Die Arbeit beschäftigt sich mit verschiedenen Formen der Gesundheitsförderung und Präventionsarten. Zu Beginn werden daher die Konzepte Salutogenese und Pathogenese erläutert. Anschließend wird genauer auf die Bedeutung einer gesundheitsorientierten Lebensführung eingegangen, um im dritten Teil der Arbeit Präventionsarten darzustellen, die die Gesundheit fördern.
Inhaltsverzeichnis
1 Teilaufgabe 1: Gesundheitsförderung und Prävention
1.1 Pathogenetische Perspektive
1.2 Salutogenetische Perspektive
1.2.1 Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
1.2.2 Kohärenzsinn
2 Teilaufgabe 2: Gesundheitsorientierte Lebensführung
2.1 Handlungsfähigkeit
2.2 Handlungsbereitschaft
2.3 Persönliche Eigenschaften
3 Teilaufgabe 3: Präventionsarten
3.1 Primärprävention
3.2 Sekundärprävention
3.3 Tertiärprävention
Literaturverzeichnis
Internetquellen
1 Teilaufgabe 1: Gesundheitsförderung und Prävention
Im folgenden Kapitel sollen die beiden grundlegenden Konzepte zu Gesundheitsförderung und Prävention, nämlich die Salutogenese und die Pathogenese erläutert werden, sodass sich ihre Unterschiede erkennen lassen. Das Unterkapitel 1.1 befasst sich dabei mit der pathogenetischen Perspektive der Prävention, bei der es um die Vermeidung von Gesundheitsrisiken geht, während Unterkapitel 1.2 das gesundheitsfördernde Konzept der Salutogenese thematisiert, das sich auf die Stärkung der Gesundheitsressourcen konzertiert.1 Daran anknüpfend werden sowohl das Gesundheits-Krankheitskontinuum als auch der Kohärenzsinn definiert.
1.1 Pathogenetische Perspektive
Der Begriff der Pathogenese setzt sich aus den griechischen Wörtern pathos (zu deutsch: Krankheit) und genesis (zu deutsch: Entstehung) zusammen und beschreibt somit die Krankheitsentstehung. Die pathogenetische Perspektive bezieht sich demnach auf die ursächlichen Risikofaktoren für das Entstehen einer Krankheit. Die Leitfrage nach der Entstehung von Krankheit orientiert sich also an den Risikofaktoren.2 Gesundheit und Krankheit befinden sich hierbei in einem dichotomen Verhältnis zueinander, das heißt, dass sie sich gegenüberstehen und ergänzen. Damit die Risikofaktoren identifiziert werden können, betrachtet die Pathogenese physische Veränderungen auf mehreren unterschiedlichen Ebenen wie beispielsweise Organe, Gewebe oder Zellen. Abweichungen vom einheitlich definierten Normalzustand des Körpers werden als Krankheit interpretiert.3 Da Gesundheit aus medizinischer Sicht auch heute noch als die Abwesenheit von Krankheit definiert wird, dominiert die pathogenetische Sichtweise den Großteil der modernen Gesundheitsforschung.4
Das pathogenetische Gesundheitsmodell geht davon aus, dass sich ein Mensch entweder als gesund oder als krank einstufen lässt, wobei kranke Menschen einer Krankheitskategorie zugeordnet werden müssen, um sie ärztlich zu behandeln. Jede Krankheit weißt einen zugrunde liegenden, ursächlichen Zusammenhang auf, der entweder wie ein biologischer Erreger von außen in den Organismus eindringt oder in Form von genetischen Defekten sowie physikalischen Traumen im Körper selbst entsteht. Jede medizinisch diagnostizierte Krankheit wird im Rahmen der Pathogenese mit einer spezifischen Therapieform behandelt. Die Aufgabe, Krankheiten zu erkennen und zu behandeln, fällt heutzutage der Medizin zu, wie zum Beispiel in Form von Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen oder auch medizinischen Forschungsinstitutionen.5
Die beiden umfassendsten Krankheitsmodelle, die dem Paradigma der Pathogenese zugeordnet werden können, sind das biomedizinische und das biopsychosoziale Modell. Dem biomedizinischen Modell zufolge ist Gesundheit oder Krankheit eindeutig feststellbar, da Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit interpretiert wird. Nur wenn ein Mensch die festgelegten diagnostischen Kriterien einer Krankheit erfüllt, erfährt er eine Diagnose und wird als krank eingestuft. Auch wenn die moderne Medizin den hohen Einfluss von Lebensgewohnheiten oder Umweltbedingungen auf die Gesundheit nachgewiesen hat und anerkennt, dass das dichotome Verhältnis zwischen Gesundheit und Krankheit nicht aufrechterhalten werden kann, ist das biomedizinische Modell dennoch weit verbreitet.6 Aus Kritik entwarf Engel im Jahre 1977 das biopsychosoziale Modell, welches als Erweiterung neben den biologischen Faktoren außerdem noch psychische und soziale Dimensionen miteinbezieht.7 Auch wenn sich beide Modell auf Krankheiten beziehen, nähert sich das biopsychosoziale Modell eher der Salutogenese an, indem es Schutzfaktoren und Widerstandsressourcen in den Fokus nimmt.8 Im folgenden Kapitel wird die salutogenetische Sichtweise weiter ausgeführt und mit den Ansätzen der Pathogenese verglichen.
