Diese Arbeit untersucht den Stil von Ferdinand Georg Waldmüller. Zunächst wird der Stil der Porträts näher betrachtet, indem die Porträtierten in drei Ausdrucksmodi gruppiert und auf die unterschiedliche Darstellungsweise analysiert werden. Im darauffolgenden Kapitel werden die realistischen und idealisierten Elemente in der Landschaftsmalerei erarbeitet. Da ein Großteil der Werke Genregemälde sind, beschäftigt sich das vierte Kapitel mit deren Stil. Abschließend werden die Stilelemente der Blumenmalerei und Stillleben herausgearbeitet. Eine Zusammenfassung des Hauptteils schließt die Arbeit im letzten Teil ab.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Porträtmalerei
3. Landschaftsmalerei
4. Genremalerei
5. Blumenmalerei
6. Fazit
7. Anhang
7.1. Literaturverzeichnis
7.2. Abbildungen
7.3. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Die Epoche des Wiener Biedermeiers1 fällt auf die Zeit nach den napoleonischen Kriegen und den langen Jahren politischer Unsicherheit in Österreich. Das Volk hatte das Bedürfnis, sich in eine sorglose Welt zurückzuziehen, da das öffentliche Leben durch Zensur und Spitzelwesen des Polizeistaats unter dem Herrscher Metternich stark beeinträchtigt wurde.2 Um die schwierige soziale Lage und den tristen Alltag zu vergessen, flüchtete sich die Gesellschaft in die Kunst der Biedermeiermaler sowie die Musik von Beethoven und Schubert. Die Künste täuschten dem Betrachter und Zuhörer eine heile Welt vor und ließen das leidende Volk an die Jahre vor den Kriegen und Besatzungen zurückdenken.
Der Österreicher Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865) zählt zu den bekanntesten Künstlern des Wiener Biedermeiers. Er schuf während seiner Lebenszeit Werke der Gattungen Porträt, Landschaftsbilder, Genrebilder und Stillleben und um diese spannender und abwechslungsreicher zu gestalten, mischte er unterschiedliche Gattungen miteinander.3 Mit religiösen und historischen Motiven sowie Aktmalerei beschäftigte sich Waldmüller fast gar nicht.4 Sein künstlerischer Stil ist sehr realistisch und die Gemälde ähneln oft einer fotografischen Abbildung, da er realistische Darstellungen anstrebte, die von ihm jedoch oftmals idealisiert und auch übersteigert wiedergegeben wurden.
Diese Arbeit untersucht den Stil von Ferdinand Georg Waldmüller. Zunächst wird der Stil der Porträts näher betrachtet, indem die Porträtierten in drei Ausdrucksmodi gruppiert und auf die unterschiedliche Darstellungsweise analysiert werden. Im darauffolgenden Kapitel werden die realistischen und idealisierten Elemente in der Landschaftsmalerei erarbeitet. Da ein Großteil der Werke Genregemälde sind, beschäftigt sich das vierte Kapitel mit deren Stil. Abschließend werden die Stilelemente der Blumenmalerei und Stillleben herausgearbeitet. Eine Zusammenfassung des Hauptteils schließt die Arbeit im letzten Teil ab.
