Deutero-Learning nach Argyris und Schön (1978) aus Probst und Büchel (2. Auflage 1997, S. 38)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Faktoren für Unternehmenskrisen in produzierenden Unternehmen in Anlehnung an Brühl (2004, S. 6)
Tabelle 2: Persönlichkeitsprofile in einer Unternehmenskrise angelehnt an Neubauer (1999, S. 111)
Abkürzungsverzeichnis / Glossar
HRO High-Reliability-Organizing
KVP kontinuierlicher Verbesserungsprozess
MTBF Mean Time Between Failure
Kurzfassung
Ziel dieser Arbeit ist das Aufbereiten der Begrifflichkeit des Krisenmanagements hinsichtlich auf organisationales Lernen. Daraus sollen Kriterien für das organisationale Lernen aus Unternehmenskrisen erarbeitet werden. Ein spezieller Fokus wird hierbei auf produzierende Unternehmen gelegt. Zusätzlich wird die Unternehmensgröße, -kultur und -struktur im Kontext des organisationale Lernens aus Unternehmenskrisen betrachtet.
Einleitend wird die Definition und die Charakterisierung einer Unternehmenskrise behandelt. Den Leserinnen und Lesern sollen die Ursachen, der Verlauf und Wirkungen von Unternehmenskrisen näher gebracht werden. Die Krisenursachen wurden kategorisiert und für ein besseres Verständnis tabellarisch zusammengefasst. Der Krisenverlauf mit seinem ambivalenten Ende wird in dieser Arbeit anhand von Phasenmodellen diskutiert und die Abhandlung der Wirkung von Unternehmenskrisen soll den Leserinnen und Lesern aufzeigen, dass es nicht ausschließlich negative Wirkungen in einer Unternehmenskrise gibt.
Im nächsten Kapitel wird der Begriff des Krisenmanagements beschrieben. Es werden verschiedene Ansichten auf das Krisenmanagement erarbeitet, diskutiert und es wird auf das Lernen im Krisenmanagement eingegangen.
Im Anschluss wird eine klare Abgrenzung zum Begriff des Risikomanagements vorgenommen. Zum Ende dieses Kapitels wird auf Persönlichkeitsprofile in Krisensituationen eingegangen. Die vorherigen Kapitel erläutern, welche zentrale Rolle der Mensch in der Krisenbewältigung hat. Neben der Literaturrecherche haben vor allem die Experteninterviews zu dieser Erkenntnis beigetragen. In diesem Kapitel wird erklärt, wie man diese fundamentale Ressource in das Krisenmanagment bestmöglich integrieren kann. An dieser Stelle geschieht der Übergang zur Thematik des Lernens.
Ident zum Aufbau des ersten Hauptkapitels „Krise“ wird auch beim „Lernen“ vorgegangen. Die Leserinnen und Leser sollen vorweg einen groben Einblick in die Thematik bekommen und zunehmend zum Kernthema geführt werden. Zu Beginn wird der Lernbegriff im Generellen erläutert und im Anschluss werden die Leserinnen und Leser über das Lernen als Individuum und das Lernen als Gruppe zum organisationalen Lernen hingeführt.
Es werden die Lernprozesse aus dem Themenblock „Krise und Krisenmanagement“ auf das organisationale Lernen nach Argyris und Schön (1978) umgelegt. Es konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass in der Theorie beschriebene organisationale Lernprozesse in der Praxis nicht gelebt werden.
Im letzten Kapitel werden die Voraussetzungen behandelt, welche das Lernen in Organisationen gewährleisten. Es handelt sich hierbei um eine Zusammenführung des Krisenmanagements und des organisationalen Lernens, wobei Ansätze aus anderen Branchen zum Lernen aus einer Krise diskutiert werden.
Executive Summary
The aim of this work is to prepare a concept of crisis management with regard to organizational learning. The main objective is to develop criteria for organizational learning from corporate crises. A special focus is placed on manufacturing companies. In addition, the company's size, culture and structure are considered in the context of organizational learning from corporate crises.
In the introduction, the definition and characterization of a corporate crisis is discussed. The purpose is to bring the causes, courses and effects of corporate crises to the readers. Possible causes of a crisis were categorized and summarized in tabular form for a better understanding. The course of a crisis, with its ambivalent end, is discussed in this work on the basis of phase models whereas the treatment of the effects of corporate crises is intended to show the readers that there are no exclusively negative effects in a corporate crisis.
The next chapter introduces the concept and various views of crisis management which are further on discussed. Subsequently, a clear demarcation is made with the concept of risk management. At the end of this chapter, personality profiles in crisis situations will be discussed. In addition to literature research, it was above all the interviews with experts that contributed to the here presented findings. This chapter explains how to best integrate this fundamental resource into crisis management. At this point the transition to the topic of the next chapter takes place: Learning.
The same structure of the first main chapter "Crisis" is also used for "Learning”. Firstly, the readers should get an overall view of the topic in order to gain later on more discerned knowledge of the core subject. At the beginning of this chapter, the concept of learning theory is generally presented. Further on, the readers are familiarized with the concept of organizational learning through learning as individuals and learning as a group. The learning processes from the thematic block "crisis and crisis management" are transferred to organizational learning according to Argyris and Schön (1978). With regard to this work, it was shown that not all organizational learning processes described in theory are applicable in practice.
The final chapter covers the prerequisites for learning in organizations. This is a combination of crisis management and organizational learning discussing approaches from other industries to learn from a crisis.
1 Einleitung
Jede Unternehmenskrise bietet Chancen: Die Chancen zur Neuorientierung und die Chancen zur Veränderung von eingefahrenen Abläufen in einem Unternehmen. Meist fehlt einem Unternehmen der Leidensdruck, um richtungsweisende Veränderungen durchzuführen. In einer Krise ist jedoch das Querdenken nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht – das Lernen aus der Krise beginnt (Winfried, 2012, S. 7).
Die Thematik der Unternehmenskrisen und des Krisenmanagements ist gerade in diesen Zeiten, wo sich die Covid-19-Pandemie über unsere Welt erstreckt, ein aktuelleres Thema denn je. Die schwierige Vorhersehbarkeit und der ungewisse Ausgang, ebenso das hohe Bedrohungspotential einer Unternehmenskrise machen sie zu einem spannenden Forschungsfeld der Betriebswissenschaft und zu einer großen Herausforderung für produzierende Unternehmen.
Der Begriff der Krise durchlebt in den Medien seit der Ölkrise in den 1970er eine regelrechte Hochkonjunktur. In den Medien wird er als plakatives Passepartout verwendet, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Die Anziehungskraft der Krise beruht auf seiner destruktiven Wirkung und Außergewöhnlichkeit (Kühn, 2020, S. 10).
Die gegenwärtigen Organisationen arbeiten in einem Umfeld, welches durch hohe Unsicherheit, Risiken und Turbulenzen gekennzeichnet ist - wie zum Beispiel Naturkatastrophen, Unternehmensskandale, schwerwiegende Produktfehler. Diese unerwarteten Krisenereignisse, kleine oder große, natürlich aufgetretene oder vom Menschen verursachte, haben weitreichende und signifikante Auswirkungen auf Organisationen und Einzelpersonen innerhalb des Unternehmens (Mitroff, 1988, S. 15ff). Diese Arbeit fokussiert sich auf produzierende Unternehmen. Durchschnittlich arbeiteten im Jahr 2019 16,9 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher in produzierenden Unternehmen. Somit sind die produzierenden Unternehmen der größte Arbeitgeber in Österreich, vor dem öffentlichen Sektor und dem Handel (Wirtschaftskammer, 2020).
Die Krisenursachenforschung ist seit mehreren Dekaden hinweg ein vertretenes Forschungsgebiet (Findeisen, 1932, S. 50ff). Jedoch beschäftigt sich diese Disziplin zu größten Teilen mit der Früherkennung und der Prävention von Krisen. Die Literatur bietet den produzierenden Unternehmen viel Wissen zur Vorbereitung auf eine Unternehmenskrise. Wird eine Unternehmenskrise nicht mehr beherrschbar, so helfen jedoch die besten Früherkennungswerkzeuge und Präventionsmaßnahmen mäßig. Um in Zukunft eine Unternehmenskrise zu vermeiden, ist es von Wichtigkeit, die Ursachen zu identifizieren, welche eine Unternehmenskrise ausgelöst haben. Eine durchlebte Unternehmenskrise wirft jedoch offene Fragen auf. Die Nachbereitung einer Krise findet oftmals nicht statt, obwohl es wichtig wäre zu hinterfragen, was aus einer Unternehmenskrise gelernt wurde und auch wie man aus ihr lernen kann.
