„Die Befunde der PISA- Studie weisen mit Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund auf ein immenses Versäumnis deutscher Bildungspolitik und Schulen hin. Ihre defizitären schulischen Karrieren und Leistungen stellen eine dauernde Gefährdung aller Integrationsbemühungen dar. Die Unfähigkeit deutscher Schulen, soziale Benachteiligungen auszugleichen oder abzumildern, schlägt hier besonders zu Buche.“
Dieses Zitat aus einer Empfehlung der Bildungskommission der Heinrich Böll- Stiftung verdeutlicht die problematische Situation von Kindern mit Migrationshintergrund nach Bekanntgabe der PISA- Ergebnisse. Die Bedeutung des Themas spielt sowohl auf politischer Ebene als auch für die Schulpraxis eine zentrale Rolle.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Ergebnisse der PISA- Studie hinsichtlich der Situation von Migrantenkindern in Deutschland darzustellen und die Frage zu klären, wie die erheblichen migrationsbedingten Leistungsunterschiede von Schülerinen und Schülern zustande kommen. Deswegen möchte ich zu Beginn die PISA- Studie in einem kurzen Überblick darstellen, wodurch die Untersuchung charakterisiert und vorgestellt wird. In diesem Zusammenhang soll auch das Verständnis von Migration und die verwendeten Begriffe bei dieser Studie erklärt werden. Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Leistungsuntersuchung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund untersucht. Im Weiteren soll die bildungsspezifische Situation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund erklärt werden, wobei ich sowohl den Bezug zur Schule als auch zur PISA- Untersuchung im Blick behalten möchte. Hierbei geht es insbesondere um die Chancenverteilung und Unterschiede im Kompetenzerwerb von ausländischen Schülern. Außerdem sollen im Hauptteil dieser Arbeit mögliche Integrations- und Handlungsalternativen in der Schule und diskutiert werden. Ich hoffe durch diese Arbeit einen Überblick geben zu können, in dem die Problematik der schulischen Leistungsdifferenz bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und deren Ausgangslage für die Bildungsbeteiligung deutlich wird.
Inhalt
Einleitung
Die PISA- Studie
Migration und PISA, Begriffseinordnung
Ergebnisse des Leistungsvergleichs
Migration, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb
Integration in Deutschland
Didaktische Konsequenzen
Fazit / Zusammenfassung
Literaturangaben
Einleitung
Ich habe mich für das Thema entschieden, weil ich in verschiedenen Pädagogik- Seminaren die Diskussion um die internationale Leistungserhebung PISA in anderen Zusammenhängen verfolgen konnte und von meiner Seite ein großes Interesse an PISA im Allgemeinen besteht. Ich habe mich zuvor allerdings noch nie intensiver mit dieser Leistungsuntersuchung von Schülerinnen und Schülern befasst, so dass ich dieses Mal eine gute Gelegenheit dazu sehe. Außerdem finde ich es gut, dass das Thema des Seminars mit dieser Studie in Verbindung gebracht wurde. Das heißt, dass das Thema Migration und Schule zu den Inhalten meines Pädagogik- Studiums gehört und somit für die Erziehungswissenschaft und ihre Praxis offensichtlich eine Rolle spielt. Ich möchte mein Interesse durch diese Arbeit vertiefen und mir selber einen besseren Überblick über die öffentliche Diskussion zu diesem Thema verschaffen, da ich den Umgang mit Heterogenität und Integration als besonders bedeutsam für meinen späteren Lehrerberuf empfinde.
„Die Befunde der PISA- Studie weisen mit Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund auf ein immenses Versäumnis deutscher Bildungspolitik und Schulen hin. Ihre defizitären schulischen Karrieren und Leistungen stellen eine dauernde Gefährdung aller Integrationsbemühungen dar. Die Unfähigkeit deutscher Schulen, soziale Benachteiligungen auszugleichen oder abzumildern, schlägt hier besonders zu Buche.“[1]
Dieses Zitat aus einer Empfehlung der Bildungskommission der Heinrich Böll- Stiftung verdeutlicht die problematische Situation von Kindern mit Migrationshintergrund nach Bekanntgabe der PISA- Ergebnisse. Die Bedeutung des Themas spielt sowohl auf politischer Ebene als auch für die Schulpraxis eine zentrale Rolle.
Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Ergebnisse der PISA- Studie hinsichtlich der Situation von Migrantenkindern in Deutschland darzustellen und die Frage zu klären, wie die erheblichen migrationsbedingten Leistungsunterschiede von Schülerinen und Schülern zustande kommen. Deswegen möchte ich zu Beginn die PISA- Studie in einem kurzen Überblick darstellen, wodurch die Untersuchung charakterisiert und vorgestellt wird. In diesem Zusammenhang soll auch das Verständnis von Migration und die verwendeten Begriffe bei dieser Studie erklärt werden. Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Leistungsuntersuchung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund untersucht. Im Weiteren soll die bildungsspezifische Situation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund erklärt werden, wobei ich sowohl den Bezug zur Schule als auch zur PISA- Untersuchung im Blick behalten möchte. Hierbei geht es insbesondere um die Chancenverteilung und Unterschiede im Kompetenzerwerb von ausländischen Schülern. Außerdem sollen im Hauptteil dieser Arbeit mögliche Integrations- und Handlungsalternativen in der Schule und diskutiert werden. Ich hoffe durch diese Arbeit einen Überblick geben zu können, in dem die Problematik der schulischen Leistungsdifferenz bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und deren Ausgangslage für die Bildungsbeteiligung deutlich wird.
Die PISA- Studie
Der Name PISA steht für „Programme für International Student Assessment“ und ist die bisher umfassendste und differenzierteste Vergleichsuntersuchung zum Leistungsstand von Schülerinnen und Schülern. Im folgenden Kapitel soll das Konzept der PISA- Studie kurz dargestellt und erklärt werden.
Organisiert und durchgeführt wird PISA von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und ihrer Mitgliedsstaaten mit dem Ziel, den teilnehmenden Ländern vergleichende Daten über die Effizienz ihrer Bildungssysteme und Ressourcenausstattung zu liefern und gleichzeitig über die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern zu informieren.
„Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich an diesem Programm gemäß einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder. Primäre Aufgabe des Programms ist es, den Regierungen der teilnehmenden Ländern auf periodischer Grundlage prozess- und Ertragsindikatoren zur Verfügung zu stellen, die für politisch- administrative Entscheidungen zur Verbesserung der nationalen Bildungssysteme brauchbar sind… Die Indikatoren beziehen sich auf die Bereiche Lesekompetenz (Reading Literacy), mathematische Grundbildung (Mathematical Literacy), naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) und fächerübergreifende Kompetenzen (Cross- Curricular Competencies).“[2]
Untersuchungsgegenstand dieser internationalen Leistungserhebung sind 15-jährige Schülerinnen und Schüler, da diese Altersgruppe in fast allen OECD- Mitgliedsstaaten noch der Schulpflicht unterliegt. In jedem Land werden zwischen 4.500 und 10.000 Schülerinnen und Schüler getestet, wobei die Auswahl der jeweiligen Schulen nach dem Zufallsprinzip erfolgt. Der Umfang dieser Studie ist immens, wenn man die Schülerzahl hochrechnet, da an der Studie aus dem Jahr 2000 32 Saaten, davon 28 Mitgliedsstaaten der OECD, teilnehmen. Die Stichprobe für Deutschland enthielt 5.000 Schüler aus insgesamt 219 Schulen.
Bei der Leistungserhebung der PISA- Studie geht es prinzipiell um die Erfassung von Basiskompetenzen. Dabei soll nicht nur das Wissen eines bestimmten Curriculums abgefragt, sondern vielmehr allgemeine Kenntnisse und Fähigkeiten erhoben werden, die man im Erwachsenenleben benötigt. Bestimmte Prozesse, Textverständnis und der Umgang innerhalb eines Bereiches mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen sind hierunter zu verstehen. Außerdem will PISA fächerübergreifende Kompetenzen in die Untersuchung integrieren. Die Tests bestehen zum einen aus Multiple Choice- Aufgaben und zum anderen aus Fragen, bei denen eigene Antworten erarbeitet werden müssen. Die Items sind auf die Beschreibung einer realitätsnahen Situation bezogen. Des Weiteren wurden zusätzliche Faktoren berücksichtigt, die die schulischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen mit beeinflussen können. Diese konnten durch einen Schülerfragebogen erhoben werden, in dem die Schülerinnen und Schüler gebeten werden, Hintergrundfragen zu beantworten. Außerdem geben die Schulleiter Auskunft zu Fragen über ihre Schule.
