Die vorliegende Masterarbeit untersucht die Auswirkungen der Abdichtung von Mischwasserkanalisationen im Einzugsgebiet des Lippeverbandes. Diese Region ist durch jahrzehntelangen Steinkohlebergbau überprägt. Um die Abwasserbeseitigung unter ständigen, so genannten Bergsenkungen aufrecht erhalten zu können, war es in der Vergangenheit notwendig, in Teilbereichen, vorhandene Bachsysteme zu offen geführten Mischwassersammlern umzubauen. Der nunmehr zurückgehende Steinkohlebergbau ermöglicht den Rückbau dieser offenen Mischwassersammler durch den Bau von geschlossenen Kanalsystemen.
Im Rahmen dieser Umbaumaßnahmen ist die Grundwassersituation zu berücksichtigen. Eine weitere Besonderheit des Untersuchungsgebietes besteht darin, dass Teilbereiche des Lippeverbandsgebietes keinen natürlichen Abfluss haben [NRW, 2004]. Diese partielle Polderlage verschärft die Grundwassersituation, da durch vorhandene Gewässereindeichungen, die zur Vermeidung von Überflutungen notwendig wurden, die natürliche Vorflut für das Grundwasser verloren ging. Die Entwässerung der Poldergebiete ist demnach über Pumpwerke sicher zu stellen.
Für die Mischwasserentwässerung sind diese Pumpwerke vorhanden. Eine gesonderte Grundwasserableitung existiert jedoch in der Regel nicht. Die Ableitung des Grundwassers erfolgt daher sehr oft entweder über Dränageleitungen, die an die Mischwasserkanalisation angeschlossen wurden, oder durch die Infiltration des Grundwassers über undichte Kanäle.
Die undichten Mischwasserkanäle bilden somit häufig die einzige Vorflut für anstehendes Grundwasser. Entfällt diese Vorflut durch die Abdichtung der Kanalisation und die Entkopplung von Dränageleitungen, kann es zu einem schadhaften Grundwasseranstieg kommen, wenn kein entsprechendes Ersatzsystem geschaffen wird. Ziel dieser Masterarbeit ist es daher, Maßnahmen zum Umgang mit dem Grundwasser, im Zuge anstehender Kanalbaumaßnahmen, aufzuzeigen, die geeignet sind, einen schadhaften Grundwasseranstieg zu vermeiden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Lippeverbandsgebiet und die Mischwasserentwässerung
2.1 Der Lippeverband
2.2 Gewässergüte der Lippe
2.3 Abwasserreinigung im Lippeverbandsgebiet
2.4 Mischwassersysteme im Lippeverbandsgebiet
2.5 Umbau und Sanierung der Mischwassersysteme
2.6 Auswirkungen zukünftiger Entwicklungen für die Abwasserableitung
3. Gesetzliche Regelungen zur Abwasserbeseitigung
4. Wasserwirtschaftliche Zusammenhänge
5. Fremdwasser im Mischwassersystem
5.1 Definition von Fremdwasser
5.2 Herkunft des Fremdwassers
5.3 Auswirkungen von Fremdwasser
5.4 Identifikation einer grundwasserbürtigen Fremdwasserproblematik
5.4.1 Durchflussmessungen
5.4.2 TV-Inspektion
6. Grundwassermodelle
7. Gefährdungsabschätzung
8. Maßnahmenauswahl zum Umgang mit Grundwasser
8.1 Grundwasserfassung
8.2 Grundwasserableitung
8.3 Notwendigkeit von Genehmigungen für Fassung und Ableitung von Grundwasser
9. Beispielmaßnahmen zum Schutz vor einem Grundwasseranstieg
9.1 Maßnahmen mit Bezug zur Kanalisation
9.1.1 Neuer SW-Kanal – MW-Bestand wird Kombikanal für RW und GW
9.1.2 Neuer Kombikanal für RW und GW – MW-Kanal im Bestand bleibt
9.1.3 Neuer MW-Kanal - mit oberhalb verlegter Dränageleitung
9.1.4 Neuer MW-Kanal mit unten liegender Dränage
9.1.5 Mischsystem aus Druckentwässerung und Freispiegelkanäle
9.1.6 Dichtwände in Kombination mit einem Gewässerausbau
9.1.7 GW-Absenkbrunnen
9.2 Maßnahmen zum Umgang mit Grundwasser neben der Kanalsanierung
9.2.1 Sickerschlitze
9.2.2 Umbau der offenen Mischwasserläufe
9.2.3 End of Pipe Lösungen
9.2.4 Kombimaßnahme Versickerung / Speicherung
9.3 Der Privatbereich
9.3.1 Die Niederschlagswasserableitung der Privatgrundstücke
9.3.2 Die Grundwasserfassung und Ableitung im Privatbereich
9.3.3 Die Schmutzwasserableitung
9.3.4 Objektschutzmaßnahmen
10. Kostenuntersuchung
11. Kostenträger für Ersatzsysteme
12. Ergebnisse und Diskussion
12.1 Feststellung der Notwendigkeit von Maßnahmen
12.2 Kriterien zur Auswahl des Verfahrens der Grundwasserregulierung
12.3 Bewertung der vorgestellten Beispielmaßnahmen
12.4 Betrachtung der Kosten bei einem Verzicht auf regulierende Maßnahmen im Zuge der Kanalsanierung
12.5 Handlungsempfehlungen für den Lippeverband
12.6 Handlungsempfehlungen für die Kommune
12.7 Ausblick und Empfehlungen
13. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Abbildungen
Verzeichnis der Tabellen
Anhang 1
Anhang 2
Anhang 3
Anhang 4
Anhang 5
Anhang 6
Anhang 7
Anhang 8
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Seit dem Jahr 2000 wird durch die Europäische Richtlinie RL 2000/60/EG Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die ganzheitliche Betrachtung von Oberflächengewässern und Grundwasser in den Vordergrund gestellt. Dabei ist das Ziel der WRRL, alle Gewässer bis zum Jahr 2015 in einen guten strukturellen, physikalischen, chemischen und biologischen Zustand zu versetzen. Um den geforderten guten Zustand der Gewässer zu erreichen, werden Anforderungen an den Bau und den Betrieb von Abwasseranlagen und somit an die Abwasserbehandlung gestellt. Es ergeben sich hieraus u. a. die Forderungen eine Exfiltration von Abwasser aus der Kanalisation sowie die Infiltration von Grundwasser in die Kanalisation zu vermeiden. Dies zwingt zur „dichten“ Abwasserkanalisation.