Um Auswirkungen einer Unternehmenskrise zu vermeiden oder zu verringern, sind somit nicht nur wirksame Krisenmanagementpraktiken, sondern auch erhebliche Lernanstrengungen erforderlich (Lagadec, 1997, S. 24f). Während die Komplexität der Umgebung zunimmt, ist es offensichtlicher, dass die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen lernen, der entscheidende Faktor für ihre Fähigkeit zum Überleben oder zur Anpassung sein kann (Schwandt & Marqardt, 2000, S. 16).
Die Welt, in der wir leben werden, ist volatiler, unsicherer, komplexer und mehrdeutiger als jene, in der wir derzeitig leben (Graf, Gramß, & Edelkraut, 2017) In diesem Kontext ist ständiges und kontinuierliches Lernen eher eine Notwendigkeit als eine Option für das organisatorische Überleben, die Anpassungsfähigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und die langfristige Lebensfähigkeit. Genau aus diesen genannten Punkten ist der Kern dieser Arbeit die Identifizierung von Kriterien für organisationales Lernen aus Unternehmenskrisen in produzierenden Unternehmen.
1.1 Problemstellung
In der Unternehmensführung nimmt Krisenmanagement einen wichtigen Stellenwert ein, da Krisen ein hohes Bedrohungspotential mit langandauernden Auswirkungen für Organisationen aufweisen. Die Krisenforschung beschäftigt sich im großen Ausmaß mit der Entwicklung von Früherkennungssystemen und mit der Krisenprävention. Aus diesem Grund ist das Angebot an Theorien zur Vorbereitung auf Krisen weit größer als das der Nacharbeit, welche sich auf das organisationale Lernen aus Krisen bezieht. Dieses ist jedoch gerade dann wichtig, wenn eine Krise aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr beherrschbar ist und somit die Präventionsmaßnahmen und Früherkennungssysteme nicht mehr nutzbringend sind.
Anhand dieser Arbeit sollen folgende Fragestellungen bearbeitet werden:
- Von welchen Unternehmenskrisen sind produzierende Unternehmen betroffen?
- Wie funktioniert nachhaltiges Lernen in einer Organisation?
- Welche Kriterien des organisationalen Lernens müssen erfüllt sein, um einen Lerneffekt aus Unternehmenskrisen zu generieren?
1.2 Zielsetzung
Es wird in dieser Arbeit angestrebt, Kriterien für das organisationale Lernen aus Unternehmenskrisen zu erarbeiten. Ein zusätzlicher Fokus wird hierbei auf die produzierenden Unternehmen gelegt. Die Arbeit soll die Unterschiede in Bezugnahme auf Unternehmensbranche und Unternehmensstruktur für das organisationale Lernen aus Unternehmenskrisen aufzeigen. Dazu soll der Begriff der Unternehmenskrise aufbereitet werden und ein Bezug zum organisationalen Lernen erstellt werden. Im Laufe dieser Arbeit sollen zielführende Lerntheorien konstatiert werden, welche ein erfolgreiches Lernen aus der Unternehmenskrise sicherstellen. Die Arbeit geht darüber hinaus auf die unterschiedlichen Charaktere in einer Organisation ein, die das organisationale Lernen aus der Unternehmenskrise positiv oder negativ beeinflussen können. Der Begriff des Krisenmanagements soll hinsichtlich des organisationalen Lernens aufbereitet werden, um daraus abzuleiten, mittels welcher Ansätze das Lernen aus einer Unternehmenskrisensituation stattfinden kann. Darüber hinaus werden Ansätze verglichen, um das bestmögliche organisationale Lernen in einem Unternehmenskrisenfall zu bewerkstelligen.
1.3 Aufbau und Struktur
Diese Arbeit ist aufgebaut auf einer Literaturrecherche, welche durch Empirie ergänzt wird. Die Empirie besteht aus einem leitfadengeführten Experteninterview, welches die Unterschiede in Bezugnahme auf Unternehmensbranche und Unternehmensstruktur erläutern soll. Der empirische Teil der Arbeit ist deshalb als ergänzend zu sehen, da die bestehende Literatur nicht genügend auf die Unterschiede zwischen den Unternehmensbranchen und Unternehmensstrukturen beim organisationalen Lernen aus Unternehmenskrisen eingeht. Es wurden im Rahmen der Experteninterviews Personen aus verschiedenen Branchen und Unternehmensstrukturen herangezogen, um die bereits genannten Auswirkungen auf das Thema zu detektieren. Die eingebauten Teilergebnisse der durchgeführten Experteninterviews werden wie folgt im Text dargestellt: „Name der Expertin oder Experten (Interview, Jahreszahl)“. Der Interviewleitfaden wird den Leserinnen und Lesern am Ende des Kapitels in Kapitel (1.4) beigelegt und der Aufbau als auch die Durchführung der Empirie wird in Kapitel 6 folgende erläutert.
Der erste Hauptteil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Krise. Es wird zuerst allgemein der Begriff der Krise erklärt und im Anschluss wird die Unternehmenskrise beschrieben. Hierbei werden die Eigenschaften einer Unternehmenskrise und krisenähnliche Phänomene beschrieben. Danach wird auf die Ursachen und Wirkungen einer Unternehmenskrise eingegangen, wobei die Literatur der beiden Autoren Müller (1986 ) und Krystek (1987) als Hauptliteratur herangezogen wurde. Die Ansätze der beiden Autoren werden in der Arbeit miteinander verglichen und eine Verbindung zum Lernen aus Krisensituationen hergestellt.
Das darauffolgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Krisenmanagement. Es werden die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen für des Krisenmanagement aufgezeigt und die unterschiedlichen Ansichtsweisen auf das Krisenmanagement beschrieben. In diesem Kapitel wird herausgearbeitet, dass je nach Betrachtungsweise auf das Krisenmanagement auch unterschiedliche Erwartungshaltungen an das Krisenmanagement gesetzt werden und andere Personenkreise involviert sind. An dieser Stelle der Arbeit wird darüber hinaus eine Abgrenzung zum Begriff Risikomanagement vorgenommen.
Im anschließenden Kapitel wird erläutert, wie das Lernen in einer Organisation vonstatten geht. Hierzu wird vorab auf das Lernen als Individuum und das Lernen als Gruppe oder Team eingegangen, um aufbauend zum Lernen als Organisationen überleiten zu können. Diese Abfolge soll es den Lesern und Leserinnen ermöglichen, den Prozess des Lernens zu verstehen. Der Fokus bleibt trotz allem auf dem organisationalen Lernen. Als Hauptliteratur in diesem Themenblock werden die Autoren Argyris und Schön (1978) herangezogen. Im Rahmen dieses Kapitels werden ebenfalls die unterschiedlichen Lernniveaus erarbeitet und die Kriterien für das erfolgreiche organisationale Lernen erläutert. In diesem Kapitel soll der Leserin und dem Leser die Verbindung der Themen „Unternehmenskrise“ und „organisationalen Lernen“ klar aufgezeigt werden, was schlussendlich zum organisationalen Lernen aus Unternehmenskrisen führt.
Zu guter Letzt werden die in Verbindung gesetzten Themengebiete zusammengeführt und die Arbeit mit einem prägnanten Fazit und Ausblick abgerundet.
1.4 Interviewleitfaden
Die angeführten Fragen sind als Leitfaden für ein offenes Gespräch zu interpretieren und sollen die verfügbare Literatur zu der Thematik „Kriterien für organisationales Lernen aus Unternehmenskrisen in produzierenden Unternehmen“ ergänzen.