1.2 Salutogenetische Perspektive
Der Begriff der Salutogenese ist auf den Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923-1994) zurückzuführen und setzt sich aus dem lateinischen Wort salus (zu deutsch: Gesundheit) und dem griechischen Wort genesis zusammen. Demnach fokussiert sich die salutogenetische Perspektive hauptsächlich auf die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit. Das Konzept der Salutogenese wurde erstmalig von Antonovsky in seinen beiden Werken „Health, Stress and Coping“ (1979) und „Unraveling the Mystery of Health. How People Manage Stress and Stay Well“ (1987) vorgestellt.9
Antonovsky geht in seinen Ausführungen davon aus, dass es sich bei Gesundheit und Krankheit nicht um dichotome Gegensätze handelt, sondern vielmehr um zwei Extrempunkte eines sich ständig verändernden Kontinuums. Solange ein Mensch noch nicht gestorben ist, muss er folglich in einem gewissen Ausmaß noch gesund sein. Die Position auf diesem Kontinuum ändert sich jedoch ständig und sollte daher zu mehreren Zeitpunkten untersucht werden. Gesundheit als ein Normalzustand und Krankheit als die Abweichung vom Normalzustand stellt für Antonovsky demnach keine logische Option dar, da er davon ausgeht, dass der Mensch über sein Leben hinweg kontinuierlich Stressoren ausgesetzt ist, die der Gesundheit schaden könnten.10 Anstatt von einem Gleichgewicht der physischen Körperfunktionen auszugehen, erläutert Antonovsky in seinen Ausführungen zur Salutogenese einen Zustand der Heterostase, also ein Ungleichgewicht innerhalb des Körpers, bei dem der Organismus willentlich zur Unordnung drängt. Das Grundprinzip des menschlichen Lebens ist für ihn daher nicht die Erhaltung des inneren Gleichgewichts, sondern das ständige ausbalancieren des Ungleichgewichts.11 Diesen Umstand beschreibt Antonovsky mit dem sogenannten health-ease-dis-ease-continuum,12 welcher im nachfolgenden Unterkapitel erneut aufgegriffen und genauer erläutert wird.
Die drei zentralen Bereiche, die auf diesem Kontinuum wirken, sind die Widerstandsressourcen, der Kohärenzsinn und die gesellschaftlichen Voraussetzungen und Ressourcen. Mithilfe verschiedener Widerstandsressourcen, welche sich auf körperliche und geistige Fähigkeiten, aber auch auf finanzielle Ressourcen beziehen, kann ein Individuum versuchen, sich überwiegend in der Nähe des Extrempunktes der Gesundheit zu bewegen. Auf gesellschaftlicher Ebene kann hingegen ein positives soziales Umfeld oder eine gute Schulbildung, als Widerstandsressource gegenüber Risikofaktoren dienen. Um die Anpassungsleistung an diese unberechenbaren äußeren Belastungsfaktoren steigern zu können, sollte ein Mensch die Überzeugung besitzen, das eigene Leben nach eigenen Vorstellungen kontrollieren und gestalten zu können. Diese Fähigkeit wird mit dem Kohärenzsinn umschrieben, welcher ebenfalls weiter unten näher definiert wird.13