Die vorliegende Masterarbeit untersucht die Auswirkungen der Abdichtung von Mischwasserkanalisationen im Einzugsgebiet des Lippeverbandes. Dieses Gebiet wurde aufgrund zweier Besonderheiten herangezogen. Die Lippeverbandsregion ist durch jahrzehntelangen Steinkohlebergbau überprägt. Um die Abwasserbeseitigung unter ständigen, so genannten Bergsenkungen aufrecht erhalten zu können, war es in der Vergangenheit notwendig, in Teilbereichen, vorhandene Bachsysteme zu offen geführten Mischwassersammlern umzubauen. Der nunmehr zurückgehende Steinkohlebergbau ermöglicht den Rückbau dieser offenen Mischwassersammler durch den Bau von geschlossenen Kanalsystemen. Im Rahmen dieser Umbaumaßnahmen ist die Grundwassersituation zu berücksichtigen. Eine weitere Besonderheit des Untersuchungsgebietes besteht darin, dass Teilbereiche des Lippeverbandsgebietes keinen natürlichen Abfluss haben [NRW, 2004]. Diese partielle Polderlage verschärft die Grundwassersituation, da durch vorhandene Gewässereindeichungen, die zur Vermeidung von Überflutungen notwendig wurden, die natürliche Vorflut für das Grundwasser verloren ging. Die Entwässerung der Poldergebiete ist demnach über Pumpwerke sicher zu stellen. Für die Mischwasserentwässerung sind diese Pumpwerke vorhanden. Eine gesonderte Grundwasserableitung existiert jedoch in der Regel nicht. Die Ableitung des Grundwassers erfolgt daher sehr oft entweder über Dränageleitungen, die an die Mischwasserkanalisation angeschlossen wurden, oder durch die Infiltration des Grundwassers über undichte Kanäle. Die undichten Mischwasserkanäle bilden somit häufig die einzige Vorflut für anstehendes Grundwasser. Entfällt diese Vorflut durch die Abdichtung der Kanalisation und die Entkopplung von Dränageleitungen, kann es zu einem schadhaften Grundwasseranstieg kommen, wenn kein entsprechendes Ersatzsystem geschaffen wird.
Ziel dieser Masterarbeit ist es daher, Maßnahmen zum Umgang mit dem Grundwasser, im Zuge anstehender Kanalbaumaßnahmen, aufzuzeigen, die geeignet sind, einen schadhaften Grundwasseranstieg zu vermeiden.
Im Anschluss an die Einleitung widmet sich Kapitel 2 der Vorstellung des Lippeverbandsgebietes, mit den Besonderheiten der Abwasserbeseitigung und dem vorhandenem Konfliktpotential aus dem Umbau bestehender Entwässerungs-einrichtungen. Im weiteren werden die rechtlichen Aspekte einer Grundwasserableitung vorgestellt, bevor dann in Kapitel 4 die wasserwirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen Rückhalt, Versickerung und Ableitung aufgezeigt werden. Die Auswirkungen der Ableitung von Grundwasser, über die Mischwasserkanalisation, für das Gewässer werden aufgezeigt, und Hinweise gegeben, wie bereits im Vorfeld einer Kanalsanierung ein möglicher Grundwasseranstieg festgestellt werden kann.
Die sich daran anschließenden Kapitel 6 bis 8 zeigen dann auf, inwieweit Grundwassermodelle bei der Gefährdungsabschätzung und der Maßnahmenplanung eingesetzt werden können, und wie eine Auswahl der Maßnahmen zum Umgang mit Grundwasser erfolgen kann.
Maßnahmen zum Schutz vor einem unerwünschten Grundwasseranstieg die teilweise bereits umgesetzt wurden, und zum Teil bisher nicht realisierte Entwurfsplanungen, werden in Kapitel 9 beschrieben. Die demographische Entwicklung des Untersuchungsgebietes fließt in die Ausführungen mit ein, da nachhaltige Maßnahmen die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen müssen. Für die umgesetzten Maßnahmen werden die Kosten angegeben, die in Kapitel 10 in eine Kostenuntersuchung einfließen.
Neben der Maßnahmenkonzeption werden Zuständigkeiten für eine Schadensabwehr sowie die Fragen einer Kostenträgerschaft untersucht. Die Ergebnisse der Masterarbeit werden in Kapitel 12 zusammengestellt und diskutiert, um Vorzugsvarianten aufzuzeigen sowie einen Ausblick und Empfehlungen zum Umgang mit Grundwasser, im Zuge der Forderung nach einer dichten Mischwasserkanalisation, zu geben. Im sich daran anschließenden letzten Kapitel wird eine Schlussbemerkung in Form einer Zusammenstellung der wesentlichen Punkte der Thematik angeführt.
2. Das Lippeverbandsgebiet und die Mischwasserentwässerung
2.1 Der Lippeverband
Die Lippe ist ein typischer Flachlandfluss von rund 230 km Länge mit einem Einzugsgebiet von insgesamt 4.890 km2. 147 km Flusslauf entfallen auf das Lippeverbandsgebiet (Abb. 1), das den 3.280 km2 großen, industriell entwickelten Raum von Lippborg bis zum Rhein umfasst. In diesem Gebiet liegen u. a. die Städte Bergkamen, Dortmund, Hamm, Lünen, Recklinghausen, Soest und Unna. Wasserwirtschaftlich zuständig ist der Verband auch für die Einzugsgebiete des Mommbaches und des Rotbaches. Das gleiche gilt für das vom Bergbau berührte Teilgebiet der Gemeinden Ahlen und Beckum und die Planungs- und Reserveräume für die optionale Nordwanderung des Kohlebergbaus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Verbandsgebiet des Lippeverbandes in der Übersicht [WWW.EGLV]
Der Lippeverband ist ein Wasserwirtschaftsunternehmen für das Einzugsgebiet der unteren und mittleren Lippe und ihrer Nebenläufe. Grundlage seiner Arbeit ist das Gesetz über den Lippeverband vom 7. Februar 1990, [LippeVG, 1990], worin Aufgaben, Gebiet und Mitglieder des Unternehmens, welches sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst verwaltet, festgelegt sind. Er dient dem Wohl der Allgemeinheit und dem Nutzen seiner Mitglieder.
