Diese Arbeit beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung Japans seit der Meiji-Revolution im Jahr 1868. Die Fragestellung "Wie entwickelte sich die Wirtschaft Japans von 1868 bis 2017 und welche Faktoren und Ereignisse hatten darauf maßgeblichen Einfluss?" wird anhand konkreter Daten und Fakten aus verschiedenen Quellen bearbeitet und aufbereitet, sodass dem Leser im Gesamten ein klares Abbild über die Entwicklung dieser Schlüsselökonomie Asiens gegeben werden kann.
Das Ziel dieser Arbeit ist es dem Leser die Möglichkeit zu geben, die Fragestellung „Wie entwickelte sich die Wirtschaft Japans von 1945 bis 2017 und welche Faktoren und Ereignisse hatten darauf maßgeblichen Einfluss?“ aufgrund des aufbereiteten Wissens umfassend beantworten zu können. Eine eigene Meinung zu diesem Thema soll anhand der objektiven, faktenbasierten Berichterstattung in dieser Arbeit nach der Lektüre leicht zu bilden sein.
Um die komplexen Zusammenhänge in der Ökonomie eines Landes zu verstehen, ist es oft hilfreich, einen Blick zurück zu werfen. Gerade in der Wirtschaft sind Reaktionen auf bestimmte Ereignisse oft erst Monate oder Jahre später deutlich erkennbar. Im Fall des modernen Japan ist es speziell deshalb wichtig, geschichtlich zurückzublicken, da das heutige Japan ohne die gesellschaftliche, ökonomische und politische Weichenstellung, die im 19. Jahrhundert vor sich ging und im Folgenden erklärt werden wird, in seiner heutigen Form kaum vorstellbar wäre.
Inhalt
Vorwort
1. Einleitung
2. Vorgeschichte
2.1 Einführung
2.2 Öffnung und Adaption des japanischen Wirtschaftssystems
2.3 Bildung von industriellen Grundlagen
2.4 Zwischenkriegszeit
2.5 Japan als Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg
3. Besatzungszeit und Wiederaufbau
3.1 Einführung
3.2 Wirtschaftliche Situation
3.3 Japan unter amerikanischer Verwaltung
3.4 Wirtschaftliche Eigenständigkeit
4. Starkes Wachstum von 1953 bis 1973
4.1 Einführung
4.2 Exportbedingungen
4.3 Inlandsbedingungen
4.4 Der Aufschwungsfaktor Arbeit
4.5 Technologischer Fortschritt
4.5 Politische Einflussfaktoren
4.6 Arbeitsmarkt
4.7 Probleme und Nachteile des Wachstums
5. Die erste Ölkrise und der Aufbau der Bubble Economy
5.1 Einführung
5.2 Gründe
5.3 Reaktion Japans
5.3 Beruhigung der Situation
5.4 Angepasstes Wachstum 1978 bis 1985
5.5. Das Wachsen der Blase
5.6 Das Ende der Bubble Economy
6. Das Ende der Bubble Economy und die Asienkrise
6.1. Einführung
6.2 Stagnation
6.3 Die Asienkrise
7. Japans Wirtschaft im 21. Jahrhundert
7.1 Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/8
7.2 (Energie-)Wirtschaft nach dem Atomunfall in Fukushima
7.3 Das Transpazifische Handelsabkommen (Trans – Pacific Partnership TPP)
7.4 Gefahrenpotenzial durch den Nordkoreakonflikt
7.5 Gefahrenpotenzial durch den Inselstreit mit China
7.6 Demographie
7.7 Zusammenfassung & Ausblick
8. Fazit
9. Literaturverzeichnis
10. Abbildungsverzeichnis
Vorwort
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung Japans seit der Meji-Revolution im Jahr 1868. Die Fragestellung „Wie entwickelte sich die Wirtschaft Japans von 1868 bis 2017 und welche Faktoren und Ereignisse hatten darauf maßgeblichen Einfluss?“ wird anhand konkreter Daten und Fakten aus verschiedenen Quellen bearbeitet und aufbereitet, sodass dem Leser im Gesamten ein klares Abbild über die Entwicklung dieser Schlüsselökonomie Asiens gegeben werden kann.
Für die Erstellung dieser wissenschaftlichen Arbeit wurden unterschiedliche Quellen verwendet. Durch Transfer, Reflexion sowie kombinatorische Ergänzung dieser Quellen wird nach und nach ein ganzheitliches Bild der japanischen Wirtschaft gezeichnet, dass die Entwicklung dieses außergewöhnlichen Landes zusammenfassen soll.