Die interviewten Personen wurden darum gebeten, die Fragen unter Bezugnahme auf ihr Arbeitsumfeld zu geben:
- Mit welchen Herausforderungen sind Führungskräfte konfrontiert, die in einem Unternehmen arbeiten, das sich in einer Krise befindet?
- Mit welchen Herausforderungen sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konfrontiert, die in einem Unternehmen arbeiten, das sich in einer Krise befindet?
- Wie kann das leitende Personal eines Unternehmens sowie auch Firmeninhaberinnen und Firmeninhaber den Lernprozess aus Unternehmenskrisen positiv beeinflussen?
- Wie kann das leitende Personal eines Unternehmens sowie auch Firmeninhaberinnen und Firmeninhaber den Lernprozess aus Unternehmenskrisen auch negativ beeinflussen?
- Wodurch unterscheidet sich der Umgang mit Unternehmenskrisen in produzierenden zu nicht produzierenden Unternehmen und welche Rolle spielt hierbei die Unternehmensgröße?
- Welche Aussagen können bezüglich der Unternehmenskultur in Bezugnahmen auf den Lernprozess aus Unternehmenskrisen getroffen werden?
- Welche Aussagen können bezüglich der Unternehmensstruktur in Bezugnahmen auf den Lernprozess aus Unternehmenskrisen getroffen werden?
- Wie viel Eigenverantwortung kann man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei einer Unternehmenskrise zusprechen und wo befinden sich die Grenzen?
- Wie wird sich das Lernen aus Unternehmenskrisen in den nächsten fünf bis zehn Jahren verändern?
- Geben Sie von einer Skala von 1 bis 10 an, welchen Stellenwert die Thematik in den kommenden Jahren einnehmen wird? (1 = nicht nennenswert, 10 = sehr wichtig)
2 Krisen
Der Krise als Begrifflichkeit werden mehrere Bedeutungen und eine Vielfalt an Verwendungen zugeschrieben. Eine Krise umfasst sowohl organisatorische und intentionelle Krisen -ereignisse als auch Individualkrisen in mannigfaltiger Ausprägung (Weber P. , 1980, S. 5).
Damit geht einher, dass es unterschiedliche Interpretationsformen des Krisenbegriffs gibt. Zu Beginn dieser Arbeit wird die Begriffsdefinition der Krise durchgeführt, welche vorweg generell gehalten und anschließend in Bezug mit Unternehmen gesetzt und in der Folge die Unternehmenskrise definiert wird.
Der etymologische Ursprung des Krisenbegriffs ist im Altgriechischen zu finden und bedeutet entweder den Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung oder die Wende einer solchen. Wird die Krise interdisziplinär betrachtet, so werden folgende Gemeinsamkeiten detektiert. Es handelt sich um eine unvorhergesehene Systemstörung, welche eine existenzgefährdende Situation darstellt (Hommel, Knecht, & Wohlenberg, 2006, S. 32).
2.1 Unternehmenskrisen
Die Dynamik der unternehmerischen Aktivitäten und deren wachsende Komplexität, welche durch die Marktanforderungen getrieben werden, bringt Unternehmen zwangsläufig in die Konfrontation mit strukturellen Veränderungen. Ein ständiges Anpassen an die sich verändernden Rahmenbedingungen wird von den Unternehmen gefordert. Durch zaghaftes Reagieren oder Nichtreagieren auf Veränderungen kann es zu einschneidenden Problemen oder existenzbedrohenden Zuständen des Unternehmens kommen. Jedoch stellen nicht alle ungeplanten Ereignisse eine Unternehmenskrise dar. Folgend werden die unterschiedlichen Aspekte einer Unternehmenskrise zur unterschiedslosen Begriffsdefinition diskutiert und anschließend auf die Eigenschaften einer Unternehmenskrise eingegangen.
2.1.1 Bedeutung und Begrifflichkeit
Wie in 2.1 beschrieben, stellt ein ungeplantes Ereignis keine Unternehmenskrise dar. Der Begriff der Unternehmenskrise wurde über Jahre hinweg zunehmend präzisiert (Krystek & Moldenhauer, 2007, S. 25). Unternehmenskrisen sind als unbeabsichtigte und fortwährende Störungen zu verstehen, welche eine existentielle Gefährdung des gesamten Unternehmens bedeuten. Es wird bei einer Unternehmenskrise von einer Gefährdung eines mikroökonomischen und oder makroökonomischen Systems gesprochen und nicht von einer Gefährdung von Teilbereichen eines Unternehmens (Witte, 1981, S. 9 ff). Eine Assoziation zur Unternehmensvernichtung sollte jedoch nicht hergestellt werden, da ein positiver Ausgang der Unternehmenskrise möglich ist (Krystek, 1987, S. 6).
In der Betriebswirtschaft wird der Unternehmenskrise eine hohe Bedeutung für ein ökonomisches System zugesprochen. Tritt eine Unternehmenskrise ein, so werden gebräuchliche Unternehmenstätigkeiten gehemmt, gelegentlich ausgesetzt und im schlimmsten Fall kommt es sogar zu einer Beendigung dieser Tätigkeiten. Bei dieser Ausnahmesituation funktionieren die in einem Unternehmen eingesetzten Regelsysteme und herkömmlichen Abläufe als auch Strukturen nicht mehr. Die Bewältigung der Unternehmenskrise überlagert temporär die strategischen als auch operativen Ziele in einem Unternehmen. Abgeleitet hiervon bringt eine Unternehmenskrise eine große Herausforderung für die Unternehmensführung mit sich (Kehrel & Leker, 2009, S. 200 ff).
2.1.2 Eigenschaften der Unternehmenskrise
In diesem Abschnitt der Arbeit werden die Eigenschaften einer Unternehmenskrise behandelt. Zu Beginn werden wegweisende Elemente der Unternehmenskrise erläutert und im Anschluss wird auf die Komplexität im Kontext der unternehmerischen Krise eingegangen. Die Unternehmenskrise wird durch zentrale Eigenschaften und Elemente beschrieben und somit weiter präzisiert. Die Autoren Müller (1986) und Krystek (1987) beschreiben jeweils fünf Elemente, welche die allgemeingültigsten in der Literatur darstellen und folgend angeführt sind:
- Existenzgefährdung
Durch eine Unternehmenskrise wird eine tiefgreifende Unternehmensgefährdung erzeugt, welche sich auf das gesamte Unternehmen bezieht.
- Ambivalenter Ausgang
Der Ausgang der Unternehmenskrise ist nicht vorherbestimmt. Es kann sowohl zu einer Unternehmensvernichtung als auch zu einem positiven Krisenausgang kommen.
- Gefährdung der Unternehmensziele
Die Gewinnerzielung, Zahlungsfähigkeit und die Vermeidung von Überschuldung stellen Kernziele eines Unternehmens dar. Wird eines dieser Ziele gefährdet, so ist eine Krisensituation zwangsweise.
- Prozess
Das temporäre Auftreten der Unternehmenskrise verleiht ihr einen Prozesscharakter. Die Personen im betroffenen Unternehmen und deren Wahrnehmungsvermögen sind ausschlaggebend für die Wahrnehmung der Unternehmenskrise als Prozess.
- Problem der Unternehmenssteuerung
Die stattfindenden Prozesse in einer Unternehmenskrise können lediglich beschränkt durch ein vorhandenes Krisenmanagement gelenkt werden.
Neben den fünf genannten Elementen wird eine Unternehmenskrise darüber hinaus von dem Überraschungsmoment (Schreyögg, 2004, S. 14), dem Verlust der Handlungsfähigkeit und dem vorherrschenden Zeitdruck gekennzeichnet (Glaeßer, 2001, S. 29).
