In Zeiten der Medialisierung und technischen Spielzeuge stellt sich die Frage, ob Natur im Leben der Kinder heute überhaupt noch eine Rolle spielt. Stellt sie noch eine gewisse Attraktivität und Herausforderung für die Kinder dar oder kann sie mit der fiktiven, spannungsgeladenen Welt, die Computerspiele und das Fernshen für sie bereitstellen, nicht mithalten? Ist es überhaupt von Bedeutung, ob Kinder die Natur nutzen oder sich in ihr bewegen? Zu bedenken ist, dass die meisten Kinder nicht in einer ländlich geprägten Gegend aufwachsen, denn zwei Drittel aller Kinder in Deutschland wachsen in Städten auf. Gibt es überhaupt Natur in Städten, vor allem in Großstädten wie Dortmund, und ist das Spielen und Toben in natürlichen Freiräumen aufgrund der stetig steigenden Motorisierung überhaupt noch möglich?
Da eine Klärung dieser Fragen anhand des Beispiels von ganz Dortmund zu umfangreich ist, beschränkt sich diese Arbeit auf die Untersuchung eines Unterbezirks von Dortmund.
Der Untersuchungsraum Bövinghausen besitzt durch seine dichte Besiedlung städtischen Charakter. Hier ist der Anteil an Grünflächen im Vergleich zu anderen Stadtbezirken von Dortmund eher begrenzt, doch existiert auch hier Natur in Form von einem Naturschutzgebiet, Wiesen und einer Parkanlage, namentlich „Volksgarten“. Hier soll für den speziellen Fall Aufschluss darüber gegeben wer-den, inwiefern die vorhandene Natur von den Kindern dort erlebt, wahrgenommen und begriffen wird.
Zu berücksichtigen ist, dass Bövinghausen mit 12,7 % einen relativ hohen Migrantenanteil aufweist und durch unterschiedliche kulturelle Prägung eventuell eine andere Einstellung zur Natur existieren könnte. Daher wird bei der Wiedergabe der Untersuchungsergebnisse zwischen Mädchen und Jungen differenziert und, wenn Unterschiede im Bezug zur Natur erkennbar sind, auch zwischen deutschen Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund.
Weiterhin sollten die sozialen und ökonomischen Lebensbedingungen als wichtige Determinanten des Alltagslebens der Kinder nicht außer Acht gelassen werden, denn sowohl eine aktive, kreative und naturverbundene Freizeitgestaltung als auch eine eher passive und überwiegend konsumorientierte Haltung ist nicht etwa angeboren. Ihre Entwicklung steht in enger Abhängigkeit mit der Angebotsstruktur der Lebenswirklichkeit der Kinder und ihren Lernmöglichkeiten.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis:
Tabellenverzeichnis:
1. Einführung
2. Zielsetzungen und Fragestellungen
2.1 Entwicklung der Fragestellung
2.2 Methodik und Repräsentativität
3.Aspekte des Naturbegriffs
3.1 Epochale Unterscheidungen des Naturbegriffs
3.2 Heutige Bedeutungen des Naturbegriffs
4. Stadtnatur
4.1 Definition des Begriffs `Stadtnatur´
5. Die Bedeutung von Natur für die physische und psychische Entwicklung des Kindes
5.1 Das dreidimensionale Persönlichkeitsmodell
5.2 Ausgewählte Untersuchungsergebnisse
5.2 Der psychologische Aspekt der Natur aus stadtökologischer Sicht
5.3 Der physische Entwicklungsbeitrag, den Natur leisten kann
5.4 Fazit:
6. Stadtnatur in Dortmund Bövinghausen
6.1 Fläche, Bevölkerung und Sozialstruktur des Stadtteils Bövinghausen
6.2 Grünflächen in Bövinghausen
6.2.1 Das Naturschutzgebiet Ölbachtal
6.2.1.1 Die Namensgebung
6.2.1.2 Die Vegetation
6.2.2 Der Volksgarten
7. Präsentation der Erhebung und ihrer Ergebnisse
7.1 Beschreibung der Wohnumgebung der befragten Kinder
7.2 Beschreibung der Erhebung
7.3 Auswertung des Fragebogens
7.3.1 Frage 1
7.3.2 Frage 2
7.3.3 Frage 3
7.3.4 Frage 4
7.3.5 Frage 5
7.3.6 Frage 6
7.3.7 Frage 7
7.3.8 Frage 8
7.3.9 Frage 9
7.3.10 Frage 10
7.3.11 Frage 11
7.3.12 Frage 12
7.3.13 Frage 13
7.3.14 Frage 14
7.3.15 Frage 15
7.3.16 Frage 16
7.3.17 Frage 17
7.3.18 Frage 18
7.4 Auswertung der gesamten Erhebung
8. Fazit
Literaturverzeichnis:
Quellen
Anhang:
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Natur der 1. Art in Bövinghausen (Nähe Ölbachtal)
Abbildung 2: Natur der 2. Art in Bövinghausen (Nähe Ölbachtal)
Abbildung 3: Natur der 3. Art in Bövinghausen (Volksgarten Bövinghausen)
Abbildung 4: Stadtteilplan von Dortmund Bövinghausen - West
Abbildung 5: Stadtteilkarte von Bövinghausen - Ost
Abbildung 6: Karte des NSG Ölbachtal
Abbildung 7: Laubwald im NSG Ölbachtal (östlicher Bezirk)
Abbildung 8: Laubwald im NSG Ölbachtal (westlicher Bezirk nahe der Stadtgrenze Dortmund/Bochum)
Abbildung 9: Übergang vom Talrand zum Feldflur (NSG Ölbachtal)
Abbildung 10: ehemaliges Wiesen- und Weideland (NSG Ölbachtal)
Abbildung 11: Feuchte Sukzessionsbrachen mit Hochstauden und Schilfröhricht (1)
Abbildung 12: Feuchte Sukzessionsbrachen mit Hochstauden und Schilfröhricht (2)
Abbildung 13: Eingang der Kleingartenanlage
Abbildung 14: Ackerfläche im NSG Ölbachtal
Abbildung 15: Bachlauf im NSG Ölbachtal
Abbildung 16: Volksgarten Bövinghausen (Wegrichtung Dellwiger Wald)
