„Eine Türkei, die in die EU eintreten kann, wird eine andere sein,
als die, die wir kennen. (...)
Eine EU, in die die Türkei eingetreten ist, wird auch eine andere sein.“
Als Grenzland zwischen Europa und Asien, zwischen Christentum und Islam und zwischen westlichem und östlichem Kulturkreis, lässt die Türkei in ihrer Geschichte bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ein großes Interesse an Europa erkennen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bewegt sich die Türkei kontinuierlich auf Europa zu, indem sie westliche Gesellschaftsentwürfe zum Leitbild für die Modernisierung des türkischen Staates, der Gesellschaft und der Wirtschaft erklärte. Zur Vollendung dieser Entwicklung, strebt die Türkei nun den Beitritt in die Europäische Union (EU) an.
Der Beschluss des Europäischen Rates von Brüssel am 3. Oktober 2005 Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufzunehmen, hat europaweit kontroverse Debatten ausgelöst. Die öffentliche und fachliche Aufmerksamkeit für den möglichen Beitritt der Türkei ist geradezu überwältigend. Die Debatte wird vor allem im Kreis der Altmitglieder der Europäischen Union in zahlreichen tagespolitischen Medien, in politischen Zentren, in Fachjournalen und Expertenrunden heftig ausgetragen. Je greifbarer die Beitrittsperspektive für die Türkei wurde, desto heftiger wurden die geführten Diskussionen.
In der auf breiter Basis geführten Debatte, die durch satte Polemik, flammende Plädoyers, sowie neutrale Problemskizzen charakterisiert ist, werden eine Vielzahl von Argumenten für das Für und Wider einer EU-Mitgliedschaft der Türkei vorgetragen. Hier ist eine Aufteilung in zwei verschiedene Argumentationsebenen zu beobachten. Einerseits verläuft die Debatte auf der Ebene der von der EU vorgegebnen Beitrittskriterien, den Kopenhagener Kriterien. Hier werden in erster Linie die politischen, rechtlichen, ökonomischen und sozialen Aspekte eines EU-Beitritts der Türkei näher beleuchtet. Andererseits thematisiert eine andere Ebene der Argumentationen die kulturelle und religiöse Andersartigkeit der Türkei. Damit wird die Beitrittsmöglichkeit eines Landes zum ersten Mal mit kulturell-religiösen Fragestellungen verbunden.
Gleichzeitig gewinnen die offenen Fragen nach der Identität und Finalität der EU und ihren Grenzen sowie die Diskussion welches Ausmaß an Erweiterung für die Union finanziell und strukturell überhaupt erwünscht und verkraftbar ist, im Rahmen der türkischen Beitrittsdebatte wieder an Bedeutung.[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ziel und Aufbau der Arbeit
- Gliederung
- Die Türkei – Ein Kurzüberblick
- Geostrategische Lage
- Die Wurzeln der Westorientierung
- Das Osmanische Reich
- Die Jungtürken
- Der Niedergang des Osmanischen Reiches und die Gründung der türkischen Republik
- Die Kulturrevolution Atatürks und ihre Ziele
- Die sechs Prinzipien des Kemalismus
- Die Entwicklung des institutionellen Anschlusses der Türkei an die Europäische Union
- Das Assoziierungsabkommen
- Die problematische Entwicklung der türkischen Integration bis zum Ende der 80er Jahre
- Der Antrag auf Vollmitgliedschaft
- Die veränderte Ausgangssituation der Türkei - EU Beziehungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts
- Die weitere Entwicklung der Beziehungen bis zur Realisierung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei
- Das Zollunionsabkommen zwischen der Türkei und der EU
- Wichtige Entwicklungen im Vorfeld des Europäischen Rates von Luxemburg
- Das Gipfeltreffen der Europäischen Union in Luxemburg
- Der Beschluss von Helsinki
- Das Dokument über die Beitrittspartnerschaft und die weiteren Entwicklungen bis 2004
- Die Erlangung des Beitrittskandidatenstatus und die weitere Entwicklung bis heute
- Europäische Perspektiven
- Chancen und Risiken für die EU im Falle eines EU-Beitritts der Türkei
- Geopolitische und geostrategische Dimension
- Von der anti- Riegelfunktion zur multidimensionalen strategischen Partnerschaft
- Geopolitische Bedeutung - Außenbeziehungen der Türkei
- Geostrategische Bedeutung
- Energie- und Sicherheitspolitik
- Die Türkei als Energieversorger
- Die Türkei als sicherheitspolitischer Stabilisator
- Politische und soziale Stabilisierung der Türkei
