Der erste Teil der vorliegenden Arbeit untersucht, inwieweit das Berlinische als Unterrichtsgegenstand in den Brandenburger und Berliner Rahmenlehrplänen des Faches Deutsch enthalten ist (siehe Kapitel 2.2). Des Weiteren ist zu prüfen, ob gegebenenfalls die Umsetzung des Gegenstandes im Unterricht erfolgt bzw. die Lehrkräfte eine Behandlung des Berlinischen als wichtig erachten. Neben den Rahmenplan- und Lehrbuchanalysen (siehe Kapitel 2.3) sind Interviews mit Lehrkräften vorgesehen (siehe Kapitel 2.4). Zum einen dienen die Interviews mit den Lehrkräften zur Erfassung ihrer didaktischen Einstellungen zum Thema „Das Berlinische als Unterrichtsgegenstand des Faches Deutsch“. Zum anderen erhoffe ich mir dadurch die Durchführung von Teststunden in der Primarstufe und Sekundarstufe I, um eigens entworfene Materialien zum Berlinischen auf ihre Tauglichkeit für den Sprachunterricht zu überprüfen. In dem Kapitel „Fachlich-linguistische Aspekte zum Berlinischen“ erfolgen eine Einordnung des Berlinischen in das deutsche Sprachsystem (siehe Kapitel 3.1) und Darlegungen zur sprachgeschichtlichen Entwicklung (siehe Kapitel 3.2) sowie zu den sprachlichen Charakteristika (siehe Kapitel 3.3) des Berlinischen.
Im zweiten Teil der Arbeit widme ich mich speziell dem Berlinischen als Gegenstand des Faches Deutsch zu. Dabei gilt es zu untersuchen, welche fachdidaktischen Entwürfe zum Berlinischen bereits bestehen und welchen Anspruch sie in ihrem Aufbau an die Lehrer und Schüler stellen (siehe Kapitel 4). Dem schließen sich unterrichtspraktische Überlegungen zum Berlinischen für die Grundschule und Sekundarstufe I an (siehe Kapitel 5.2).
Diese Arbeit unternimmt den Versuch, das Berlinische als einen wichtigen Bestandteil des Sprachunterrichts an Berliner und Brandenburger Schulen vorzustellen. In ihr wird eine Fülle an Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten zum Unterrichtsgegenstand präsentiert, die in der Praxis dem Lehrer und den Schülern einen abwechslungsreichen Sprachunterricht ermöglichen sollen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Problemstellung und Zielstellung