Die Faszination für den fernen Osten ist eine ganz besondere, und mit diesem Werk möchte ich zu einer breiteren Wissensbildung und Verständnisentwicklung (mittel-)europäischer Leser für die - in der Historie der Weltgeschichte oft weiter als Europa entwickelten - Kultur Japans liefern.
Elias Aruna, Dezember 2019
1. Einleitung
Wenn man sich ein wenig mit dem asiatischen Wirtschaftsraum beschäftigt, kommt man um ein Land nicht herum: Japan. Die bemerkenswerte ökonomische Vergangenheit dieses Landes macht es für eine intensive wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung besonders interessant. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der japanischen Ökonomie und den wichtigsten Ereignissen für diese, hauptsächlich ab dem Zweiten Weltkrieg.
Die Grundlage für diese reproduktive Arbeit wird durch Wirtschaftsliteratur wie etwa „Wirtschaftsgeschichte des modernen Japan“ von Volker Hentschel aber auch durch aktuelle Internetquellen wie etwa den Wirtschaftsbereich der FAZ – Onlineausgabe gebildet.
Der Hauptfokus dieser Arbeit wird aufgrund der anhaltenden Wichtigkeit dieser Zeit auf den Zeitraum nach dem Koreakrieg ab 1953 bis zur Zeit der ersten Ölkrise 1973 liegen, darum ist dieses Kapitel (Kapitel 4) auch am längsten.
Das Ziel dieser Arbeit ist es dem Leser die Möglichkeit zu geben, die Fragestellung „Wie entwickelte sich die Wirtschaft Japans von 1945 bis 2017 und welche Faktoren und Ereignisse hatten darauf maßgeblichen Einfluss?“ aufgrund des aufbereiteten Wissens umfassend beantworten zu können. Eine eigene Meinung zu diesem Thema soll anhand der objektiven, faktenbasierten Berichterstattung in dieser Arbeit nach der Lektüre leicht zu bilden sein.
Nach eingehender Überlegung zu dieser Thematik entschied sich der Autor dieser Arbeit aus Gründen der besseren Lesbarkeit und des besseren Leseverständnisses zum Verzicht auf die Verwendung genderneutraler Formulierungen. Im Text sind jeweils beide Geschlechter gemeint, sofern nicht ausdrücklich auf ein Geschlecht Bezug genommen wird.
2. Vorgeschichte
2.1 Einführung
Um die komplexen Zusammenhänge in der Ökonomie eines Landes zu verstehen, ist es oft hilfreich, einen Blick zurück zu werfen. Gerade in der Wirtschaft sind Reaktionen auf bestimmte Ereignisse oft erst Monate oder Jahre später deutlich erkennbar. Im Fall des modernen Japan ist es speziell deshalb wichtig, geschichtlich zurückzublicken, da das heutige Japan ohne die gesellschaftliche, ökonomische und politische Weichenstellung, die im 19. Jahrhundert vor sich ging und im Folgenden erklärt werden wird, in seiner heutigen Form kaum vorstellbar wäre.
