Die Faszination, die der Erzählstoff um König Artus und seine Ritter der Tafelrunde auf Generationen von Lesern ausübt, liegt, mit den Worten des Mediävisten Kurt Ruh zu einem nicht unerheblichen Teil darin begründet, dass uns „im Artusroman […] eine dichterische Welt [begegnet], die nicht ihresgleichen hat“; deren „Zauber so stark [ist], daß sie vielfach auf das Leben zurückzuwirken vermochte.“ Drei wichtige Aspekte der Artusepik – ‚aventiure’, ‚êre’ und ‚minne’ – sind und bleiben zentrale Themen des gesellschaftlichen Lebens und der Literatur, welche dieses Leben kritisiert, kommentiert oder karikiert.
Zur Artusliteratur gehören zahlreiche Werke unterschiedlicher Autoren; jedes dieser Werke stellt verschiedene Aspekte in den Vordergrund, fokussiert den Werdegang eines Helden aus dem Kreis der Artusritter – ob Iwein, Erec oder Parzival – und bettet die Handlung auf die eine oder andere Weise in den Erzählstoff um den Artushof ein. Die Handlungsstruktur in den einzelnen Romanen weist dennoch in weiten Teilen Übereinstimmungen auf und soll in dieser Hausarbeit am Beispiel des „Erec“ von Hartmann von Aue exemplarisch aufgezeigt werden.
Der „Erec“, entstanden um 1180/90, gilt als erster Roman Hartmanns und ist zugleich der erste Artusroman im deutschsprachigen Raum. In seiner Bearbeitung orientierte sich Hartmann an der französischen Vorlage Chrétien de Troyes´, die er jedoch nicht einfach übernahm, sondern veränderte und den gesellschaftlichen Verhältnissen und Anforderungen seiner Umgebung anzupassen suchte.
Ziel dieser Arbeit ist es, das strenge Strukturschema aufzuzeigen, entlang dessen der Weg des Helden verläuft, und die Korrespondenz von Handlungs- und Erzählstruktur – insbesondere die Funktion des von Hugo Kuhn erstmals formulierten Doppelweg – zu untersuchen. Als Textgrundlage dient die 26. Auflage (2005) des „Erec“ Hartmann von Aues als mittelhochdeutsche Fassung mit Übertragung ins heutige Deutsch durch Thomas Cramer; erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag. Zunächst soll jedoch die Herkunft des Artusstoffes und ihre Adaption durch Chrétien de Troyes skizziert werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Von der „Matière de Bretagne“ zu Chrétien de Troyes – eine kurze Skizze der Herkunft des Artusstoffes
2. Hartmann von Aue und der erste deutsche Artusroman
2.1 Der erste Handlungszyklus – „Entfaltung der Motive“
2.2 Der zweite Handlungszyklus – „Doppelweg“
2.2.1. Die erste Triade
2.2.2. Die zweite Triade
2.3 Joie de la curt – „Freude des Hofes“
Literaturverzeichnis
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
Einleitung
Die Faszination, die der Erzählstoff um König Artus und seine Ritter der Tafelrunde auf Generationen von Lesern ausübt, liegt, mit den Worten des Mediävisten Kurt Ruh zu einem nicht unerheblichen Teil darin begründet, dass uns „im Artusroman […] eine dichterische Welt [begegnet], die nicht ihresgleichen hat“; deren „Zauber so stark [ist], daß sie vielfach auf das Leben zurückzuwirken vermochte.“[1] Drei wichtige Aspekte der Artusepik – ‚aventiure’, ‚êre’ und ‚minne’ – sind und bleiben zentrale Themen des gesellschaftlichen Lebens und der Literatur, welche dieses Leben kritisiert, kommentiert oder karikiert.
Zur Artusliteratur gehören zahlreiche Werke unterschiedlicher Autoren; jedes dieser Werke stellt verschiedene Aspekte in den Vordergrund, fokussiert den Werdegang eines Helden aus dem Kreis der Artusritter – ob Iwein, Erec oder Parzival – und bettet die Handlung auf die eine oder andere Weise in den Erzählstoff um den Artushof ein. Die Handlungsstruktur in den einzelnen Romanen weist dennoch in weiten Teilen Übereinstimmungen auf und soll in dieser Hausarbeit am Beispiel des „Erec“ von Hartmann von Aue exemplarisch aufgezeigt werden.
