Als Benno von Wiese vor 50 Jahren schrieb, die „Reitergeschichte“ Hugo von Hofmannsthals sei „bisher kaum beachtet worden“ , konnte er nicht ahnen, dass diese Novelle in den folgenden Jahrzehnten zu einem der meistuntersuchten Werke des Österreichers werden würde. In einer bemerkenswerten Anzahl von Interpretationen wurde versucht, die „Reitergeschichte“ zu verstehen und zu erklären, wobei eine überraschende Vielzahl von Ansätzen in der Forschungsliteratur zu finden ist. Die Novelle wurde auf ihren historischen Hintergrund hin interpretiert, in psychologischer, soziologischer und philosophischer Hinsicht ausgelegt, auf ihre Tier- und Todessymbolik hin geprüft. Daher muss jede Arbeit, die sich diese Novelle als Untersuchungstext wählt, zuerst festlegen, welche Grundannahmen sie als gültig behandeln wird. Ein ganzheitlicher Ansatz, der alle verschiedenen Theorien beachtet, ist auf Grund ihrer fundamentalen Differenzen kaum möglich. Er soll hier auch nicht versucht werden.
Die folgende Arbeit widmet sich dem Versuch, die „Reitergeschichte“ auf eine psychologisch orientierte Fragestellung hin zu überprüfen. Die Novelle wird als Geschichte einer Selbstentfremdung gelesen werden, in der der Zentralcharakter Wachtmeister Anton Lerch sich von seiner bisherigen Lebenssituation und seinen gewohnten Denkmustern entfernt. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf der Frage liegen, inwieweit der Doppelgänger, der dem Wachtmeister erscheint, eine Manifestation seiner psychischen Situation ist.
Im Rahmen der Analyse wird zuerst eine Untersuchung des Entwicklungsprozesses vorgenommen, den Lerch durchläuft und ohne dessen Verständnis keine Auslegung des Doppelgängers möglich ist. Damit verbunden ist eine ausschnitthafte Betrachtung des Erzählsystems, um dessen Verbindung mit dem inneren Wandlungsprozess aufzuzeigen. Im Anschluss erfolgt daraus eine genauere Betrachtung des Doppelgängers.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Biografische Einordnung des Werkes
- Inhaltsbetrachtung
- Lerchs Psyche und Verhalten: Die Sehnsüchte eines Soldaten
- Mailand: Erwachen
- Träumereien
- Die Entwicklung Anton Lerchs unter dem Aspekt des Erzählsystems
- Abschnitt 1 (Seite 39; Zeile 1 bis Seite 41; Zeile 3)
- Abschnitt 2 (Seite 41; Zeile 5 bis Seite 45; Zeile 35)
- Abschnitt 3 (Seite 45; Zeile 35 bis Seite 47; Zeile 30)
- Abschnitt 4 (Seite 47; Zeile 30 bis Seite 48; Zeile 7)
- Abschnitt 5 (Seite 47; Zeile 7 bis Zeile 20)
- Bilanz
- Lerchs Psyche und Verhalten: Die Sehnsüchte eines Soldaten
- Der Doppelgänger
- Auftritt des Doppelgängers
- Wer ist der, der Lerch ist?
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der „Reitergeschichte“ von Hugo von Hofmannsthal und analysiert die Novelle als Geschichte einer Selbstentfremdung. Der Fokus liegt auf der Frage, inwieweit der Doppelgänger, der dem Wachtmeister Anton Lerch erscheint, eine Manifestation seiner psychischen Situation ist. Die Arbeit betrachtet die Entwicklung des Protagonisten sowie das Erzählsystem der Novelle, um die Verbindung zwischen dem inneren Wandlungsprozess Lerchs und dem Auftreten des Doppelgängers aufzuzeigen.
- Selbstentfremdung und innere Konflikte des Protagonisten
- Die Rolle des Doppelgängers als Ausdruck der psychischen Situation
- Analyse des Erzählsystems der Novelle
- Entwicklung des Protagonisten und seine Sehnsüchte
- Die Bedeutung von Spiegelungen und Selbstwahrnehmung
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel analysiert die Psyche und das Verhalten des Wachtmeisters Anton Lerch, indem es seine Sehnsüchte und seine Reaktion auf das Aufeinandertreffen mit Vuic in Mailand beleuchtet. Das Kapitel 3.2 geht näher auf die Entwicklung Lerchs im Kontext des Erzählsystems der Novelle ein und betrachtet die verschiedenen Abschnitte der Handlung. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Rolle des Doppelgängers und seinen Bezügen zum inneren Konflikt des Protagonisten.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Arbeit sind: Selbstentfremdung, Doppelgängermotiv, „Reitergeschichte“, Hugo von Hofmannsthal, Anton Lerch, Erzählsystem, innere Konflikte, Sehnsüchte, Spiegelung, Selbstwahrnehmung.
- Quote paper
- Stefan Krause (Author), 2007, Ein Blick in den Spiegel - Selbstentfremdung und Doppelgängermotiv in Hugo von Hofmannsthals "Reitergeschichte", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92107