Die Entnazifizierung Deutschlands war eines der Hauptziele der Siegermächte gewesen, das sie unter den „vier D’s“ zusammenfassten: Denazifizierung, Demokratisierung, Dekartellisierung und Demilitarisie-rung. Unter diesen Gesichtspunkten sollten die Verantwortlichen des Hitlerregimes zur Verantwortung gezogen werden. Doch was geschah mit den vielen Mitläufern? Ein entscheidendes Kriterium bildete in der SBZ die Trennung von aktiven und nominellen Nazis. Aber wie konnte eine Person richtig und vor allem gerecht einer dieser beiden Kategorien zugeordnet werden? Die ungenauen Differenzierungen stellten die Entnazifizierungs-kommissionen vor große Probleme, was folglich Unruhen und Vertrauensverluste innerhalb der Bevölkerung auslöste. Allmählich schien das Ziel der Entnazifizierung hinter dem Ziel des Aufbaus eines stalinistischen Gesellschaftssystems zurück zutreten. Bis in die sechziger Jahre hinein wurden weder in Ost- noch in Westdeutschland Editionen zum Thema Entnazifizierung herausgegeben. Geschichtswissenschaftler der ehemaligen DDR gingen bis in die achtziger Jahre davon aus, dass die Entnazifizierung erfolgreich verlaufen sei. Somit bestand für sie kein Forschungsbedarf. Die westlichen Historiker hingegen beschäftigten sich stark mit der späteren Gründung der BRD. Erst zu Beginn der achtziger Jahre erschienen die ersten Publikationen zu diesem Thema. Mit der Öffnung der Archive der DDR nach ihrem Zusammenbruch 1989 folgte ein weiterer Schub in der Entnazifizierungs-forschung. Umstritten ist jedoch bis heute die Frage, ob die sowjetischen Besatzer von Anfang an eine geplante Umstrukturierung der Gesellschaft nach stalinistischem Vorbild verfolgten. Die Historikerin Rößler geht davon aus, dass die Durchsetzung der Rehabilitationsmaßnahmen in der SBZ äußerst spontan abliefen.
Im Gegensatz dazu statuiert Sperk, dass die SMAD einerseits nach der Beseitigung des NS-Staates strebte, aber durchaus von Beginn an das Ziel verfolgte, ein System sowjetischer Prägung zu installieren. Der russische Historiker Nikita Petrov vertritt ebenfalls diese Auffassung und ist überzeugt davon, dass Stalin die Mittel der Repressionen gezielt einsetzte, um damit seine Politik zu verwirklichen.
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung
B Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches
I.1. Die Beschlüsse der Siegermächte
I.2. Die Anfänge der Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone
I.3 Die ersten gesetzlichen Grundlagen
I.4 Phase 3: Die Kontrollratsdirektive Nr. 24
I.5 Der SMAD Befehl Nr. 201: Das Ende der Entnazifizierung
I.5.1 Die Durchführung des Befehls Nr. 201
I.6. Das Ende der Entnazifizierung – der Befehl Nr. 35
C Schwerpunkte der Entnazifizierung
II.1. Die Polizei
II.2 Die Verwaltung
II.3 Das Gesundheitswesen
D Schlussbemerkung
E Abkürzungen
F Quellenverzeichnis
G Literaturverzeichnis
A Einleitung
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges standen die vier Siegermächte vor einer großen Aufgabe: ein ganzes Volk hatte sich von der NS-Propaganda beeinflussen lassen. Den Besatzern war schnell klar geworden, dass sie alles daran setzen mussten, ein abermaliges Aufflammen das Nationalsozialismus zu verhindern. Die Entnazifizierung Deutschlands war eines der Hauptziele der Siegermächte gewesen, das sie unter den „vier D’s“ zusammenfassten: Denazifizierung, Demokratisierung, Dekartellisierung und Demilitarisie-rung. Unter diesen Gesichtspunkten sollten die Verantwortlichen des Hitlerregimes zur Verantwortung gezogen werden. Doch was geschah mit den vielen Mitläufern? Ein entscheidendes Kriterium bildete in der SBZ die Trennung von aktiven und nominellen Nazis. Aber wie konnte eine Person richtig und vor allem gerecht einer dieser beiden Kategorien zugeordnet werden? Die ungenauen Differenzierungen stellten die Entnazifizierungs-kommissionen vor große Probleme, was folglich Unruhen und Vertrauensverluste innerhalb der Bevölkerung auslöste. Allmählich schien das Ziel der Entnazifizierung hinter dem Ziel des Aufbaus eines stalinistischen Gesellschaftssystems zurück zutreten.