2. Das Berlinische (Dialekte) im Deutschunterricht
2.1 Dialekt und Schule - Ein historischer Exkurs
2.2 Lehrplananalyse der Länder Brandenburg und Berlin
2.2.1 Curriculare Vorgaben für die Grundschule - Brandenburg/ Berlin
2.2.2 Curriculare Vorgaben für die Sekundarstufe I - Brandenburg
2.2.3 Curriculare Vorgaben für die Sekundarstufe I - Berlin
2.3 Lehrbuchanalyse
2.3.1 Analyse von Lehrbüchern der Grundschule
2.3.2 Analyse von Lehrbüchern der Sekundarstufe I
2.4 Darlegung und Auswertung der Lehrerinterviews
3. Fachlich-linguistische Aspekte zum Berlinischen
3.1 Einordnung in das deutsche Sprachsystem: Was ist das Berlinische?
3.2 Sprachgeschichtliche Entwicklungen des Berlinischen
3.2.1 Berlin von der Gründung bis zum 16. Jahrhundert: Die sprachliche Wandlung vom Lateinischen zum Niederdeutschen
3.2.2 Berlin vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des 18. Jahrhunderts: Das Aufeinandertreffen von französischen, obersächsischen und niederdeutschen Spracheinflüssen
3.2.3 Berlin im 19. Und 20. Jahrhundert: Die Auswirkungen der Industrialisierung auf den Berliner Sprachraum
3.2.4 Der Berliner Sprachraum vor 1945 bis heute
3.3 Sprachliche Charakteristika des Berlinischen
4. Das Berlinische aus fachdidaktischer Perspektive
5. Unterrichtspraktische Überlegungen zum Berlinischen
5.1 Begründung der Wahl des Gegenstandes Berlinisch im Deutschunterricht
5.2 Unterrichtseinheit zum Berlinischen für die Grundschule
5.2.1 Lernen an Stationen - methodisch-didaktische Überlegungen
5.2.2 Vorstellungen der Stationen und deren Lernziele
5.2.3 Prozessplanung
5.2.4 Arbeitsaufträge
5.3 Unterrichtseinheit zum Berlinischen für die Sekundarstufe I
5.3.1 Wochenplanarbeit - methodisch-didaktische Überlegungen
5.3.2 Vorstellungen der Pflicht- und Wahlaufgaben und deren Lernziele
5.3.3 Prozessplanung
5.3.4 Arbeitsaufträge
6. Fazit
Anhangsverzeichnis und Anhänge
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Problemstellung und Zielstellung
Das Berlinische im Deutschunterricht ordnet sich in die Kategorie Sprachvarietäten des Deutschen ein. Eine Thematisierung von Sprachvarietäten der deutschen Gegenwartssprache im Sprachunterricht setzt fundiertes Wissen über die Sprachvariation und den Sprachwandel voraus. NEULAND vertritt den Standpunkt, dass es den sprachdidaktischen Büchern an richtigen Ansätzen für einen varietäten-orientierten Sprachunterricht fehlt. Weder aktuelle Einführungen in die Sprachdidaktik1 noch jüngst erschienene Studienbibliographien2 enthalten ihres Erachtens nach einschlägige Ausführungen oder auch nur Stichwörter zum Thema (vgl. Neuland, 2003: 2).
Ein Blick in die neuesten Erscheinungen revidiert ihre Aussagen. In der „Sprachdidaktik Deutsch“ von OSSNER wird in einem Teilkapitel auf die Mehrsprachigkeit und dem Sprachbewusstsein u.a. wie folgt Bezug genommen: „In Deutschland bedeutet innere Mehrsprachigkeit aus didaktischer Sicht, die Vielfalt der deutschen Sprache als eine ‚ständige‘ Bildungsaufgabe mit dem Ziel zu sehen, das verschiedene Varietäten und Modi angeeignet werden (vgl. Ossner, 2006: 53).“ Im „Lexikon Deutschdidaktik“ verweisen die Autoren KLIEWER und POHL auf folgende Anforderungen an den Lehrer: „Die Lehrenden im Fach Deutsch sollten ‚zumindest‘ einige Merkmale der Mundart bzw. Umgangssprache ihres Schulortes kennen oder sich aneignen, um im Bedarfsfall darüber Auskünfte erteilen zu können. (…) Bei mundartsprechenden Lernenden sollte der Lehrende auch theoretisch das Thema ‚Mundart/Dialekt‘ aufgreifen (vgl. Kliewer/ Pohl, 2006: 538f.)
Auch die Rahmenlehrpläne des Faches Deutsch der Länder Brandenburg und Berlin enthalten verschiedene Ansätze für den Bereich Mehrsprachigkeit. In der Schulpraxis müsste demzufolge eine Umsetzung der curricularen Vorgaben problemlos erfolgen. Obwohl die Lehrkräfte den Umgang mit den Dialekten im Deutschunterricht als wichtig erachten, beklagen sie wiederum die mangelnde Umsetzung bzw. Gestaltung des Themas in den Lehrbüchern (vgl. Werkstattheft 31, 1997: 5).
In der Theorie (u.a. sprachdidaktische Einführungsbücher, curriculare Vorgaben wie Lehrpläne sowie Lehrbücher) und Praxis scheinen für den Unterrichtsgegenstand „Sprachvarietäten des Deutschen“ große Unterschiede zu bestehen. Was bedeutet das für das Berlinische, als eine spezielle Sprachform des Deutschen im Sprachunterricht?