Abbildung 17: Eingang des Volksgartens Bövinghausen
Abbildung 18: Spielplatz im Volksgarten Bövinghausen
Abbildung 19: Teich im Volksgarten I
Abbildung 20: Teich im Volksgarten II
Abbildung 21: Bach im Volksgarten
Abbildung 22: Mengenverhältnis von Jungen und Mädchen
Abbildung 23: Mengenverhältnis von deutschen Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund
Abbildung 24: Häufigkeit des spielens außerhalb der Wohnung (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 25: Häufigkeit des spielens außerhalb der Wohnung (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 26: Häufigste Spielorte im Außenbereich (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 27: Häufigste Spielorte im Außenbereich (Unterscheidung Herkunft)
Abbildung 28: Durchschnittliche Spieldauer im Außenbereich (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 29: Durchschnittliche Spieldauer im Außenbereich (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 30: Entfernung des nächsten Waldes vom Zuhause der Kinder
Abbildung 31: Entfernung des Volksgartens vom Zuhause der Kinder
Abbildung 32: Entfernung der nächsten größeren Wiese vom Zuhause der Kinder
Abbildung 33: Häufigkeit der Waldnutzung (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 34: Häufigkeit der Waldnutzung (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 35: Häufigkeit der Nutzung des Volksgartens (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 36: Häufigkeit der Nutzung des Volksgartens (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 37: Häufigkeit der Nutzung von Wiesen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 38: Häufigkeit der Nutzung von Wiesen (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 39: Art der Spiele und Aktivitäten im Wald (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 40: Art der Spiele und Aktivitäten im Park (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 41: Art der Spiele und Aktivitäten auf Wiesen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 42: Kindliche Einschätzung über Erlaubnis oder Verbot der Eltern, im Wald zu spielen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 43: Kindliche Einschätzung über Erlaubnis oder Verbot der Eltern, im Wald zu spielen (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 44: Gründe für ein Verbot, im Wald zu spielen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 45: Kindliche Einschätzung über Erlaubnis oder Verbot der Eltern, im Volksgarten zu spielen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 46: Gründe für ein Verbot, im Wald zu spielen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 47: Wertigkeit von Natur für die Kinder (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 48: : Wertigkeit von Natur für die Kinder (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 49: Eigenschaften, die die Kinder am Volksgarten am meisten schätzen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 50: Eigenschaften, die die Kinder am Volksgarten am meisten schätzen (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 51: Eigenschaften, die die Kinder am Wald am meisten schätzen (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 52: Eigenschaften, die die Kinder am Wald am meisten schätzen (Unterscheidung nach Herkunft)
Abbildung 53: Beliebteste Beschäftigungen in der Wohnung (Unterscheidung nach Geschlecht)
Abbildung 54: Beliebteste Beschäftigungen in der Wohnung (Unterscheidung nach Herkunft)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Fläche, Bevölkerungsdichte und Bevölkerung im Stadtbezirk Lütgendortmund am 31.12.2006
Tabelle 2: Sozialstruktur der Bevölkerung im Stadtbezirk Lütgendortmund am 31.12.2006
Tabelle 3: Ausländer nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit im Stadtbezirk Lütgendortmund am 31.12.2006
1. Einführung
In Zeiten der Medialisierung und technischen Spielzeuge stellt sich die Frage, ob Natur im Leben der Kinder heute überhaupt noch eine Rolle spielt. Stellt sie noch eine gewisse Attraktivität und Herausforderung für die Kinder dar oder kann sie mit der fiktiven, spannungsgeladenen Welt, die Computerspiele und das Fernsehen für sie bereitstellen, nicht mithalten? Ist es überhaupt von Bedeutung, ob Kinder die Natur nutzen oder sich in ihr bewegen? Zu bedenken ist, dass die meisten Kinder nicht in einer ländlich geprägten Gegend aufwachsen, denn zwei Drittel aller Kinder in Deutschland wachsen in Städten auf. Gibt es überhaupt Natur in Städten, vor allem in Großstädten wie Dortmund, und ist das Spielen und Toben in natürlichen Freiräumen aufgrund der stetig steigenden Motorisierung überhaupt noch möglich?
Da eine Klärung dieser Fragen anhand des Beispiels von ganz Dortmund zu umfangreich ist, beschränkt sich diese Arbeit auf die Untersuchung eines Unterbezirks von Dortmund.