Mitglieder sind:
- Das Land Nordrhein-Westfalen
- Die Unternehmen und sonstigen Träger der öffentlichen Wasserversorgung
- Kreisfreie Städte, kreisangehörige Städte und Gemeinden
- Kreise, soweit sie ganz oder teilweise im Verbandsgebiet liegen
- Die jeweiligen Eigentümer der ganz oder teilweise im Verbandsgebiet liegenden Bergwerke
- Gewerbliche Unternehmen und die jeweiligen Eigentümer von Grundstücken, Verkehrsanlagen und sonstigen Anlagen, die Unternehmen des Verbandes verursachen, erschweren, zu erwarten haben oder von Ihnen Vorteile zu erwarten haben
Die Aufgaben des Lippeverbandes werden wie folgt beschrieben:
- Regelungen des Wasserabflusses einschließlich Ausgleich der Wasserführung, Sicherung des Hochwasserabflusses der oberirdischen Gewässer oder Gewässerabschnitte und deren Einzugsgebiete
- Unterhaltung oberirdischer Gewässer oder Gewässerabschnitte und der mit ihnen in funktionellem Zusammenhang stehenden Anlagen
- Rückführung ausgebauter oberirdischer Gewässer in einen naturnahen Zustand
- Abwasserbeseitigung
- Entsorgung der bei der Durchführung der Verbandsaufgaben anfallenden Abfälle
- Vermeidung, Minderung, Beseitigung und Ausgleich eingetretener oder zu erwartender, auf Abwassereinleitungen oder sonstige Ursachen zurückzuführende, nachteiliger Veränderungen des oberirdischen Wassers
- Ermittlung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse, soweit es die Verbandsaufgaben erfordern
- Vermeidung, Minderung, Beseitigung und Ausgleich wasserwirtschaftlicher und damit in Zusammenhang stehender ökologischer, durch Einwirkungen auf den Grundwasserstand, insbesondere durch den Steinkohlenbergbau hervorgerufener oder zu erwartender, nachteiliger Veränderungen
- Regelung des Grundwasserstandes
2.2 Gewässergüte der Lippe
Betrachtet man die Gewässergüte der Lippe, so kann heute festgestellt werden, dass die Lippe durch die Güteklasse II (gut) geprägt ist. Die Entwicklung der Gewässergüte im Verlauf des Gewässers von Lippborg nach Wesel im Zeitraum von 1970 – 2001 wird in der Abbildung 2 dargestellt. Ablesbar wird der Erfolg bereits durchgeführter Umbaumaßnahmen an vorhandenen Bachläufen, die in der Vergangenheit als offen geführte Mischwasserläufe mit Abwasser beaufschlagt wurden. Eine deutliche Verbesserung der Gewässergüte erfolgte zu Beginn der 90er Jahre. Zu diesem Zeitpunkt verschwand die Güteklasse III (mäßig) im Lippelauf. Durch die abwassertechnischen Maßnahmen erfolgte eine weitere Verbesserung der Gesamtgütesituation.
Die Länge der Abschnitte mit Güteklasse II steigt. Durch die Einführung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) verschärfen sich die Bewertungsmaßstäbe zur Klassifizierung des Gewässerzustandes. Der hier zugrunde gelegte Saprobienindex [KOLKWITZ und MARSSON, 1909] wird durch weitergehende Verfahren zur Bewertung der Gewässerbiologie und Gewässerchemie abgelöst [LAWA, 1995].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Entwicklung der Wassergüteklassen und Saprobienindex der Lippe von 1970 – 2001 [TEICHGRÄBER et. al.]
Um weitergehende Verbesserungen der Gewässergüte zu erlangen, ist daher ein Augenmerk auf die Reduzierung diffuser Stoffeinträge, wie etwa durch landwirtschaftlichen Düngemitteleintrag, sowie auf Einleitmengen (und den daraus resultierenden Schmutzfrachten) zu legen [TEICHGRÄBER et. al.].
2.3 Abwasserreinigung im Lippeverbandsgebiet
Zur Beurteilung der Ausgangssituation für die Fremdwasserbetrachtung im Lippeverbandsgebiet wird nachfolgend die Tabelle 1 angeführt. Sie zeigt eine Übersicht von Kenndaten im Flussgebiet der Lippe [MUNLV NRW, 2006]. Die Gesamtzahl der Kläranlagen im Flussgebiet beläuft sich auf 94, wovon der Lippeverband 52 Anlagen betreibt. Der Ausbaugrad dieser einzelnen Anlagen ist unterschiedlich. Die sieben größten Anlagen des Lippeverbandes wurden so angelegt, dass jede von Ihnen das Abwasser von mehr als 100.000 EW reinigen kann (Tabelle 2).
Tab. 1: Kenndaten im Flussgebiet der Lippe [MUNLV NRW, 2006]
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Die Spannbreiten der Abwasseranfallmengen, die Phosphor- und Stickstoffeliminationsleistungen sowie die Ablaufkonzentrationen der Lippeverbandskläranlagen können der Tabelle 2 entnommen werden. Legt man einen Wasserverbrauch von 150 l/(EW∙d) zugrunde, sind in allen Größenklassen Kläranlagen mit einem erhöhten Abwasseranfall vertreten.
Weiter kann der Tabelle 2 entnommen werden, dass die vom Lippeverband betriebenen Anlagen zwar die gesetzlich zulässigen Stickstoffablaufkonzentrationen einhalten, die geforderte Eliminationsleistung von mindesten N-Änderung 75 % wird jedoch nicht von allen Anlagen geleistet. Hierzu sagt die Gesetzgebung, dass Anlagen mit einer Stickstoffminderung < 75 % bzw. einer mittleren Stickstoffablaufkonzentration > 18 mg/l in der Größenklasse 10.000 – 100.000 EW und > 13 mg/l in der Größenklasse > 100.000 EW nicht, den von der EU-Richtlinie für Flussgebiete RL 2000/60/EWG vorgeschriebenen Eliminationsgrad, bzw. die Anforderungen des Anhanges 1 der Abwasserverordnung (AbwV) [Abwasserverordnung, 2004] im Jahresmittel einhalten.
Tab. 2: Spannbreiten der Abwassermengen und Eliminationsraten der vom Lippeverband
betriebenen Kläranlagen [MUNLV NRW, 2006]
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16 Anlagen des Lippeverbandes – Ausbaugröße > 10.000 EW – weisen unzureichende Stickstoff-Eliminationsleistungen auf. Die unzureichende Stickstoffelimination vergrößert die einwohnerwertspezifische Stickstofffracht.
Die nachfolgende Tabelle 3 zeigt die tatsächlichen Abwassermengen sowie Ablaufkonzentrationen für Nges an sieben beispielhaft ausgewählten Kläranlagen des Lippeverbandes mit einer Ausbaugröße > 10.000 EW. Mit diesen Angaben wurden die tatsächlichen Frachten ins Gewässer berechnet. Im Vergleich dazu wurde eine Nges Fracht von 1kg/(EW∙a) betrachtet, da die Überschreitung dieser einwohnerwertspezifischen Stickstofffracht auf eine unzureichende Verfahrenstechnik oder auf betriebliche Probleme mit Fremdwasser hinweist [MUNLV NRW, 2006].