Bei der Beschreibung einer Unternehmenskrise ist auch, wie in Kapitel (2.1) dargestellt, die Komplexität eines Unternehmens und deren Prozesse zu berücksichtigen. Bei Unternehmenskrisen handelt es sich zusätzlich um einen Zusammenbruch von Komplexitäten und somit um einen Spezialfall der Komplexität (Saur & Ellebracht, 2014, S. 17ff). Dadurch treffen bei der Definition der Unternehmenskrise noch weitere Merkmale zu, welche mit der Komplexität in Verbindung stehen. Wenn man von komplexen Situationen spricht, wird damit auch auf Neuartiges verwiesen. Die Neuartigkeit kann sowohl auf der Ebene des Sachverhalts auftreten als auch auf der Ebene der individuell durchlebten Neuartigkeit. Darüber hinaus ist die Offenheit des Zielzustands ein wesentlicher Punkt (Dörner & Schaub, 1995, S. 34ff), welcher sich mit dem ambivalenten Ausgang von den Autoren Müller (1986) und Krystek (1987) deckt. Ergänzend hierzu ist, dass komplexe Situationen durch teilweise widersprüchliche Ziele erkennbar sind. Diese Verfolgung von widersprüchlichen Zielen wird als Polytelie bezeichnet und stellt eine wesentliche Herausforderung für das Management eines Unternehmens dar. Im Kontext der Unternehmenskrise in der Verbindung mit Komplexität ist die Vielzahl der Variablen im unternehmerischen Umfeld von Bedeutung. In diesem komplexen System sind zwar alle Variablen wichtig, jedoch können sie wegen des Zeitdrucks nicht alle in der Gesamtheit betrachtet werden. Darüber hinaus sind diese Variablen miteinander vernetzt, was dazu führen kann, dass gesetzte Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg vorweisen. Die letzten zwei Komplexitätsmerkmale sind die Intransparenz und die Eigendynamik. Darunter versteht man zum einen, dass die Probleme und Zusammenhänge im Unternehmen nicht mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen analysiert werden können und zum anderen das Verändern des Systems ohne fremdes Zutun. Die Eigendynamik ist das Ergebnis aus der Verbundenheit der einzelnen Variablen (Saur & Ellebracht, 2014, S. 13f).
In Unternehmenskrisen kann häufig das Phänomen der Selbstorganisation auftreten. Dies ist ein Zustand zwischen Ordnung und Chaos, welcher mit der Vielfalt an Verhaltensoptionen bestmöglich mit der Krisensituation umzugehen versucht. Beim Eintreten einer Unternehmenskrise werden oftmals unstrukturierte Prozesse und ungeordnete Strukturen beobachtet, die bei minuziöserer Betrachtung ein hochkomplexes System mit Ordnung darstellen. Dieses deterministische Chaos kann unvorhersehbares Potential hervorbringen, jedoch neigt es im Unternehmensumfeld bei schlagartiger Überregulierung zum Kollabieren (Saur & Ellebracht, 2014, S. 19).
Auffällig oft sind kleine und mittlere Unternehmen (kurz: KMU) von Unternehmenskrisen betroffen. Bloß 51 Prozent der österreichischen kleinen und mittleren Unternehmen haben eine Überlebensdauer von fünf Jahren, wobei gesagt werden kann, dass die Überlebensquote mit anwachsender Betriebsgröße steigt. Die kleinen und mittleren Unternehmen machen 99,6 Prozent der Unternehmen der marktorientierten Wirtschaft in Österreich aus (Bundesministerium , 2020, S. 16ff).
Dass kleine und mittlere Unternehmen von wirtschaftlichen Rezessionen besonders stark getroffen werden, kann auf deren geringe Diversifizierung der Wirtschaftstätigkeiten und schwachen Finanzstruktur zurückgeführt werden. Oftmals sind kleine und mittlere Unternehmen stark von externen Kapitalgebern abhängig. Große produzierende Unternehmen haben zur Bewältigung von wirtschaftlichen Rezessionen, die Unternehmenskrisen auslösen könnten, andere Möglichkeiten wie beispielsweise Schritte zur Verbesserung der Effizienz, taktische Turnarounds, internationale Expansion über neue Niederlassungen oder ausländische Direktinvestitionen, Fusionen und Übernahmen sowie komplexere Finanzierungsmodelle. Kleine und mittlere produzierende Unternehmen reagieren zur Bewältigung von Unternehmenskrisen oftmals mit unternehmerischen Reaktionen wie Geschäftsmodellinnovation. Dabei ist zu beobachten, dass Familienunternehmen weniger zu Geschäftsmodellinnovationen neigen als andere KMUs (Cucculelli & Peruzzi, 2020, S. 471ff).
Interviewpartner_3 (Interview, 2020) bekräftigt die Aussage von Cucculelli und Peruzzi (2020), dass kleine Unternehmen durch Kommunikationsstruktur innovativer und schneller sind und somit eher Geschäftsmodellinnovationen durchführen. Darüber hinaus geht Interviewpartner_3 (Interview, 2020) auf die Unternehmenskultur ein. In Unternehmen, wo die oberste Führungsebene für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter greifbar ist, sind Geschäftsmodellinnovationen in Krisensituationen häufiger anzutreffen als in großen Konzernen, wo sich das Topmanagement eventuell an einem anderen Standort befindet.
2.1.3 Phänomene mit Krisencharakter
Es gibt unternehmensbezogene Phänomene, welche einer Unternehmenskrise ähneln. Um die vier Begriffe Störung, Risiko, Konflikt und Katastrophe für diese Arbeit abzugrenzen und die Verbindung dieser Begriffe zur Unternehmenskrise darzustellen, wird eine Anlehnung von Krystek & Moldenhauer (2007) herangezogen.
Die Begriffe Störung, Risiko, Konflikt und Katastrophe werden folgend einzeln behandelt und die Unterschiede zu einer Unternehmenskrise erarbeitet. Zusätzlich wird das Zusammenspiel der Begrifflichkeiten mit der Unternehmenskrise erläutert. Dieses Modell von Krystek & Moldenhauer (2007) wird darüber hinaus um die Begrifflichkeit „organisatorisches Burnout“ ergänzt, da dieses Phänomen eine wichtige Rolle in produzierenden Unternehmen spielt. Diese Ergänzung stützt sich auf die Erkenntnisse von Greve (2010), welcher dieses Phänomen unter dem Begriff „Organizational Burnout“ etablierte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: vgl. Phänomene mit Krisencharakter, Krystek & Moldenhauer (2007, S. 28)
Störung
Treten im unternehmerischen Betriebsablauf Dysfunktionalitäten auf, so wird von Störungen oder auch von Schwachstellen gesprochen. Störungen erzwingen Abweichung von Prozessen und vermindern die Effizienz in einem Unternehmen (Coombs, 2012, S. 3), stellen keine existenzbedrohenden Zustände dar und sind dadurch auch nicht als Unternehmenskrise einzuordnen. Wie jedoch in der oben angeführten Darstellung (Abbildung 1) ersichtlich ist, gibt es eine Schnittmenge mit der Unternehmenskrise. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Störungen existenzbedrohende Zustände herbeiführen können. Im Extremfall kann eine Dysfunktionalität im Betriebsablauf auch zu einer Katastrophe führen.
Konflikte
Unter Konflikt wird eine Unstimmigkeit oder Gegensätzlichkeit zwischen personalen Elementen im Unternehmen verstanden. Aus einem Konflikt heraus können Auseinandersetzungen in verschiedenster Intensität entstehen (Dahrendorf, 1961, S. 201ff). Unternehmen sind im alltäglichen Tun den unterschiedlichsten Arten von Konflikten ausgesetzt. Im Gegensatz zum Konflikt stellt eine Unternehmenskrise eine nicht gewohnte und schwer zu meisternde Situation dar (Krystek, 1987, S. 8). Konflikte weisen einen oftmals positiven Ausgang auf, da diskutierte Gegensätze ein hohes Problemlösungspotential haben. Die Schnittmenge zu der Unternehmenskrise wird mit der zerstörerischen Wirkung eines Konflikts begründet, welche von der Führungsebene bis zum Shop-Floor entstehen kann (Michalak, 2012, S. 31f).
Risiko
Das Risiko stellt das Pendant zur unternehmerischen Erfolgschance dar und ist somit von einer unternehmerischen Aktivität nicht zu trennen. Risiken werden damit definiert, dass eine Nichterreichung von Angestrebtem eintreten kann. Risiken sind dann als kritisch zu betrachten, wenn es bestandsgefährdende Risiken sind und sich somit existenzgefährdend auf ein Unternehmen auswirken (Krämer, 2002, S. 309f). Der Begriff des Risikomanagements wird in Kapitel (3.4) erläutert und es wird an dieser Stelle eine Abgrenzung zum Krisenmanagement vorgenommen.