Der Untersuchungsraum Bövinghausen besitzt durch seine dichte Besiedlung städtischen Charakter. Hier ist der Anteil an Grünflächen im Vergleich zu anderen Stadtbezirken von Dortmund eher begrenzt, doch existiert auch hier Natur in Form von einem Naturschutzgebiet, Wiesen und einer Parkanlage, namentlich „Volksgarten“. Hier soll für den speziellen Fall Aufschluss darüber gegeben werden, inwiefern die vorhandene Natur von den Kindern dort erlebt, wahrgenommen und begriffen wird.
Zu berücksichtigen ist, dass Bövinghausen mit 12,7 % einen relativ hohen Migrantenanteil aufweist und durch unterschiedliche kulturelle Prägung eventuell eine andere Einstellung zur Natur existieren könnte. Daher wird bei der Wiedergabe der Untersuchungsergebnisse zwischen Mädchen und Jungen differenziert und, wenn Unterschiede im Bezug zur Natur erkennbar sind, auch zwischen deutschen Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund.
Weiterhin sollten die sozialen und ökonomischen Lebensbedingungen als wichtige Determinanten des Alltagslebens der Kinder nicht außer Acht gelassen werden, denn sowohl eine aktive, kreative und naturverbundene Freizeitgestaltung als auch eine eher passive und überwiegend konsumorientierte Haltung ist nicht etwa angeboren. Ihre Entwicklung steht in enger Abhängigkeit mit der Angebotsstruktur der Lebenswirklichkeit der Kinder und ihren Lernmöglichkeiten. Da eine objektive Befragung zu diesem Thema bei Kindern im Grundschulalter als recht schwierig eingeschätzt wurde, beschränkt sich die Arbeit darauf, die Sozialstruktur von Bövinghausen im Allgemeinen darzustellen.
2. Zielsetzungen und Fragestellungen
Die Untersuchung wird durchgeführt, um für Kinder in Großstädten exemplarisch Grunddaten über ihr Verhältnis zu der vorhandenen Natur zu liefern. Dabei soll herausgearbeitet werden, welche Naturformen die Kinder in ihrer Umgebung nutzen und bevorzugen, ob gewisse Naturformen von ihnen gemieden werden und aus welchen Gründen eine Bevorzugung bzw. Vermeidung von spezifischen Stadtnaturarten als Aufenthalts- und Spielort stattfindet. Wenn im Laufe der Arbeit `Stadtnatur´ in vier Arten von Natur unterteilt wird, so geschieht das einerseits, um den Begriff zu definieren, andererseits um dem Leser zu vermitteln, wie komplex dieser Begriff verstanden werden muss und dass auch eine mit Grün bewachsene Brachfläche zur Natur zu zählen ist. Bei der Befragung der Grundschüler wurde `Stadtnatur´, wie sie in der Definition vorkommt, jedoch nicht verwendet, da es sich hierbei um einen wissenschaftlichen Begriff handelt, der auf die Arbeit mit Kindern nicht übertragbar ist. Für die Befragung der Schüler wurden vereinfachte Naturbegriffe wie `Wald´, `Wiesen´ und `Parks´ benutzt, da hier durch vorhergegangene Aufklärungsarbeit über diese Begrifflichkeiten eine gewisse Sicherheit und Spontanität bei den Antworten zu erwarten war. Da vermutet wird, dass sich nach der Befragung ein klarer Trend der beliebtesten Naturformen hin zum künstlichen Gärtnergrün abzeichnen wird, das am wenigsten mit `Natur´ als etwas `natürliches´ zu tun hat oder Natur als Spielraum sogar fast gar nicht genutzt wird, werden in dieser Arbeit mögliche, allerdings im Rahmen der Befragung nicht klar belegbare, Gründe aufgezeigt, die zur Naturentfremdung führen. Zum Ende der Arbeit sollen Chancen und Möglichkeiten aufgezeigt werden, der Naturentfremdung bei Stadtkindern entgegen zu wirken. Dies sollte sowohl von Seiten der Schule wie auch vom häuslichen Umfeld der Kinder als ernstzunehmende Aufgabe angesehen werden, hier wird jedoch hauptsächlich auf die Wege und Möglichkeiten der Schule eingegangen. Zur häuslichen Situation werden gegebenenfalls lediglich defizitäre Zustände angerissen und aufgezeigt, die zur Naturentfremdung beitragen können, sie fördern oder sogar entstehen lassen.