2.2 Öffnung und Adaption des japanischen Wirtschaftssystems
In der meist als “Meji - Restauration” bezeichneten Wiederinstallation des Kaisers als ranghöchste Machtperson im Jahr 1868 entschied sich Japan für einen Wechsel: von dem isolationistisch - feudalistischen System (unter dem Tokugawa - Klan) der vergangenen 250 Jahre zu einer Adaption an die westliche Wirtschaftskultur. Ab dem Jahr in dem Kaiser Meji eingesetzt wurde (1868), vollzogen sich tiefgreifende Veränderungen: So wurden 1869 aus den bis dahin vier Ständen zwei, und die Bevölkerung konnte ihre Berufe frei wählen. Mit der anschließenden Reform der Grundsteuer konnte die Regierung auf Basis der Landwirtschaft eine stetige Kapitalquelle für den Staat bilden. In den folgenden Jahren wurden etliche Schritte zur Bildung einer nennenswerten Industrie getroffen: Ein einheitliches Währungssystem sowie die Bildung eines Finanzmarktes, ein Infrastrukturausbau, staatliche “Vorzeigefabriken” und die Einfuhr von technologischen Geräten und Know - How in Form von Ingenieuren und Beratern.1 Durch diese Maßnahmen wurde ein Aufbau von privatem Kapital ermöglicht, das hauptsächlich in Leichtindustrien floss.2
Die blühende Wirtschaft und die gefüllte Staatskasse Japans trugen also vermutlich einen großen Teil dazu bei, dass Japan ab dem Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr seinen imperialistischen Intentionen nachgab und den ersten Chinesisch - Japanischen Krieg sowie den Russisch - Japanischen Krieg führte und gewann.3 Bei diesen und anderen Kriegen gewann man die Kontrolle über mehrere Koloniegebiete. Das heutige Taiwan, die Pescadoren sowie Korea unterstanden danach bis zum Verlust der Kolonien nach dem Zweiten Weltkrieg der japanischen Verwaltung. (siehe Abb. 1)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Japanische Koloniegebiete und die Jahre ihrer Eroberung
2.3 Bildung von industriellen Grundlagen
Zu Beginn des ersten Weltkrieges saß Japan also auf einer beständigen Geldquelle sowie Ressourcen (aufgrund der Kolonien) und hatte erste Schritte in Richtung Industriestaat gemacht. Als von Seiten der Kriegsparteien der Ruf nach finanzieller Hilfe laut wurde, stand der Inselstaat tatkräftig zur Seite. Auch die Exporte Japans schnellten in die Höhe, als die Produktionsindustrie in Europa zunehmend zum Erliegen kam. Während 1914 1,1 Milliarden Yen gegenüber Gläubigern offen waren, besaß Japan 1918 Forderungen in der Höhe von 2,7 Milliarden Yen gegenüber anderen Nationen. Selbst als 1918 die boomende Kriegskonjunktur endete, hatte sich im vormals landwirtschaftlich - vorindustriell geprägten Kaiserreich ein anderes Wirtschaftsdenken durchgesetzt.4
2.4 Zwischenkriegszeit
Das Gesamteinkommen der japanischen Bevölkerung (Bruttosozialprodukt) wuchs in den Jahren von 1920 - 1930 trotz aller Hindernisse.5 Ein Grund war wahrscheinlich die Investition von in Kriegsjahren angespartem Kapital. Ein anderer Motor des Wachstums waren Infrastruktur - Ausbaumaßnahmen der Regierung, die auf Rücklagen aus dem ersten Weltkrieg zurückgreifen konnte. Diese Politik nahm mit dem 1929 ins Amt tretenden Finanzminister ein abruptes Ende, der die Währung wieder ans Gold band und eine restriktive Geldpolitik vertrat. Dadurch lagen die japanischen Preise circa 20 % über dem internationalen Niveau – zu Zeiten der globalen Depression kam dies vor allem der Exportbranche ungelegen. Als 1932 der neue Finanzminister Takahashi übernahm wertete er in kurzer Zeit den Yen um 40 % ab, kehrte zurück zu einer Niedrigzinspolitik und förderte die Landwirtschaft - wohl Maßnahmen, auf die das starke Wachstum in den 1930ern in Japan maßgeblich zurückzuführen ist.6
Dieses Wachstum wurde getragen durch einen ansteigenden (Textilien-)Export, ein großer Marktprofiteur war auch die Rüstungsindustrie. So konzentrierte sich ein großer Teil des Wachstums auf bislang nicht genutzte Anlagen aus dem ersten Weltkrieg. Dass jedoch in diesen Jahren acht Familien über diverse Zaibatsu7 - Holdings über 50 % von Japans Wirtschaft kontrollierten,8 zeigt die konsolidierte Macht dieser Familien, die eng mit dem Militär verknüpft waren, und erklärt, warum Takahashi, der versuchte, die Haushaltsausgaben für Rüstung in einem halbwegs moderaten Rahmen zu halten, bei dem Putschversuch von 1936 ermordet wurde. Ab diesem Zeitpunkt expandierte die Rüstungsindustrie über Altkapazitäten hinaus.9
Blicken wir also zusammenfassend auf die 1930er in Japan, tritt einerseits ganz klar die florierende Textilindustrie hervor. Andererseits ist die damalige Zeit ein Beispiel dafür, wie eine expansive Geldpolitik zum richtigen Zeitpunkt ein Land aus einer drohenden Krisensituation herausholen kann.