Nach Antonovsky lässt sich der Unterscheid zwischen der Salutogenese und der Pathogenese mithilfe von fünf verschiedenen Aspekten konkret aufzeigen. Der erste Aspekt ist die Art der Klassifizierung eines gesundheitlichen Zustands. Während ein Organismus aus der pathogenetischen Perspektive entweder als krank oder gesund klassifiziert wird, geht die Salutogenese davon aus, dass der aktuelle Gesundheitszustand eines Menschen irgendwo zwischen den beiden Extrempunkten der maximalen Gesundheit und der maximalen Krankheit liegt und sich auf diesem Kontinuum in konstanter Bewegung befindet. Ein weiterer Aspekt, der zu unterscheiden ist, sind die Individuen, denen sich die Forscher widmen. In der Pathogenese steht der kranke Patient im Mittelpunkt, da es hierbei darum geht, die Krankheitsentstehung zu ergründen. Weil der Fokus der Salutogenese jedoch auf der Entstehung und Erhaltung der Gesundheit liegt, werden hier alle Menschen untersucht, um festzustellen warum sich eine Person auf dem Kontinuum entweder in Richtung Krankheit oder in Richtung Gesundheit bewegt. Außerdem lassen sich Unterschiede bei den zentralen Kausalfaktoren feststellen. Während sich die Forscher bei der Pathogenese auf die Risikofaktoren und Stressoren konzentrieren, die eine Krankheit verursachen können, stehen aus salutogenetischer Sichtweise die verschiedenen Ressourcen zur Erhaltung oder Verbesserung der Gesundheit im Fokus. Zudem werden die Stressoren von der Salutogenese nicht nur als krankheitsverursachende Risikofaktoren verstanden, sondern auch als positiv wahrgenommen, da sie gesundheitsförderliches Verhalten hervorrufen können. Als letzten zu unterscheidenden Aspekt nennt Antonovsky die jeweiligen Ziele beider Ansätze. So sind die Anhänger der Pathogenese stets bemüht, für jede Krankheit eine spezifische Behandlungsmethode zu entwickeln, während die Forscher der Salutogenese eine Stärkung der Widerstandsressourcen anstreben.14
1.2.1 Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Wie bereits erwähnt, geht Antonovsky in der salutogenetischen Perspektive davon aus, dass sich Gesundheit und Krankheit als zwei Extrempunkte auf einem Kontinuum gegenüberstehen. Er umschreibt seinen Denkansatz mit der Metapher eines Flusses, in dem sich die Menschen ihr gesamtes Leben befinden. Dieser Fluss hat unterschiedliche Eigenschaften wie Biegungen, Geschwindigkeitswechsel, Strömungen oder Strudel, welche das Schwimmen zu bestimmten Zeiten erschweren könnten. Unter welchen Voraussetzungen eine Person ein guter Schwimmer werden kann, versucht Antonovsky dabei mit seinen Forschungen herauszufinden.15 Für ihn stellt das menschliche Leben demnach einen Fluss dar, welcher stets voller Herausforderungen und Gefahren ist.
Antonovsky geht in seinen Formulierungen zur Salutogenese nicht von spezifischen Erkrankungen aus, sondern vielmehr von persönlichen Empfindungen und einem gesundheitsbezogenen Wohlbefinden. Dieses theoretische Konzept stellt er auf seiner eigenen, abgewandelten Version des Gesundheits-Krankheits-Kontinuums dar, nämlich dem health-ease-dis-ease-continuum.16 Das Kontinuum besteht also aus dem Pol der völligen Gesundheit, Zufriedenheit und des Wohlbefindens (health-ease) sowie aus dem Pol der völligen Abwesenheit von Gesundheit und Wohlbefinden (dis-ease). Dabei können diese beiden Extrempole von lebenden Menschen niemals erreicht werden, da jedes Individuum, auch wenn es sich gesund fühlt, prinzipiell in gewissem Maße krank ist, genauso wie Teile von ihm stets gesund sein müssen, solange der Organismus noch lebt, auch wenn er sich krank fühlt.17 Um auf die Metapher des Flusses zurückzukommen, entspricht die individuelle Fähigkeit gut schwimmen zu können, dem Kohärenzsinn, einer Persönlichkeitseigenschaft und zentralem Bestandteil im Modell der Salutogenese, der im folgenden Unterkapitel thematisiert werden soll.