Bis in die sechziger Jahre hinein wurden weder in Ost- noch in Westdeutschland Editionen zum Thema Entnazifizierung herausgegeben. Geschichtswissenschaftler der ehemaligen DDR gingen bis in die achtziger Jahre davon aus, dass die Entnazifizierung erfolgreich verlaufen sei. Somit bestand für sie kein Forschungsbedarf. Die westlichen Historiker hingegen beschäftigten sich stark mit der späteren Gründung der BRD. Erst zu Beginn der achtziger Jahre erschienen die ersten Publikationen zu diesem Thema. Mit der Öffnung der Archive der DDR nach ihrem Zusammenbruch 1989 folgte ein weiterer Schub in der Entnazifizierungs-forschung.[1]
Umstritten ist jedoch bis heute die Frage, ob die sowjetischen Besatzer von Anfang an eine geplante Umstrukturierung der Gesellschaft nach stalinistischem Vorbild verfolgten.
Die Historikerin Rößler geht davon aus, dass die Durchsetzung der Rehabilitationsmaßnahmen in der SBZ äußerst spontan abliefen.[2] Im Gegensatz dazu statuiert Sperk, dass die SMAD einerseits nach der Beseitigung des NS-Staates strebte, aber durchaus von Beginn an das Ziel verfolgte, ein System sowjetischer Prägung zu installieren.[3] Der russische Historiker Nikita Petrov vertritt ebenfalls diese Auffassung und ist überzeugt davon, dass Stalin die Mittel der Repressionen gezielt einsetzte, um damit seine Politik zu verwirklichen.[4]
Im Zuge eines chronologischen Abrisses der Entnazifizierung sollen die Unzulänglichkeiten und Probleme der einzelnen Säuberungsphasen erörtert werden. Im Anschluss daran soll anhand einzelner Säuberungsschwerpunkte der Umfang der Entnazifizierung dargestellt werden.
B Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches
I.1. Die Beschlüsse der Siegermächte
Nachdem am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation Deutschlands von Vertretern des Oberkommandos der Wehrmacht unterschrieben worden war, erklärten die Regierungen der vier Siegermächte einen Monat später, dass sie die gemeinsame oberste Regierungsgewalt über Hitler-Deutschland übernehmen werden.
Bereits auf der Potsdamer Konferenz waren sich die USA, Groß-Britannien, Frankreich und die Sowjetunion darüber einig, dass sämtliches nationalsozialistisches Gedankengut sowie die Führer des NS-Regimes entfernt werden müssen. Mit dem Potsdamer Abkommen wurden verbindliche Grundsätze einer einheitlichen politischen Säuberung geschaffen.[5] Zur Durch-führung der Potsdamer Grundsätze wurde zum einen zwischen aktiven und nominellen Nazis unterschieden, zwecks „gerechter Beurteilung der Verantwortlichkeit“ und zur „Heranziehung zu Sühnemaßnahmen“ wurden zudem fünf Gruppen gebildet: „1. Hauptschuldige, 2. Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer), 3. Minderbelastete (Bewährungsgruppe), 4. Mit-läufer, 5. Entlastete ( Personen der vorstehenden Gruppen, welche vor einer Spruchkammer nachweisen können, daß sie nicht schuldig sind“).[6] Zu den aktivistischen Nazis wurden einerseits Funktionäre der NSDAP gezählt, aber auch Beamte die politisch belastet waren. Dieser Personenkreis sollte sofort aus seiner jeweiligen Stellung entlassen oder inhaftiert werden. Ebenso sollten Helfer und Sympathisanten des Hitler-Regimes entlassen werden.[7] Die Entlassenen sollten „durch Personen ersetzt werden, welche nach ihren politischen und moralischen Eigenschaften fähig erscheinen, an der Entwicklung wahrhaft demokratischer Einrichtungen in Deutschland mitzuwirken.“[8]