2.5 Japan als Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg
Nach Takahashis Tod 1936 war imperialistischen Militärs und der Rüstungsindustrie der Weg für einen Angriff geebnet. Der Pazifik - Krieg mit China als erstem Opfer ab 1937 war seit langem geplant und sollte Zugriff auf Kohleressourcen in Nordchina bringen. Im noch im gleichen Jahr verabschiedeten Fünfjahresplan waren des Weiteren erhöhte Ausgaben für kriegswichtige Bereiche vorgesehen. Viele der in diesen Bereichen verarbeiteten Materialien wurden importiert - so ist auch das Anwachsen des Handelsdefizits zu erklären.10 Zunehmend handelte die Regierung planwirtschaftlich und regulierte bis hin zum privaten Verbrauch vieles. Eine stabile Zahlungsbilanz, die Expansion von gewissen Schlüsselindustrien11 sowie die Kontrolle des Rohmaterialien - Marktes sollten erreicht werden.
Als 1939 das Preisniveau sprunghaft anstieg, war die Regierung zu Maßnahmen gezwungen. Löhne wurden vom Staat bestimmt und (Konsum-)Artikel rationiert. Die japanische Wirtschaft galt also spätestens ab 1939 nur mehr der Erfüllung von Kriegsinteressen und hatte sich zu einer vollständigen Kriegswirtschaft gewandelt.12
Als Japan 1941 in Südindochina einmarschierte beschlossen die USA, die Niederlande und Großbritannien ein vollständiges Exportembargo. Japan, das mangels eigener Reserven höchst abhängig von Importen war, sah sich zunehmend in eine Ecke gedrängt. Die Forderung der USA alle Truppen abzuziehen konnte und wollte dennoch nicht erfüllt werden,13 und um einem militärischen Eingreifen der USA zuvorzukommen, kam es im Dezember 1941 zu der bekannten Attacke auf Pearl Harbour. Das japanische Problem im darauffolgenden Krieg lag hauptsächlich in der Blockade der Versorgungswege durch die Alliierten. Japan mangelte es an Rohstoffen wie zum Beispiel Aluminium. Schon vor dem Krieg waren spezielle Metalle, wie sie für Panzer, Flugzeuge und Schiffe notwendig waren, knapp gewesen, 1944 gab es diese kaum noch.14 Hinzu kamen kriegsbedingte Probleme in der Landwirtschaft wie etwa ein Arbeitskräftemangel.15
Die Taktik der Alliierten, die Zivilbevölkerung zu einem Angriffsziel zu machen und somit die Demoralisierung voranzutreiben funktionierte dank umfangreicher Bombardierungen auf fast jede größere japanische Stadt. Japan hatte also mit einer hungrigen, durch Bombenangriffe zu großen Teilen obdachlos gewordenen Bevölkerung zu kämpfen und konnte aufgrund eines strukturellen Mangels in der Rohstoffversorgung der Kraft der Alliierten nicht viel entgegensetzen. Innerlich also bereits am Boden, zwangen die beiden Atombombenabwürfe Japan letztlich endgültig in die Knie.16
1945 waren etwa drei Millionen Japaner durch den Krieg gestorben. Die Zivilbevölkerung war demoralisiert, über zehn Millionen Menschen obdachlos, die Fabriken und Städte zerstört, die Landwirtschaft am Boden, die Kolonien verloren und die Ersparnisse aus der Takahashi - Zeit in den 30ern waren fort. All das erwartete die Alliierten, als die ersten Truppen unter dem Oberkommando von General Arthur McDouglas auf die Inseln kamen.17
3. Besatzungszeit und Wiederaufbau
3.1 Einführung
Im vorigen Kapitel ist die gesamte Vorgeschichte ab der Meji - Restauration erklärt worden. Das Ende des Zweiten Weltkrieges stellt mit dem umfassenden Neuanfang Japans nach diesem Krieg nun einen sehr guten Abgrenzungspunkt der Vorgeschichte zum modernen Japan dar. Da es aber nicht möglich ist, eine völlig auf Krieg ausgerichtete Konjunktur mit der Kapitulation zu beenden, ist es nötig, auch noch über die unmittelbare Nachkriegszeit zu berichten. Deshalb werde ich in diesem Kapitel die Besatzungszeit erläutern und die wichtigsten Schritte, die von den im Namen der Alliierten unabhängig handelnden USA unternommen wurden, erklären.