Die erste Leistungsmessung fand im Jahr 2000 statt. Danach erfolgen die Erhebungen in einem Dreijahreszyklus (PISA 2003, PISA 2006). Um einen Ländervergleich innerhalb Deutschlands zu ermöglichen, wird zusätzlich eine nationale Ergänzungsstichprobe (PISA E) erhoben. Grundsätzlich werden bei jeder Erhebung alle vier Kompetenzen (Lesekompetenz, mathematische– und naturwissenschaftliche Grundbildung, fächerübergreifende Kompetenzen) getestet. Dennoch werden jeweils Schwerpunkte gesetzt. So wird im ersten PISA- Durchgang die Lesekompetenz besonders betont, 2003 sticht die mathematische Grundbildung hervor und in der jüngsten Leistungsmessung steht die naturwissenschaftliche Bildung im Vordergrund.
Die PISA zu Grunde liegende Philosophie - Basiskompetenzen für befriedigende Lebensführung erreichen - richtet sich auf die Funktionalität der bis zum Ende der Pflichtschulzeit erworbenen Kompetenzen für die Lebensbewältigung im jungen Erwachsenenalter und deren Anschlussfähigkeit für kontinuierliches Weiterlernen über die gesamte Lebensspanne.[3] An diesem funktionalistisch orientierten Verständnis orientiert sich die Entwicklung der jeweiligen Kompetenzbereiche. Diese werden im weiteren Verlauf beschrieben und charakterisiert. Für PISA wurde bei der Entwicklung des internationalen Tests die folgende Definition von Lesekompetenz zu Grunde gelegt:
„Lesekompetenz (Reading Literacy) heißt, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“[4]
Lesekompetenz in PISA wird demnach als aktive Auseinandersetzung mit Texten aufgefasst.
„Mathematische Kompetenz (Mathematical Literacy) zeigt sich nach der internationalen Rahmenkonzeption im verständnisvollen Umgang mit Mathematik und in der Fähigkeit, mathematische begriffe als „Werkzeuge“ in einer Vielfalt von Kontexten einzusetzen. Die konkrete Bearbeitung und Lösung einer mathematischen Aufgabenstellung wird als Prozess der Erstellung, Verarbeitung und Interpretation eines mathematischen Modells verstanden. Die Aufgaben der PISA- Tests lassen sich nach zwei Arten der Modellierung klassifizieren: rechnerische und begriffliche Modellierungsaufgaben.“[5]
„Naturwissenschaftliche Grundbildung (Scientific Literacy) ist die Fähigkeit, naturwissenschaftliches Wissen anzuwenden, naturwissenschaftliche Fragen zu erkennen und aus Belegen Schlussfolgerungen zu ziehen, um Entscheidungen zu verstehen und zu treffen, die natürliche Welt und die durch menschliches Handeln an ihr vorgenommenen Veränderungen betreffen.“[6]
Naturwissenschaftliche Grundbildung beinhaltet im Sinne von PISA den Umgang mit naturwissenschaftlichen Begriffen und Prinzipien (Konzepte), das Wissen über Besonderheiten und Grenzen der Naturwissenschaft, sowie Anwendungsbereiche (Technik, Gesellschaft).
Um das Erreichen der genannten Bereiche fassbar zu machen wird nun das Prinzip der Kompetenzstufen erklärt: Die Interpretation der PISA- Befunde basiert auf der Bestimmung und Beschreibung von Kompetenzstufen. Diese geben Auskunft darüber welche Anteile der getesteten Stichproben die einzelnen Kompetenzstufen erreicht haben. Bei der Differenzierung der Stufen ist besonders die inhaltliche Spezifikation zu beachten.[7] Es werden fünf Kompetenzstufen unterschieden, auf denen die Personen mit ihren Fähigkeiten und die Aufgabe mit ihren Schwierigkeitskennwerten festgehalten sind. Schülerinnen und Schüler, die einer bestimmten Kompetenzstufe zugeordnet werden, können die Aufgaben der betreffenden Stufe mindestens zu 50 Prozent korrekt lösen. Die Differenzierung der Stufen soll anhand der mathematischen Grundbildung exemplarisch verdeutlicht werden:[8]
Stufe I = bloßes Rechnen auf Grundschulniveau
Stufe II = elementare Modellierungen
Stufe III = Standard der Grundbildung, der von 15-Jährigen erreicht werden sollte, Modellieren und begriffliches Verknüpfen auf dem Niveau der Sekundarstufe I
Stufe IV = umfangreiche Modellierungen auf der Basis anspruchsvoller Begriffe
Stufe V = höchstes Grundbildungsniveau, komplexe Modellierungen und innermathematisches Argumentieren
Die Zuordnung von Schülerinnen und Schülern zu Kompetenzstufen hilft, die Anteile im Spitzenfeld oder im unteren Leistungsbereich zu identifizieren. Für Schülerinnen und Schüler, die in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften auf bzw. unter der ersten Kompetenzstufe eingeordnet werden, sind die Prognosen für das weitere Lernen bzw. für eine berufliche Ausbildung ungünstig.