Die freigewordenen Stellungen wurden durch Personen ersetzt, die das Vertrauen der sowjetischen Besatzungsmächte genossen. Diese Personen stammten vorwiegend aus dem Arbeiter- und Bauernstand.[9]
Im Unterschied zu den aktiven Nazis sollten die nominellen nicht verhaftet und bestraft werden. Allerdings sollten auch sie nicht von ihrer Mitverantwortung für den National-sozialismus freigesprochen werden.[10]
I.2. Die Anfänge der Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone
Diese erste und kürzeste Phase der politischen Säuberung reicht von der bedingungslosen Kapitulation Hitler-Deutschlands bis zur Errichtung der Landes- und Provinzialverwaltungen im Juli 1945. Entsprechend dem Zeitpunkt der Befreiung durch die Rote Armee, setzte die Entnazifizierung in der SBZ regional unterschiedlich ein.[11]
Im Gegensatz zu den USA besaßen die sowjetischen Truppen weder ein Verwaltungs- noch ein Entnazifizierungskonzept. Das Politbüro des KPD hatte im Moskauer Exil lediglich „Richtlinien für die Arbeit der deutschen Antifaschisten in dem von der Roten Armee be-setzten deutschen Gebiet“ ausgearbeitet. Dies bedeutete im Kern, dass die Schuldigen bestraft und die unbelasteten Pgs für den antifaschistisch-demokratischen Aufbau gewonnen werden sollten.[12]
Grundsätzlich bedeutete die Entnazifizierung für die sowjetische Besatzungsmacht eine Abrechnung mit dem Nazi-Regime.[13] Dies scheint vor dem Hintergrund der deutschen Gräueltaten auf sowjetischem Territorium zunächst verständlich. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass mit dem Fortdauern der politischen Säuberungen tausende unschuldiger Bürger in Arbeits- und Internierungslager der Sowjetunion deportiert wurden.[14]
[...]
[1] Sperk, A.: Entnazifizierung und Personalpolitik in der sowjetischen Besatzungszone Köthen/ Anhalt. Eine Vergleichsstudie / 1945 – 1948), Dössel 2003, S. 16-18.
[2] Rößler, R.-K. (Hg.): Entnazifizierungspolitik in der KPD/SED 1945-1948. Dokumente und Materialien, Goldbach 1994, S. 32.
[3] Sperk, Entnazifizierung, S. 429.
[4] Leide, H.: NS-Verbrecher und Staatssicherheit. Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR, in: Analysen und Dokumente 28, Göttingen 2005, S. 29.
[5] Wille, M.: Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-48, Magdeburg 1993, S. 11.
[6] Zitiert nach: Benz, W.: Die Entnazifizierung der Richter, in: Justizalltag im Dritten Reich, Frankfurt a.M. 1988, S. 116-117.
[7] Wille, Entnazifizierung, S. 10.
[8] Amtliche Verlautbarung über die Konferenz von Potsdam vom 17. Juli bis 2. August 1945, in: Clemens Vollnhals (Hg.): Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945– 1949, München 1991, S. 107.
[9] Wille, Entnazifizierung, S. 13
[10] Ebd.: S. 12.
[11] Meinecke, W.: Die Entnazifierung in der sowjetischen Besatzungszone 1945 – 1948, in: Wendezeiten – Zeitenwände. Zur „Entnazifizierung“ und „Stalinisierung“, Hamburg 1991, S. 36.
[12] Sperk, Entnazifizierung, S. 53-54.
[13] Wille, Entnazifizierung, S. 13.
[14] Sperk, Entnazifizierung, S. 56.
- Quote paper
- Carina Bornhäusser (Author), 2006, Die Entnazifizierung in der SBZ 1945-1948, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91097
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.