2.1 Entwicklung der Fragestellung
Unter Berücksichtigung der oben genannten Zielsetzungen und Gesichtspunkte wurde mit den Lehrern der befragten Kinder ein speziell auf die Klassen zugeschnittener Fragebogen entwickelt, da die herkömmlichen Fragebogenschemata zu schemenhaft für diese Altersgruppe schienen. Der Fragebogen besteht aus insgesamt 22 Fragen, die sowohl offen als auch geschlossen sind. Sie beziehen sich auf Angaben zur Person und die Nutzung von Natur, explizit Wald, Wiese und Park. Durch die offenen Fragen wurde versucht, den Kindern nicht die Spontanität in ihren Antworten zu nehmen und sie nicht zu sehr darin zu lenken oder einzugrenzen, was durch geschlossene Fragestellungen zwangsweise der Fall ist. Bei den offenen Fragen war es den Kindern erlaubt, Mehrfachnennungen anzugeben. Diese Vorgehensweise wurde vor allem dann genutzt, wenn die Kinder ihre Aktivitäten in den jeweiligen Naturräumen angeben sollten und bei der Befragung zu ihren Beschäftigungen im häuslichen Umfeld. Bei einem Großteil der Fragen wurde sich allerdings für eine geschlossene Fragestellung entschieden, und zwar im Bezug auf die quantitative Nutzung von Naturarten, deren jeweilige Beliebtheit als Spiel- und Aufenthaltsort und deren subjektiv empfundenen Entfernungen vom Wohnort der Kinder. Diese Entscheidungen waren dadurch bedingt, dass die Kinder nur ihr Verhältnis zu Naturarten angeben sollten und nicht zu anderen `Lieblingsplätzen´ o. ä. Hier wurde von den Lehrern befürchtet, dass offene Fragen zu diesen Themen die Kinder zu schnell vom Thema abschweifen lassen. Nach Angaben der Lehrer, sind noch nicht alle Kinder in der Lage, sich selbstständig in ein Thema hineinzudenken und dazu Stellung zu beziehen. Die geschlossenen Fragen fungieren also auch als Hilfestellung, da auf weitläufigere Erörterungen der Fragen während des Ausfüllens der Schüler verzichtet werden sollte.
Die meisten Fragen, die Aufschluss zur Nutzung der Natur von Grundschulkindern geben sollen, beziehen sich, wie bereits erwähnt, inhaltlich auf die quantitative Nutzung von Wald, Wiese und Park, auf dessen jeweilige Beliebtheit, die Entfernungen und die Aktivitäten, für die die jeweilige Natur genutzt wird, da nach vorhergehenden Gesprächen mit den Lehrern hier ein Zusammenhang zwischen der Nutzung von Naturarten und der Entfernung vermutet wurde. Diese sind zwar für die Schüler überwiegend zu erreichen, doch nach Angaben der Lehrer zeigte sich in vergangenen Gesprächen mit Schülern der Trend, dass sie grundsätzlich bereit sind, in ihrer Freizeit für gewisse Ziele größere Strecken zu Fuß oder mit dem Bus zurück zu legen, diese Bereitschaft bisher jedoch nicht festgestellt wurde, um Natur als Spielstätte zu erreichen oder zu nutzen. Ein Zitat einer Lehrerin lautete:
„Die Schüler trifft man oft in Bezirken an, die weit von ihrem zu Hause weg sind. Sie bewegen sich durchaus in größeren Radien um ihr Zuhause. Ich habe auch noch nicht gemerkt, dass sie von zu Hause irgendwelche Einschränkungen diesbezüglich haben. Aber das machen sie, glaub ich nicht, um im Wald zu spielen. Das ist denen zu unspektakulär. Die treffen sich zum Playstation spielen. Oder sie wollen dann schon was geboten kriegen. Zum Beispiel einen Spielplatz, wie im Volksgarten. Da könnte ich mir vorstellen, dass sie da Einsatz zeigen. Aber für die reine Natur fehlt ihnen, glaub ich, die Phantasie. Die wissen da nichts mit sich anzufangen. Wenn die Wiese oder der Wald neben an ist… gut. Sonst glaube ich nicht, dass sie die extra aufsuchen. Aber sie kriegen es von zu Hause ja auch nicht anders vorgelebt.“
Die letzte Frage im Fragebogen, welche in Erfahrung bringen soll, was sie zu Hause spielen, wird als sehr bedeutend bewertet, wenn es im späteren Teil der Arbeit darum geht, mögliche Gründe für ein sehr einseitiges Nutzen von `Natur´ zu nennen. Hier wird nach Aussage der Lehrer vermutet, dass die heute allseits verbreiteten Computerspiele eine tragende Rolle spielen.
Da es sich bei den Befragten im Bezug auf das Alter, die Sozialstruktur, bedingt durch den Wohnort, um eine relativ homogene Gruppe handelt wurde bei den persönlichen Angaben auf eine Reihe von Fragen zur Person verzichtet, da der Ortsteil Bövinghausen, in dem alle befragten Kindern wohnen, im Bezug auf seine Sozialstruktur beschrieben wird. Angaben zur Person, die sich nicht aus der Sozialstruktur von Bövinghausen ableiten lassen oder einer genaueren Zuordnung des Schülers zu dieser dienen, wurden im Fragebogen berücksichtigt.
2.2 Methodik und Repräsentativität
Die Befragung wurde innerhalb von zwei Tagen an der Freiligrath Grundschule in Bövinghausen in der dritten und vierten Jahrgangsstufe durchgeführt. Hierbei handelte es sich um jeweils zwei Klassen, die insgesamt aus 84 Schülern bestanden. Die Befragten waren zu diesem Zeitpunkt zwischen 8 und 12 Jahre alt. Die Abweichung nach oben ist begründet durch eine spätere Einschulung und/oder der Wiederholung einzelner Jahrgangsstufen der Kinder. Die ersten und zweiten Jahrgangsstufen der Schule wurden nicht befragt, da dies auf Grund der noch nicht oder nur teilweise vorhandenen Lesekompetenzen als schwierig befunden wurde, andererseits auch zahlenmäßig keine Notwendigkeit bestand, da durch die dritten und vierten Jahrgänge genügend Material für die Auswertung zur Verfügung stand. Hier kann allerdings nicht beurteilt werden, ob der Altersfaktor Einfluss auf das Freizeitverhalten und die Nutzung von Natur nimmt.