2. Porträtmalerei
Eines der bekanntesten Werke von Waldmüller ist das Porträt „Mutter des Hauptmanns von Stierle-Holzmeister“ (um 1819, Abb. 1), das durch eine starke Nahansicht und Frontalität charakterisiert ist. Der Hauptmann Stierle-Holzmeister beauftragte den Künstler damit, ein lebensechtes Porträt dessen Mutter zu malen. Mit diesem Auftrag fand Waldmüller zu seinem eigenen Stil: die wirklichkeitsgetreue Darstellung, die er vorwiegend in kleinen Kabinettformaten umsetzte.5 Für den Künstler war der „einzig rechte Weg [, die] Anschauung, Auffassung und [das] Verständniß der Natur“6 und obwohl die Nachahmung der Natur zu seiner Hauptaufgabe wurde, lässt sich in fast allen Werken eine Idealisierung der Personen feststellen.7 Neben dem Gemälde von Frau Stierle-Holzmeister porträtierte Waldmüller noch viele weitere Männer, Frauen und Kinder, die durch den „Dualismus von Idealität und Realität“8 geprägt sind, eine idealisierte Abbildung der Realität. Auch der Humanitätsgedanke der Aufklärung führt in der Malerei zu einem stärkeren Bewusstsein für das menschliche Individuum. Die Künstler wollten nun nicht mehr nur das Äußere des Menschen abbilden, sondern auch dessen Charakter und Seele in einem Porträt eingefangen.9 Die Porträtierten wurden dabei vor neutralen Hintergründen, in Innenräumen oder im Freien gemalt und lassen sich nach verschiedenen Ausdrucksmodi unterscheiden.10
Männer werden mit einem ruhigen und ernsten Gesichtsausdruck gezeigt, denn damit soll der Charakter des verantwortlichen Mannes verdeutlicht werden. Diejenigen, die in einer ruhigen und ernsten Ausdrucksweise von Waldmüller präsentiert werden, gehören einem höheren Stand an und genießen eine privilegierte Stellung in der Gesellschaft. Die Bilder „Fürst Andreas Razumovsky“ (1835, Abb. 2) und „Emanuel Ritter von Neuwall“ (1841, Abb. 3) sind Beispiele für diesen Porträttyp. Beide Männer gehören einem hohen gesellschaftlichen Stand an, ihre Mimik ist ernst und ihre Aura sehr ruhig.11
Der nächste Porträttypus ist ebenfalls durch ruhige und ernste Gesichtszüge charakterisiert, doch bei einer genauen Betrachtung der Bilder lässt sich oftmals ein angedeutetes Lächeln erkennen. Durch diese Eigenschaft erscheinen die Personen nicht nur ruhig und ernst, sondern ebenfalls freundlich. Die Haltung der Porträtierten ist selbstbezogen, in sich ruhend, aber dennoch wird eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber der Zuschauer gezeigt. Ein weibliches Beispiel ist das Gemälde „Frau Elisabeth Waldmüller, die Mutter des Künstlers“ (1830, Abb. 4). Frau Waldmüller sitzt auf einem Armlehnenstuhl und blickt den Betrachter freundlich an, obwohl sie ebenfalls die anderen Ausdrucksweisen ruhig und ernst verkörpert. Auch im Gesicht des „Schiffmeister[s] Mathias Feldmüller“ (1833, Abb. 5) erkennt das Publikum ein angedeutetes Lächeln. Die Autonomie des einzelnen Individuum steht nun stärker im Zentrum des Porträts und damit werden Personen unabhängig ihres beruflichen oder gesellschaftlichen Standes porträtiert. Dadurch unterscheidet sich dieser Ausdrucksmodus von den Männerporträts, da der Stand bei jenen Gemälden eine zentrale Rolle spielt. Die beiden Porträttypen beschränken sich jedoch auf eine bestimmte Altersgruppe, denn weder Kinder noch Jugendliche werden von Waldmüller in diesem Ausdrucksmodus abgebildet.12