Migration und PISA, Begriffseinordnung
In diesem Kapitel möchte ich den Bezug zwischen der PISA- Untersuchung und der Situation von Migranten in der Bundesrepublik Deutschland darstellen. Denn auch die Forscher der PISA- Studie haben sich mit diesem Thema beschäftigt und mit der Bekanntgabe der Ergebnisse auf bildungspolitischer Ebene eine neue Diskussion über Integrationspolitik eröffnet. Bevor ich dazu komme erscheint es mir allerdings erforderlich eine Begriffseinordnung vorzunehmen, da innerhalb der PISA- Studie unterschiedliche Gruppen mit je anderem Migrationshintergrund betrachtet werden.
Nicht nur Deutschland hat sich zu einem Einwanderungsland entwickelt, auch bei anderen Teilnehmerstaaten lassen sich beträchtliche Ein- und Auswanderungen beobachten, die als Folge haben, dass sich die Bildungssysteme auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einstellen müssen. Laut statistischem Bundesamt haben im Schuljahr 2001/02 rund 11 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Bundesrepublik Deutschland eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit.
„Hinzu kommen Kinder und Jugendliche aus Aussiedlerfamilien, eingebürgerte Kinder und Kinder aus binationalen Familien, so dass insgesamt von einem wesentlich höheren Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ausgegangen werden muss.“[9]
Die familiäre Situation der Jugendlichen aus Familien mit Migrationshintergrund ist differenziert zu betrachten. Es lassen sich nach PISA grob vier Migrationsgruppen unterscheiden:[10]
[...]
[1] Dr. Andreas Poltermann u.a. (Hrsg.), Schule und Migration, 6. Empfehlung der Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung; Berlin 2004
[2] Deutsches PISA- Konsortium Hrsg.; PISA 2000 S.15
[3] vgl. Deutsches PISA- Konsortium (Hrsg.); PISA 2000 – Basiskompentenzen von Schülerinnen und Schülern im Internationalen Vergleich; Leske + Budrich, Opladen 2001, S.78
[4] Deutsches PISA- Konsortium (Hrsg.); PISA 2000 – Basiskompentenzen von Schülerinnen und Schülern im Internationalen Vergleich; Leske + Budrich, Opladen 2001, S.80
[5] Deutsches PISA- Konsortium (Hrsg.); PISA 2000 – Basiskompentenzen von Schülerinnen und Schülern im Internationalen Vergleich; Leske + Budrich, Opladen 2001, S.146
[6] OECD, 1999
[7] vgl. Deutsches PISA- Konsortium (Hrsg.); PISA 2000 – Basiskompentenzen von Schülerinnen und Schülern im Internationalen Vergleich; Leske + Budrich, Opladen 2001, S. 202
[8] vgl. Deutsches PISA- Konsortium (Hrsg.); PISA 2000 – Basiskompentenzen von Schülerinnen und Schülern im Internationalen Vergleich; Leske + Budrich, Opladen 2001, S. 168
[9] http://www.bildungsserver.de/zeigen.html?seite=3494
[10] Deutsches PISA- Konsortium (Hrsg.); PISA 2000 – Basiskompentenzen von Schülerinnen und Schülern im Internationalen Vergleich; Leske + Budrich, Opladen 2001
- Quote paper
- Paul Hüchtebrock (Author), 2007, Ergebnisse und Diskussion der PISA- Studie zur Situation von Migranten in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91317
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