3.2 Wirtschaftliche Situation
1945 läutete - vorerst - das ökonomische Ende Japans ein. Trotz der Lage trat aber keine Massenarbeitslosigkeit auf, die Armut drückte sich eher im Mangel an Nahrung aus. Die arbeitslos gewordenen Soldaten oder Fabrikarbeiter gingen aufs Land oder betätigten sich im informellen Sektor. Die Landwirtschaft, die vor dem Krieg schon kaum dem Nahrungsmittelbedarf der aufgrund des Booms wachsenden Bevölkerung nachgekommen war, stellte um etwa ein Drittel weniger Güter her. Es kam zu Lebensmittelknappheiten. Die während des Krieges regulierten Preise waren nun um das Vierfache höher als vor dem Krieg.18
Die Produktionsleistung aller Bereiche war nach dem Krieg um einiges niedriger als in den wirtschaftlich starken Vorkriegsjahren der 30er Jahre. Die Industrieerzeugung war um circa 66 % abgefallen, und die Anlagen sowohl in der Rüstungsindustrie als auch in der Konsumgüterproduktion lagen still. Das Kapital der japanischen Volkswirtschaft war um 40 % reduziert. Die militärisch teuer “erkauften” Kolonien (z.B. Korea) mussten abgetreten werden.19
3.3 Japan unter amerikanischer Verwaltung
Japan wurde von dem amerikanischen General Douglas McArthur verwaltet, der die Weisung hatte, sich nicht weiter um die Wirtschaft des ehemaligen Kriegsgegners und auch nicht um das Wohlergehen der Zivilbevölkerung zu kümmern.20 Jedoch war die soziale Ungleichheit, die in Japan seit langer Zeit existierte, zu groß, als dass man sie ignorieren hätte können. Deshalb wurde ab Dezember 1945 daran gearbeitet, die Verhältnisse in Japan zu ändern.
3.3.1 Bodenreform
Begonnen wurde mit einem Gesetz, in dem im Kern folgendes angeordnet wurde21:
1. Jeder Eigentümer von landwirtschaftlichem Grund, der nicht am Ort dieses Grundes lebte, wurde vollständig enteignet
2. Jeder Grundeigentümer, der zwar am Ort seiner Besitztümer lebte, den Grund aber nicht selbst bewirtschaftete, verlor alles bis auf einen Hektar.
Die ehemaligen Eigentümer des Grundes erhielten Schuldverschreibungen des japanischen Staates, die dem Bodenwert von 1939 entsprachen. Durch die gestiegene Nachfrage nach landwirtschaftlichen Gütern kam dieser Preis jedoch dem tatsächlichen Wert der Grundstücke nicht wirklich nahe. Durch die Inflation der folgenden Jahre, die durch die zur Wirtschaftsankurbelung lockere Geldpolitik in Gang gesetzt wurde, entwerteten sich diese Schuldverschreibungen praktisch von selbst, sodass die ehemaligen Besitzer mit einem beträchtlich geringeren Vermögen dastanden.
Im Gegenzug konnten die Bauern, die den Grund bewirtschafteten, den “beschlagnahmten” Grund zu 25 % des Grundpreises von 1939 kaufen. Diese Summe musste jedoch auch nicht sofort gezahlt werden, sondern war auf 30 Jahre gestreckt bezahlbar. Im Gegensatz zu den ehemaligen Eigentümern kam die Inflation, die in den Folgejahren die Kreditsumme „entwertete“, den neuen Eigentümern sehr zugute.22
3.3.2 Umgang mit alten Großkonzernen (Zaibatsus)
Das nächste Ziel der Amerikaner nach den Grundeigentümern wurden die sogenannten Zaibatsus, japanische Industrieholdings. Von den anfangs geplanten Auflösungsmaßnahmen sah man jedoch ab, als man deren Wichtigkeit für den Wiederaufbau Japans erkannte. Eine völlige Zerschlagung dieser Firmen hätte das Land wohl auf den Stand vor dem ersten Weltkrieg zurückgeworfen, und das war wohl kaum von Interesse.
Gegen die Zaibatsus wurde dennoch rigoros vorgegangen. Ein staatlich verwaltetes Gremium übernahm den gesamten Aktienbesitz der zehn größten Zaibatsu - Familien, und über 50 der damaligen Zaibatsu - Holdingkonstruktionen fielen an den Staat. Wieder bekamen die ehemaligen Besitzer die praktisch unveräußerlichen Schuldverschreibungen des japanischen Staates, die durch die Inflation nahezu wertlos wurden. Um zu verhindern, dass sich die alten Strukturen unter neuem Namen wieder bildeten, wurden ehemalige Manager mit einem Arbeitsverbot bei diesen Unternehmen belegt.23
3.3.3 Gewerkschaften
Eine andere Maßnahme, die dabei helfen sollte, die Macht der großen Unternehmen einzuschränken, war die gezielte Unterstützung der Bildung von Gewerkschaften.