Tab. 3: Fracht Nges im Ablauf von ausgesuchten Lippeverbandskläranlagenanlagen [MUNLV NRW, 2006]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gegenüber der als nicht erhöht angenommenen spezifischen Stickstofffracht in Höhe von 1 kg/(EW∙a) (dies entspricht einer Menge von 677 t/a bei 676.800 EW) wird die Nges Fracht aus diesen sieben Kläranlagen des Lippeverbandes um rund 9 % überschritten.
Die Gesamtausbaugröße der 52 vom Lippeverband betriebenen Anlagen beläuft sich auf 2,4 Millionen EW [MUNLV NRW]. Die Gesamtfracht Nges beläuft sich auf 2.391 t/a (Tab. 1). Damit liegt die einwohnerwertspezifische Stickstofffracht unterhalb von 1kg/(EW∙a). Für das Flussgebiet Lippe im Ablaufbereich der Kläranlagen des Lippeverbandes liegt somit – bei der Gesamtbetrachtung – keine übermäßige Stickstofffrachtbelastung vor. Es können allerdings Anlagen identifiziert werden, die eine zu hohe einwohnerwertspezifische Stickstofffracht haben. Für diese Anlagen ist eine Ursachenuntersuchung angezeigt.
Die Eliminationsleistungen der Kläranlagen des Lippeverbandes für TOC, Pges und AOX sowie die zugehörigen Frachten werden im Rahmen dieser Masterarbeit nicht weiter ausgeführt. Für die weitergehende Untersuchung zum Umgang mit Grundwasser im Zuge von Kanalsanierungen gelten die gleichen Ansätze wie bei der durchgeführten, beispielhaften Betrachtung der Stickstoffelimination.
2.4 Mischwassersysteme im Lippeverbandsgebiet
Eine, bereits in der Einleitung angesprochene, Besonderheit des Lippeverbandgebietes liegt in der Überprägung der Landschaft durch einen jahrzehntelangen Steinkohlebergbau. Der untertägige Steinkohleabbau führt zu so genannten Berg- und Bodensenkungen. Durch die großen Tiefen, in denen der Steinkohleabbau stattfindet, verteilen sich diese Senkungen, innerhalb eines vom anstehenden Gebirge abhängigen Grenzwinkels, trogförmig auf die Geländeoberfläche. Die Abbildung 3 zeigt den Querschnitt eines Senkungstroges (Senkungsmulde), wie er durch bergbauliche Einwirkungen entstehen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Darstellung eines durch den untertägigen Steinkohleabbau entstandenen Senkungstroges [DSK AG, 2005]
An vielen Stellen innerhalb des Ruhrgebiets hat der Steinkohleabbau diese örtlich begrenzten Senkungsmulden entstehen lassen. Hierdurch wurden die Landschaft und die Vorflut vieler Gewässer gestört. Vorflutstörungen wurden an vielen Stellen durch den Bau und den Betrieb von Pumpwerken sowie den Bau von Deichen behoben. Im Lippeeinzugsgebiet erreichen die entstandenen Poldergebiete einen Anteil von 9,8 % der Gesamtfläche [NRW, 2004]. Um allein den Wasserabfluss der Lippe zu gewährleisten, musste diese auf einer Strecke von insgesamt 32 km eingedeicht werden [NRW, 2004a].
Eindeichungen waren auch in Streckenabschnitten der im Einzugsgebiet künstlich angelegten Wasserschifffahrtsstraßen notwendig. Die Abbildung 4 zeigt ein Beispiel in einem Steckenabschnitt des Datteln-Hamm-Kanals. Sie wurde notwendig, um die Wasserspiegellage auf einer bestimmten Lage halten zu können, wobei das, die Wasserstraße umgebende Gelände durchaus tiefer liegen kann. Die Schifffahrt wird somit trotz der bestehenden relativen Höhenunterschiede nicht beeinträchtigt.
Durch die Eindeichungen ist die natürliche Vorflut für Niederschlags- und Abwasser verloren gegangen. Auf das Grundwasser wird darüber hinaus ein hydrostatischer Druck erzeugt, der ohne Gegenmaßnahmen zu einem landseitigen Grundwasseranstieg führt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Eindeichung des Datteln-Hamm-Kanals in der Nähe von Lünen (Privatfoto)
Die nachfolgende Abbildung 5 veranschaulicht die Notwendigkeit einer Eindeichung in Teilbereichen eines Gewässers auf Grund von bergbaubedingten Absenkungen der Landschaft, bei gleich bleibender Wasserspiegellage sowie die Auswirkungen auf die Entwässerung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Auswirkungen des Steinkohlebergbaues im Lippeeinzugsgebiet [DETERING und RUPPERT, 2007]
Neben den beschriebenen Auswirkungen auf die Abwasserbeseitigung ergab sich der Umstand, dass durch die fortschreitenden Bodenbewegungen dem Bau von geschlossenen Abwassersystemen Grenzen gesetzt waren, da die Inspektion des Kanalnetzes sowie notwendige Instandsetzungsmaßnahmen bei übererdeten Kanalisationen sehr kostenintensiv und zeitintensiv sind, und letztlich mit unvereinbaren Behinderungen für die Bevölkerung verbunden waren. Die Abwasserableitung ließ sich daher nur über offen geführte Schmutzwasserläufe aufrechterhalten. Im Einzugsgebiet des Lippeverbandes wurden zur Ableitung des anfallenden Schmutzwassers, vorhandene Bachsysteme, wie beispielsweise die Seseke, in Lünen oder der Kuhbach, in Bergkamen, einschließlich der zugehörigen Nebenläufe, zu offenen Schmutzwasserläufen ausgebaut.
Im folgenden Luftbildausschnitt (Abbildung 6) ist in der Bildmitte der Trassenverlauf des offenen Mischwassersammlers innerhalb der vorhandenen Bebauung erkennbar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Trassenverlauf offener Mischwassersammler Luftbildausschnitt [DSK AG, 2004]
Die Abbildung 7 zeigt den tiefen Einschnitt dieses Mischwassersammlers.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: Offen geführter Mischwassersammler im Lippeverbandsgebiet (Privatfoto)
Die Abbildung 8 zeigt die wasserwirtschaftlichen Zusammenhänge der gegenwärtigen Ist-Situation. Die Vorflutwirkung auf das Grundwasser, durch das Zusammenspiel der tief eingeschnittenen offen geführten Mischwasserläufe mit einer undichten Mischwasserkanalisation, sorgt in diesem Beispiel für einen ausreichenden Grundwasserflurabstand für die vorhandene Bebauung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Ist-Zustand Vorflutwirkung der Mischwassersysteme auf den Grundwasserstand
[MUNLV, 2006a]
2.5 Umbau und Sanierung der Mischwassersysteme
Mit Abnahme der bergbaulichen Aktivitäten und dem Ziel der Erreichung eines guten ökologischen Zustandes für die Oberflächengewässer im Lippeverbandsgebiet ist der Umbau, der im Kapitel 2.4 vorgestellten offenen Schmutzwasserläufe voranzutreiben.