Die Befragung erfolgte im Klassenverband und nach einigen Erläuterungen zum Fragebogen (nähere Ausführungen dazu folgen in Kapitel 7) dieser von den Kindern selbst- und eigenständig bearbeitet.
Bei Verständnisschwierigkeiten wurde ihnen die Frage noch mal in anderen Worten erklärt. Ziel dieser Befragungsart war es, die Kinder so wenig wie möglich in ihren Antworten zu beeinflussen oder zu lenken. Deshalb wurde bewusst auf Interviews verzichtet. Die Fragen waren allerdings so konzipiert, dass sie schnell Einstieg in das Thema Natur fanden und sich nicht an alternativen Spielorten oder Freizeitaktivitäten im Innenbereich `festbeißen´ konnten. Die Hauptergebnisse beruhen auf einer quantitativen Beschreibung und Analyse der Daten einer für den Stadtteil Bövinghausen repräsentativen Stichprobe von 84 Kindern in einem Stadtteil mit 5436 Einwohnern (ermittelt vom Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Dortmund). Die Freiligrath Grundschule ist die einzige städtische Grundschule in Bövinghausen und deckt mit ihrem Einzugsgebiet exakt diesen Stadtteil ab. Es gibt neben der Freiligrath Grundschule zwar noch die katholische Grundschule Marienborn, jedoch geht hier nur ein kleiner Teil der in Bövinghausen wohnhaften Kinder zur Schule, da diese Grundschule ursprünglich im Stadtteil Lütgendortmund angesiedelt und lediglich als Übergangslösung in den Räumlichkeiten in Bövinghausen untergebracht ist. Die Auswahl der befragten Kinder ist somit repräsentativ für den Stadtteil Bövinghausen, kann allerdings auf Grund ihrer regionalen Bindung nicht auf andere Stadtteile oder ganz Dortmund angewendet werden.
3.Aspekte des Naturbegriffs
Zu Beginn sei erwähnt, dass es für den Begriff Natur nicht bloß eine Definition gibt, womit der Begriff dann eindeutig und unverwechselbar umrissen sei. Classen schreibt 1863 in seinem Buch „Zur Geschichte des Wortes Natur“, dass „es in der menschlichen Sprache wenige Worte von weiterem Umfang und reicherem Inhalt geben möchte, als dieses“. (zit. in Keil 2002, S. 13)
Allerdings wird es auch nicht als Aufgabe dieser Arbeit verstanden, dieses Problem tiefgreifend zu erörtern und darzustellen. Hier soll lediglich ein Ausschnitt geliefert werden, um einen allgemeinen Überblick über die Thematik und ihre Vielschichtigkeit des Begriffs zu liefern.
Wie bereits erwähnt ist `Natur´– auf den ersten Blick ein so selbstverständlicher und klarer Begriff – schwer mit eindeutigem und klarem Inhalt zu füllen. Selbst die etymologische Betrachtung lässt zwei Ursprünge des Begriffs zu. Das griechische `physis´ bezeichnet alles Existierende. (vgl. Keil 2002, S. 13) Das lateinische Wort `natura´ akzentuiert das Geborenwerden (nasci = geboren werden). Danach wäre Natur etwas, dass aus sich selbst heraus, ohne technische Hilfsmittel, existiert oder entsteht. (vgl. Gebhard 1994, S. 60) Naturbilder und Naturbegriffe unterliegen allerdings auch einem starken Wandel, da sie durch die Gesellschaft gebildet werden und als soziale Konstrukte verstanden werden müssen. Daher lässt sich die Bedeutung des Begriffs `Natur´ auch epochal eingrenzen und muss im zeitlichen Kontext betrachtet und unterschieden werden.
