Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: "Gilt rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus als unterschätztes Phänomen?" Es existieren große Mengen an wissenschaftlichen Arbeiten zu islamistischem Terror, doch nur wenige wissenschaftliche Arbeiten über den aufkommenden rechten Terrorismus, der durch einsame Wölfe ausgeführt wird. Die Diskrepanz in der Forschung zeigt auch den Fokus der Antiterrorbekämpfung. Durch das Aufkommen von digitalen Medien und die 2015 ausgebrochene Flüchtlingskrise wird sich das Verhältnis von ,,klassische Terrorismus" hin zu mehr rechtem Terrorismus verlagern. Bei dem gruppendynamischen, "klassischem" Terrorismus stehen Faktoren wie charismatische Führer, Rekrutierung, Gruppenzwang und ideologisches Training im Vordergrund. Dieses Bild speist sich aus der Vergangenheit des Terrorismus, der durch eine Ansammlung von Menschen geprägt war.
Diese Arbeit soll an die Forschung von Florian Hartleb anknüpfen und ferner diese weiter elaborieren. Hierzu wurde folgende Gliederung der Arbeit gewählt: Das 1. Kapitel handelt von der Einleitung, in dem persönliche Erfahrungen zum Anschlag in München geäußert werden. Im 2. Kapitel folgt die Schilderung der Entstehung des Einsamen-Wolf-Terrorismus. Dieses Kapitel ist in weitere drei Kapitel unterteilt. Das Kapitel 2.1 umfasst die Vorgeschichte des Einsamen-Wolf-Terrorismus, das Kapitel 2.2 befasst sich mit der Thematik des Vorgehens von einsamen Wölfen. Im Kapitel 2.3 wird beschrieben, warum es zu einer Zunahme von Einsamen-Wolf-Terrorismus kommt. Im 3. Kapitel wird dargelegt, warum rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus ein aufkommendes Phänomen ist, welche Zahlen hier von Bedeutung sind und welche Eigenschaften diese Terroristen verbindet. Im 4. Kapitel folgt die Schilderung des Anschlags. Dieses Kapitel ist unterteilt in das Unterkapitel 4.1, in welchem David Sonboly charakterisiert wird und in das Unterkapitel 4.2, in dem die Einordung des Anschlags verdeutlicht wird. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um einen Amoklauf handelte oder um einen Terroranschlag. Das 5. Kapitel umfasst das Resümee, in dem die Resultate der Arbeit zusammengefasst werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Entstehung des Einsamen-Wolf-Terrorismus
2.1 Vorgeschichte des Einsamen-Wolf-Terrorismus
2.2 Vorgehen von einsamen Wölfen
2.3 Zunahme des Einsamen-Wolf-Terrorismus
3. Rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus
4. Schilderung des Anschlags
4.1 David Sonboly
4.2 Einordnung des Anschlags
5. Resümee
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 22.07.2016 war ich mit einem Kameraden auf dem Weg nach Hause. Wir befanden uns am Karlsplatz in München, um in Richtung des Marienplatzes zu gelangen. Plötzlich brach ein Mädchen weinend in sich zusammen. Wir näherten uns ihr und wurden hellhörig. Nachdem sie sich wieder einigermaßen gesammelt hatte, fing sie an zu schreien: „Weg hier, im OEZ wird rumgeschossen." Wir waren natürlich erstmal sehr perplex, dachten uns ob sie noch nicht ganz bei sich sei. Eben. Doch dann sahen wir die Eilmeldungen auf unseren Mobiltelefonen und wussten damit, dass sie Recht hatte. Nun beeilten wir uns über Seitenstraßen möglichst schnell nach Hause zu gelangen. Immer wieder überprüften wir die Medien, die teilweise von mehreren Tätern in der Innenstadt berichteten. Jede Person, die uns entgegen kam, konnte damit ein potentieller Täter sein. Sofort ging der Großteil der Medien davon aus, dass es sich um einen islamistischen Anschlag handeln müsse. Dieser Gedanke, dass es eine Gruppe von Islamisten sein müsse, ist auch mir sofort in den Sinn gekommen. Doch wie sich danach herausstellte, handelte es sich um einen Attentäter, der durch den offiziellen Bericht des Bundeskriminalamtes in Bayern als Amoktäter eingestuft wurde. Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, die behaupten, dass es sich dabei um einen einsamen Wolf handelte, der auf Grund rechtsextremer Motive handelte. Hierbei berufe ich mich in der Arbeit auf das Buch: „Einsame Wölfe: Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter" von Florian Hartleb, der in diesem schildert, warum es sich bei dem Anschlag um einen Einsamen-Wolf-Terrorismus handelte. Ebenfalls wird zur Analyse des Anschlags das Gutachten der „Amoktat des David Ali Sonboly: Kriminologische Betrachtung der Tat in München am 22.07.2016" von Frau Prof. Dr. Britta Bannenberg verwendet. Für die Forschungsfrage der Arbeit: „Gilt rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus als unterschätztes Phänomen?" bietet sich der Anschlag von David S. als optimales Untersuchungsbeispiel an. Erstens zeigt der Anschlag die starke definitorische Abhängigkeit von Anschlägen und welche politischen Implikationen eine Einordnung des Falles als Terrorismus mit sich bringen kann. Zweitens zeigt der Anschlag von David S., wie unerwartet und unvorbereitet rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus unsere Gesellschaft treffen kann. Daraus resultiert, dass sich die westlichen Länder, allem voran Deutschland, zu wenig mit dem rechten Einsamen-Wolf-Terrorismus auseinander gesetzt haben und zu sehr auf dem gruppendynamischen Islamismus verharren. Es existieren große Mengen an wissenschaftlichen Arbeiten zu islamistischem Terror, doch nur wenige wissenschaftliche Arbeiten über den aufkommenden rechten Terrorismus, der durch einsame Wölfe ausgeführt wird. Die Diskrepanz in der Forschung zeigt auch den Fokus der Antiterrorbekämpfung. Durch das Aufkommen von digitalen Medien und die 2015 ausgebrochene Flüchtlingskrise wird sich das V erhältnis von „klassische T errorismus" hin zu mehr rechtem T errorismus verlagern. Bei dem gruppendynamischen, „klassischem" Terrorismus stehen Faktoren wie charismatische Führer, Rekrutierung, Gruppenzwang und ideologisches Training im Vordergrund. Dieses Bild speist sich aus der Vergangenheit des Terrorismus, der durch eine Ansammlung von Menschen geprägt war. Der Begriff des Terrors entstammt aus der Schreckensherrschaft, die nach der französischen Revolution in Frankreich herrschte, mit der Betitelung des „Grand Terreur". Hierbei handelte es sich ebenfalls strukturierte staatliche Gewalt. Daraus resultierend wurde folgende Definition für Terrorismus in der Hausarbeit verwendet: "intentional acts that are committed with the aim of seriously intimidating a population, or unduly compelling a Government or international organization to perform or abstain from performing any act, or seriously destabilizing or destroying the fundamental political, constitutional, economic or social structures of a country or an international organization."1
Diese Definition zeigt, dass Terrorismus nicht darauf gemünzt ist, von einer Gruppe oder Organisation ausgeführt zu werden. Trotz dessen verbinden viele Menschen heutzutage Terrorismus mit einer Gruppe auf Grund der geschilderten Geschichte des Terrorismus und bekannten Terrororganisationen wie dem islamischen Staat oder Ähnlichen. Es gab jedoch schon zum Anfang des 20. Jahrhunderts Terrorattacken, die von Individuen aufgeführt wurden und somit nicht in das Bild des gruppendynamischen Terrorismus passen.2
Diese Arbeit soll deshalb an die Forschung von Florian Hartleb anknüpfen und ferner diese weiter elaborieren. Hierzu wurde folgende Gliederung der Arbeit gewählt: Das 1. Kapitel handelt von der Einleitung, in dem persönliche Erfahrungen zum Anschlag in München geäußert werden. Im 2. Kapitel folgt die Schilderung der Entstehung des Einsamen-Wolf-Terrorismus. Dieses Kapitel ist in weitere drei Kapitel unterteilt. Das Kapitel 2.1 umfasst die Vorgeschichte des Einsamen-Wolf-Terrorismus, das Kapitel 2.2 befasst sich mit der Thematik des Vorgehens von einsamen Wölfen. Im Kapitel 2.3 wird beschrieben, warum es zu einer Zunahme von Einsamen-Wolf-Terrorismus kommt. Im 3. Kapitel wird dargelegt, warum rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus ein aufkommendes Phänomen ist, welche Zahlen hier von Bedeutung sind und welche Eigenschaften diese Terroristen verbindet. Im 4. Kapitel folgt die Schilderung des Anschlags. Dieses Kapitel ist unterteilt in das Unterkapitel 4.1, in welchem David Sonboly charakterisiert wird und in das Unterkapitel 4.2, in dem die Einordung des Anschlags verdeutlicht wird. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um einen Amoklauf handelte oder um einen Terroranschlag. Das 5. Kapitel umfasst das Resümee, in dem die Resultate der Arbeit zusammengefasst werden.