Das ausgelöste “Gründerfieber” im Gewerkschaftsbereich hielt nicht lange an. Letztlich waren den USA die von ihnen initiierten, ihrer Meinung nach leicht für kommunistische Propaganda anfälligen Gewerkschaften eher ein Dorn im Auge, und es wurde immer härter gegen Streiks vorgegangen. Dennoch war ein Grundstein für mehr Arbeitermitbestimmung gelegt worden.
Die drei wichtigsten Punkte der frühen amerikanischen Nachkriegspolitik waren also wie folgt:24
1. Die Bodenreform, die etwa ein Drittel des gesamten Bodens in Japan betraf. Sie wird als am nachhaltigsten eingeschätzt, da sie das endgültige Ende für den Einfluss der Großgrundbesitzer bedeutete.
2. Der Kampf gegen die Machtkonzentration der alten Zaibatsu – Großkonzerne
3. Das “Gewerkschaftsgesetz”, in dem das Streikrecht eine gesetzliche Grundlage bekam.
3.4 Wirtschaftliche Eigenständigkeit
3.4.1 Japan und der Koreakonflikt
Während Japan an seiner Wirtschaft arbeitete, spitzte sich währenddessen in Japans ehemaliger Kolonie Korea ein Konflikt zu, der Japan im Endeffekt über die Maßen hinaus helfen sollte. Nachdem Japan die 1910 annektierte Kolonie aufgeben musste, gab es zwei Seiten, die sich als Nachfolger des bei der Annexion aufgelösten Kaiserreiches verstanden. Schlussendlich kam es zum Krieg, als Nordkorea Südkorea angriff. Japan fand in diesem Krieg, was ihm schon im ersten Weltkrieg zu einem Boom verholfen hatte: einen Auslandsmarkt zum Absatz seiner Produkte. Als Lieferant von Industrieprodukten verdreifachten sich die Exporte von 1950 auf 1951.25
Die USA konzentrierten sich also auf Korea. Durch die wirtschaftliche Erholung Japans (z. B. Haushaltsüberschuss 1950) in dem Glauben bestärkt, es “auf eigenen Beinen” stehen lassen zu können, wurde Japan immer mehr seine Eigenständigkeit zurückgegeben. Schlussendlich bekam Japan 1952 seine Souveränität zurück, wobei es einen Vertrag für gegenseitige Sicherheit unterzeichnete, welcher Japan umfassenden militärischen Schutz durch die USA garantierte, sodass es keiner eigenen japanischen Armee bedurfte.
3.4.2 Strukturprobleme
Japan profitierte also enorm von dem Koreakrieg. Dennoch darf man nicht vergessen, dass die USA hauptsächlich in Ermangelung anderer Möglichkeiten auf Japan als Lieferanten für die benötigten Materialien zurückgriff. Grundsätzlich war die japanische Industrie im internationalen Vergleich veraltet, langsam und dadurch natürlich auch teurer. Abgesehen davon verdoppelte sich während des Krieges die Geldmenge - mit schlechten Auswirkungen auf das Preisniveau in Japan, das anstieg und dadurch den Export aus Japan unattraktiv machte.26
Zusammenfassend war also Japan strukturell und technologisch unterentwickelt. Generell wurde bezweifelt, ob Japan es schaffen würde, sich wirtschaftlich nachhaltig “aufzurappeln” und seinen Bürgern, von denen ein Teil immer noch keine ausreichende Arbeit hatte, Arbeitsplätze zu verschaffen. Trotzdem stand es, wenn auch wackelig, auf eigenen Beinen27, und auch die USA hatten erreicht, was sie ursprünglich mit Japan haben wollten: einen westlichen Verbündeten als Gegenstück zu den oft kommunistisch regierten (ost-)asiatischen Ländern, allen voran China und die Sowjetunion.
4. Starkes Wachstum von 1953 bis 1973
4.1 Einführung
Die letzten beiden Kapitel konnten uns einen guten Überblick zum einen über die Grundsteinlegung für das heutige Japan und seine Ökonomie, zum anderen über die ersten Schritte Richtung Wirtschaftsmacht des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg geben. Dieses Kapitel nun widmet sich ganz den Jahren nach dem Koreakrieg bis zu dem (Haupt-)Faktor der das wirtschaftliche Wachstum einbremste, nämlich die erste Ölkrise 1973.