- Institutionelle Dimension
- Ökonomische und soziale Dimension
- Die wirtschaftliche Situation der Türkei
- Wirtschaft
- Migration
- Geographische Dimension
- Kulturelle Dimension
- Kultur
- Politische Kultur
- Religion
- Identität
- Definition europäischer Identität durch geschichtlichen und religiösen Hintergrun
- Definition europäischer Identität durch Willenserklärung zur Zugehörigkeit
- Definition europäischer Identität - EU als Werte- und Rechtsgemeinschaft
- Identität – Die allgemeine Diskussion
- Die europäische Identität
- Die türkische Identität
- Mögliche Alternativen zu einer EU-Vollmitgliedschaft der Türkei
- Privilegierte Partnerschaft
- Erweiterte Assoziierte Mitgliedschaft
- Abgestufte Integration
- Türkische Perspektiven
- Chancen und Risiken für die Türkei im Falle eines EU-Beitritts
- Politik
- Wirtschaft
- Gesellschaft
- Die Debatte um den EU-Beitritt der Türkei in den deutschen Medien
- Theoretisch-methodische Zuordnung der Analyse
- Die wissenssoziologische Diskursanalyse
- Die Medieninhaltsanalyse
- Allgemeine methodische Vorüberlegungen
- Forschungspraktische theoretische Herangehensweise
- Quantitative und qualitative Elemente der Inhaltsanalyse
- Qualitative Forschung
- Interpretation und Kontrolle – hermeneutischer Zirkel und seine methodische Umsetzung
- Qualitative Analyseinstrumente I
- Frames, Argumentationsmuster, Argumentationsebene/stil, Bias
- Qualitative Analyseinstrumente II und quantitative Gewichtung von Frames, Argumenten und Schlüsselbegriffen
- Untersuchungsvorgehen
- Untersuchungszeitraum
- Untersuchungseinheiten
- Ausschlusskriterien
- Ergebnisse
- Vergleich der Relevanz des Themas
- Querschnitt- und Symbolanalyse
- Längsschnittanalyse
- Feinanalyse und Rekonstruktion der Frames
- Codierung, Identifizierung und Gewichtung der Frames
- Codierschema für die Inhaltsanalyse
- Identifizierte Frames
- Vergleich und Bewertung des wissenschaftlichen Diskurses mit der in den Medien geführten Debatte
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Debatte um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei. Ziel ist es, den wissenschaftlichen Diskurs zum Thema mit der in den deutschen Medien geführten Debatte zu vergleichen und Unterschiede sowie Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.
- Die geopolitische und geostrategische Bedeutung der Türkei für die EU
- Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen eines möglichen Beitritts
- Die Frage der kulturellen und religiösen Integration
- Die Rolle der Medien in der öffentlichen Debatte
- Alternative Integrationsmodelle für die Türkei
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor, erläutert die Zielsetzung und skizziert den Aufbau.
- Das Kapitel "Die Türkei – Ein Kurzüberblick" bietet einen historischen Überblick über die Türkei und ihre Westorientierung. Es beleuchtet die geostrategische Lage des Landes und die Entwicklung vom Osmanischen Reich bis zur Gründung der Republik.
- Das Kapitel "Die Entwicklung des institutionellen Anschlusses der Türkei an die Europäische Union" verfolgt den Prozess der Integration der Türkei in die EU vom Assoziierungsabkommen bis zur Erlangung des Beitrittskandidatenstatus.
- Das Kapitel "Europäische Perspektiven" analysiert die Chancen und Risiken eines EU-Beitritts der Türkei aus europäischer Sicht. Es beleuchtet die geopolitische, geostrategische, institutionelle, ökonomische, soziale, kulturelle und identitätspolitische Dimension.
- Das Kapitel "Türkische Perspektiven" betrachtet die Chancen und Risiken eines EU-Beitritts der Türkei aus türkischer Sicht und untersucht die Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
- Das Kapitel "Die Debatte um den EU-Beitritt der Türkei in den deutschen Medien" analysiert den deutschen Medien-Diskurs zum Thema unter Verwendung von Methoden der wissenssoziologischen Diskursanalyse und der Medieninhaltsanalyse.
Schlüsselwörter
EU-Beitritt, Türkei, Europäische Union, Geopolitik, Geostrategie, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Religion, Identität, Medien, Diskursanalyse, Inhaltsanalyse, Beitrittskriterien, Kopenhagener Kriterien.
- Quote paper
- Jenni Egenolf (Author), 2007, Die Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91202