2. Entstehung des Einsamen-Wolf-Terrorismus
Um dies Art des Terrorismus bestmöglich von anderen Arten des Terrorismus abzugrenzen, wurden folgende Merkmale Einsamen-Wolf-Terroristen definitorisch zugewiesen: Es handelt sich um einen Einsamen-Wolf-Terroristen, wenn dieser alleine operiert hat, keiner terroristischen Organisationen zugehörig war und die Tatwaffen selbst beschafft wurden. Die Planung des Anschlags muss komplett unabhängig und ohne Hilfe durchgeführt worden sein. Einsame-Wolf-Terroristen können zwar mit gewissen politischen und ideologischen Strömungen sympathisieren, dürfen aber kein Mitglied dieser Organisationen sein. Als weiteres wichtiges Merkmal gilt, dass der Einsame-Wolf-Terrorist abzugrenzen ist von einem Amokläufer. Bei Amokläufern spricht man von Tätern, die Anschläge ausüben, die meist durch Mobbing oder ähnliches verursacht wurden. Die Gewalttat, welche oft unorganisiert von statten geht, richtet sich gegen Menschen oder Einrichtung mit dem Ziel, Rache auszuüben. Politische oder ideologische Ziele stehen hierbei nicht im Vordergrund. Bei Einsamen-WolfTerroristen hingegen steht die ideologische, religiöse oder politische Komponente im Vordergrund. Ziel ist es, durch besonders brutale Anschläge die Strukturen der Gesellschaft auf den Kopf zu stellen. Der Einsamer-Wolf-Terrorismus ist zwar ein vergleichsweise geringes Phänomen, da offiziell lediglich 1,28% der ausgeübten terroristischen Anschläge von 1968-2007 von Einsamen-Wolf-Terroristen durchgeführt wurden. Jedoch ist davon auszugehen, dass diese Zahlen deutlich höher sind. Die Zahlen werden in der RAND-MIPT Database zusammengefasst und veröffentlicht. Hier gelten aber je nach Land verschiedene Kriterien, wie Anschläge kategorisiert werden. In den USA wurden beispielsweise im genannten Zeitraum 42% der Anschläge Einsamen-Wolf-Terroristen zugeordnet. In Europa sind die Zahlen deutlich geringer, da viele Anschläge anders als in den USA kategorisiert werden. Die Zahlen von terroristischen Anschlägen, durchgeführt von Einsamen-Wolf-Terroristen, sind ferner zunehmend. Vor allem die Zahl der Anschläge, die durch Täter mit rechtsextremen Beweggründen durchgeführt wurden, erlangen immer mehr an Bedeutung3
2.1 Vorgeschichte des Einsamen-Wolf-Terrorismus
Der Einsame-Wolf-Terrorismus hat geschichtliche Vorläufer, die als verschiedene Wellen betitelt werden können. Diese Wellen richten sich vor allem nach unterschiedlichen Motiven und Ideologien. Bei der ersten Welle handelte es sich um anarchistischen Terrorismus, der Anfang des 20. Jahrhunderts begann. Dieser Terrorismus entwickelte sich aus der sozialistischen Bewegung, die gegen Staaten und Monarchien gerichtet war. Ein Beispiel ist Luigi Lucheni, der die Kaiserin Elisabeth erstach. Als zweite Welle kann die antikoloniale Gewalt gesehen werden, bei der sich der Terrorismus gegen die Kolonialherren richtete. Die dritte Welle bezeichnen den linksextremistischen Terrorismus in Europa, Mitte des 20. Jahrhunderts. Als nächstes folgte die Welle des islamischen Extremismus, vor allem repräsentiert durch den IS und al-Quaida. Die letzte und aktuellste Welle ist die des Einsamen-WolfTerrorismus, der durch Täter unterschiedlichster Ideologien ausgeübt wird. Der Begriff des „Einsamen Wolfs" geht zurück auf Tom Metzger, der Teil des Ku-Klux-Klans war und auf seinem Webauftritt die „Laws for the Lone Wolf" veröffentlichte. In diesen