1.2.2 Kohärenzsinn
Der Kohärenzsinn wird als eine dynamische Grundhaltung gegenüber dem eigenen Leben definiert, der es einem Individuum ermöglicht, die interne und externe Umwelt als zusammenhängend und vorhersagbar sowie sinnvoll zu erleben.18 So kann es bei verschiedenen Menschen, die unter den gleichen äußeren Bedingungen leben, dennoch zu unterschiedlichen Gesundheitszuständen kommen. Hierbei spielt der Kohärenzsinn eine entscheidende Rolle, da dieser darüber entscheidet, wie gut eine Person die zur Verfügung stehenden Ressourcen einsetzen kann, um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu steigern. Der Grundgedanke hinter dem Kohärenzsinn ist, dass je ausgeprägter er bei einem Menschen ist, desto wahrscheinlicher ist die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit. Spezifische Situationen oder Rollen haben dabei keinen Einfluss auf die Stärke des Kohärenzsinnes. Wie oben erwähnt, definiert Antonovsky den Kohärenzsinn als eine dynamische Grundeinstellung, da er durch die verschiedenen Lebenserfahrungen mitgestaltet und bestätigt wird und dadurch stabil und fortwirkend bestehen bleibt.19
Der Kohärenzsinn setzt sich aus den folgenden drei Gefühlkomponenten zusammen: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit. Das Gefühl von Verstehbarkeit ermöglicht es einem Menschen, seine Umwelt als kognitiv nachvollziehbar einzuschätzen, sodass sie geordnet, konsistent und erklärbar erscheint. Personen mit einem ausgeprägten Gefühl von Verstehbarkeit können sogar unerwartete Ereignisse in ihr Leben einordnen und erklären. Das Gefühl von Handhabbarkeit bildet die zweite Komponente und beschreibt das Ausmaß, in dem sich ein Mensch in der Lage fühlt, eine Herausforderung mithilfe der zur Verfügung stehenden Ressourcen zu bewältigen. Wenn eine Person ein hohes Maß an Handhabbarkeit besitzt, wird sie sich von schlechten Erlebnissen im Laufe des Lebens nicht negativ beeinflussen lassen. Diese Überzeugung, die Dinge bewältigen zu können, gewährt es dem Individuum, den möglicherweise auftretenden Trauerprozess schnell und effektiv zu überwinden. Das Gefühl von Sinnhaftigkeit bildet die letzte Komponente und bestimmt die Stärke des Kohärenzsinnes. Hiermit können Menschen bestimmte Lebensbereiche als besonders bedeutsam herausstellen, für welche sie sich auf emotionaler Ebene einsetzen würden. Dadurch bauen sie gewisse Sinnbezüge zu diesen Bereichen auf, die in konkreten Handlungszielen resultieren.20
2 Teilaufgabe 2: Gesundheitsorientierte Lebensführung
Gesundheitsförderung ist stets auch mit dem eigenen Interesse an Gesundheit verbunden. Die Entwicklung und Pflege einer gesundheitsorientierten Lebensführung ist somit ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitserhaltung und -entstehung. Die folgenden drei Unterkapitel beschäftigen sich daher mit den Voraussetzungen, die für eine gesundheitsorientierte Lebensführung bedeutend sind, nämlich der Handlungsfähigkeit, der Handlungsbereitschaft und den persönlichen Eigenschaften. Sie beruhen auf Modellen zur Gesundheitskompetenz und lassen sich mit verschiedenen Aspekten in Verbindung bringen, die nachfolgend definiert und mit Beispielen nachdrücklich erläutert werden.
2.1 Handlungsfähigkeit
Die Handlungsfähigkeit bildet die kognitive Basis und damit das erste Feld der gesundheitsorientierten Lebensführung und umfasst explizites und implizites Wissen sowie spezielle Fertigkeiten.21 Um sich einen gesundheitsorientierten Lebensstil aneignen zu können, muss das Individuum vorerst, als Basis für konkrete Handlungen, grundlegendes Wissen über den Sachverhalt erlernen.22
Explizites Wissen ist dadurch gekennzeichnet, dass es beim Erwerb, Aufbau und Abruf bewusste und absichtliche Aufmerksamkeit erfordert. Wissen, welches bewusst und mit Absicht gelernt wird, ist zwangsläufig leichter wiederzugeben. Je stärker man es fixieren, reflektieren und anderen mitteilen kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer gelungenen und vollkommenen Aufmerksamkeitszuwendung. Daher ist die Möglichkeit, erlerntes Wissen auf mündliche oder schriftliche Art und Weise zu fixieren und zu einem späteren Zeitpunkt anderen mittzuteilen, ein charakteristisches Merkmal von explizitem Wissen. Der Erwerb erfolgt dabei entweder formal oder nicht-formal. Der explizite Wissenserwerb durch formale Lernstrategien bezieht sich generell auf Bildungs- oder Ausbildungsinstitutionen, wo Lernziele und Lernzeit vorgegeben sind und Lernförderung angeboten wird. Nicht-formales Lernen fundiert zwar ebenfalls auf systematische Lernziele, Lernzeiten und Lernmittel, jedoch außerhalb einer Bildungs- oder Ausbildungsinstitution stattfindet.23 Ein Beispiel für explizites Wissen wäre demnach Fakten- oder Methodenwissen bezüglich wissenschaftlich fundierter Theorien oder Annahmen zu gewissen Themen. In Bezug auf eine gesundheitsorientierte Lebensführung lässt sich folgendes konkretes Beispiel nennen: Der generelle Konsum von Tabakwaren kann, abhängig von der konsumierten Menge, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Lungenkrebs verursachen oder eine andere tödliche Krankheit zur Folge haben. Der verzichte auf jegliche Drogen im Allgemeinen verbessert grundsätzlich die Perspektive auf hohe Gesundheit.