Diese Porträts fangen das natürliche und heitere Wesen der Kinder ein. Heiterkeit und Offenheit werden durch den Gesichtsausdruck und die Haltung der porträtierten Kinder verdeutlicht. Ernst und Verantwortung fehlen in diesem Porträttypus völlig. Das „Portrait der Comtesse Julia Apraxin“ (1835, Abb. 6) steht hier beispielhaft für den freundlichen und heiteren Figurentypus, den Waldmüller den Kinderporträts hinzufügt. Das Mädchen sitzt vor einem Waldstück auf dem Boden. Bei den Kinderporträts unterscheidet Waldmüller nicht nach dem gesellschaftlichen Stand, denn auch Bauernkinder werden mit einem fröhlichen Lachen gezeigt, wie das Porträt „Lachender Bauernbursche“ (1840, Abb. 7) bestätigt, das einen Jungen vor einem dunklen Hintergrund zeigt.13
Der österreichische Maler Friedrich von Amerling (1803-1887) war ebenfalls ein Künstler der Epoche des Wiener Biedermeier und auch er porträtierte Kinder und Jugendliche. Jedoch stehen von Amerlings Werke in einem starken Kontrast mit Waldmüllers. Der Junge wirkt in dem „Porträt von Andreas Amerling“ (1829, Abb. 8) durch den auf dem Arm abgestützten Kopf nachdenklich und betrübt und auch sein Gesichtsausdruck lässt auf diesen Gemütszustand schließen. Das Gemälde „Junges Mädchen“ (um 1840, Abb. 9) zeigt ebenfalls ein Kind, das den Kopf auf seinem Arm ablegt, der auf einer nicht weiter definierbaren Erhöhung liegt. Genauso wie der Junge wirkt das Mädchen nachdenklich und schaut den Betrachter ebenfalls nicht an. Werden nun diese Bilder mit den Kinderporträts von Waldmüller verglichen, fehlt die Freundlichkeit und Heiterkeit, die Waldmüllers Gemälden charakterisieren. Durch das Porträtieren der Kinder im Freien und der Darstellung einer natürlichen Umgebung im Hintergrund, wie in dem Werk „Portrait der Comtesse Julia Apraxin“ (Abb. 6) verleiht Waldmüller der Szene einen individuellen Kontext und lässt das Porträt wie eine Momentaufnahme erscheinen. Neben den Kinderbildnissen gibt es die Porträts junger Frauen, die ebenfalls mit einem Lächeln gezeigt werden. Dem „Bildnis einer jungen Dame bei der Toilette“ (1840, Abb. 10) fügte Waldmüller zahlreiche Details, wie beispielsweise ein Vase mit Blumen oder eine Skulptur hinzu und vermischte somit die Gattungen Porträt und Stillleben. Der Maler arbeitete die individuellen Gesichtszüge und Körperformen der Frauen heraus und schafft somit eine wirklichkeitsgetreue Abbildung seiner Modelle.14 Da Waldmüllers Ziel die Darstellung der realistischen Wirklichkeit war und er keine historischen Figuren abbildete, tragen seine Porträtierten auch die Mode der damaligen Zeit. Die Damenmode des Biedermeiers griff verschiedene Elemente der höfischen Bekleidung des 18. Jahrhunderts auf. Es wurden leichte und fließende Stoffe und Materialien bevorzugt, die Waldmüller durch einen feinen Pinselduktus wiedergab und damit eine hervorragende Stofflichkeit erzeugte.15
3. Landschaftsmalerei
Waldmüllers Landschaftsgemälde zählen aufgrund der Raum- und Lichtinszenierung zu den „reinsten Ausprägungen des frühen Naturalismus in der Malerei des 19. Jahrhunderts“16. Der Künstler ahmt in seinen Bildern die Natur detailgetreu und exakt nach und wurde dafür von seinen Zeitgenossen stark kritisiert. Diese sagten, dass Waldmüllers Landschaftsbilder, wie beispielsweise das Werk „Alte Ulmen im Prater“ (1831, Abb. 11) große Naturstudien seien und nicht der Gattung Landschaftsmalerei entsprächen.17 Der Künstler Ferdinand Waldmüller sah seine Landschaftsdarstellungen im Gegensatz zu seinen Malerkollegen, die solche oft als Vorarbeiten für größere Gemälde schufen, jedoch als autonome Kunstwerke. Genauso wie in den Porträts legte Waldmüller in seinen Landschaftsbildern großen Wert auf eine realistische und detailgenaue Abbildung. Die mikroskopisch genauen Naturdarstellungen und Detailwiedergaben basierten auf der Sachlichkeit der Vedutenmalerei, die Waldmüller als Vorbild