bezeichnete er sich selbst als einsamen Wolf, der für den kommenden Krieg gewappnet sei. Als dessen ideologischer Vordenker gilt William L. Pierce, der mit seinen Turner-Tagebüchern den heiligen Gral der rechtsextremen Szene schuf. Viele rechtsextremistische Terroristen wie Breivik wurden von diesem Roman motiviert und inspiriert.4 Heutzutage haben Einsamer-Wolf-Terroristen nicht nur die erwähnten definitorischen Merkmale, sondern auch soziale und persönliche Muster, die sich oft ähneln. Auffällig ist, dass es sich bei einsamen Wölfen nur um männliche Terroristen handelt. Sie sind meist unverheiratet, haben keinen beziehungswiese kaum Kontakt zu Familienmitgliedern oder Kindern. Sie meist keine Freunde oder pflegen den Kontakt zu diesen nur sehr selten. Außerdem beteiligen sie sich nicht in Vereinen oder gemeinnützigen Organisationen. Der Begriff einsamer Wolf ist daher sehr passend, da die Täter kaum nahestehende Personen haben. Sie fühlen sich im Stich gelassen und finden im Internet Bekanntschaften, die ihre Ideologie teilen.5
2.2 Vorgehen von einsamen Wölfen
Interessant bei dem Vorgehen der einsamen Wölfe ist, welches Modi Operandi benutzt wurde, und wie erfolgreich beispielsweise die Taten für die Einsamen-Wolf-Terroristen waren. Die folgenden Daten basieren auf einer Studie, die in den 28 EU-Mitgliedsstaaten sowie der Schweiz und Norwegen durchgeführt wurde. Von 2000-2014 gab es in diesen Ländern 72 erfolgreiche terroristische Anschläge, von denen 60 durch einsame Wölfe durchgeführt wurden. Die höchste Zahl an Anschlägen wies in dieser Zeit Großbritannien mit 38 auf. In zehn der 30 Ländern gab es hingegen keinen einzigen Anschlag durch einsame Wölfe. Dies zeigt, dass der Einsamer-Wolf-Terrorismus in Europa ein seltenes Phänomen ist, welches aber im stetigen Anstieg ist. In 31% der Anschläge nutzten die einsamen Wölfe Feuerwaffen, in 17% der Anschläge Explosivkörper und in 12% der Fälle wurden Messer oder Ähnliches verwendet. 100% der Anschläge mit Feuerwaffen und 92% der Anschläge mit Klingenwaffen führten auch wirklich zu einem Anschlag, wohingegen nur 45% der Anschläge mit Explosivmitteln am Ende einen Angriff zur Folge hatten. Dies zeigt, dass die Explosivmittel meist nur sehr sporadisch und ineffektiv angebracht bzw. gebaut werden. Häufig kam es bei diesen Anschlägen erst gar nicht zu einer Explosion. Bei den Anschlägen, bei denen es zu einer Explosion kam, waren die Opferzahlen ferner sehr gering, bei durchschnittlich 0,57 Opfer pro Terroranschlag. Dem gegenüber war die Zahl der Opfer bei Terroranschlägen mit Feuerwaffen mit durchschnittlich 6,65 deutlich höher. Es ist festzustellen: Je mehr legale Feuerwaffen in einem Land zugelassen sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese in einem Terroranschlag verwendet werden. Des Weiteren wurde ermittelt, dass einsame Wölfe mit militärischer Erfahrung durchschnittlich sowohl höhere Opferzahlen erreichten als auch seltener in ihrer Planung scheiterten. Ebenfalls interessant ist die Nutzung des Internets für die Vorbereitung des Terroranschlags. Lediglich 33% der einsamen Wölfe nutzte das Internet, um sich über Taktiken zu informieren. Dazu zählen beispielsweise Anleitungen, wie eine Bombe zu bauen ist, oder Trainingsvideos. Hauptsächlich wurde das Internet genutzt, um sich in Foren gegenseitig zu informieren und Optionen auszutauschen. Außerdem wurde das Internet genutzt, um ein Manifest oder eine Rechtfertigung abzugeben. So haben 73% der Attentäter eine mündliche oder schriftliche Rechtfertigung unter anderem über das Internet abgeben. 13 % davon veröffentlichten des Weiteren ein detailliertes Manifest, welches beinhaltete, wie vorgegangen wurde und welche Motive der Terrorist hatte.6
