Seit Anbeginn der Menschheit ist die Art der Nahrungsaufnahme ein weit gefächertes Thema von kulturellen bis hin zu ökologischen Faktoren. Dass Menschen im 21. Jahrhundert höhere Erwartungen an eine ausgewogenere und nachhaltigere Ernährung haben als unsere Vorfahren in der mittleren europäischen Steinzeit vor rund 10 000 Jahren liegt auf der Hand. Wo damals noch Jäger und Sammler ihre Nahrung wortwörtlich suchten, gibt es heute etliche Supermarktketten, die eine Vielfalt von frischem Obst und Gemüse aus Kontinenten anbieten, die mehr als 7000 km vom Konsumenten entfernt sind. Neben der Ökologie spielen Vermarktung, Produktion, neu entwickelte Technologien und wissenschaftliche Lebensmitteluntersuchungen eine bedeutende Rolle. Eine gesunde Ernährung dient nicht nur dem Einzelnen, sondern auch zahlreichen profitablen Unternehmen. Eine von vielen revolutionären Ideen in der Lebensmitteltechnologie ist das sogenannte In-vitro-Fleisch oder auch Laborfleisch, kultiviertes Fleisch (PETA), clean meat (GFI), victimless meat, oder auch frankenmeat genannt. Die ersten Überlegungen, Fleisch künstlich herzustellen, wurden bereits im Jahr 1931 von Winston Churchill in seinem Artikel „FIFTY YEARS HENCE“ getroffen. Er schrieb „We shall escape the absurdity of growing a whole chicken in order to eat the breast or wing, by growing these parts separately under a suitable medium“. Zu dieser Zeit gab es noch keine technischen oder biologischen Möglichkeiten, seine Überlegung in die Tat umzusetzen. [...]
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Hauptteil
1. Definiton des Wortes „Nachhaltigkeit“
2. In-vitro-Fleisch verstehen
2.1. Herstellungsprozess von In-vitro-Fleisch
2.2. Ressourcenverbrauch von In-vitro-Fleisch
2.3. Intention hinter In-vitro-Fleisch
3. Vergleich zwischen herkömmlichem Fleisch und In-vitro-Fleisch
3.1. Landnutzung
3.2. Energieverbrauch
3.3. Wasserverbrauch
3.4. Treibhausgas-Emissionen
4. Wirtschaft und Soziales
4.1. Möglicher Handelsmarkt von In-vitro-Fleisch
4.2. Sozialwirtschaft: Veränderung des Arbeitsmarktes
5. Mögliche Chancen bei der Erreichung politischer Ziele
5.1. Agenda 2030 (17 sustainable development goals)
6. Gesundheitliche Faktoren
6.1. Prävention vor Krankheiten
6.2. Geographischer Bezug: Sambia - Ein Land, das hungert
Schlussteil
1. Antwort auf die Fragestellung
2. Persönliche Stellungnahme
Literaturverzeichnis
Anhang
Einleitung
Seit Anbeginn der Menschheit ist die Art der Nahrungsaufnahme ein weit gefächertes Thema von kulturellen bis hin zu ökologischen Faktoren. Dass Menschen im 21. Jahrhundert höhere Erwartungen an eine ausgewogenere und nachhaltigere Ernährung haben als unsere Vorfahren in der mittleren europäischen Steinzeit vor rund 10 000 Jahren liegt auf der Hand. Wo damals noch Jäger und Sammler ihre Nahrung wortwörtlich suchten, gibt es heute etliche Supermarkt-ketten, die eine Vielfalt von frischem Obst und Gemüse aus Kontinenten anbieten, die mehr als 70001 km vom Konsumenten entfernt sind. Neben der Ökologie spielen Vermarktung, Produktion, neu entwickelte Technologien und wissen-schaftliche Lebensmitteluntersuchungen eine bedeutende Rolle. Eine gesunde Ernährung dient nicht nur dem Einzelnen, sondern auch zahlreichen profitablen Unternehmen. Eine von vielen revolutionären Ideen in der Lebensmitteltech-nologie ist das sogenannte In-vitro-Fleisch oder auch Laborfleisch, kultiviertes Fleisch (PETA)2, clean meat (GFI)3, victimless meat, oder auch frankenmeat4 genannt 1. Die ersten Überlegungen, Fleisch künstlich herzustellen, wurden bereits im Jahr 1931 von Winston Churchill5 in seinem Artikel „FIFTY YEARS HENCE“6 getroffen. Er schrieb „We shall escape the absurdity of growing a whole chicken in order to eat the breast or wing, by growing these parts separately under a suitable medium“ 2. Zu dieser Zeit gab es noch keine technischen oder biologischen Möglichkeiten, seine Überlegung in die Tat umzusetzen. Erst im Jahr 2013, fand die Verkostung des ersten In-vitro-Burgers auf einer Pressekonferenz in London statt, die von Mark Post7 und Kollegen der Universität Maastricht ins Leben gerufen wurde 3. Das Thema „künstliches Fleisch“ ist also noch sehr jung! Jedoch ist die technische Umsetzung des In-vitro-Fleisches im Hinblick auf die jetzige ökologische Situation mehr als notwendig gewesen, was im späteren Verlauf dieser Arbeit deutlich bestätigt wird. Um einen Bezug zur Nachhaltigkeit des In-vitro-Fleisches herzustellen, müssen verschie-dene Faktoren und Einflüsse, wie zum Beispiel die Landnutzung, der Energie- und Wasserverbrauch oder der entstehende Handelsmarkt und sozialpolitische Umstände genauer angeschaut werden.
Hauptteil
1. Definiton des Wortes „Nachhaltigkeit“
Den Start in den analytischen Teil dieser Facharbeit möchte ich gerne mit einer allgemeinen Definition des Wortes „Nachhaltigkeit“ wagen. Im Verlauf dieser Arbeit werde ich versuchen, mithilfe dieser Definition einen roten Faden zu ziehen, um schlussendlich eine begründete Antwort auf die Fragestellung „Ist In-vitro-Fleisch nachhaltig?“ geben zu können.
„ Nachhaltigkeit, engl. „sustainability“, „sustainment“. Leitgedanke für eine zukunftsfähige Entwicklung in allen Lebensbereichen. Dabei sollte so gehandelt werden, dass künftigen Generationen ein intaktes ökologisches, soziales und wirtschaftliches Gefüge bleibt.“ 8 4
2. In-vitro-Fleisch verstehen
2.1. Herstellungsprozess von In-vitro-Fleisch
Um das neuartige Fleisch besser zu verstehen, muss man die einzelnen Herstellungsprozesse genauer untersuchen. Diese beruhen auf dem Verfahren des „Tissue-Engineerings“9. Es beschäftigt sich mit der Anzüchtung von künstlich hergestelltem biologischen Gewebe. Bekannt ist es vor allem in der regenerativen Medizin, die sich mit funktionsunfähigem Gewebe beschäftigt. In-vitro-Fleisch besteht aus tierischen Muskelstammzellen, welche den Rindern durch eine Muskelbiospie entnommen werden. Die Kultivierung der Zellen findet in einem Nährmedium statt, welches aus fötalem Kälberserum besteht. Die Gewinnung des Serums geschieht, indem einer schwangeren Kuh unmittelbar nach der Tötung das noch lebende Kalb aus der Gebärmutter herausgeschnitten wird. Dem unbetäubten Kalb wird mithilfe einer Nadel Blut aus dem Herzen zur Stammzellgewinnung entnommen. Derzeit wird jedoch auch an alternativen, pflanzenbasierten Nährme- dien geforscht (z.B. auf Basis von Algen oder Pilzen)10 5. Die Kultivierung der Zellen in einem Bioreaktor durchläuft verschiedene Phasen der Zellteilung und der anschließenden Muskelentwicklung. Die Biotechnologen stehen vor der Aufgabe, passende Bioreaktoren für die Massenproduktion von In-vitro-Fleisch zu finden, die den Energieaufwand, welcher maßgeblich die Herstellungskosten und den späteren Marktpreis für IVF11 beeinflusst, gering halten können12 6. [siehe Anhang, Bild: 1]