Beim Umbau wird es aus ökologischen Gründen angestrebt, die Sohlen der Fließgewässer anzuheben. Damit verfolgt man das Ziel, die senkungsbedingten tiefen Einschnitte und unnatürlichen Neigungsverhältnisse der technisch ausgebauten Fließgewässer zu beseitigen. Durch diesen notwendigen Eingriff, mit dem naturähnliche hydro-morphologische Verhältnisse und Lebensräume sichergestellt werden sollen, wird in das Abflussregime des anstehenden Grundwassers eingegriffen [MUNLV NRW, 2006a].
Neben dem Umbau der offen geführten Schmutzwassersammler ist die Sanierung der vorhandenen Mischwasserkanalisationen notwendig. Die Erfordernis der Sanierung der Mischwasserkanalisationen lässt sich am Zustand der rund 490.000 km langen öffentlichen Kanalisation, der bei einem Inspektionsgrad von 77 % inzwischen weitgehend bekannt ist, erkennen [BERGER und LOHAUS, 2004]. Über Länge und Zustand der privaten Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA) liegen keine vergleichbaren, flächendeckend erhobenen Informationen vor. Untersuchungen einiger Städte und Betreiber zeigen jedoch ein einheitliches Bild mit einem Anteil an undichten GEA von ca. 90% [EISENER, 2005]. Aus diesem Grund ist die Situation der Grundstücksentwässerung in die Betrachtungen mit einzubeziehen. Der Bestand an Abwasserleitungen (Schmutz-, Misch- und Oberflächenwasser) zu und auf Grundstücken wird auf eine Länge von ca. 1,3 Mio. km geschätzt. Sanierung mit dem Ziel vollständiger Abdichtung gemäß der vorhandenen Regeln würde Kosten in Höhe von rund 100 – 200 Mrd. € hervorrufen [THOMA, 2005].
Kanalerneuerungen bzw. -sanierungen haben das vorrangige Ziel, ein dichtes hydraulisch ausreichend leistungsfähiges Kanalnetz zu erhalten. Die Nichtbeachtung der Grundwasserverhältnisse kann hierbei zu schwerwiegenden Problemen in urbanen Gebieten im Nachgang zu den Maßnahmen führen. Eine Umfrage des BWK zur Beeinträchtigung der Bebauung in Siedlungsgebieten, in Deutschland durch steigende Grundwasserstände [BWK, 2003], an der sich 730 Städte und Gemeinden beteiligt haben, ermöglicht einen repräsentativen Überblick, insbesondere über die Ursachen der Beeinträchtigung. Es werden nachfolgende Ursachen angegeben, die bei zukünftigen Maßnahmen der Stadtentwässerung Berücksichtigung finden sollten:
- Förderverringerung von Grundwasser
- Infiltrationsmaßnahmen zur Grundwasseranhebung
- Wechselwirkungen zwischen Grundwasser und Oberflächengewässer
- Bergsenkungen
- bauliche Eingriffe in das Grundwasser
- Veränderungen der Landnutzung
- Niederschlagswasserversickerung
Hierzu kann aus Abbildung 9 die prozentuale Verteilung der genannten Ursachen für Grundwasseranstiege entnommen werden. Die Sanierung und damit Abdichtung der Kanalisation wird bei 6 % aller Rückmeldungen als Ursache angegeben. Mit jeweils 49 % werden als Hauptursache eine klimatisch bedingte Veränderung der Grundwasserhöchststände sowie eine Bebauung in Tiefenlage angeführt. Mehrfachnennungen waren bei der Umfrage möglich. Die Angaben hinsichtlich der klimatisch bedingten Veränderung der Grundwasseranstiege erscheinen vorerst subjektiv. Wissenschaftlich ausgewertete Langzeituntersuchungen, zur Bekräftigung der getroffenen Aussagen, sind nach Kenntnis des Verfassers nicht vorhanden. Der generelle Nutzen der durchgeführten Umfrage und Auswertung wird darin gesehen, dass für die Thematik der Grundwasseranstiege bei den Abwasserbeseitigungspflichtigen ein Bewusstsein geschaffen wird. In weiteren Schritten sind daher Handlungsnotwendigkeiten herzuleiten, und den Betroffenen aufzuzeigen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Hauptursachen der Betroffenheit in Deutschland in % der betroffenen Kommunen, Mehrfachnennungen möglich [BWK, 2003]
Das sich, aus den notwendigen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen, ergebende Konfliktpotential wird in Abbildung 10 dargestellt. Durch die Veränderung der Vorflutverhältnisse für das Grundwasser verändert sich der Grundwasserspiegel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Konfliktpotential nach Vorflutregulierung offener Mischwasserläufe
und Kanalsanierung [MUNLV, 2006a]
Werden keine gegensteuernden Maßnahmen ergriffen, kann es zu einem schadhaften Grundwasseranstieg kommen. Daraus können sich folgende Probleme ergeben:
- Grundwasserzutritt in nicht ausreichend abgedichtete Kellergeschosse
- Durchfeuchtung von Kellersohlen und –wänden
- Schimmelbildung
- Gebäudeauftrieb
- Mobilisierung von Stoffen aus Altlastablagerungen (Altlast)
- Negative Auswirkungen auf gärtnerisch und landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Die nachfolgenden Abbildungen 11 und 12 zeigen beispielhaft die Folgen eines Grundwasseranstiegs nach einer Kanalsanierung. [BWK, 2003].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 11: Stehendes Grundwasser im Keller [BWK, 2003]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 12: Schimmelbildung im Bereich einer Kellertreppe [BWK,2003]
2.6 Auswirkungen zukünftiger Entwicklungen für die Abwasserableitung
Das oberflächennahe Grundwasser unterliegt jahreszeitlichen Schwankungen. GW-Ganglinien, die über lange Zeiträume vorliegen zeigen, dass Grundwasserneubildungen vor allem im Winterhalbjahr stattfindet [DECKER, 1998]. Der Zusammenhang zwischen dem Niederschlagsgeschehen und schwankenden Grundwasserständen wird großräumig maßgeblich durch die flächenhafte Grundwasserneubildung geprägt. Umfangreiche Untersuchungen zu der Entwicklung von Niederschlägen und Temperaturen in Deutschland für den Zeitraum 1891 – 1990 wurden von der Goethe- Universität-Frankfurt vorgenommen [RAPP und SCHÖNWIESE, 1996] und für die Zeitreihe 1896 – 1995 aktualisiert [RAPP, 2000]. Insgesamt wurde mit statistischen Methoden aufgezeigt, dass ein signifikanter bundesweiter Trend mit einer festgestellten Erhöhung der Niederschlagshöhe im Winterhalbjahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % nicht über eine natürlich zu erwartende Schwankungsbreite hergeleitet werden kann [BWK, 2003]. Ohne auf die Untersuchungsergebnisse näher einzugehen bleibt festzustellen, dass zukünftige Grundwasseranstiege aufgrund erhöhter Niederschläge infolge von klimatischen Veränderungen keinesfalls auszuschließen sind und somit für eine Betrachtung zum zukünftigen Umgang mit Grundwasser im Zuge von Kanalsanierungsmaßnahmen Relevanz aufweisen.