2.3 Zunahme des Einsamen-Wolf-Terrorismus
Für einen Grund der Zunahme des Einsamen-Wolf-Terrorismus ist das Zeitalter der Digitalisierung zu nennen. Den Terroristen geht es darum, die Gesellschaft möglichst stark in ihren Grundfesten zu erschüttern. Früher gestaltete sich die mediale Ausbreitung von Terroranschlägen als sehr langsam, die lediglich durch Printmedien und Mundpropaganda vorangetrieben wurde. Heutzutage, durch die digitalen Medien, wird die gesamte Welt binnen Minuten über einen Terroranschlag informiert. Dies erleichtert den gewollten Effekt der Terroristen, weltweit möglichst viel Angst zu schüren.
Des Weiteren führt die Sensationslust der Medien dazu, dass vorschnell Meldung veröffentlicht werden, die nicht verifiziert sind. Dies zeigt sich im Falle des Terroranschlags in München, bei dem Medien berichteten, dass es einen weiteren Schützen am Karlsplatz gibt.7 Dies führte zu noch mehr Panik. Neben der schnellen medialen Ausbreitung kommt die einfache Radikalisierung von potentiellen einsamen Wölfen durch das Internet hinzu. Durch soziale Netzwerke können sich einsame Wölfe besser mit Gleichgesinnten austauschen und sich in ihrer Ideologie bestätigen lassen. Die Hemmschwelle ist dabei viel geringer, da kein Risiko besteht, andere Personen zu treffen oder Waffen über das Internet zu bestellen. Das definitorische Kriterium, das Modi Operandi selbst zu beschaffen, ist mit dem Internet stark erleichtert worden. Im Falle des Anschlags in München hat David Sonboly über die Spieleplattform Steam mit Gleichgesinnten Kontakt aufgenommen. Hier hat er einen rechtsextremen Waffenhändler kennengelernt, über den er seine Pistole gekauft hat. Ferner entstehen sogenannte Hallräume. Dies bedeutet, dass jeder Mensch bei dem Konsum von digitalen Inhalten wählen kann, welche der eigenen Meinung entsprechen. Bei den Printmedien hingegen war man durch die Massenmedien auch mit anderen Meinungen konfrontiert. Tagtäglich lesen sie also Argumente, die ihre Weltanschauung bestätigt, was zu einer massiven Radikalisierung führen kann.8
Durch die Echokammern entstehen und halten sich Verschwörungstheorien umso stärker, da der Wahrheitsgehalt gar nicht mehr ausschlaggebend ist, sondern nur die ideologische Verwendbarkeit der Inhalte. Dies bürgt hohe Gefahren für eine Gesellschaft, die durch politische Akteure ausgenutzt werden kann. So lässt sich eine Allianz zwischen den Rechtsradikalen in Europa und Vladimir Putin wahrnehmen. Bei dem umstrittenen Referendum auf der Krim wurden Wahlbeobachter von rechtsgerichteten Parteien gestellt, um die demokratische Durchsetzung zu unterstützen. Ferner wurde von einer Vergewaltigung einer Russlanddeutschen durch arabische Flüchtlinge berichtet. Daraufhin kam es an verschiedenen Orten in Deutschland zu Protesten. Im Nachhinein stellte sich diese Meldung als Lüge heraus, gestreut durch das russische Staatsfernsehen. Damit ist es Russland möglich, durch gezielte Streuung von Fehlinformationen, den Westen zu destabilisieren. All dies ist möglich durch die digitale Verknüpfung der heutigen Welt.
3. Rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus
Seit einem Jahrzehnt ist die Tendenz zu beobachten, dass die Parteien und politischen Akteure mit rechter Gesinnung immer mehr auf dem Vormarsch sind. Donald Trump, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, fällt beispielsweise häufig durch seine radikalen und rassistischen Äußerungen gegenüber Ausländern auf. In Europa zeichnet sich mit den erstarkenden rechten Parteien das gleiche Bild ab. Einerseits könnte dafür der weltweit wachsende Unterschied von Wohlstand ein Grund für die Verschiebung des politischen Spektrums hin zu extremeren Parteien sein. Andererseits kann die Flüchtlingskrise ebenfalls als ein Indikator für den Rechtsruck gesehen werden. Die unkontrollierte Immigration von Flüchtlingen ab 2015 führte zu viel Angst und Ressentiments in der heimischen Bevölkerung. Die Angst, dass Flüchtlinge Frauen, Arbeitsplätze und Wohnungen wegnehmen könnten, wuchs unter den Betroffenen. Ferner fürchteten sich Menschen vor aufflammendem Terrorismus und zunehmender Islamisierung der westlichen Länder. Diese Faktoren stellen begünstigende Umstände für eine rechte Radikalisierung dar, welche in der Arbeit folglich definiert wurde: „right-wing extremism is understood as a combination of ideologies involving acceptance of inequality, on the one hand, and acceptance of violence on the other."9. Zunehmend ist außerdem zu sehen, dass die Rechtsgesinnten der verschiedenen Nationen sich international zusammentun. War es Mitte des 20. Jahrhunderts undenkbar, dass die nationalistischen Elemente der verschiedenen Nationen Europas zusammenarbeiten, so ist es heute Usus. Hier kristallisierten sich drei Muster heraus, die bei allen Rechten zu finden sind: Erstens sind alle gegen das etablierte System, da nach ihrer Meinung die amtierende Regierung nicht zum Wohle des Volkes handelt. Als zweites zeigt sich die Demokratiefeindlichkeit, da sich oft nach einem starken Führer gesehnt wird. Das dritte Elemente ist der übertriebene Nationalismus, der oft als Patriotismus getarnt wird. Ausländer gelten als Nutznießer des nationalen Wohlfahrtssystems.10
Diese aufkommende Haltung gegenüber der Politik zeigt sich auch im Anstieg der rechten Extremisten. In Deutschland haben nach dem Research -Projekt: „Database on Terrorism in Germany" 1963-1979 acht kleine Gruppen und zwei einsame Wölfe rechtsextremistische Anschläge verübt. 1980-1989 stieg die Zahl auf zehn kleine Gruppen und fünf einsame Wölfe. Die aktuellste Datensammlung von 20002014 zeigt einen erneuten Anstieg der Anschläge, von denen 16 von kleinen Zellen ausgeführt wurden und sechs von einsamen Wölfen. Sowohl bei dem Terrorismus mit einer Gruppendynamik als auch beim Einsamen-Wolf-Terrorismus zeigt sich ein enormer Anstieg.11
4. Schilderung des Anschlags