2.2. Ressourcenverbrauch von In-vitro-Fleisch
Der Ressourcenverbrauch von In-vitro-Fleisch ist verglichen mit dem von herkömmlichem Fleisch noch nicht oft untersucht worden. Eine erste Umwelt-bilanz für Laborfleisch wurde im Jahr 2011 veröffentlicht. Damals sind die Ergebnisse sehr positiv ausgefallen, vor allem der Verbrauch von Land war sehr gering. Aber auch der Ausstoß von Treibhausgasen bei der Herstellung von 1000kg In-Vitro-Fleisch lag unter 10% verglichen mit dem des herkömmlichen Fleisches. 2011 wurde der Wasserverbrauch ebenfalls als sehr gering, auf ca. 5%, eingestuft. Lediglich der Energieverbrauch wurde als vergleichsweise hoch eingeschätzt und lag bei ca. 58%13 7. Eine Folgestudie14, die drei Jahre später durchgeführt wurde, zeigte jedoch Abweichungen und andere Ergebnisse. Sowohl der Ausstoß von Treibhausgasen, als auch der Landverbrauch blieben ungefähr gleich. Aber wo der Wasserverbrauch im Jahr 2011 noch auf unter 5% angenom-men wurde, lag er im Jahr 2014 bereits bei 53%. Der Energieverbrauch ist im Jahr 2014 mit über 100% deutlich zu hoch, um von einer nachhaltigen Herstellung reden zu können 8. In Bezug auf den Ressourcenverbrauch sagt die UMD15: „Mit einer einzigen Zelle könnten Sie theoretisch die jährliche Fleischversorgung der Welt gewährleisten“ 9. Mark Post kalkulierte, dass man theoretisch mit der Biopsie und Stammzellentnahme einer einzigen Kuh 20.000 Tonnen Fleisch produzieren könnte. Dieses entspräche einer Fleischmenge von 400.000 Kühen16 10. Darüberhinaus benötigt man die biologischen Gerüste, die dem künstlichen Fleisch die eigentliche Struktur geben. Diese Gerüste werden mithilfe eines Kollagen-Netzes oder mit Mikrocarrier-Kügelchen entwickelt. Auch hier ist ein sehr geringer Ressourcenverbrauch gegeben. Ein weiterer Grundstoff ist das fötale Kälberserum. Neben der Tatsache, dass dieses Nährmedium pro Liter ungefähr 500$17 kostet, benötigt man sehr viel davon, um genug Fleisch in der Zukunft herstellen zu können. Abhängig davon, wie viel Serum benutzt wird, kann schätzungsweise ein Kuhfötus genug Serum für gerade einmal ein Kilogramm Fleisch aufbringen18 11. Auch die Bioreaktoren, welche meistens aus Metall bestehen, sind miteinzubeziehen. Diese Fermenter benötigen größere Mengen an Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor. Auch verschiedene Spurenelemente oder eine energieliefernde Verbindung, wie z.B. Glucose, können ebenfalls notwendig sein19. Jedoch ist hier der Ressourcenverbrauch jeweils abhängig von dem be-nutzten Bioreaktor 12. [siehe Anhang, Bild: 2]
2.3. Intention hinter In-vitro-Fleisch
In-vitro-Fleisch ist eine sehr revolutionäre Idee. VieleWissenschaftler haben sich im Voraus gefragt, was eigentlich der Sinn hinter einer damals so unerreichbaren Fleischalternative sein könnte. In-vitro-Fleisch kann, abgesehen von tierethischen Bedingungen, tatsächlich viel in Bezug auf die momentane ökologische Situation verändern. Nicht nur die Massentierhaltung, die ein sehr großes Problem für unsere Umwelt darstellt, sondern auch soziale Faktoren, wie der Ausweg aus Hungersnöten in Entwicklungsländern oder die Schaffung neuer Arbeitsplätze, fließen mit in das zukunftsorientierte Ziel des In-vitro-Fleisches ein. Zuletzt wird In-vitro-Fleisch erforscht und hergestellt mit dem offensichtlichen Ziel, ge- schmacklich genießbares Fleisch für den menschlichen Verzehr20 zu erzeugen 13.