Der erste Teil der vorliegenden Arbeit untersucht, inwieweit das Berlinische als Unterrichtsgegenstand in den Brandenburger und Berliner Rahmenlehrplänen des Faches Deutsch enthalten ist (siehe Kapitel 2.2). Des Weiteren ist zu prüfen, ob gegebenenfalls die Umsetzung des Gegenstandes im Unterricht erfolgt bzw. die Lehrkräfte eine Behandlung des Berlinischen als wichtig erachten. Neben den Rahmenplan- und Lehrbuchanalysen (siehe Kapitel 2.3) sind Interviews mit Lehrkräften vorgesehen (siehe Kapitel 2.4). Zum einen dienen die Interviews mit den Lehrkräften zur Erfassung ihrer didaktischen Einstellungen zum Thema „Das Berlinische als Unterrichtsgegenstand des Faches Deutsch“. Zum anderen erhoffe ich mir dadurch die Durchführung von Teststunden in der Primarstufe und Sekundarstufe I, um eigens entworfene Materialien zum Berlinischen auf ihre Tauglichkeit für den Sprachunterricht zu überprüfen. In dem Kapitel „Fachlich-linguistische Aspekte zum Berlinischen“ erfolgen eine Einordnung des Berlinischen in das deutsche Sprachsystem (siehe Kapitel 3.1) und Darlegungen zur sprachgeschichtlichen Entwicklung (siehe Kapitel 3.2) sowie zu den sprachlichen Charakteristika (siehe Kapitel 3.3) des Berlinischen.
Im zweiten Teil der Arbeit widme ich mich speziell dem Berlinischen als Gegenstand des Faches Deutsch zu. Dabei gilt es zu untersuchen, welche fachdidaktischen Entwürfe zum Berlinischen bereits bestehen und welchen Anspruch sie in ihrem Aufbau an die Lehrer und Schüler stellen (siehe Kapitel 4). Dem schließen sich unterrichtspraktische Überlegungen zum Berlinischen für die Grundschule und Sekundarstufe I an (siehe Kapitel 5.2).
Diese Arbeit unternimmt den Versuch, das Berlinische als einen wichtigen Bestandteil des Sprachunterrichts an Berliner und Brandenburger Schulen vorzustellen. In ihr wird eine Fülle an Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten zum Unterrichtsgegenstand präsentiert, die in der Praxis dem Lehrer und den Schülern einen abwechslungsreichen Sprachunterricht ermöglichen sollen.
2. Das Berlinische (Dialekte) im Deutschunterricht
2.1 Dialekt und Schule - ein historischer Exkurs
Dieses Kapitel vermittelt einen historischen Rückblick zum Gegenstand „Dialekte in der Geschichte des Deutschunterrichts“. Dabei konzentrieren sich die Ausführungen auf die wissenschaftlichen Beiträge der Bände „Variation im heutigen Deutsch: Perspektiven für den Sprachunterricht“ (Neuland, 2006) und „Vielerlei Deutsch. Umgang mit Sprachvarietäten in der Schule“ (Klotz/ Sieber, 1993).
Bevor die Dialektdebatte, beginnend in den 70er Jahren, Erwähnung findet, folgt vorab ein historischer Abriss zu den sprachlichen Bestimmungen der Schulen. Im 17. und 18. Jahrhundert ersetzte die deutsche Muttersprache das Lateinische als Schul- und Unterrichtssprache (vgl. Neuland, 2006: 176). Dies hatte zur Folge, dass sich die Lehrkräfte zum einen mit der regionalen Sprachvielfalt der Schüler/innen auseinandersetzen mussten (vgl. ebd.). Zum anderen blieben trotz der Ablösung des Lateinischen die Dialekte das wichtigste Kommunikationsmittel in der Schule und in der Gesellschaft (ebd.). Die Stellung der Dialekte blieb bewahrt und die Forderungen nach einer einheitlichen Schulsprache blieben noch relativ unbeachtet.
Erst im 18. und 19. Jahrhundert traten mit der Normierung und Vereinheitlichung von Nationalsprachen konkretere Forderungen an das Schulwesen (vgl. ebd.). Demnach hatten die Lehrkräfte während des Unterrichtens eine streng normierte Sprache zu gebrauchen und diese von den Schülern ebenso vorauszusetzen. Sprachratgeber, Wörterbücher sowie normative Grammatiken sollten die Standardsprache als einzige Zielnorm des Deutschunterrichts sichern (vgl. ebd.).
Schon zu dieser Zeit meldeten sich Gegner der standardsprachlichen Normierung zu Wort. Rudolf Hildebrand kritisierte 1867 die Dominanz der Standardsprache, indem er die Meinung vertrat, „dass den Dorfschullehrern das Hochdeutsche ihr neues Latein geworden und dies eine Sprache sei, die vom Lehrer ebenso hoch bewertet würde, wie sie den Schülern fremd sei“ (vgl. ebd.). Seine Kritik spiegelte sich im tatsächlichen Schulleben der damaligen Zeit wider, da die meisten Sprecher, Lehrer sowie Schüler, fast durchweg den vorherrschenden Ortsdialekt gebrauchten.