3.1 Epochale Unterscheidungen des Naturbegriffs
Antike: Natur als abstrakter Erkenntnisbegriff
Bei den Griechen war `Natur´ (physis) ein extensives Schlagwort gesellschaftlicher und moralischer Diskussionen. Sie beinhaltete noch nicht die Natur in Form von Flora und Fauna. Die Römer setzten die naturphilosophischen Forschungen nicht fort. Bei ihnen wurde die geordnete Natur als Richtlinie für die technische und rechtliche Ordnung angesehen. (vgl. Keil 2002, S. 15)
Mittelalter: Natur im theologischen Sinnzusammenhang
In der Feudalordnung des Mittelalters, bei der der Mensch abhängiger Teil des Naturkreislaufs der göttlichen Ordnung war, wurde die Natur als Beweis für Gottes Größe genutzt und dargestellt. Sie wird erst im Hochmittelalter als Betätigungsfeld für die menschliche Vernunft genutzt, nachdem eine Trennung von Glauben und Wissen statt gefunden hatte. Das war die Basis, aus der sich später die Naturwissenschaft entwickelte. (vgl. Keil 2002, S. 15)
Renaissance: Natur als konkrete Landschaft
Als sich im Mittelalter durch die Trennung von Stadt und Land Städtenetze bildeten, entdeckten die Menschen die Natur als konkrete Landschaft. Die Bedeutung von `Natur´ in der Renaissance wird vor allem in der Kunst aus dieser Zeit deutlich. Die Maler aus dieser Epoche zeichnen sie als einen Ort der Sinn- und Indentitätsfindung für den Menschen, der nicht weiterhin untergeordnetes Objekt der von Gott geschaffenen Welt ist, sondern beherrschendes Subjekt der Natur sein kann. (vgl. Keil 2002, S. 15)
16. Jh.: Anfang der modernen Naturwissenschaften
Den Anfang dieses Zeitgeistes bildet die kopernikanische Wende. Als das geozentrisch-ptolemäische Weltbild vom heliozentrischen Weltbild abgelöst wurde, erforschte man die Natur in Bereichen der Astronomie, Optik und Mechanik. Die Natur wurde als großer Mechanismus betrachtet, den es zu erschließen galt. Durch neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse verstärkte sich der Drang, immer neue Erkenntnisse aus ihr zu gewinnen und sie für die Menschheit zu erobern.
(vgl. Keil 2002, S. 15)
Aufklärung: Natur als Vorbild für die menschliche Ordnung
Nachdem man durch naturwissenschaftliche Forschungen entdeckt hatte, dass im Universum vieles einer festen Ordnung entspricht, bildete die Natur die Grundlage für das damalige Streben nach einem ursprünglichen, unverfälschten Leben. Das Natürliche stand für das Gute und wurde mit großem Respekt betrachtet.
(vgl. Keil 2002, S. 15)
Romantik: Natur als Idealbild einer unberührten Landschaft
In der Romantik wurde die Natur wieder als etwas wildes, ursprüngliches und unberührtes betrachtet und verehrt. Für die Dichter dienten die Himmelsfirmahmente, Berge, Meere und Pflanzen als Muse und Sinnbilder ihrer Gefühle. Die Natur wird idealisiert und romantisiert. Die Erklärung für diesen Wandel bestand darin, dass man nun keine Angst mehr vor ihr und ihren Phänomenen haben musste, da die Naturwissenschaft die Fragen, die die Menschen zuvor geängstigt haben, beantwortet hatte. Erst durch die Technisierung von Natur entstand diese große Nähe zu ihr. (vgl. Keil 2002, S. 15)
3.2 Heutige Bedeutungen des Naturbegriffs
Heute wird der Naturbegriff häufig symbolisch gebraucht und verstanden. `Natur´ als Symbol für etwas Heiles und Vollkommenes, für paradiesische Zustände, womit klar eine Sehnsucht nach Ganzheit und unentfremdeter Umwelt zum Vorschein kommt. Wird der Begriff in diesem Sinne verwendet, meint man das so genannte `Naturschöne´, was bei Kant eine tragende Rolle spielte. Kant war beispielsweise der Meinung, dass durch Naturnähe die Moralentwicklung des Menschen gefördert werde. Historisch gesehen trat die Sehnsucht nach der `Naturschönheit´, wie bereits erwähnt, erst auf, nachdem bei den Menschen eine gewissen Entfremdung der Natur durch die Entwicklungen von Technik und Naturwissenschaft statt gefunden hatte. Somit ist es auch kein Zufall, dass die in Dichtung und Kunst so häufig zum Ausdruck gebrachte Sehnsucht nach Arkadien ein Merkmal für die Epoche der Aufklärung ist. (vgl. Gebhard 1994, S. 60)
„Das vorgeblich geschichtslose Naturschöne hat seinen geschichtlichen Kern“ (Adorno 1970, S. 102).
Im Schlagwort `Natur´ als Symbol für das Schöne und Unberührte findet man heute einerseits einen Anflug von Kritik an politischen Zuständen, die es nicht schafft, die Natur so zu behüten, dass sie gefahr- und makellos existieren kann. Zum anderen verkörpert der als solcher gebrauchte Begriff eine Denkrichtung und Wunschvorstellung von einer harmonischen und heilen Welt. Der Gedanke, dass Natur gefährliche, bedrohliche oder beängstigende Seiten haben kann, kommt nicht auf oder wird ignoriert. Die Nähe zur Natur wird gesucht, jedoch wiederum mit einer ausreichenden Distanz von ihren unerwünschten Seiten. Diese Denkweise liefert wiederum eine Erklärung, warum vor allem die `gezähmte´ Natur als schön empfunden wird, wie sie beispielsweise häufig in Städten und Vorgärten vorzufinden ist. Natur steht heute somit selten mit `dem Natürlichen´ (aus etymologische Betrachtung `nasci´, aus sich selbst heraus entstehend) im Kontext, sondern wird häufig als das `gute, zu beschützende, unantastbare Grün´ betrachtet, dass allerdings gepflegt und kultiviert zu sein hat, was selbstverständlich einen internen Widerspruch in sich birgt.