3. Vergleich zwischen herkömmlichem Fleisch und In-vitro-Fleisch
3.1. Landnutzung
Die Landnutzung spielt eine der wichtigsten Rollen, um einen Vergleich zwischen In-vitro-Fleisch und konventionellem Fleisch anzustellen. Vor allem bei der Zucht, Haltung und Schlachtung von Nutztieren geht viel Platz verloren. Ein nor-maler Rindermastbetrieb hat eine Stellfläche von 3m2 pro Rind21 ab 600kg Körper-gewicht 14. Geht man davon aus, dass ein Viehzuchtbetrieb durchschnittlich 350 Mastrinder22 hat, benötigte dieser Betrieb eine Fläche von bis zu 1050m2 15. In Deutschland gibt es 136.000 Höfe23 16. In der Gesamtheit steht somit allen Kühen Deutschlands eine Fläche von 143 Millionen m2 zur Verfügung. Bildlich gesehen haben alle Kühe Deutschlands eine Stellfläche, die halb so groß ist wie Dortmund. Das ist unfassbar wenig Platz, aber auf die ganze Welt hochgerechnet sehr viel. Ein Labor, in dem In-vitro-Fleisch hergestellt werden kann, benötigt eine Fläche von ungefähr 240 Quadratmetern24 17. Das mag sehr groß vorkommen, aber es werden wesentlich weniger Labore benötigt, um die gleiche Menge an Fleisch zu produzieren wie in (Schlacht-) Höfen. In der Massen-tierhaltung bekommen Tiere sogenanntes Mischfutter, welches aus acht bis zwölf verschiedenen Einzelfuttermitteln besteht. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 20 bis 21 Millionen Tonnen Mischfutter hergestellt, wie der Deutsche Verband Tiernahrung (DTV) mitteilt. Die Landnutzung für den Futtermittelanbau der weltweit rund 21.6 Milliarden25 Nutztiere ist demnach gigantisch 18. Das bestätigen folgende Zahlen: Etwa 33% der weltweiten Anbauflächen werden alleine für die Produktion von Viehfutter verwendet26 19. Mehr als ein Viertel des eisfreien Landes der Erde wird für die Viehweide genutzt, und ein Drittel unserer Anbauflächen ist für die Fütterung unserer Nutztiere bestimmt 20. Der Anbau und die Produktion nehmen einen größeren Anteil der Landnutzung ein als die eigentliche Haltung und Schlachtung der Tiere. Soja, Mais oder auch Raps und Baumwolle werden angebaut. Dabei ist Sojaschrot das wichtigste Einzel-futtermittel und deckt etwa zwei Drittel27 des Gesamtverbrauchs an proteinhaltigen Futtermitteln 21. Auf 20 Millionen Hektar im „Sojagürtel“ Südamerikas (hauptsächlich Brasilien, Paraguay und Argentinien) werden für die europäische Tierhaltung Sojabohnen angebaut28 22. Um einen Vergleich zu schaffen: 20 Millionen Hektar ist eine Fläche von der Größe Großbritanniens29. Nach einer Studie könnte künstlich erzeugtes Fleisch 99% weniger Land in Anspruch nehmen als herkömmliches Fleisch30 23. Andere Quellen sprechen bezogen auf die USA von einer Flächen-Ersparnis von 60%, wo derzeit ein Viertel der Landesfläche als Weideland und zum Futtermittelanbau genutzt wird31 24. Das entspräche der sechsfachen Fläche Deutschlands32. Die künftige Produktion von In-vitro-Fleisch könnte ein erster Schritt in Richtung Einsparung landwirtschaftlicher Nutzflächen sein. [siehe Anhang, Bild: 2]
3.2. Energieverbrauch