Des Weiteren erfuhren die Dialekte ein langsam steigendes Interesse, wie dies eine Konzeption des Deutschen Sprachatlasses von WENKER verdeutlicht (vgl., a.a.O., 149). Er untersuchte die Basisdialekte des deutschen Sprachraumes und legte der in den Anfängen stehenden Dialektologie einen Grundstein für die weitere wissenschaftliche Arbeit am Gegenstand.
Zwar setzte sich die Standardsprache im 19. und 20. Jahrhundert in den breiten Bevölkerungskreisen als Schriftsprache durch, eine homogene Entwicklung hinsichtlich des mündlichen Sprachgebrauches ist jedoch nicht zu vermerken (vgl. Neuland, 2006:177). Die regionale Differenzierung innerhalb des deutschen Sprachgebietes (u.a. Nord-Süd-Gefälle3 ) erklärt die mangelnde Umsetzung einer mündlichen Standardsprache in den unterschiedlichen Regionen (vgl. ebd.).
Das Thema „Dialekt und Schule“ rückte erstmals in den 70er Jahren in den Mittelpunkt sprachwissenschaftlicher Diskussionen. Im Jahr 1972 wurde auf der Tübinger Konferenz4 das Arbeitsgebiet „Dialekt und Schule“ zum Untersuchungsgegenstand der soziolinguistischen Dialektforschung (vgl. Klotz/ Sieber, 1993: 12). Ziel war es, die Dialektologie so zu wandeln, dass sie für die Deutschdidaktik praktische Veränderungen gewinnt.
Der Begriff „Sprachbarrierendebatte“ fasst den von der Öffentlichkeit diskutierten inhaltlichen Schwerpunkt in der ersten Hälfte der 70er Jahre gut zusammen (vgl., a.a.O., 15). Wie die Bezeichnung bereits andeutet, wurde der Dialekt als Sprachbarriere betrachtet. Dabei schloss die Sprachbarriere aus sprachwissenschaftlicher Sicht die kommunikative und kognitive Barriere, die Hemmnis für einen sozialen Aufstieg sowie die Behinderung einer sprachstrukturellen Übertragung vom System 1 in ein System 2 ein (vgl. ebd.). In entsprechenden Untersuchungen ging man den speziellen Schwierigkeiten nach, denen die Dialektsprecher in der Schule ausgesetzt waren. Zu den Schwierigkeiten zählt BÜCHERL die „Inter- bzw. Transferenzfehler“, „Hyperkorrekturen“, aber auch die Schwierigkeiten beim Lesenlernen und beim Fremdsprachenerwerb (vgl. Neuland, 2006: 68). Die Forderungen an die Dialektdidaktik bestanden nun darin, die Nachteile, welche die Dialektsprecher gegenüber anderen Schülern hatten, mit unterrichtlichen Arrangements zu kompensieren (vgl. Klotz/ Sieber, 1993: 8). Die älteren Diskussionen um die Sprachbarrieren enthalten, wie bereits dargelegt, vor allem „defizitorientierte Perspektiven“, hingegen neuere Diskussionsansätze aus den 90er Jahren „entwicklungsorientierte Perspektiven“, die den Dialektgebrauch nicht als Handicap bestimmen, sondern vielmehr als Chance und Bildungsmöglichkeit definieren (vgl. ebd.).
Der Beitrag „Norm und Variation in Lehrwerken und im muttersprachlichen Unterricht“ (Neuland, 2006: 507-512) von BEKES und NEULAND trägt die entscheidenden fachdidaktischen Entwicklungen im Deutschunterricht zusammen. In den 50er und 60er Jahren orientierten sich die Lehrkräfte an einer sogenannten „traditionellen“ Deutschdidaktik, welche der Hochsprache einen hohen Prestige- und Bildungswert zuschrieb (vgl. Neuland, 2006: 507). Die Basisdialekte sollten zwar im Deutschunterricht als „fernes“ Bildungsgut berücksichtigt werden, allerdings galt die Hochsprache als alleinige Sprachnorm und Zielsprache. Die Lehrkräfte hatten demnach eine „grammatische Korrektheit, ein lautreines Sprechen und das orthografisch richtige Schreiben den Schüler/innen zu vermitteln“ (vgl. ebd.).