Demgegenüber steht das implizite Wissen, welches keine bewusste oder absichtliche Aufmerksamkeit beim Erwerb, Aufbau und Abruf erfordert. Dies hat zur Folge, dass das erworbene Wissen nur mit besonderer Anstrengung und Konzentration mündlich sowie schriftlich fixierbar und anderen mitteilbar gestaltet werden kann. Das implizite Wissen wird in informeller Form meist als eine Erfahrung im Alltag, am Arbeitsplatz oder im Freundes- und Familienkreis auf beiläufige Weise ohne Lernziel, Lernzeit oder Lernförderung erworben.24 So kann es in verschiedenen Situationen zu unerwartetem und unbemerktem Lernen kommen. Der Alltag bietet ständig neuen Herausforderungen, bei denen man stets Fehler begeht und für zukünftige Aufgaben daraus lernen kann. Das altbekannte Sprichwort: „An apple a day keeps the doctor away.“, eignet sich hierbei als Beispiel für typisches Alltagswissen über gesundheitsförderliches Verhalten.
Die letzte Komponente der Handlungsfähigkeit bilden die speziellen Fertigkeiten, welche von Hacker als kognitiv verfestigte und automatisierte Tätigkeitsabläufe bezeichnet werden, die eine Person durch andauernde Übung erwerben kann.25 Die Fertigkeit kann ganz ohne bewusste Zuwendung ausgeführt werden, wodurch jedoch die Ausführungsweise ebenfalls nicht mehr nachvollziehbar erscheint. Während der Ausführung gehen die einzelnen Tätigkeitsschritte ohne Pausen unerkenntlich ineinander über, sodass Außenstehende nur einen ganzheitlichen Bewegungsablauf wahrnehmen können. Dabei sind diese Abläufe wegen der Automatisierung wesentlich anfälliger für Störungen, als bewusst durchgeführte Tätigkeiten. Dadurch, dass die speziellen Fertigkeiten überwiegend gedankenlos angewendet werden, lassen sie sich als Werkzeug für schwierigere Aufgaben nutzen, bei denen eine bewusste Aufmerksamkeit gefordert ist. Es bleibt jedoch zu bedenken, dass diese Fertigkeiten nur mit Erfahrung und kontinuierlicher Wiederholung ausgebildet werden können und nicht auf andere Personen übertragbar sind.26 Eine weitverbreitete spezielle Fertigkeit von den meisten Menschen ist das Autofahren. Hierbei erfolgt die Bedienung des Kraftfahrzeugs ebenfalls automatisiert und überwiegend komplett unbewusst, da sich die Aufmerksamkeit primär auf den Verkehr richtet. Das Beispiel lässt sich auch auf das Fahrradfahren übertragen, welches bei regelmäßiger Ausführung zu einer gesundheitsorientierten Lebensführung beträgt.
Gesundheitssysteme haben einen effektiveren Einfluss auf Menschen mit ausgebildeter Handlungsfähigkeit, da diese beispielsweise öffentliche Angebote zur Steigerung der Gesundheit eher wahrnehmen werden. Sie verfügen über die notwendigen Wissensbereiche, um bestimmte Kompetenzen entwickeln und ihre Lebensführung an einem gesundheitsorientierten Maßstab ausrichten zu können. Die motivationalen Aspekte lassen sich in der Handlungsbereitschaft wiederfinden, die im Folgenden thematisiert wird.