nahm.18 Seine Landschaftsmotive entsprechen zufälligen und alltäglichen Situation, wie beispielsweise das Bild „Blick auf Ischl“ (1838, Abb. 12) mit einer Familie im Vordergrund, die unter den Bäumen rastet und einem Dorf und Gebirgskamm im Hintergrund. Der Naturausschnitt ist dabei auf „die Enge des menschlichen Sehwinkels“19 beschränkt. Das durch die Baumkronen rieselnde Licht und die unkonventionelle Wiedergabe der Bäume sind Neuerungen, die es in den vorhergehenden Epochen noch nicht in der Malerei gab und auch nicht an den Akademien gelehrt wurden. Im Gemälde „Traunsee mit Schloss Orth“ (um 1830, Abb. 13) wurde das Wasserschloss von dem Künstler an den linken Bildrand gedrängt und auch der Berg Traunstein nimmt keineswegs das Zentrum ein. Für Waldmüller sind nicht die Objekte, die er abbildete, interessant, sondern wie diese im Licht erscheinen und sich darstellen lassen.20 Die Gebirgsketten unterscheiden sich in diesem Bild zwischen zarten, spitzen und dick aufgetragenen, verwischten Linien. Dadurch gibt es eine eindrückliche Unterscheidung zwischen Licht und Schatten.21 Mit der Zeit erprobte Waldmüller sich an weiten Räumen und Tiefenstaffelungen und wählte einen erhöhten Standpunkt, von dem der Betrachter die abgebildete Landschaft überblicken kann. Ein Beispiel für diese Neuerungen ist das Werk „Ansicht des Dachsteins mit dem Hallstätter See von der Hütteneckalpe bei Ischl“ (1838, Abb. 14). „Das eigentliche ästhetische Erlebnis ist das Licht, das Verblauen der hintereinander gestaffelten Berge im leichten Dunst, der über dem See liegt, die Helligkeit und Frische der Wiesen im Sonnenlicht.“22 Mit zunehmendem Alter veränderte sich Waldmüllers Stil in der Landschaftsmalerei. Ein Beispiel des Spätwerks ist das Gemälde „Berglandschaft mit der Ruine Liechtenstein bei Mödling“ (1859, Abb. 15). Der Pinselduktus wird im Vergleich mit früheren Bildern deutlich lockerer und geschwungener und durch diese neue Malweise wird der Bildoberfläche ihre „frühere porzellanartige Glätte“23 genommen. Der Blick des Betrachters geht über das Tal, bis er weit im Hintergrund die Ruine Liechtenstein erblickt, die „aufgelöst im atmosphärischen Dunst“24 liegt. Das Erzählerische ist in dem Kunstwerk auf ein das Minimum reduziert. Der kleinen Personengruppe im Vordergrund, die sich farblich nur leicht von ihrer Umwelt absetzt, wird genauso wenig Aufmerksamkeit geschenkt wie den Ruinen, Tempelanlagen und Aussichtstürmen, die sich in der Landschaft befinden. Waldmüllers Interesse lag, wie auch bei seinen anderen Gemälden, auf der Veränderung der Farben und Schatten im Licht.25 Ein weiteres Spätwerk und Beispiel für die Sonnenlichtmalerei ist das Bild „Die Erwartete“ (1860, Abb. 16). Durch eine plastische Modellierung arbeitete Waldmüller die Pflanzen und Steine heraus und bleibt damit seinem Malstil treu.26
4. Genremalerei
Diese Gemäldegattung war bei den Biedermeierkünstlern sehr beliebt, da sie sich viel und intensiv mit den sozialen Umständen der Zeit beschäftigten und die bäuerliche Welt sich besonders eignete, um „eine utopische Gegenwelt zur krisenhaften Gegenwart zu entwerfen“27. Waldmüller war ein kritischer Beobachter der gesellschaftlichen Wirklichkeit seiner Zeit und er verbildlichte seine Beobachtungen in zahlreichen Werken.28 Die soziale Not der armen Leute unter dem Metternich-Regime beschäftigte Waldmüller und somit erprobte er sich an den Themen Obdachlosigkeit, Kinderbettelei oder das Leid vaterloser Familien.29 Trotz dieser Motivwahl suggeriert jedes Waldmüller-Gemälde eine heile und sorglose Welt, denn durch die dualistische Abbildung wird die