Trommer (1990, S. 24) führte mit 98 Erwachsenen eine Studie durch, dessen Ziel es war, ihre Assoziationen zum Begriff `Natur´ zu ergründen. Besonders häufige Assoziationen waren nicht menschliche Naturbestandteile (wie Bäume 40 mal, Wiese 24 mal, Wald 23 mal, Tiere 15 mal, Vögel 11 mal, Blumen 11 mal), ästhetische Empfindungen (Harmonie, Weite, Schönheit), erholungsbezogene Merkmale (Spazieren, Wandern, Ruhe, Erholung) und sogar 12 mal Aspekte der Umweltzerstörung. Die Assoziation zum Menschen, der menschlichen Natur, kam lediglich 8-mal vor.
Auch eine Studie mit Kindern (Trommer 1990) brachte im Verlauf der Auswertung im Wesentlichen das Ergebnis, dass Natur vornehmlich außermenschlich assoziiert wird. Die spontan geäußerten Begriffe zum Thema `Natur´ deckten sich mit den Begriffen, die den Erwachsenen dazu einfielen. Auch auf den Bildern, die die Kinder zum Thema Natur zeichnen sollten, war nur in Einzelfällen ein Mensch drauf zu erkennen. Die Bilder wurden dominiert von blühenden Wiesen, blauem Himmel, Sonnenschein, Vögel, … (vgl. Pohl, D. / Schenk, M. 2002)
„Fazit: Unter `Natur´ ist vorwiegend außermenschliche Natur assoziiert worden. Positiv-gefühlsbezogene Aspekte überwogen. Dies verweist auf die in unserem Kulturkreis herrschende Konvention, dass mit `Natur´ vorwiegend etwas verbunden wird,
- das draußen vorkommt,
- das mit Lebewesen und/oder
- das mit Landschaft in Verbindung gebracht wird,
- das vor allem außermenschlich existiert und
- das angenehm ist“
(Trommer 1990, S. 25)
Dadurch, dass `Natur´ nicht unbedingt mit etwas `natürlichem, aus sich selbst heraus existierendem´ assoziiert wird, ist wohl der Umkehrschluss zulässig, dass Natur durchaus vom Menschen und durch technische Hilfsmittel geschaffen sein darf, das heißt ohne lediglich aus sich selbst heraus zu entstehen. Hier erreicht der Begriff der `Stadtnatur´ als eine mögliche Naturform seine Legitimität.
4. Stadtnatur
Wie bereits in Kapitel 3 erläutert ist `Natur´ nicht nur `das Natürliche´, aus sich selbst heraus entstehende, denn wäre das der Fall, gäbe in Großstädten wie Dortmund kaum Natur, da hier der Mensch nahezu überall die ursprüngliche Beschaffenheit der Landschaft verändert hat. Doch es gibt Natur in Dortmund. In diesem Teil der Arbeit wird jedoch nicht auf die quantitative Existenz von Natur in Dortmund eingegangen. Dies erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt. Hier soll zunächst die Berechtigung des Begriffes `Stadtnatur´ erläutert werden und der Begriff `Natur´ markiert werden, wie er in dieser Arbeit von nun an zum tragen kommt. Dazu ist zunächst ein kleiner Ausschnitt nötig, der die Entwicklung von Stadtnatur und den Wandel ihrer Bedeutung für den Menschen beschreibt (orientiert an den Ausführungen von Keil (2002), Hard (1996) [1985], Kowarik (1992b)).
Seit den 70er Jahren ist Stadtnatur akzeptiert und in Zeiten der Industriekultur ist ihr Image mittlerweile mehr als gut, obgleich das war nicht immer der Fall war.
Städte entstanden, weil die Menschen versuchten, vor der Natur zu flüchten. Sie hatte etwas Bedrohliches für sie, deshalb akzeptierte man sie lediglich in Form von kultivierten Gärten. Man versuchte, die Natur, der man sich außerhalb der Städte schutzlos ausgeliefert fühlte, zu zähmen. Ein gutes Bespiel dafür bietet Frankreich, wo in den absolutistischen Gärten die Erhabenheit über die Natur demonstriert werden sollte. Nachdem man in der Zeit der Aufklärung die Natur im Rahmen von naturwissenschaftlichen Forschungen nicht mehr so voller Ehrfurcht betrachtete, entstand eine neue Anschauung von Natur: `die Landschaft´ als ästhetisches Sinnbild und Idealbild von Natur. Diese war vor den Mauern der Städte existent und, wie ursprünglich beabsichtigt, vom täglichen Leben in den Städten abgeschirmt. Also legte man in den Städten Gärten an, die dem Landschaftsbild vor den Stadtmauern nachempfunden waren.
Zur Zeit der Industrialisierung erreicht die Sehnsucht nach Natur wiederum neue Dimensionen. Nachdem man in die Städte geflüchtet war, um ein komfortableres und fortschrittlicheres Leben zu führen, unabhängig von den Launen der Natur, sehnte man sich plötzlich wieder danach. Man suchte den Kontakt zur Natur, um dort den Stress des Alltags und der Arbeit kompensieren zu können. Sie sollte die negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung verdecken und die Sehnsucht der Menschen nach einem ganzheitlichen Leben befriedigen, wenn er sich in sie begab. Aufgrund der Industrialisierung wurde die Natur vor den Stadtmauern jedoch massiv bedroht und es entstand bei den Menschen ein Gewissenskonflikt, der bis heute anhält: zuerst flüchtete man vor der Natur und trieb den technischen Fortschritt an, durch den die Natur zum Teil zerstört wurde. Da man diese jedoch mittlerweile als kompensatorisches Medium und Idealbild alles Guten schätzen und lieben gelernt hatte, versuchte man nun, durch künstlich angelegte Natur in den Städten, den Verlust ihrer in ihrer eigentlichen Existenz auszugleichen. Prominente Beispiele dafür sind die Charta von Athen und die Naturgartenbewegung.