Ein weiterer Einflussfaktor bezogen auf die Nachhaltigkeit ist der Energiever-brauch. Der Verbrauch im neuen Lebensmittelsystem wird zunehmen, da die Produktionsanlagen für den Betrieb auf Strom angewiesen sind. Das gilt sowohl bei der herkömmlichen Fleischherstellung als auch bei der Herstellung von In-vitro-Fleisch. An einer anderen Stelle entlang der Wertschöpfungskette des kün-stlichen Fleisches kann jedoch der Energieverbrauch teilweise ausgeglichen werden. Moderne Fleisch- und Milchprodukte werden in einer sterilen Umgebung hergestellt, in der das Risiko einer Kontamination durch Krankheitserreger gering ist. Somit wird der Bedarf an Kühlung bei Lagerung und im Einzelhandel erheblich sinken. Das beeinflusst die Nachfrage nach Öl positiv. Dieses wird für den Antrieb von Geräten, für Kühlung und Transport benötigt. Des Weiteren spielen sogenannte Petrochemikalien eine wichtige landwirtschaftliche Rolle, bei deren Erzeugung Öl benutzt wird. Bis 2030 wird erwartet, dass mindestens die Hälfte der Nachfrage an Öl sinkt, da viele Teile der Lieferkette, die mit dem Anbau und Transport von Rindern zusammenhängen nicht mehr benötigt werden 25. Trotzdem ist der Energieverbrauch die größte Problemstelle von In-vitro-Fleisch. 2011 ging man davon aus, dass 1000kg IVF bei 55% des Verbrauches von Rindfleisch lag, und damit dem Energieverbrauch von Schweinefleisch entspricht. Jedoch hat sich diese Annahme in einer Folgestudie von 2014 nicht bestätigt. Der Energieverbrauch beträgt demnach über 100% und ist damit sogar noch höher als der für die Rinderproduktion 26. Es herrscht unter den Wissenschaftlern noch Uneinigkeit. In der bereits zitierten Studie von Hanna Tumisto könnte In-vitro-Fleisch zukünftig 45%33 weniger Energie verbrauchen als herkömmliches Fleisch 27. Hier benötigt es aktuellere Studien als die von 2014. [siehe Anhang, Bild: 2]
3.3. Wasserverbrauch
Um die Nachhaltigkeit des In-vitro-Fleisches zu betrachten, ist die Berücksich-tigung des Wasserverbrauches notwendig. Jede Kuh trinkt 80 bis 150 Liter Wasser am Tag. Für das Jahr 2020 war der weltweite Rinderbestand auf 990 Millionen Tiere34 prognostiziert worden 28. Das bedeutet, dass alle Rinder weltweit täglich 114 Milliarden Liter Wasser trinken. Bildlich dargestellt trinken sie demnach ca. 760 Millionen Badewannen35 am Tag. Und das sind nur die Rinder! Zum Wasserverbrauch der Viehzucht gehört nicht nur das Trinkwasser, sondern auch der Verbrauch an Wasser, welches zur Lebensmittelherstellung verbraucht wird. Das Wasser, welches die gigantischen Flächen von Sojabohnen benötigen, die später als Futtermittel dienen, muss auch mit einkalkuliert werden. Bezogen auf den Wasserverbrauch bei Kühen liegt der bei Schafen und Schweinen bei 70%. Und selbst Geflügel, welches sich in den anderen Kategorien gut bewährt hat, schneidet mit ca. 45% eher mittelmäßig ab. Auch In-vitro-Fleisch schneidet in Bezug auf den Wasserverbrauch ziemlich schlecht ab; mit ca. 50% liegt es sogar über dem Wasserverbrauch von Geflügel 29. Wenn man alle auf dem Markt befindlichen Fleischsorten mit IVF in ausgereiften Großproduktionen vergliche, gäbe es ganz klare Prognosen: Der Wasserverbrauch zur Bereitstellung von Fleisch würde sinken, und zwar bis 2030 um die Hälfte und bis 2035 um bis zu 75%36 30. Es könnte gelingen, mit In-vitro-Fleisch 96% weniger Wasser zu verbrauchen als mit normaler Fleischerzeugung37 31. [siehe Anhang, Bild: 2, 3]