Katastrophen
Anders wie die zuvor genannten Phänomene (Störung, Konflikt und Risiko) stellt die Katastrophe einen Sonderfall der Unternehmenskrise dar. Eine Katastrophe hat einen unabwendbaren negativen Ausgang und verhindert somit jegliches Fortleben eines Unternehmens (Michalak, 2012, S. 32f). Die Katastrophe ist durch unvermeidbare Singularitäten gekennzeichnet und kann, wie in der obigen Darstellung (Abbildung 1) gezeigt, in „zu Katastrophen führenden Störungen“ oder „zu Katastrophen führenden Konflikten“ unterteilt werden.
Organisatorisches Burnout
Das organisatorische Burnout in Bezugnahme auf Unternehmenskrisen ist ein jüngeres Phänomen als die oben genannten und beschreibt den Zustand der Erschöpfung eines aktiven Organisationssystems. Erkennbar ist dies durch einen paralysierten Zustand des Organisationssystems, aus welchem dieses nicht mehr aus eigener Kraft und mit eigenen Ressourcen eine positive Wende schafft. Organisatorisches Burnout ist oftmals bei größeren Unternehmen zu beobachten, welche bereits seit über eine Dekade bestehen. Häufig ist dieses Phänomen auch zu detektieren, wenn ein Unternehmen an Innovativität eingebüßt hat oder sich ein Führungsfehler demotivierend und überbeanspruchend auf die Belegschaft auswirkt (Greve, 2010, S. 46f).
Aus der obigen Durchleuchtung der krisenähnlichen Phänomene kann festgestellt werden, dass all diese Phänomene - außer der Katastrophe - nicht notgedrungen zu einer Unternehmenskrise führen. Jedoch gibt es bei diesen Phänomenen eine Schnittmenge zur Unternehmenskrise und sind sie somit als potentielle Auslöser einer Unternehmenskrise zu verstehen. Im folgenden Kapitel (2.2) wird auf die Ursachen einer Unternehmenskrise weiter eingegangen.
2.2 Unternehmenskrise und deren Ursachen
Eine Unternehmenskrise wird von Ursachen ausgelöst. Um diese Ursachen zu identifizieren, dient das Werkzeug der Krisenursachenforschung. Dieses Forschungsgebiet ist, wie in Kapitel (1) bereits beschrieben, ein seit Dekaden etabliertes Forschungsfeld. Der Kern dieser Arbeit ist die Identifizierung von Kriterien für organisationales Lernen aus Unternehmenskrisen in produzierenden Unternehmen. Um in Zukunft eine Unternehmenskrise zu vermeiden ist es von Wichtigkeit, die Ursache zu identifizieren, welche eine Unternehmenskrise ausgelöst hat.
Die Krisenursachenforschung im betriebswirtschaftlichen Sinn beschäftigt sich mit den Ursachen-Wirkungs-Zusammenhängen einer Unternehmenskrise, um eine Erklärung für die Entstehung einer Unternehmenskrise abzuleiten und die Erkenntnisse in allgemeiner Form gültig zu machen (Töpfer, 1986, S. 158ff).
Nach Krystek (1987) lässt sich das Forschungsgebiet der Krisenursachenforschung in zwei wesentliche Richtungen aufteilen. Er unterscheidet in die quantitative Krisenursachenforschung und die qualitative Krisenursachenforschung. Bei der quantitative Krisenursachenforschung wird versucht, dass über vorliegende Unternehmensdaten, wie Zahl der Beschäftigten im Unternehmen, Größe des Unternehmens, Rechtsform und Branche, Hinweise zur Krisenursache detektiert werden. Die qualitative Krisenursachenforschung hingegen stützt sich auf Meinungen von Expertinnen und Experten und versucht anhand dieser Expertisen in Kombination mit Krisenverläufen allgemein gültige Aussagen zu treffen.
Darüber hinaus werden bei der qualitativen Krisenursachenforschung zwei Unterthemen tituliert. Es handelt sich hierbei um die induzierte und interne Krisenursache (Müller, 1986 , S. 36).
Eine induzierte Krisenursache, auch exogene Krisenursache genannt, liegt dann vor, wenn die Krisenursache durch äußere Veränderungen entsteht. Diese Veränderungen beziehen sich auf das betriebliche Umfeld wie gesättigte Märkte, erhöhte Wettbewerbsintensität, hohe Einkaufspreise des Rohmaterials oder Naturkatastrophen (Brühl, 2004, S. 6). Das Pendant zu den induzierten Krisenursachen ist eine interne Krisenursache und wird auch endogene Ursache genannt. Endogene Krisenfaktoren sind die häufigsten Krisenursachen und lassen sich meist auf Finanzierungsfehler und fachliche sowie soziale Schwächen des Managements zurückführen (Gabath, 2010, S. 22ff).
Für eine bessere Verdeutlichung der eben eingeführten Begriffe und deren Zusammengehörigkeit werden in einer tabellarischen Darstellung die Begrifflichkeiten zusammenführt. Die hierbei angeführten Beispiele beziehen sich auf produzierende Unternehmen und stellen die häufigsten Ursachen in unsortierter Reihenfolge dar. In der linken Spalte sind die Einteilungen Krisenfaktoren, die Häufigkeit und danach die Beispiele aufgetragen. Die mittlere Spalte fasst die induzierten Krisenfaktoren und deren Häufigkeit zusammen. In der rechten Spalte werden die internen Krisenfaktoren und deren Beispiele als auch die Häufigkeit zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Faktoren für Unternehmenskrisen in produzierenden Unternehmen in Anlehnung an Brühl (2004, S. 6)
Dem Thema ist beizufügen, dass durch das Auftreten eines einzelnen induzierten als auch internen Krisenfaktors meist keine Unternehmenskrise folgt. Je mehr Krisenfaktoren gleichzeitig auftreten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Unternehmenskrise.
Interviewpartnerin_1 (Interview, 2020) ergänzt hierzu, dass exogene Krisenfaktoren oftmals leichter und schneller zu erkennen sind als endogene Krisenfaktoren. Zudem muss mit den beiden Krisenfaktoren auch unterschiedlich umgegangen werden. Exogene Krisenfaktoren, wie beispielsweise Illiquidität eines Kunden oder das Wegbrechen eines Lieferanten, werden im Unternehmen rasch erkannt. Im Gegenteil dazu können interne Führungsschwächen, Mobbing oder ähnliches über lange Zeit hinweg unerkannt bleiben und fatale Folgen für ein Unternehmen haben. Bei dem Umgang mit endogene Krisenfaktoren betont Interviewpartnerin_1 (Interview, 2020) zusätzlich die Wichtigkeit der Kommunikation im Unternehmen. Treten induzierte Krisenfaktoren ein, so ist das Management verpflichtet, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Unsicherheit zu nehmen und ihnen Informationen über das weitere Vorgehen zur Verfügung zu stellen. Die Führungsqualität der Führungskräfte spielt hierbei eine tragende Rolle. Die Vernetzung der Abteilungen ist zusätzlich eine Managementaufgabe, die der besseren Kommunikation dienlich ist. Bei endogenen Krisenfaktoren ist zudem die Unternehmenskultur ausschlaggebend. Bei großen Konzernen mit hierarchischen Strukturen ist es eher unwahrscheinlich, dass Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter aus niedrigeren Hierarchien eine Krise aufzeigen. Die Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen kann dies jedoch positiv beeinflussen.
Eine interessante Größe in dieser Betrachtung ist der Mensch selbst. Mit einem statistischen Mittelwert „Mean Time Between Failure“ (kurz: MTBF) kann die durchschnittliche Zeit angegeben werden, die es benötigt, bis wieder ein Fehler gemacht wird. Anders gesprochen kann man durch die MTBF angeben, wie lange ein Mensch fehlerfrei arbeiten kann.