2.2 Handlungsbereitschaft
Die Handlungsbereitschaft ergänzt das kognitive Wissen der Handlungsfähigkeit, indem es auf persönlicher Ebene die Handlungskompetenz eines Individuums durch Werte, normative Einstellungen, Verantwortungsübernahme und Kontrollüberzeugung mitgestaltet, sodass sich die Motivation zu gesundheitsorientiertem Verhalten steigern und festigen kann. Die Ausbildung dieser Komponenten wird zudem von verschiedenen Emotionen begleitet, wodurch ihnen eine wichtige Rolle in der Handlungsbereitschaft zugeschrieben wird, da sie sowohl am Aufbau als auch an der Änderung von Handlungsbereitschaft beteiligt sind.27
Individuelle Werte werden von Kluckhohn (1976) als direkte oder indirekte, subjektive Leitgedanken definiert, die die Entscheidung eines Menschen über die verfügbaren Handlungsarten, -mittel und -ziele bestimmt.28 Somit lässt sich die Motivation, das eigene Leben gesundheitsorientierter zu gestalten, ebenfalls durch eine bestimmte Werterhaltung steigern. Wenn die individuelle Gesundheit als Wert wahrgenommen wird, ist es wahrscheinlicher, dass sich eine Person auch um die Erhaltung jener Gesundheit bemüht. Die große Mehrheit der Gesellschaft heutiger Industrieländer pflegt jedoch eher bei materiellen Dingen eine gewisse Werterhaltung. So wird zum Beispiel besonders Autos ein hoher Wert zugesprochen, während die Gesundheit für die Meisten erst als wertvoll betrachtet wird, wenn sie sich in Gefahr befindet. Ein sehr aktuelles Exempel dafür aus dem Jahre 2020 ist die Corona-Pandemie. Die reale Wahrscheinlichkeit einer plötzlichen, potenziell gefährlichen Krankheit, hat einigen Menschen erstmalig deutlich gemacht, dass sie sehr wohl sterblich sind und die Gesundheit einen übergeordneten Wert im eigenen Leben haben sollte. Denn der Menschen kann seine Gesundheit zwar versichern, jedoch ist sie nicht ersetzbar.
[...]
1 Vgl. Steinbach (2017), S. 73
2 Vgl. Reimann/Hammelstein (2006), S. 24
3 Vgl. Habermann-Horstmeier/Lippke (2019a), S. 2
4 Vgl. Faltermaier (2017), S. 58; Steinbach (2017), S. 30
5 Vgl. Faltermaier (2017), S. 58-59
6 Vgl. Lippke/Renneberg (2006), S. 9
7 Vgl. Engel (1977), S. 132
8 Vgl. Lippke/Renneberg (2006), S. 9
9 Vgl. Bengel (2017), S. 1466
10 Vgl. Antonovsky (1997), S. 22-23
11 Vgl. Antonovsky (1979); zitiert nach Faltermaier (2017), S. 60
12 Vgl. Blättner/Waller (2018), S. 13
13 Vgl. Habermann-Horstmeier/Lippke (2019a), S. 2-3
14 Vgl. Antonovsky (1979); zitiert nach Faltermaier (2017), S. 60-61
15 Vgl. Antonovsky (1997), S. 92
16 Vgl. Blättner/Waller (2018), S. 13
17 Vgl. Antonovsky (1989), S. 53
18 Vgl. Antonovsky (1997), S. 16
19 Vgl. Bengel/Strittmatter/Willmann (2001), S. 28-29
20 Vgl. Reimann/Hammelstein (2006), S. 15-16
21 Vgl. Lenartz (2012), S. 44
22 Vgl. Hamacher/Wittmann (2005), S. 57
23 Vgl. Hamacher/Wittmann (2005), S. 35
24 Vgl. Hamacher/Wittmann (2005), S. 35
25 Vgl. Hacker (1978), S. 305
26 Vgl. Norman (1982); zitiert nach Hacker/Skell (1993), S. 73-74
27 Vgl. Hamacher/Wittmann (2005), S. 57
28 Vgl. Kluckhohn (1976), S. 395
- Arbeit zitieren
- Stefan S. (Autor:in), 2020, Salutogenese und Pathogenese. Aspekte der Prävention, Gesundheitsförderung und Rehabilitation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/921342
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