Nach dem strohfeuerartigen Wirtschaftswachstum durch die Exporte während des Koreakriegs hatte Japans Wirtschaft Fahrt aufgenommen. Wachstumspotential war vorhanden, und die Bevölkerung hatte durch die während der Besatzungszeit getroffenen Maßnahmen, die ein mögliches Wirtschaftswachstum auf alle verteilen sollten, auch einen starken Anreiz, mit vollster Kraft mitzuarbeiten.
4.2 Exportbedingungen
Das international gesehen sehr hohe Wachstum des BIPs in diesem Zeitraum von teils über 10 % hat etliche Ursachen. Ein wichtiger Faktor ist sicher die in diesem Zeitraum starke Exportindustrie. Dabei kam Japan die von den USA verordnete Abwertung des Yen zum Dollar sehr zugute - im Inland konnte billig produziert werden. Im Anschluss wurden die Produkte im Ausland gegen “starke” Dollar getauscht. Hauptsächlich wurde in die USA geliefert, aber auch nach Europa, das sich durch den Marshallplan wirtschaftlich langsam erholte.
In der Zusammensetzung der Exporte kann man einige wirtschaftliche Trends sehr gut erkennen: So ist zum Beispiel die zunehmende Bedeutungslosigkeit der vor dem Krieg so wichtigen „klassischen“ Textilindustrie an dem Rückgang des Exports dieser erkennbar. Gegen 1970 wurde nur noch ein Zehntel dieser Produkte im Vergleich zu den frühen 50ern exportiert. Auch reiner Stahl wurde seltener exportiert – von nun an wurde er eher in bereits verarbeiteter Form zum Beispiel in Autos ausgefahren.28
4.3 Inlandsbedingungen
Wie wir im letzten Kapitel erfahren haben, kam es im Zuge des Umbaus der alten japanischen Großunternehmen unter anderem zu einem Austausch der führenden Mitarbeiter. Die neue Managergeneration zeichnete sich vor allem durch eine aggressive, risikofreudige Investitionspolitik aus. Die Unternehmen richteten sich auf die absolute Maximierung der Profite aus, und kämpften mit aller Macht um Marktanteile. Gut erkennbar ist dieser enorme Kampf am Markt an der Quote, die Eigenkapital bei Projektfinanzierungen einnahm: Von vor dem Krieg knapp über 60 % fiel sie auf circa 25 %.29 Da dieses Eigenkapital, das sich vor allem aus nicht entnommenen Gewinnen zusammensetzte, nur für etwa zwei Drittel des Kapitalbedarfs ausreichte, ist es logisch, dass die Unternehmen stark von Fremdkapital abhängig waren. Die Banken, die die Kredite vergaben, konnten hierbei auf die gestiegenen Einlagen der Japaner zurückgreifen. Ein anderer Grund für den hohen Fremdkapitalanteil ist jedoch auch dem im letzten Kapitel erwähnten generellen Mangel an Eigenkapital nach dem Krieg geschuldet.
Die japanische Industriepolitik in dem hier betrachteten Zeitraum zeichnet sich durch eine antizyklische Prägung aus: In rezessiven Phasen wurde die Bildung von Kartellen ermöglicht sowie Steuerbefreiungen beschlossen. In Zeiten des raschen Wachstums wurde hingegen speziell durch die Währungspolitik darauf geachtet, dass die Inflation nicht nach oben schnellte.