Es kann hierbei in drei Ebenen unterschieden werden:
- Routinetätigkeit
- komplexe Aufgaben ohne Stress
- komplexe Aufgaben mit Stress
Bei Routinetätigkeiten ist die MTBF am größten, darauf folgen komplexe Aufgaben ohne Stress und danach komplexe Aufgaben, die unter Stress ausgeführt werden. Durch Simulationen und Krisenübungen kann der Stresslevel reduziert werden (Rall & Oberfrank, 2013, S. 895). Das Lernen aus Fehlern ist ein Grundstein des organisationalen Lernens (siehe: Organisationales Lernen) und dieses Beispiel veranschaulicht das Zusammenspiel zwischen Krisenbewältigung und organisationales Lernen anhand des menschlichen Faktors. Wie oben angeführt, führt ein einzelner Fehler meist nicht zu einer Unternehmenskrise. Treten jedoch mehrere Fehler binnen kurzer Zeit auf, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Unternehmenskrise. Wird in der gesamten Organisation gelernt, wie man mit Krisensituationen umgeht, so reduziert sich der Stressfaktor und es werden somit weniger Fehler im gleichen Betrachtungszeitraum gemacht und die endogenen Krisenfaktoren reduziert.
Interviewpartner_2 (Interview, 2020) differenziert bei den Krisenfaktoren zusätzlich zwischen zu erwartenden Krisenfaktoren und nicht-zu-erwartenden Krisenfaktoren und geht auf die möglichen Situationen in kleinen produzierenden Unternehmen ein. Ein zu erwartender Krisenfaktor ist beispielsweise die familieninterne Betriebsübernahme. Wird ein Familienbetrieb an die nächste Generation übergeben, so entstehen unweigerlich Spannungsfelder. Einerseits muss der Firmenübernehmer seine Führungsqualitäten im Unternehmen unter Beweis stellen, um die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, andererseits ist auch die Außenwirkung zum Kunden wichtig. Die bestehenden Kunden müssen gehalten werden und neue Kunden akquiriert werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen das Gefühl vermittelt bekommen, dass ihr Arbeitsplatz unter der neuen Leitung sicher ist. Interviewpartner_3 (Interview, 2020) und Interviewpartner_2 (Interview, 2020) gehen hierbei d'accord, dass ein authentischer Führungsstil und klar kommunizierte Ziele positive Auswirkungen auf die Akzeptanz bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben. Interviewpartner_3 (Interview, 2020) warnt hierbei vor leeren Worthülsen als Leitbild. Werte müssen in einem Unternehmen gelebt werden, um sie glaubhaft zu machen.
Als nicht-zu-erwartenden Krisenfaktor führt Interviewpartner_2 (Interview, 2020) einen persönlichen Schicksalsschlag an. Vor allem in kleineren produzierenden Unternehmen laufen viele Kernaufgaben bei einer Person zusammen. Als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer eines kleineren produzierenden Unternehmens ist man oft Planer, Kundenberater, Chef, Einkäufer, Verkäufer und operativer Mitarbeiter in einer Person. Bricht eine solche Person unerwartet aus der Unternehmensstruktur heraus, so hat dies eine Paralyse des gesamten Unternehmens zur Folge. In diesem Fall sind loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Gut in einem Unternehmen. Interviewpartner_2 (Interview, 2020) verweist darauf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in solchen Situationen zu Leistungen neigen, die man ihnen bis dato nicht zugesprochen hätte, und entwickeln Kompetenzen und Eigenverantwortung, wobei er auf das häufige Phänomen der Selbstorganisation in Unternehmenskrisen eingeht (Saur & Ellebracht, 2014, S. 19).
2.2.1 Unternehmenskrisenverlauf
In diesem Kapitel wird nach der Entstehung von Unternehmenskrisen auf den Verlauf von Unternehmenskrisen eingegangen. Laut Krystek (1987) können aus dem Verlauf einer Unternehmenskrise relevante Erkenntnisse im Umgang mit Unternehmenskrisen gewonnen werden. Der Autor geht während des gesamten Krisenverlaufs auf das Lernen aus Unternehmenskrisen ein. Das Lernen aus der Unternehmenskrise ist ein begleitender Prozess der Unternehmenskrise, welcher durchgehend aufrechterhalten werden sollte. Im danach folgenden Kapitel (2.3) wird auf die Wirkungen einer Unternehmenskrise eingegangen.
Ein Unternehmenskrisenverlauf kann in drei Phasen unterteilt werden:
- den Anfang
- den Wendepunkt und
- das Ende der Krise,
Welches - wie in Kapitel (Eigenschaften der Unternehmenskrise) beschrieben - ambivalent ist (siehe Abbildung 2: Krisenverlaufsmodell in Anlehnung an Pohl (1977)).
Einer Unternehmenskrise wird in der Literatur als auch in der Praxis ein Prozesscharakter zugesprochen (Pohl, 1977, S. 6). Sowohl der Beginn einer Unternehmenskrise als auch das Ende unterliegen dem persönlichen Empfinden der betroffenen Akteure. Eine Ausnahme besteht bei juristisch relevanten Kriterien wie Illiquidität oder Überschuldung des Unternehmens. Der Anfang der Krise lässt sich dadurch deuten, dass die von der Unternehmenskrise betroffenen Akteure Entscheidungen als gegeben ansehen, welche nicht mit den Unternehmenszielen einhergehen. Das Ende der Unternehmenskrise ist der Wegfall der Unternehmenskrisenfaktoren. Dies kann der positive Ausgang und somit der Fortbestand des Unternehmens oder aber der Ruin des Unternehmens sein. Im Krisenverlauf wird die Wende als jener Punkt angesehen, an dem der Ausgang der Unternehmenskrise seinen ambivalenten Charakter ablegt. Ab dem Punkt der Wende ist der Ausgang einer Unternehmenskrise entweder positiv oder negativ (Rüsen T. , 2017, S. 53).
Zur Veranschaulichung des Krisenverlaufs wird das Modell nach Pohl (1977) herangezogen. Bei diesem Modell kann die Endgültigkeit des Krisenverlaufs zwar als fragwürdig angesehen werden, jedoch zeigt das Modell die Verlaufsdynamik über die Zeit bei einer Unternehmenskrise und dient somit zum besseren Verständnis zwischen Anfang, Wendepunkt und Ende einer Krise. Anders als bei der Endgültigkeit herrscht Einigkeit darüber, dass es sich bei einer Unternehmenskrise um einen zeitlich begrenzten Prozess handelt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Krisenverlaufsmodell in Anlehnung an Pohl (1977)
Bei dem Model nach Pohl (1977) wird davon ausgegangen, dass sich ein Krisenverlauf zu einer negativen als auch positiven Verlaufsform abändern kann. Dieser Verlauf kann durch Faktoren maßgeblich verändert werden. Der Prozess der Krise kann als hoch dynamisch angesehen werden, was dazu führt, dass die Krisenentwicklung durch sich ändernde Faktoren mehrmals negativ als auch positiv beeinflusst werden kann (Pohl, 1977, S. 100). Je nach Zeitraum, über den sich der Prozessverlauf einer Unternehmenskrise erstreckt, kann der Krisenverlauf charakterisiert werden. Neben der „normalen Krise“ sind die zwei bedeutendsten Verlaufstypen die „schleichende Krise“ und die „Ad-hoc-Krise“. Bei letzterem Krisenverlauf handelt es sich um einen Krisenverlauf mit rascher Beschleunigung und kurzer Krisenprozessdauer. Bei einem Eintreten einer „Ad-hoc-Krise“ kann davon ausgegangen werden, dass das Risiko einer Unternehmensvernichtung wesentlich höher ist als bei anderen Verlaufstypen. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich durch die rasante Entwicklung der Krise die Zeit zur Vorbereitung auf die Unternehmenskrise drastisch reduziert. Mit dem Zeitdruck geht einher, dass vom Management Fehlentscheidungen oder sogar überhaupt keine Entscheidungen zur Bewältigung der Unternehmenskrise getroffen werden (Hülsmann, 2005, S. 45f). Bei der „schleichenden Krise“ handelt es sich um einen langandauenden Krisenprozess. Auch wenn der „Ad-hoc-Krise“ ein größeres Potential zur Unternehmensvernichtung zugesprochen wird, so ist jedoch die Intensivität einer Unternehmenskrise unabhängig vom Verlaufstyp. Darüber hinaus sind bei jedem Verlaufstyp diskontinuierliche als auch kontinuierliche Verläufe möglich (Töpfer, 2009, S. 180). Wie in Kapitel (1) beschrieben ist das mediale Interesse an Krisen außerordentlich hoch. Beim Auftreten einer „Ad-hoc-Krise“ kann die „Ad-hoc-Meldung“ sowohl organisationsintern als auch organisationsextern sehr hilfreich sein. Es handelt sich hierbei um eine Krisenkommunikationsform, bei welcher ein Kurztext mit wenigen Zeilen an die Medien und Organisationsmitglieder weitergegeben wird, in welchem erklärt wird, dass eine Krisensituation eingetreten ist. Zusätzlich soll in einer „Ad-hoc-Meldung“ angegeben sein, über welche Kommunikationskanäle weitere Informationen über den Fortlauf der Unternehmenskrise kommuniziert werden (Steinke, 2018, S. 117). Durch die rasche und klare Kommunikation lassen sich zudem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leichter für einen Veränderungs- beziehungsweise Lernprozess gewinnen. Informationen über die Krisensituation müssen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, egal in welcher Form dies geschieht. Durch die Kommunikation der derzeitigen Lage steigt die Identifikation mit dem vom Management gewählten Lösungsansatz (Interviewpartnerin_1, Interview, 2020). Bei der unternehmensinternen als auch unternehmensexternen Kommunikation muss laut Interviewpartner_3 (Interview, 2020) auf die verwendete Sprache beachtet werden. Die Sprache sollte an die Zielpersonen angepasst sein und die wesentlichen Inhalte sollten klar kommuniziert werden. In Bezug auf Unternehmenskrisen bei produzierenden Unternehmen geht Interviewpartner_4 (Interview, 2020) auf die Kommunikation in der Supply Chain ein. Zusätzlich spricht Interviewpartner_4 (Interview, 2020) bei Unternehmenskrise von der Notwendigkeit der Abteilungsvernetzung. Als Beispiel wird hierbei das Zusammenspiel zwischen Einkauf, Planung und Kundenservice beziehungsweise Verkauf während der Covid-19-Pandemie in einem großen produzierenden Unternehmen mit internationalen Kunden genannt. Während einer solchen global wirkenden Krise können Rohmaterialen durch Lieferengpässe begrenzt sein, die Kapazitäten in der Produktion durch Maßnahmen zum gesundheitlichen Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angepasst werden oder Kunden zur Gänze wegbrechen. Folgende Fragen müssen abteilungsübergreifend beantwortet werden: Woher und in welcher Menge kann Rohmaterial bezogen werden? Welche Produkte können in welcher Menge gefertigt werden? Welche Produktionsreihenfolge sollte umgesetzt werden, um möglichst viele und vor allem wichtige Kunden zu befriedigen? Von welchen Kunden können weitere Bestellungen erwartet werden?
Da sich in der Krisenforschung mehrere unterschiedliche Ansätze und Modelle zum Verlauf von Unternehmenskrisen entwickelt und etabliert haben, werden zur Diskussion des Verlaufs einer Unternehmenskrise die zwei in der Literatur bedeutendsten Ansätze herangezogen (Pinkwart, Kolb, & Heinemann, 2005).
Bei den beiden Modellen handelt es sich um das Modell nach Müller (1986) und um das Modell von Krystek (1987). Zu Beginn werden die einzelnen Modelle erläutert und im Anschluss zusammengeführt und die Gemeinsamkeiten als auch Disparitäten der beiden Phasenmodelle bearbeitet. Im Besonderen wird auf das Lernen aus Unternehmenskrisen in den jeweiligen Phasen eingegangen.
2.2.2 Phasenmodell nach Müller
Das Phasenmodell von Müller (1986) klassifiziert Krisenarten und ordnet sie nach der Bedrohung von unternehmerischen Zielen. Zusätzlich wird auf die verbleibende Zeit zur Krisenbewältigung eingegangen. Darunter wird jene Zeit verstanden, die noch zur Vermeidung der Unternehmenskrise zur Verfügung steht. Ebenso wie im Phasenmodell nach Krystek (1987) wird zwischen vier Phasen unterschieden.
- Den Ausgangspunkt und somit die erste Phase bildet die „strategische Krise“. In der strategischen Krise sind langfristige Erfolgspotenziale des Unternehmens substantiell gefährdet. In der ersten Phase sind die Auswirkungen auf die Kennzahlen im Unternehmen noch nicht wahrnehmbar. Die Personen im Unternehmen nehmen noch keine Unternehmenskrise wahr. Dies begründet Müller (1986) ebenso wie Pohl (1977) durch die subjektive Wahrnehmung der betroffenen Akteure. Die Bedrohung ist jedoch bereits im Verborgenen vorhanden und sie kann bereits mit den richtigen Analyseinstrumenten prognostiziert werden.
- In der zweiten Phase beschreibt Müller (1986) die „Erfolgskrise“. Bei der Erfolgskrise werden Erfolgsgrößen negativ beeinflusst. Es handelt sich hierbei um Erfolgsgrößen wie Umsatz, Gewinn und Rentabilität. In der Erfolgskrise kann das Unternehmen den Krisenprozess noch beherrschen
- Wenn die Erfolgsziele dauerhaft verfehlt werden und das betroffene Unternehmen mit Überschuldung und Illiquidität kämpft, wird laut Müller (1986) von einer „Liquiditätskrise“ gesprochen. Die Liquiditätskrise ist in diesem Model die dritte Phase und bringt eine erhebliche Existenzgefährdung des Unternehmens mit sich. Wird den Zahlungsverpflichtungen nicht nachgegangen, so steigt das Potenzial der kompletten Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens.
- Als letzte Phase wird die „Insolvenz“ beschrieben. In diesem Stadium können die Gläubigerinnen- und Gläubigerziele nicht mehr bedient werden. Das Insolvenzrecht sieht zwar eine gerichtliche Sanierung vor, jedoch kann es bis zur Liquidation des Unternehmens kommen. Dies bedeutet den unternehmerischen Untergang und somit einen negativen Ausgang der Unternehmenskrise.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Vier-Phasenmodell angelehnt an Müller (1986 , S. 56)
Vergleicht man die zwei Modelle der Autoren Müller (1986) und Krystek (1987) so fällt auf, dass beide mit dem Fortschreiten einer Unternehmenskrise einen steigenden Handlungsdruck auf das Unternehmen beschreiben. Auf die Lösungsansätze, welche in Abbildung 3 dargestellt und als Krisenmanagement beschrieben werden, wird in Kapitel 3.3.1.1 detailliert eingegangen.
2.2.3 Phasenmodell nach Krystek
In diesem Abschnitt wird das Phasenmodel von Krystek (1987) beschrieben. Bei diesem Phasenmodell werden mehrere Dimensionen des Krisenprozesses miteinander verbunden. Das Modell baut einerseits auf sogenannte Aggregatszustände und andererseits auf die Beeinflussbarkeit von Krisen auf. Die einzelnen Phasen werden im nächsten Abschnitt erläutert und referenzieren auf die grafische Darstellung des Vier-Phasenmodells nach Krystek (Abbildung 4). Das Phasenmodell nach Krystek lässt sich in folgende Phasen unterteilen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Vier-Phasenmodell nach Krystek (2007, S. 49)
1. Potenzielle Unternehmenskrise
Der Beginn der Unternehmenskrise wird mit der Phase der potenziellen Unternehmenskrise betitelt. An diesem Punkt ist noch keine erkennbare Bedrohung des Unternehmens gegeben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass noch keine Krisensymptome zu verspüren sind. Auch wie bei Rüsen (2017) und Pohl (1977) wird in der ersten Phase davon ausgegangen, dass es sich beim Beginn einer Krise um ein subjektives Empfinden der Beteiligten handelt. Dies ist in Abbildung 4: Vier-Phasenmodell nach Krystek (2007, S. 49) in der ersten Phase dadurch erkennbar, dass sich die Identifikation von relevanten Unternehmenskrisen als schwierig erweist. In dieser Phase kann noch von einem Normalzustand im Unternehmen gesprochen werden. In der potenziellen Unternehmenskrise wird durch treulose oder gar fehlende strategische Entscheidungen die Basis für einen darauffolgenden Krisenausbruch geschaffen. Interviewpartner_3 (Interview, 2020) erwähnt hierbei eine Besonderheit, die auf die Unternehmenskultur zurückzuführen ist. Bei der Übergabe von Familienbetrieben kann der Grundstein zur Offenheit für Fehler gelegt werden. Gesteht sich die Vorgängerin oder der Vorgänger ein, dass sie oder er auch Fehler gemacht haben, ist es für die nachfolgende Generation leichter, auch Fehler zu akzeptieren. Familienbetriebe, die als verherrlichtes und scheinbar makelloses Imperium übergeben werden, neigen oft dazu, dass sie Unternehmenskrisen nicht wahrhaben wollen und diese so lange negieren, bis die Handlungsoptionen für eine positive Krisenbewältigung oftmals zu gering sind. Eine offene Fehlerkultur ist zur Detektion von Unternehmenskrisen förderlich.