Realität idealisiert wiedergegeben und die Schattenseiten verschwiegen.30 In all seinen Werken bewahrte der Künstler eine Darstellung äußerlicher Sauberkeit. Die Kinder haben in dem Bild „Christtagsmorgen“ (1844, Abb. 17) weder dreckige Füße noch schmutzige Kleidung, obwohl diese aus weißem Stoff ist. Auch in dem abgebildeten Innenraum herrscht keine Unordnung. Bei den Genrebildern kann der Betrachter feststellen, dass Waldmüller seine Werke im Freien malte.31 Dies ist daran zu erkennen, wie er das Licht der Natur umsetzte, da die Gemälde vor lichterfüllter Helligkeit strahlen. In dem Genrebild „Rückkehr von der Kirchweih“ (1859/60, Abb. 18) schöpfte Waldmüller den vollen Sonnenschein aus und dementsprechend wurden die Farben aufgehellt. Die roten, grünen und blauen Flächen im Gemälde beginnen durch die Lichtinszenierung zu leuchten. Diese revolutionäre Vorgehensweise kündigt sich bereits in Waldmüllers Frühwerk an, doch steigerte sie sich mit den Jahren und gipfelt in seinen letzten Bildern. „Die Grundlage von Waldmüllers Stil bildet in erster Linie eine äußerst solide korrekte Zeichnung“32, denn die Umrisse wurden mit einem spitzen Pinsel in einer einzigartigen, zeichnerischen Schärfe gemalt.33 Zwischen der Kunst und der Menschheit besteht in Waldmüllers Genrewerke die mystische Verbindung des Lichts. „Jede Form wird plastisch herausgearbeitet, wodurch die Bilder ein kristallinisch festes Ansehen erhalten“34, wodurch der Künstler sofort identifizieren werden kann. Die Figuren und Gegenstände wirken durch diese Darstellungsweise zum Greifen nahe. Die Farbtöne liegen in Zonen nebeneinander und Waldmüller tendiert zu einer Steigerung der Lokalfarben und nicht auf einer „tonige[n] Wirkung“35.
Das Gemälde „Rückkehr von der Kirchweih“ (Abb. 18) weist die idealtypischen Merkmale der Gattung Genremalerei auf, denn weder bekannte Figuren aus literarischen Werken, noch mythologische oder heilige Figuren sind zu sehen.36 Das Genrebild wurde auf ein hell grundiertes Holzbrett gemalt, Waldmüllers bevorzugter Bilduntergrund. Er ließ seine Kunstwerke entstehen, indem er verschiedene Teile des Kunstwerks fertigmalte, während er andere noch nicht einmal skizziert hatte. Vor allem in den Genrebildern lässt diese Technik auf eine perfektionierte Beherrschung der Bildfläche schließen, da Waldmüller sich der Komposition genauestens bewusst gewesen sein musste.37
In dem Bild „Am Fronleichnamsmorgen“ (1857, Abb. 19) taucht Waldmüller die Personen in sehr helles Sonnenlicht. Durch die zentrale Anordnung der Kinder in der Bildmitte des Gemäldes wirkt es, als ob diese auf einer Bühne angeordnet worden wären.38 Bei einer näheren Betrachtung der Personen ist zu sehen, dass vor allem die Kindergesichter stark von der Sonne angestrahlt und erhellt werden und es scheint, als ob diese mit den Augen zwinkern würden, „wie man es tut, wenn man in prallem Sonnenschein steht“39. Durch das Spiel mit Licht und Schatten schaffte Waldmüller eine besonders sommerliche und fröhliche Atmosphäre und verlieh den Kleidungsstücken eine starke Stofflichkeit. Der Faltenwurf der Hose des Mannes auf der linken Bildhälfte ist vor allem an den Knien durch Licht und Schatten betont. Die Pflanzen an der Hauswand hinter den Kindern wirken frisch und grün, da sie ebenfalls vom Sonnenlicht angestrahlt werden und mit einem satten Grün gemalt wurden. In dem ganzen Gemälde gibt es keine Unklarheiten oder halbdunkle, verschwommene Stellen. Im Gegenteil, denn durch das Erhellen der Szene wird eine möglichst große Deutlichkeit erzielt.40
5. Blumenmalerei