Ein weiterer Aspekt neben möglichen klimatischen Veränderungen ist die Bevölkerungsentwicklung im Untersuchungsgebiet. Während Deutschland bis 2015 vermutlich 1,3 v. H. seiner jetzigen Bevölkerung verliert, schrumpft die Bevölkerung im Ruhrgebiet um 4,5 %. Hierbei wird eine jährliche Abwanderungssumme von 200.000 Einwohnern unterstellt. Ohne Zuwanderungsgewinn schrumpft die Einwohnerzahl des Ruhrgebietes sogar um 6,9 % im Untersuchungszeitraum (KLEMMER 2001). Weite Teile des Lippeverbandes liegen im Ruhrgebiet.
Die Bereitstellung und Inanspruchnahme standortgebundener Infrastrukturleistungen ist durch Gemeinden wie private Wirtschaftsobjekte nur bedingt beeinflussbar (z.B. Abwasserbeseitigung). Für die privaten Haushalte und Unternehmen besteht vielfach Anschluss- und Benutzungszwang. Standortgebundene Leistungen werden zumeist kostendeckend finanziert, so dass hier steigende Kosten unmittelbar an die privaten Haushalte und Unternehmen weitergegeben werden können. Mengenreduktionen haben in der Regel keinen langfristigen Einfluss auf die Gebührenhöhe. Investitions-, Instandhaltungs- und Betriebskosten sind gegebenenfalls auf weniger Anschlussnehmer umzulegen, bzw. der Minderverbrauch wird durch Mehrkosten / Einheit aufgezehrt.
Aus dieser Sicht, droht als Reaktion auf merkliche Gebührenanhebungen, die Abwanderung von Bevölkerung und Unternehmen, mit der Folge weiterer Gebührensteigerungen (kumulativer Prozess) [VON LOEFFELHOLZ und RAPPEN, 2002]. Dieses Szenarium erscheint zumindest insofern überspitzt, als das es sicherlich gewichtigerer Gründe für die Abwanderung aus der Heimat gibt (Arbeitslosigkeit, berufliche Veränderungen u.a), als steigende Gebühren für die Abwasserbeseitigung.
Neben der Entwicklung der Bevölkerungszahl hat auch die Entwicklung des Trinkwasserverbrauchs Auswirkungen auf zukünftige Maßnahmenkonzeptionen für die Abwasserbeseitigung. Statistische Datenauswertungen im Zeitraum 1995 bis 2004 zeigen, dass die Bürger in Nordrhein Westfalen (NRW) weniger Trinkwasser verbrauchen. Im Schnitt verbrauchte jeder Einwohner im Jahr 2004 täglich 139,2 Liter Wasser.
Die Landesstatistiker errechnen im dreijährlichen Rhythmus den Pro-Kopf Wasserverbrauch in NRW und melden stetig sinkende Werte. 1995 verbrauchte jeder NRW-Bürger noch 147,1 Liter pro Tag. Die Tabelle 10 zeigt die Entwicklung des Wasserverbrauchs in ausgewählten Bereichen des Lippeverbandsgebietes in l/(EW∙d). Die ausgewählten Bereiche spiegeln den Trend im Gesamtbereich wieder [LFS, 2005].
Tab. 4: Entwicklung des Wasserverbrauches in NRW [LFS, 2005]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ursachen für den zurückgehenden Wasserverbrauch finden sich in der zurückgehenden Großindustrie (z.B. Stahl und Bergbau) sowie dem sparsameren Gebrauch von Wasser in privaten Haushalten, z.B. durch sparsame Toilettenspülungen, Spül- und Waschmaschinen.
Der Wasserverbrauch bestimmt die anfallende und damit in der Regel auch abzuleitende Schmutzwassermenge. Nachhaltige Ableitungssysteme müssen daher die Minderung des Wasserverbrauches und die Auswirkungen der abnehmenden Abflussmenge bei Trockenwetter berücksichtigen. Unterstellt man eine dichte Kanalisation führt die verringerte Abflussmenge zu einem Verlust von Schleppkraft in Freispiegelkanälen. Dadurch kann es zu Geruchsbelästigungen kommen.
3. Gesetzliche Regelungen zur Abwasserbeseitigung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Umgang von Grundwasser, im Zuge der Forderung nach einer dichten Mischwasserkanalisation. Durch diese dichte Kanalisation können dann, in Folge, Schäden und Nutzungseinschränkungen durch ansteigendes Grundwasser hervorgerufen werden, wenn eine Grundwasserableitung durch die Abdichtung entfällt. Es wird daher beleuchtet, wie mit dieser Problematik aus rechtlicher Sicht umzugehen ist.
Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen zur Abwasserbeseitigung lassen die Ableitung des Grundwassers über die Mischwasserkanalisation nicht zu. Dies wird durch die Vorgaben der Rechtsvorschriften
- EU-Richtlinien
- Bundesrecht,
- Landesrecht und
- Kommunalrecht
geregelt.
Die Bundesgesetzgebung setzt die Vorgaben der Kommunalabwasserrichtlinie [RL 91/271/EWG, 1991] hinsichtlich der Anforderungen an den Bau und den Betrieb von Abwasseranlagen über die §§ 18 a und 18 b des Wasserhaushaltgesetzes (WHG) [WHG, 2002] um.
In § 18a WHG wird z.B. festgelegt, dass die Länder zu bestimmen haben, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes zur Abwasserbeseitigung verpflichtet sind. Diese und andere wasserrechtliche Bestimmungen werden in den Bundesländern über die Landeswassergesetze (LWG) [LWG NRW, 1995] geregelt. Mit den LWG füllen die Länder das WHG aus.
Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 WHG darf eine Erlaubnis für das Einleiten von Abwasser nur erteilt werden, wenn die Schadstofffracht so gering gehalten wird, wie dies bei Einhaltung der jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik möglich ist. Hieraus leitet sich ein Verbot der Einhaltung von Ablaufkonzentrationen durch Vermischung oder Verdünnung ab. Weitere Vorschriften des Bundes zum Thema Verdünnung und Vermischung finden sich in der Abwasserverordnung (AbwV) [AbwV, 2004].
Nach § 3 Abs. 3 AbwV als Konzentrationswerte festgelegte Anforderungen dürfen nicht – entgegen dem Stand der Technik – durch Verdünnung erreicht werden.
Gebührenrechtlich von Bedeutung ist hierbei das Abwasserabgabengesetz (AbwAG) vom 18. Januar 2005 [AbwAG, 2005]. Hierin wurde festgelegt, dass eine Ermäßigung des Abgabesatzes ausgeschlossen wird, falls die Mindestanforderungen entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik durch Verdünnen und Vermischen erreicht werden.
Ein wichtiges Element für eine dichte Kanalisation ist in den LWG enthalten. Zustand und Betrieb der Abwasseranlagen sollen durch eine Eigenüberwachung sichergestellt werden. Die Länder sind ermächtigt, Eigenkontrollverordnungen zu erlassen, um die von den Anlagenbesitzern durchzuführende Eigenüberwachung zu präzisieren. Eine Verpflichtung zur regelmäßigen Zustandserfassung und ggf. Sanierungsplanung der Kanalsysteme ergibt sich in NRW aus der Selbstüberwachungsverordnung Kanal (SüwV Kan) aus dem Jahr 1995 [SüwV Kan, 1995]. In der SüwV Kan wird festgelegt, dass eine Ersterfassung aller öffentlichen Kanäle und aller privaten Abwasserableitungen von befestigten Flächen, die größer als 3 ha sind, bis zum Ende des Jahres 2005 erfolgen musste. Alle anzeigepflichtigen Anlagen gemäß der §§ 58 und 61 des Landeswassergesetzes NRW (LWG NRW) sind davon betroffen.
Die Abwasserbeseitigungspflicht wird den Kommunen durch das LWG NRW auferlegt. Aufgrund der Landesverfassung wird festgelegt, dass im Rahmen der Selbstverwaltung bestimmte Aufgaben auf kommunaler Ebene zu regeln sind. Dazu haben die Länder jeweils eine Gemeindeordnung erlassen, die den Kommunen die Möglichkeit zur Gestaltung ihres Ortsrechtes geben. Die Kommunen können somit durch Erlass von Abwassersatzungen die Ihnen auferlegte Abwasserbeseitigungspflicht erfüllen und gestalten. Die Abwassersatzungen regeln die Rechte und Pflichten der Anschlussnehmer an die öffentliche Kanalisation. In den Satzungen sind detaillierte Regelungen für die Herstellung und den Betrieb von Grundstücksentwässerungsanlagen (GEA) enthalten. In der Regel wird in den Satzungen auf die technischen Regelungen der einschlägigen DIN EN –Normen der DIN Normen oder das Regelwerk der DWA verwiesen. So ist der Abfluss von Fremdwasser – insbesondere von Drainagewasser und Grundwasser – in Abwasserkanälen grundsätzlich untersagt [SATZUNG STADT BERGKAMEN, 1994]. Nach § 53 Abs. 1 LWG NRW haben die Gemeinden, soweit dies noch erforderlich ist, die zur ordnungsgemäßen Abwasserbehandlung notwendigen Abwasseranlagen in angemessenen Zeiträumen zu errichten, zu erweitern oder den allgemein anerkannten Regeln der Abwassertechnik anzupassen. Der Stand der öffentlichen Abwasserbeseitigung im Gemeindegebiet sowie die zeitliche Abfolge und die geschätzten Kosten der zur Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht noch notwendigen Baumaßnahmen der Gemeinde sind in einem Abwasserbeseitigungskonzept (ABK) darzustellen. Auch soll das ABK entsprechend der aktuellen Fassung des LWG NRW Aussagen über die künftige Niederschlagswasserbeseitigung enthalten. Das ABK ist jeweils im Abstand von sechs Jahren fortzuschreiben. Eine Ausweitung der Anforderungen an das ABK hinsichtlich einer Fremdwasserbetrachtung scheint also angezeigt.
Die Anforderungen an die Beseitigung von Niederschlagswasser wurden durch die Einführung des § 51a LWG beschrieben. Demnach besteht eine gesetzliche Grundpflicht zur Versickerung oder Verrieselung vor Ort oder ortsnahen Einleitung von Niederschlagswasser in ein Gewässer. Mit dem vom MUNLV veröffentlichten Runderlass zur „Niederschlagswasserbeseitigung gemäß § 51a des Landeswassergesetzes“ [RL1, 1998] werden technische Vorgaben zur ortsnahen Beseitigung bzw. Behandlung des anfallenden Niederschlagswassers gemacht. Sie werden durch den Runderlass „Anforderungen an die Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren“ (Trennerlass) [RL2, 2004] erweitert bzw. konkretisiert. Mit dem Trennerlass werden durch Kategorisierung des Niederschlagwassers Grundsätze zur Behandlungsbedürftigkeit festgelegt. Eine weitere grundsätzliche Neuerung durch den Trennerlass bildet die Anschlussmöglichkeit von Dränageleitungen an einen Regenwasserkanal.
Eine Regelung für private Kanäle findet sich in § 45 der Bauordnung NRW [BauO NRW, 2000]. Hier wird eine Dichtigkeitsprüfung für neu- und umgebaute Hausanschlüsse gefordert. Für bestehende Anschlussleitungen wird ebenfalls eine entsprechende Prüfung und – wenn erforderlich – Sanierung gefordert. Anschlussleitungen in Wasserschutzgebieten waren daher bis Ende des Jahres 2005 zu prüfen, wenn die Anlage vor 1990 (industriell gewerbliches Abwasser) bzw. vor 1965 (häusliche Abwasserleitungen) errichtet wurde. Alle anderen Hausanschlüsse und Grundleitungen müssen bis zum Ende des Jahres 2015 überprüft und ggf. abgedichtet werden. Die öffentliche Abwasseranlage fällt ausdrücklich nicht unter den Anwendungsbereich der Bauordnung. Der § 45 gilt daher ausschließlich für die Abwasseranlage auf dem jeweiligen Privatgrundstück, das heißt, auch nicht für Privatleitungen im öffentlichen Raum.