2. Latente Unternehmenskrise
Bei der latenten Unternehmenskrise ist eine Unternehmenskrise entweder bereits vorhanden, aber nicht erkennbar oder es ist die Wahrscheinlichkeit eines Eintretens einer Unternehmenskrise sehr hoch. Ein von einer latenten Unternehmenskrise betroffenes Unternehmen kann die Wirkung der Unternehmenskrise mit herkömmlichen Informationsinstrumenten nicht identifizieren. Der Krisenprozess kann aus diesem Grund bei Verwendung von geeigneten Früherkennungsmaßnahmen durch präventive Schritte noch aktiv gelenkt werden. Aus der angeführten Grafik (Abbildung 4) kann abgeleitet werden, dass noch kein Handlungs- und Entscheidungszwang besteht. In dieser Phase steht dem betroffenen Unternehmen noch ein großes Repertoire an Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wegen der soeben genannten Punkte wird dieser Phase eine besondere Bedeutung beim aktiven Krisenmanagement zugesprochen.
3. Akut/beherrschbare Unternehmenskrise
In der Phase der akut/beherrschbaren Unternehmenskrise wird die Krise auch als solche von den Akteuren eindeutig durch die kritische Entwicklung der Erfolgsfaktoren erkannt. Es ist der Zeitpunkt, an dem die beteiligten Personen auch von einer Unternehmenskrise sprechen. Miteinher geht die destruktive Wirkung der Unternehmenskrise auf das betroffene Unternehmen. Damit entfällt die Früherkennungsthematik aus den vorherigen zwei Punkten. In der Phase der akut/beherrschbaren Unternehmenskrise erhöht sich der Zeitdruck und der Entscheidungsdruck steigt rapide an. Dies wird durch die Intensität der realen Auswirkungen auf das Unternehmen herbeigeführt. Eine konstruktive Bewältigung der akut/beherrschbaren Unternehmenskrise wird angenommen, jedoch reduzieren sich durch das Fortschreiten des Krisenprozesses die Handlungsmöglichkeiten des Unternehmens. Da noch genügend Krisenbewältigungspotential zur Verfügung steht, kann selbst noch im Krisenfall der Insolvenz die Unternehmenskrise überwunden werden.
4. Akut/nicht beherrschbare Unternehmenskrise
Ist eine Bewältigung der akut/beherrschbaren Unternehmenskrise nicht möglich, so kommt es zur vierten Phase. Der Krisenprozess ist nun in seiner letzten Phase und wird nach Krystek (1987) als akut/nicht beherrschbare Unternehmenskrise tituliert. Nun wird die bis dato beherrschbare Situation zu einer Katastrophe für das Unternehmen. Die unternehmensrelevanten Ziele entgleiten und die Krisenbewältigungsanforderungen überschreiten das Krisenvermeidungspotential.
Anzumerken ist, dass das Vier-Phasenmodell nach Krystek (1987) eine Vermeidbarkeit von Unternehmenskrisen unterstellt. Das chronologische Durchlaufen aller Phasen ist somit nicht von vornherein bestimmt. In den ersten drei Phasen wird davon ausgegangen, dass genügend Krisenvermeidungspotential vorhanden ist, um dem drohenden Unternehmensuntergang zu entgehen. Werden Maßnahmen zur Unternehmenskrisenprävention falsch oder nicht eingesetzt, so können sich sowohl potenzielle, latente als auch akut/beherrschbare Unternehmenskrisen bis zur Unternehmensvernichtung fortziehen.
Krystek (1987) ist der erste Autor, der auch das Lernen aus der Krise in den Krisenprozessverlauf miteinbezieht. In dem vorhin beschriebenen Modell (Abbildung 4) wird es als zweite Dimension und nicht als Phase verstanden. Besonders zu betonen ist, dass sich das Lernen aus der Unternehmenskrise über den gesamten Krisenverlauf erstreckt. Durch die von Pohl (1977) beschriebene Dynamik einer Krise ist es ratsam, nicht erst nach der Krisenbewältigung mit dem Lernen aus der Unternehmenskrise zu beginnen. Das Ableiten von wichtigen Erkenntnissen ist bei allen Phasen einer Unternehmenskrise sinnvoll.
Einerseits können die erlangten Erkenntnisse für die folgenden Krisenphasen wichtig sein, andererseits können die gewonnenen Erkenntnisse zur Vermeidung von möglichen darauffolgenden Unternehmenskrisen Bedeutung haben (Krystek & Lentz, 2013, S. 40).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Vergleich der Krisenprozesse Krystek und Müller (Klein, 2008, S. 23)
Um diese zwei bedeutsamen Modelle vergleichbar zu machen, wird sich der Darstellung von Klein (2008) bedient. Es zeigt die Überlappungen zwischen den Phasen der unterschiedlichen Phasenmodelle. Während des Durchlebens des Krisenverlaufs geht jedoch nur Krystek auf das Lernen aus Krisen ein. Der Autor Müller (1986) geht bei seinem Phasenmodell lediglich von einer Zeitspanne bei jeder Phase aus, die zur Verfügung steht, um Handlungen zu setzen. Legt man die beiden Modelle wie bei Klein (2008) untereinander, so kann auch bei Müller (1986) die zeitliche Dimension unterstellt werden. Durch den Vergleich der Krisenprozesse (Abbildung 5) kann dargestellt werden, dass sowohl bei den von Krystek (1987) definierten Phasen als auch bei den von Müller (1986) definierten Phasen ein Lernen aus der Unternehmenskrise möglich und auch empfehlenswert ist.
Die Betrachtung einer Unternehmenskrise anhand von Phasen birgt sowohl Risiken als auch Chancen. Für die Krisenbewältigung während einer Krise ist ein Phasendenken aus dem Gesichtspunkt förderlich, dass die betroffenen Akteure zu unterschiedlichen Phasen unterschiedliche Maßnahmen zu treffen haben (Coombs, 2012, S. 6). Darüber hinaus wurde die Sichtweite auf den Krisenprozess erweitert. Eine wichtige Phase, die sowohl bei dem Phasenmodell nach Müller (1986) als auch nach Krystek (1987) ergänzt werden kann, ist die Phase der „nicht Krise“ oder „nicht mehr Krise“. Diese Phase beziehungsweise Phasen definieren den Normalzustand im Unternehmen (Neubauer, 1999, S. 8f).
Die Darstellung eines Krisenverlaufs anhand von zeitlich dimensionierten Phasen bringt jedoch mit sich, dass Wahrnehmungsprobleme der einzelnen Phasen auftreten können. Dies hat zur Folge, dass von den betroffenen Personen zur falschen Zeit die falschen Handlungen gesetzt werden. Neben der eben genannten Problematik kommt der psychologische Aspekt hinzu. Durch das Wahrnehmungsproblem kann es zu Verdrängungsmechanismen oder zur Dramatisierung der tatsächlichen Lage kommen (Baetge, 2015, S. 19ff).
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- Arbeit zitieren
- Paul Rusch (Autor:in), 2020, Kriterien für organisationales Lernen aus Unternehmenskrisen in produzierenden Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/921908
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