Als die durch die steigenden Gewinne mehr und mehr investiert wurde schafften sich die Unternehmen durch ihre Ausgaben gewissermaßen ihre eigene Nachfrage: Zeitweise bestand ein Drittel der gesamten Nachfrage am Markt aus Investitionen anderer Unternehmen. Dieser „positive Teufelskreis“ führte dazu, dass zwischen 1952 und 1970 die jährlichen Unternehmensinvestitionen um über eintausend Prozent anstiegen.30
4.4 Der Aufschwungsfaktor Arbeit
In Japan können wir in der Gesellschaft für den in diesem Kapitel untersuchten Zeitraum ein interessantes Phänomen beobachten: Nach dem Mangel an Arbeitskräften in den frühen 1960ern konnten die Gewerkschaften in sogenannten „Frühlingslohnkämpfen“ fast jährlich eine Anpassung der Löhne an die gestiegenen Unternehmensgewinne erreichen. Durch die also einigermaßen gerechte Einkommensverteilung fühlten sich gegen 1970 hin über neunzig Prozent der japanischen Bevölkerung der Mittelklasse zugehörig.31
4.5 Technologischer Fortschritt
Wie vorhin in den Erläuterungen zum Koreakrieg bereits kurz angesprochen begann Japan gegen Anfang der 1950er mit dem Import von ausländischen Technologien, um die veralteten japanischen Produktionen auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu heben. Dabei kann man in Unternehmen, die direkt Produkte oder Know – How importierten und indirekte Profiteure von importiertem Wissen oder Produkten unterscheiden. Hier könnte man als Beispiel Energieunternehmen angeben, die Wissen zum Staudammbau in Form von Ingenieuren oder Ankäufen im Ausland akquirierten. Indirekter Profiteur ist hier die Bauwirtschaft, die dann diese Dämme baut. Die Regierung ermöglichte hierbei den einfachen Import von ausländischer Technologie durch die Befreiung solcher Produkte von Importzöllen oder die Subventionierung von Investitionen in neue Technologien. Inländische Technologie wurde durch die Verzögerung von Verhandlungen vonseiten der Regierung vor ausländischen Übernahmen geschützt.32 Als besonders wichtiger Sektor bezüglich Technologievortriebs erwies sich die Ölindustrie. Dies kann man auch am enormen Wachstum jener im betrachteten Zeitraum erkennen: 1955 betrug die Gesamtzahl aller Ölimporte 10 Mio. Kiloliter. 1973 war diese Zahl auf 290 Mio. Kiloliter gewachsen.33 Was man jedoch nicht unbeachtet lassen sollte, ist das es hierbei nicht nur Gewinner gab. Die vor dem Aufschwung der Ölindustrie technologisch vorne gelegene und wichtige Kohleindustrie arbeitete mit zunehmender Zeit unter zunehmend hohem Preis und Produktionsdruck.34 Ein interessanter Aspekt den man in der Nachkriegsindustrie Japans sah ist, dass der technologische Fortschritt und das Wachstum in der Schwerindustrie lag – in starkem Kontrast zur Vorkriegszeit, wo das Wachstum ja bekanntlich durch das Wachstum der Leichtindustrie entstand.
[...]
1 vgl. (Nakamura, 1985, S. 29ff.)
2 Leichtindustrie ist ein Begriff, der meist für Bereiche der Konsumgüterindustrie benutzt wird. (Erklärung des Autors)
3 vgl. (Rothacher, 2007, S.9)
4 vgl. (Nakamura, 1985, S.45)
5 vgl. (Hentschel 1, 1986, S.67)
6 vgl. (Nakamura, 1985, S.50)
7 Zaibatsu: großes japanisches Unternehmenskonglomerat (Erklärung des Autors)
8 vgl. (Rothacher, 2007, S.10)
9 vgl. (Nakamura, 1985, S.51)
10 vgl. (ebd. S.59)
11 Anm.: Als Schlüsselindustrien sind in diesem Kontext wohl Metall & Rohstoffunternehmen zu sehen.
12 vgl. (Nakamura, 1985, S.60)
13 vgl. (Hentschel 2, 1986, S.37)
14 vgl. (ebd., S.123ff.)
15 vgl. (Nakamura, 1985, S.62)
16 vgl. (Hentschel, 1986, S.48)
17 vgl. (Nakamura, 1985, S.62)
18 vgl. (Hentschel, 1986, S.59)
19 vgl. (ebd., S.59)
20 vgl. (ebd., S.60)
21 vgl. (Hentschel, 1986, S.60)
22 vgl. (ebd., S.61)
23 vgl. (ebd., S.63)
24 vgl. (Kevenhörster/Pascha/Shire, 2010, S.33f.)
25 vgl. (Hentschel, 1986, S.69)
26 vgl. (Hentschel, 1986, S.70ff.)
27 vgl. (ebd. S.72)
28 vgl. (Nakamura, 1985, S.78)
29 vgl. (Nakamura, 1986, S.79)
30 vgl. (ebd., S.80)
31 vgl. (ebd., S.81)
32 vgl. (Hentschel, 1986, S.88)
33 vgl. (Nakamura, 1985, S.82)
34 vgl. (ebd., S.83)
- Quote paper
- Elias Aruna (Author), 2018, Die wirtschaftliche Entwicklung Japans (1868 bis 2017). Von der Meiji-Revolution bis heute, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/909096
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