3.4. Treibhausgas-Emissionen
Die weltweite Massentierhaltung steht mit seinen Treibhausgas-Emissionen unter den Top 5 Hauptverursachern38 des Klimawandels 32. Ein Drittel der globalen Treibhausgas-Emissionen wird von der weltweiten Lebensmittelproduktion39 verursacht 33. Methan (CH4), Lachgas (N2O) und sogenannte Vorläufer-substanzen wie Stickoxide (NOx) und Stickstoff (N2) gelten als Treibhausgase. Diese entstehen während des Verdauungsprozesses (Fermentation) von Wieder-käuern, aber auch bei der Lagerung von Wirtschaftsdüngern (Festmist, Gülle). Insgesamt sind die Methan-Emissionen zwischen 1990 und 2017 um 27,8% zurückgegangen. Trotzdem sind 1,02 Mio. Tonnen Methan, die im Beobachtungs-jahr ausgeschüttet wurden, noch unfassbar viel40 34. Dabei macht das „Wirt-schaftsdüngermanagement“ (Lagern und Ausbringen von Gülle und Festmist) 19% der gesamten Methan-Emissionen Deutschlands aus. Vor allem die Ex-kremente von Rindern und weniger die der anderen Nutztiere sind hierbei verantwortlich 35. Für Rinder wird der Ausstoß von Treibhausgasen mit 100% zur besseren Vergleichbarkeit angesetzt. Auch bei Schafen liegt er sehr hoch (75%). Schweine (15%) und Geflügelarten (5%) schneiden jedoch ziemlich gut ab. In-vitro-Fleisch hat mit dem minimalen Ausstoß an Treibhausgasen von unter 5% die Nase vorn 36. Die Treibhausgasemissionen aus Viehzucht und Land-wirtschaft gingen bis 2030 um 45% zurück. Das entspricht einer Reduktion der globalen Emissionen um rund zehn Prozent41 37. Riesige Landflächen als CO2-Senken42 würden als Nebeneffekt wieder frei werden. [siehe Anhang, Bild: 2, 4]
4. Wirtschaft und Soziales
4.1. Möglicher Handelsmarkt von In-vitro-Fleisch
Noch nie zuvor war der Wille, eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu genießen größer als im 21. Jahrhundert. Food Blogger, Influencer oder Personal Trainer schwören auf eine gesunde Ernährung, die nicht nur Gesundheit bringt, sondern auch Zufriedenheit und psychische Stabilität. Neben den selbsternannten Ökotrophologen ist der Handelsmarkt der Lebensmittelindustrie Gewinner dieses Trends. Vor allem „Super Foods“ und „Nachhaltige Alternativen“ sind beliebt. In den letzten 5 Jahren stieg die Nachfrage nach Fleischalternativen nicht nur bei vegetarisch oder vegan lebenden Personen, sondern auch bei denen, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen möchten. Eine Statistik43, die prognostiziert hat, wie der Umsatz sich in den kommenden Jahren von veganen Fleischalter-nativen, In-vitro-Fleisch und konventionellem Fleisch ändert, zeigt klare Ergebnisse: Im Jahr 2025 wird In-vitro-Fleisch noch nicht auf dem Markt sein. Aber vegane