Die Anforderungen an Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden wird in einer Norm geregelt [DIN EN 752 – 1, 1995]. Entsprechendes gilt für Entwässerungsanlagen von Gebäuden und Grundstücken [DIN 1986, 2003]. Beide Normen setzen die Dichtheit des Systems und somit auch die Vermeidung von Fremdwasser für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anlagen voraus.
Das für die Fremdwasserbetrachtung zu untersuchende Entwässerungssystem im Einzugsbereich des Lippeverbandes besteht aus vier Teilaufgaben. Die Zuständigkeiten sind dabei drei Beteiligten zuzuordnen.
Aufgaben und Zuständigkeiten werden folgendermaßen geregelt:
- private Entwässerung à Anlieger (Eigentümer)
- Abwasserbeseitigung à Kommune
- Abwasserreinigung à Lippeverband
- Grundwasserregulierung. à Lippeverband
Nachfolgend wird die Abgrenzung zwischen dem Anlieger und der Kommune näher erläutert. Bei den Abwasserleitungen handelt es sich zum einen um die von den Abwasserbeseitigungspflichtigen erstellten Anlagenteile im öffentlichen Bereich und zum anderen um die im Privatbesitz befindlichen Grund- und Anschlussleitungen der Anlieger. Der gesetzliche Geltungsbereich ist in Abbildung 12 dargelegt. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass sich das Wasserrecht (hier vertreten durch § 18) auf den öffentlichen Bereich (öffentliche Straße, sonstige öffentliche Fläche) beschränkt, und dort die Belange der öffentlichen Entwässerung regelt. Da der öffentliche Bereich an der Grundstücksgrenze des privaten Anliegers endet, werden die Belange der privaten Entwässerung dort über die Bauordnung geregelt (über § 45). Die jeweiligen Geltungsbereiche beginnen oder enden an der Grundstücksgrenze zwischen privatem und öffentlichem Eigentum. Die Eigentumsverhältnisse der Grund- und Anschlussleitungen werden über die Entwässerungssatzungen der Kommunen geregelt. Die meisten Satzungen basieren auf der Mustersatzung des Städte- und Gemeindebundes. Hier wird auch die Einleitung von Grund- und Dränagewasser in die öffentliche Kanalisation allgemein untersagt. In vielen Kommunen ist der Anlieger Eigentümer der Anschlussleitungen bis zum Hauptsammler. Für die praktische Umsetzung von Kanalsanierungsmaßnahmen im öffentlichen Bereich, bei denen es um die Sanierung des Hauptnetzes geht, und somit auch um die Vermeidung einer Fremdwasserableitung über die Kanalisation ist diese Regelung aus Sicht des Verfassers unbefriedigend. Ohne die gleichzeitige Sanierung des Nebennetzes also der Grund- und Anschlussleitungen wird kein befriedigendes Ergebnis hinsichtlich der Fremdwasserableitung erzielt, da sonst das Fremdwasser über das undichte Nebennetz dem Hauptkanal zugeführt wird. Ein denkbarer Ansatz zur Verbesserung dieser Situation ist die Veränderung der Eigentumsverhältnisse dahingehend, dass die Kommune im gesamten öffentlichen Bereich Eigentümer der Kanalisation, einschließlich der Anschlussleitungen zwischen der Grundstücksgrenze und dem Hauptkanal wird. Die Abdichtung der Grundleitungen auf dem Privatbereich sollte zeitlich mit anstehenden Kanalsanierungsmaßnahmen koordiniert werden. Dies würde eine Veränderung des § 45 der Bauordnung bedingen, da hier der Zeitraum bis 2015 angegeben wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 13: Geltungsbereich gesetzlicher Regelungen für Entwässerungsleitungen
Weitere Regelungen zum Umgang mit dem Grundwasser, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen wird, finden sich im Strafrecht (§§ 324 ff) [StGB, 1998] sowie im Bundesbodenschutzgesetz [BBodSchG, 1998]. Hier werden die Veränderung, Beeinträchtigung und Verunreinigung des Bodens bzw. des Grundwassers durch undichte Kanalisationen angesprochen, und deren Folgen geregelt.
4. Wasserwirtschaftliche Zusammenhänge
Alle ersten Entwässerungsmaßnahmen hatten das ursprüngliche Ziel, möglichst viel Wasser möglichst schnell aus dem Siedlungsgebiet abzuführen, um so Vernässungen zu vermeiden. In den Straßen zwischen den Häusern wurden daher z.B. Entwässerungsanlagen in Form von flachen oberirdischen Gräben angelegt. Durch die so geschaffenen Gräben und Rinnen wurde in Gebieten mit hohem Grundwasserstand zusätzliches Grundwasser abgeleitet und darüber der Grundwasserspiegel künstlich abgesenkt [HENNERKES, 2006]. Auch wurden, zur gezielten Grundwasserregulierung schon sehr früh Dränageleitungen unterhalb der Kanäle verlegt [KÖNIG, 1902 und FRÜHLING, 1903]. Hinzu kam eine Grundwasserinfiltration durch undichte Rohrverbindungen [SICKERT, 1998].
Aus heutiger Sicht besteht die wesentliche Aufgabe der Stadtentwässerung in der Abwasserentsorgung sowie Regenwasserbewirtschaftung. Wechselwirkungen zwischen dem Abwasser, dem Niederschlag und dem Grundwasser sind dabei zu berücksichtigen.
Hieraus wird abgeleitet, dass nur bei Einbindung aller beteiligten Fachgebiete der einzelnen wasserwirtschaftlichen Teilsysteme, ein schlüssiges Konzept der Sanierung einer Stadtentwässerung entstehen kann.
Die nachfolgende Abbildung 14 veranschaulicht die Beziehungen der Stadtentwässerung, der Abflussregelung und der Grundwasserbewirtschaftung untereinander. Für die Überplanung einer Grundwasserbewirtschaftung liegen demnach Wechselwirkungen in Bezug auf
- vorhandene Dränagen
- Versickerungsmöglichkeiten
- Retentionsvolumina
- Fremdwasser
vor, die bei der Abwasserentsorgung, Regenwasserbewirtschaftung, der Forderung nach dem Schutz vor Hochwasser und einer Entwässerung über naturnahe Gewässer zu berücksichtigen sind.
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- Dipl. Ing. (FH) MSc Carsten Trockels (Author), 2007, Möglichkeiten zum Umgang mit Grundwasser im Rahmen der Forderung nach einer dichten Mischwasserkanalisation , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91495
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