Seit den 1970er-Jahren entwickelt sich aus verschiedenen Gründen nun wiederum ein Trend, der bis heute anhält. Man empfindet die wilde, ungezähmte Natur als schön und schützenswert und ist ermüdet von all dem Gärtnergrün in den Städten.
„… die gesamte Tätigkeit des Stadtgärtners [ist] eine einzige, kontinuierliche und ungeheuer kostspielige Naturvernichtung, d.h. (in der Sprache der Pflanzensoziologen) eine stete Vernichtung der `potentiellen natürlichen Vegetation`, die im Gärtnergrün unentwegt als Unkraut hochschießt, sobald der Pflege- und Herbiziddruck nur ein wenig nachlässt“ (Hard (1996) [1985]: S. 290)
Seit die Kassen der Kommunen leerer geworden sind, lässt dich eine größere Toleranz an frei wachsender Natur (von manchem als Unkraut bezeichnet) verzeichnen.
Wie der Fall spezielle in Dortmund Bövinghausen liegt, das wie bereits erwähnt, Untersuchungsraum dieser Arbeit ist, wird wohl nicht aussagekräftig geklärt werden, da die empirischen Studie lediglich die Empfindungen von Grundschulkindern zu Natur in der Stadt aufgreift.
4.1 Definition des Begriffs `Stadtnatur´
Es gibt also Natur in der Stadt. Vor allem weil der Begriff selbst auf vielfältige Weise definiert werden kann (wie im letzten Abschnitt erläutert), ist es notwendig, ihn als solches einzugrenzen. Wenn in der vorliegenden Arbeit bisher von `der Natur´ im Singular gesprochen wurde, dann aus verschiedenen Anlässen. Ein Grund dafür ist, Verwirrung beim Leser zu vermeiden. Ein anderer, dass der Begriff selbst in seinen bisherigen Definitionen intern nicht in verschiedene Kategorien eingeteilt wurde und, auch wenn er im historischen bzw. epochalen Überblick einem steten Wandel des Verständnisses unterlag, er mit jeweils einheitlichen Anschauungen behaftet war.
Der Autor dieser Arbeit vertritt jedoch die Meinung (angelehnt an Ingo Kowarik (1992a)), dass man streng genommen von `Naturen´ sprechen müsse, um der Vielfältigkeit des Begriffs gerecht zu werden. Denn selbst wenn man lediglich `Natur´ in der Stadt näher betrachtet, gibt es unterschiedliche Arten, die es zu unterscheiden gilt.
„Schon dann, wenn wir – mit einer rabiaten, aber nicht unüblichen Verkürzung – nur mehr oder weniger Grünes (d.h., mehr oder weniger begrünte Flächen) als „Natur“ bezeichnen, schon dann gibt es, wie Ingo Kowarik (1992a) aufgezählt hat, mindestens vier Naturen in der Stadt, und diese vier Naturen sind nicht nur vier ganz unterschiedliche biotische Bestände, sondern werden auch mit sehr unterschiedlichen bis konträren kulturellen Bedeutungen und Bewertungen belegt.“
( Hard 2001, S.259)
Diese vier Arten von Stadtnatur sind (teilweise in enger Anlehnung an die Formulierungen von Kowarik) wie folgt zu unterscheiden:
- „Natur der 1. Art“ sind `verinselte´ Wildnisgebiete. Hierbei kann es sich z.B. um Waldstücke, Feuchtgebiete oder renaturierte Moore handeln, die meistens am Stadtrand liegen und auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, als handelt es sich hierbei um Reste der ursprünglichen Naturlandschaft. In Wirklichkeit sind es aber häufig ehemalige Nutzflächen und Kulturformationen, die in der Vergangenheit verlassen wurden und wenn überhaupt, nur noch vereinzelt genutzt werden (s. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Natur der 1. Art in Bövinghausen (Nähe Ölbachtal)
Quelle: Eigene Aufnahme.
- „Natur der 2. Art“ umfasst landwirtschaftliche Nutzflächen mit Weiden, Feldern und Wiesen (Abb. 2). In Städten spricht man hier eher von Inseln bewirtschafteter Agrarlandschaften, die häufig zungenförmig in das Stadtgebiet hineinreichen. Somit bildet die „Natur 2. Art“ häufig die Nahtstelle zwischen aneinandergrenzenden Stadtteilen. Zu ihr gehören weiterhin Trockenrasen, Heiden, Hecken, Triften, Maiskulturen, etc. Natürlich ist diese Art von Natur durch den Menschen beeinflusst, verändert oder sogar geschaffen worden. Sie bildet jedoch keinen Unterschied zu dieser Art von Natur im ländlichen Gebiet.
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- Arbeit zitieren
- Nicole Schäfer (Autor:in), 2007, Natur in der Stadt und ihre Nutzung durch Grundschulkinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91345
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