Die Blumenmalerei im Biedermeier war eine Folge der wachsenden Nachfrage nach dieser Gemäldegattung. Die Wiener Blumenmalerei entwickelte sich nicht zeitgleich mit der Porträt-, Landschafts- oder Genremalerei nach eigenen künstlerischen Gesetzen, sondern sie übernahm die bestehenden Arrangements, Kompositionen und Formen des 17. Jahrhunderts. Die Idealbilder fantasievoller Bouquets der niederländischen Maler Jan van Huysum (1682-1749) „Blumenvase“ (1722, Abb. 20) und Rachel Ruysch (1664-1750) „Stillleben mit Blumenbouquet und Pflaumen“ (1704, Abb. 21) waren in den kaiserlichen Sammlungen und österreichischen Akademien wohlbekannt und wurden von den Nachwuchskünstlern in verschiedenen Ausführungen kopiert. Die traditionellen Muster in der Gattung Blumenmalerei wurden somit beibehalten und da das Käuferinteresse in der Gesellschaft stetig anhielt, bemühten sich die meisten Künstler nicht primär um neue Darstellungsformen.41
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Anlegen von Zier- und Nutzgärten zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung des Volks und die Gärtner führten komplizierte Züchtungen durch, die von Blumenmalern wie Sebastian Wegmayr (1776-1857) botanisch exakt, aber künstlerisch uninspiriert abgemalt wurden (Abb. 22). Waldmüllers Blumenmalerei unterscheidet sich stark von seinen Zeitgenossen. Die Blumenmalerei war für Waldmüller eine Gattung, die ihn, noch mehr als das Porträt oder die Genremalerei, zu einer strengen Naturtreue zwang. Trotzdem ging es ihm darum, wie sich die Pflanzen, Früchte und arrangierten Objekte im Licht zeigen. Deshalb beachtete er auch bei seinen künstlich arrangierten Prunkstillleben genau die stoffliche Erscheinung der Dinge im Licht. Auch die Farbwahl trägt dazu bei, dass alles wie von Sonnenlicht angestrahlt erscheint, da Waldmüller kräftige, leuchtende Farben verwendete.42 In dem Stillleben „Blumen“ (1842, Abb. 23) werden die Gegenstände und Pflanzen in ihren reinen Farbwerten präsentiert und in das ungetrübt klare Beleuchtungslicht gestellt. Der Bildausschnitt wirkt zufällig ausgewählt, da die Ränder die Pflanzen und Gegenstände kappen. Das Licht fällt auf die dargestellten Blumen und erhellt nicht den Hintergrund, wodurch sich die Blüten dem Betrachter noch strahlender präsentieren.43 Dieses Leuchten wird dem Betrachter bei einem Vergleich mit den spätbarocken Stillleben der Künstler van Huysum und Ruysch bewusst. Van Huysums Blumenstillleben wirkt deutlich dunkler und trister, obwohl auch in diesem Gemälde ein Lichtstrahl vom oberen Bildrand das Blumenarrangement trifft. Mit seiner innovativen Inszenierung der Pflanzen und Gegenstände durchbrach Waldmüller die konventionellen Kompositionen der Blumenmalerei.
„Vor allem ist [Waldmüllers] Farbigkeit viel trockener, [ihr] fehlt der weiche, verbindende Schmelz, die chromatische Abgestimmtheit. Wie in klinischer Reinheit werden die Blumen und Früchte […] in das ungetrübt klare Beleuchtungslicht gestellt.“44
Um seinen Stillleben eine höhere Bedeutung zu geben, verband Waldmüller diese mit anderen Gattungen, wie beispielsweise der Porträtmalerei.45 Bilder wie „Mädchen, einen Brief lesend“ (1841, Abb. 24) können nicht einer Gattung zugewiesen werden, da die Grenzen zwischen Genremalerei und Stillleben fließend sind. In dem Gemälde wird das stark beleuchtete Stillleben durch das Licht modelliert. Dahinter sind weich modellierte, weibliche Figuren zu sehen, deren Gesichter durch den Schatten des roten Vorhangs erhellt werden. Der Hintergrund ist, wie bei den meisten Blumenstillleben von Waldmüller, dunkel gehalten. Das kalt glänzende Metall der Vase und des Gefäßes im Vordergrund steht im Kontrast mit der weich fließenden Schleife und der weichen und bewegten Entfaltung der Blüten.46