Fleischprodukte würden 120 Milliarden US-Dollar Umsatz bringen und das konventionelle Fleisch 1.080 Milliarden US-Dollar. Bereits 2030 wird für In-Vitro-Fleisch 140 Milliarden US-Dollar Umsatz prognostiziert. Für 2040 liegen die Schätzungen sogar bei 630 Milliarden US-Dollar und damit über den Umsätzen veganer Fleischprodukte, welchen nur 450 Milliarden US-Dollar Um-satz vorausgesagt wird. Am interessantesten ist der Umsatz des konventionellen Fleisches im Jahr 2040. Er wird bei ungefähr 720 Milliarden US-Dollar liegen und ist somit gar nicht weit von den nachhaltigen Alternativen entfernt 38. Aber nicht nur prognostische Werte zeigen, dass der Handelsmarkt für In-vitro-Fleisch und Fleischalternativen im Allgemeinen eine „Goldgrube“ ist. Der Umsatz mit „Veggie-Produkten“ im Lebensmitteleinzelhandel und in Drogeriemärkten hat ein neues Rekordhoch von 960 Millionen Euro in 2017/2018 erreicht, was ein Umsatzplus von 30 % gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres darstellt 39. [siehe Anhang, Bild: 5, 8]
[...]
1 Angenommen von einem Export aus Amerika nach Deutschland
2 People for the Ethical Treatment of Animals
3 Good Food Institute
4 „Franken-foods“ als Bezeichnung für Produkte, die aus stark genetisch veränderten Organismen bestehen (GVO, engl. GMO („genetically modified organism“)
5 Winston Churchill *30. November 1874 †24. Januar 1965, britischer Politiker: zweimal Ministerpräsident
6 Churchill, W., & Spurrier (1931)
7 Mark Post *20. Juli 1957, niederländischer Pharmakologe und Professor für Gefäßphysiologie und Angiogenese in Tissue-Engineering
8 westermann GRUPPE (2015)
9 Tissue-Engineering (TE) (engl. für Gewebekonstruktion bzw. Gewebezüchtung)
10 Böhm et al., (2017)
11 IVF = I n- v itro- F leisch (oder In-vitro-Fertilisation)
12 Böhm et al., (2017)
13 Tuomisto et al., (2014)
14 Tuomisto, Ellis, & Haastrup, (2014)
15 UMD = University of Maryland
16 Shapiro, Paul (2018)
17 Shapiro, Paul (2018)
18 Shapiro, Paul (2018)
19 Die Chemie-Schule
20 Hinzmann, Mandy (2018)
21 Bioland
22 350 Mastrinder = durchschnittliche Betriebsgröße in Deutschland, Albert-Schweitzer-Stiftung
23 meine Milch, Milchindustrie-Verband e.V.
24 Guidance Document Food Laboratory
25 2009, wikkimeat.at
26 Lymbery, Philip (2015).
27 transparenz GENTECHNIK (2018)
28 Weltagrarbericht (2010)
29 Großbritannien hat eine Fläche von 219.331 km²
30 Shapiro, Paul (2018)
31 Kern, Verena (2019) auf klimareporter
32 Deutschland hat eine Fläche von 357.386 km²
33 Shapiro, Paul (2018)
34 Henrich, Philipp (2019)
35 In eine Badewanne passen durchschnittlich 150 Liter Wasser
36 Kern, Verena (2019) auf klimareporter
37 Shapiro, Paul (2018)
38 Greenpeace (2020)
39 Dyer, Harriet (2018)
40 Umwelt Bundesamt
41 Kern, Verena (2019) auf klimareporter
42 CO2-Senken: Natürliche Speicher für Kohlenstoff
43 Heinrich, Philipp (2020)
- Quote paper
- Anonymous,, 2020, Ist In-vitro-Fleisch nachhaltig?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/909760
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