Wie in der Einleitung geschildert, stellt David Sonbolys Terroranschlag einen optimalen Anschlag dar, anhand dessen die Auswirkung und die Komplexität eines solchen Anschlags analysiert werden kann. Der Anschlag ereignete sich am 22.07.2016. David (Ali) Sunboly, der Tage zuvor seinen Vornamen Ali hatte streichen lassen, tötete angefangen bei einem McDonalds-Restaurant im OlympiaEinkaufszentrum in München neun Menschen und verletzte fünf weitere schwer. Gegen 20:30 erschoss sich David S. selbst, da er von Polizeibeamten gestellt wurde. Während des Attentats reif er Sätze wie „wegen euch musste ich sieben Jahre in Deutschland leiden", „selber schuld, die haben mich gemobbt" oder „Türken in Deutschland! Ich bin kein Kanake, ich bin Deutscher!". Diese Aufrufe zeigen seine psychische Störung und stellen einen Rechtfertigungsmechanismus dar. Normalerweise ist es untypisch für Attentäter, während der Tat solche Bemerkungen zu verlieren. Man kann davon ausgehen, dass Sonboly hierdurch eine subjektive Rechtfertigung erzielen wollte.
4.1 David Sonboly
David S. selbst wurde am 20.04.1998 in München geboren. Seine Familie siedelte ein Jahr vor seiner Geburt vom Iran nach Deutschland über. Die Familie war gut integriert, es gab keine häusliche Gewalt und keine sonstigen Auffälligkeiten. Jedoch fiel den Eltern die Eigenartigkeit David S. auf, als er beispielsweise seinen früheren Namen Ali als minderwertig betitelte. Ferner verbrachte David S. viel Zeit vor dem PC, wobei er vor allem gewaltverherrlichende Ego-Shooter Spiele konsumierte.
[...]
1 Council of the European Union, Council Framework Decision of 13 June 2002 on Combating Terrorism (Brussels: Council of the European Union, 2002). S.3.
2 Vgl. Hartleb Florian: Einsame Wölfe. Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter. Hamburg. 2018. S. 59.
3 Vgl. Spaaij Ramón: The Engima of Lone Wolf Terrorism: An Assesment. In: Studies in Conflict & Terrorism (2010), S. 854-870.
4 Vgl. Hartleb Florian, Einsame Wölfe S. 26-27; S. 66.
5 Vgl. ebd. S. 167-174.
6 Ellis Clare u.a.: Analysing the Processes of Lone-Actor Terrorism Research Findings. In: Perspectives on Terrorism (2016), S. 33-38.
7 Vgl. Büscher Wolfgang, Flade Florian und Hegmann Gerhard: Diese drei Gerüchte behinderten die Arbeit der Polizei. 2016. https://www.welt.de/politik/article157250595/Diese-drei-Geruechte-behinderten-die-Arbeit- der-Polizei.html.
8 Vgl. Garimella Kiran, Gionis Aristides, De Francisci Morales Gianmarco und Mathioudakis Michael: Political Discourse on Social Media:Echo Chambers, Gatekeepers, and the Price of Bipartisanship. 2018. https://arxiv.org/pdf/1801.01665.pdf S. 1-2.
9 Koehler Daniel: Recent Trends in German Right-Wing Violence and Terrorism: What are the Contextual Factors behind 'Hive Terrorism'? In: Perspectives on Terrorism (2018), S. 72-88.
10 Vgl. Hartleb Florian, Einsame Wölfe. S. 185-187.
11 Vgl. Koehler Daniel: German Right-Wing Terrorism in Historical Perspective. A First Quantitative Overview of the 'Database on Terrorism in Germany (Right-Wing Extremism). In: Perspectives on Terrorism (2014), S. 48-58.
- Quote paper
- Anonymous,, 2019, Ist rechter Einsamer-Wolf-Terrorismus ein unterschätztes Phänomen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/912717
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