Der „Erec“, entstanden um 1180/90, gilt als erster Roman Hartmanns und ist zugleich der erste Artusroman im deutschsprachigen Raum. In seiner Bearbeitung orientierte sich Hartmann an der französischen Vorlage Chrétien de Troyes´, die er jedoch nicht einfach übernahm, sondern veränderte und den gesellschaftlichen Verhältnissen und Anforderungen seiner Umgebung anzupassen suchte.
Ziel dieser Arbeit ist es, das strenge Strukturschema aufzuzeigen, entlang dessen der Weg des Helden verläuft, und die Korrespondenz von Handlungs- und Erzählstruktur – insbesondere die Funktion des von Hugo Kuhn erstmals formulierten Doppelweg – zu untersuchen. Als Textgrundlage dient die 26. Auflage (2005) des „Erec“ Hartmann von Aues als mittelhochdeutsche Fassung mit Übertragung ins heutige Deutsch durch Thomas Cramer; erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag. Zunächst soll jedoch die Herkunft des Artusstoffes und ihre Adaption durch Chrétien de Troyes skizziert werden.
1. Von der „Matière de Bretagne“ zu Chrétien de Troyes – eine kurze Skizze der Herkunft des Artusstoffes
Ob man von Chrétien de Troyes als „eigentlichem Erfinder“[2] des Artusromans – in dem Sinne, als er „einzig aus der pseudogeschichtlichen Tradition“[3] nach Geoffrey von Monmouth und des Maistre Wace geschöpft habe – sprechen kann, ist fraglich; als unumstritten gilt jedoch, dass er die Artuswelt „aus pseudohistorischem und unterliterarischem Rohstoff“[4] geformt hat und der abendländischen Literatur damit auf „eine entscheidende neue Stufe“[5] verhalf. Chrétien bediente sich der in verschiedenen Quellen überlieferten Sage um König Artus als „Motivfundus“[6] und bettete sie in ein experimentelles literarisches Aufbaumodell ein – „unter Verwendung typischer Szenarien, typischer Verpflichtungen, typischer Begegnungen, typischer Leistungen“[7] –; eine schriftstellerische Leistung, die zu jener Zeit in dieser Form sicherlich neu und einzigartig war.
Die ‚Matière de Bretagne’ war – im Gegensatz zu den geschichtlich fest verankerten und häufig rezipierten antiken Stoffen – jung, überwiegend mündlich überliefert und dementsprechend variabel; sie ermöglichte den Grad an fiktionaler Freiheit, der „als Bedingung für den experimentellen Strukturentwurf“[8] Chrétiens vonnöten war.
Namentlich genannt wird Arthur erstmals in der „Historia Britonum“, welche im 9. Jahrhundert entstanden ist und dem nur unsicher bezeugten frühmittelalterlichen Gelehrten und Geschichtsschreiber Nennius zugeschrieben wird. Zu erheblich größerer Bekanntheit gelangte der Name Arthurs durch Geoffrey von Monmouths 1135 vollendete „Historia regum Britanniae“, welche mit über 200 erhaltenen Handschriften als außerordentlich weit verbreitet gelten darf und noch im selben Jahrhundert ihrer Fertigstellung in die Volkssprache – genauer, in das Französische – übersetzt wurde. Die wohl bedeutendste Übertragung ist jene von Maistre Wace, der um 1155 entstandene „Roman de Brut“, der das Motiv der Tafelrunde einführt.
[...]
[1] Kurt Ruh: Höfische Epik des deutschen Mittelalters; Erster Teil: Von den Anfängen bis zu Hartmann von Aue. Berlin: Erich Schmidt Verlag. 2., verbesserte Auflage 1977. S. 95. [künftig zitiert als: Ruh 1977]
[2] Ruh 1977: S. 102.
[3] Ruh 1977: S. 102.
[4] Ruh 1977: S. 97.
[5] Walter Haug: Literaturtheorie im deutschen Mittelalter von den Anfängen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 1992. S. 91. [künftig zitiert als: Haug 1992]
[6] Haug 1992: S. 92.
[7] Ruh 1977: S. 97.
[8] Haug 1992: S. 92.
- Quote paper
- Inga Bones (Author), 2007, Das Strukturmodell des mittelalterlichen Artusromans am Beispiel des "Erec" von Hartmann von Aue, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91329
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