Eine weitere Kombination aus Genrebild und Stillleben in Waldmüllers Œuvre ist „Kinder bei einer Butte mit Trauben“ (1834, Abb. 25). Die Weintrauben befinden sich in einer Bütte im Vordergrund des Gemäldes und füllen den Großteil der unteren Bildhälfte aus. Sie wurden von Waldmüller leicht transparent gestaltet und erscheinen dadurch täuschend echt und saftig. Durch den bewussten Einsatz von Licht und Schatten steht die Lesebutte mit den grünen und blauen Trauben im Zentrum des Bildes und wird durch das Sonnenlicht besonders hervorgehoben.47
Als schönstes Beispiel für Waldmüllers eigenständigen, von Vorbildern unabhängigen Beitrag zur Wiener Blumenmalerei, wird das Werk „Traubengehänge“ (1841, Abb. 26) gesehen, welches eine Kombination aus Stillleben und Landschaftsvedute ist. Es entstand während eines Aufenthalts in Italien und zeigt einen zufälligen, scheinbar kompositionslosen Naturausschnitt. Die Betrachter sehen einen Rebenzweig, der sich vor einem Mauerpfeiler senkt. Nicht die roten Trauben, der Pfeiler oder die grünen Blätter scheinen das Thema zu sein, sondern die Wirkung des Sonnenlicht: Reflexlichter, Gegenlicht, durchsonnte Schatten und Schlagschatten. Die Trauben werden von Waldmüller in einem starken Hell-Dunkel-Kontrast gezeigt, der farblich von Hellrot bis Dunkelviolett reicht und die beleuchteten und unbeleuchteten Früchten unterscheidet. Das Abbilden des südlichen Sonnenlichts wurde zu eine der Aufgaben seiner Naturstudien und nimmt in diesem Gemälde eine dramaturgische Wirkung ein. Es hebt vor allem die Weinrebe und Früchte hervor und modelliert diese.48
6. Fazit
Für Waldmüller war das Abbilden der Natur und der Wirklichkeit das Ziel aller künstlerischen Gestaltung. Er sah sich als Naturalist und lehnte den Stil der früheren Meister und der Lehrweise der Akademien ab. Seine Werke zeigen durchgehend die sorgenfreie Gesellschaft und bäuerliche Welt. Ob es die grünen und besonnten Wiesen und Bäume der österreichischen Landschaft oder die Kinder nach der Kirchweih oder an Fronleichnam sind, die heile Welt wird dem Betrachter in detaillierter Perfektion präsentiert. Die gesellschaftlichen und politischen Krisen und Probleme während der Metternich-Herrschaft werden von Waldmüller nicht verbildlicht, stattdessen flüchtet er sich, wie auch die anderen Biedermeierkünstler, in die Idylle einer utopischen Welt. Oftmals wird Waldmüller als „Sonnenmaler“ bezeichnet, da er durch seine vom Sonnenlicht durchfluteten Bilder leicht zu identifizieren ist. Diese Sonnenlichtmalerei kommt besonders ausgeprägt in den Gattungen Landschafts-, Genre- und Blumenmalerei vor, da er sich besonders für die Lichtinszenierung der Natur interessierte. Mithilfe des Lichts modellierte er seine Objekte und setzt sie bühneneffektartig in Szene. Sein Stil ist wirklichkeitsgetreu und „die Darstellung des Lichts ist das Bedeutsamste und Persönlichste in der Gesamtleistung Waldmüllers“49.
[...]
1 Die Epoche des Wiener Biedermeiers beschränkt sich auf die Jahre zwischen dem Wiener Kongress 1815 und dem Beginn der bürgerlichen Revolution 1848 in den Ländern des Deutschen Bundes.
2 Wolfgang Krug, Waldmüller bis Schiele. Meisterwerke aus dem Niederösterreichischen Landesmuseum vom Biedermeier zum Expressionismus, Linz 2002, S. 19.; Kat. Ausst. Ferdinand Georg Waldmüller. 1793-1865; [Musée du Louvre, Paris, 26. Februar bis 18. Mai 2009; Belvedere, Wien, 9. Juni bis 11. Oktober 2009], hrsg. von Agnes Husslein-Arco/Sabine Grabner, Musée du Louvre Paris, Wien 2009, S. 9f.
3 Elke von Radziewsky, Ausstellung in Wien: Ferdinand Georg Waldmüller. Der Glanz des edlen Alltags. Bilder der Idylle gegen den Zeitgeist, in: Zeit, 23.11.1990, S. 1-3, hier 2, URL: https://www.zeit.de/1990 /48/der-glanz-des-edlen-alltags., Krug 2002, S. 236.
4 Bruno Grimschitz, Ferdinand Georg Waldmüller. Leben und Werk, Wien 1943, S. 101f.
5 Klaus Albrecht Schröder, Ferdinand Georg Waldmüller, München 1990, S. 104.
6 Husslein-Arco/Grabner 2009, S. 70.
7 Schröder 1990, S. 9f.
8 Schröder 1990, S. 13.
9 Schröder 1990, S. 104.
10 Schröder 1990, S. 13.
11 Schröder 1990, S. 13f.
12 Schröder 1990, S. 14, 104.
13 Schröder 1990, S. 14.
14 Schröder 1990, S. 14.
15 N.N., Germanisches Nationalmuseum, KulturGut. IV. Quartal 2004 Heft 3, Nürnberg 2004, S. 8.
16 Fritz Novotny, Unvergängliches Österreich. Ferdinand Georg Waldmüller und seine Zeit; 3. Juni bis 18. September 1960 in Villa Hügel, Essen 1960, S. 9.
17 Husslein-Arco/Grabner 2009, S. 10.; Schröder 1990, S. 96.
18 Maria Buchsbaum, Ferdinand Georg Waldmüller. 1793-1865, Salzburg 1976, S. 81, 94.
19 Schröder 1990, S. 96.
20 Schröder 1990, S. 96.
21 Husslein-Arco/Grabner 2009, S. 10.
22 Schröder 1990, S. 96.
23 Schröder 1990, S. 210.
24 Schröder 1990, S. 210.
25 Schröder 1990, S. 210.
26 Novotny 1960, S. 83.
27 Schröder 1990, S. 100.
28 Ursula Peters, Ferdinand Georg Waldmüller „Die erschöpfte Kraft“, 1854. Ein Gemälde der österreichischen Galerie in Wien – bis zum 22. Juni 2003 im Germanischen Nationalmuseum, in: Monatsanzeiger Germanisches Nationalmuseum, 2003, S. 7-8, hier 7, URL: https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ma/article/view/29133/22806.
29 Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller. 1793-1865; Leben, Schriften, Werke, Wien 1996, S. 415., Peters 2003, S. 7.
30 Feuchtmüller 1990, S. 314, 415.
31 Schröder 1990, S. 7.
32 Feuchtmüller 1990, S. 317.
33 Feuchtmüller 1996, S. 314-316.
34 Feuchtmüller 1996, S. 317.
35 Feuchtmüller 1996, S. 317.
36 Gerbert Frodl/Klaus Albrecht Schröder, Wiener Biedermeier. Malerei zwischen Wiener Kongreß und Revolution; [... anläßlich der ... Ausstellung "Wiener Biedermeier. Malerei zwischen Wiener Kongreß und Revolution" im Kunstforum der Bank Austria, Wien, vom 31. März bis 27. Juni 1993, München 1993, S. 9.
37 Grimschitz 1943, S.103.
38 Hans Bisanz, Ferdinand Georg Waldmüller zum 200. Geburtstag. Werke im Besitz des Historischen Museums der Stadt Wien, Sonderausstellung 18. März bis 30. Mai 1993, Wien 1993, S. 5.
39 Feuchtmüller 1996, S. 314.
40 Feuchtmüller 1996, S. 317.
41 Stephan Koja, Ein Blumenstrauß für Waldmüller. Stilleben Ferdinand Georg Waldmüllers und seiner Zeit; Österreichische Galerie Belvedere, Wien, 10. März bis 31. Mai 1993, Wien 1993, S. 7-9.; Schröder 1990, S. 134.
42 Schröder 1990, S. 134.
43 Koja 1993, S. 14-17.
44 Koja 1993, S. 14.
45 Schröder 1990, S. 134.
46 Koja 1993, S. 23.
47 Krug 2002, S. 74.
48 Koja 1993, S. 23f.; Schröder 1990, S. 146.
49 Novotny 1960, S. 10.
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