HELMER`s „Didaktik der deutschen Sprache“ aus dem Jahr 19765 ist ein exemplarisches Beispiel für die fachdidaktischen Vorgaben des Deutschunterrichts der 50er und 60er Jahre. In diesem didaktischen Werk wird die Meinung vertreten, „die Lautung der Hochsprache wäre als Norm des lautreinen Sprechens anzusehen und die Bedeutung der Mundart ginge sichtbar und relativ rasch zurück, da das völlige Verschwinden der Dialekte nur noch eine Frage der Zeit sei“ (vgl. Schober, 1978: 12). Der Sprachunterricht orientierte sich in dieser Zeit an einer „Stilpyramide“. An ihrer Spitze befand sich die Hochsprache. Dieser schlossen sich die Dialekte und die Umgangssprache im mittleren Bereich an, gefolgt von den Jargons und Gossensprachen im unteren Teil der Pyramide (vgl. Neuland, 2006: 507).
Am Ende der 60er Jahre setzte die Bildungsreform einen radikalen Bruch mit den bisherigen bildungspolitischen Vorstellungen. Folge war die Verabschiedung von der Hochsprache als ausschließliches Lernziel des Deutschunterrichts und die Entstehung der „kritischen“ Deutschdidaktik in den 70er Jahren (vgl., a.a.O., 508), die sich gegen eine unreflektierte Einübung der Normen der Hochsprache richtete. Die Didaktiker befürchteten, die Schüler durch die straffe Vermittlung standardsprachlicher Normen von ihren Herkunftsgruppen und sozialen Erfahrungen oder Interessen zu entfremden (vgl., a.a.O., 508f.). Dieser Ansatz lässt zwar eine Öffnung des Sprachunterrichts in der damaligen Zeit erkennen, scheitert jedoch an der Umsetzung im Unterricht, da unter anderem die Themenfelder Normkritik und Normreflexion lediglich für die gymnasiale Oberstufe von Bedeutung waren (vgl., a.a.O., 509).
Die „kommunikative“ Deutschdidaktik in den 80er Jahren versuchte dem entgegenzuwirken, indem sie ein weites Varietätenspektrum in den Deutschunterricht einbezog mit dem Lernziel, eine kommunikative Kompetenz und Angemessenheit bei den Schülern zu fördern (vgl. ebd.). Dabei hatte der Deutschunterricht Parallelen zur Alltagswelt zu ziehen. Das heißt, „Lernprozesse entwickelten sich aus lebensnahen, realen Sprachverwendungssituationen und Lerneffekte übertrugen sich auf künftige und außerschulische Kommunikationssituationen“ (vgl., Neuland, 2006: 509). So interessant und vielversprechend sich die didaktischen Zielsetzungen darboten, so unzureichend erfolgte ihre Umsetzung, da „nonstandardsprachliche Varietäten weiterhin als unangemessenes, dysfunktionales Kommunikationsmittel“ galten (vgl., a.a.O., 510).
Heutige Curriculumentwicklungen werden mit den Begriff „postkommunikative“ Deutschdidaktik (vgl., a.a.O., 511) beschrieben. Dem postkommunikativen Deutschunterricht schreiben BEKES und NEULAND zwar eine Vielfalt unterschiedlicher didaktischer und methodischer Ansätze zu, bemängeln jedoch das Fehlen eines „einheitlichen Gesamtkonzeptes für den Sprach- und Literaturunterricht“ (vgl. ebd.). Zu den dominierenden Merkmalen der heutigen Deutschdidaktik zählen ihres Erachtens nach die „verschiedenen kognitiven Orientierungen, welche die Subjektivität, Eigenaktivität und das Sprachbewusstsein“ der Schüler betonen. Vor allem dem Literaturunterricht werden „Handlungs- und Produktionsorientierungen“ zugeschrieben (vgl. ebd.).
Die Folgekapitel, die sich der Lehrplan- und Lehrbuchanalyse (siehe Kapitel 2.2 und 2.3) widmen, geben die curricularen und didaktischen Vorgaben der Länder Brandenburg und Berlin für den Unterrichtsgegenstand Dialekte in Ansätzen wieder.
2.2 Lehrplananalyse der Länder Brandenburg und Berlin
In diesem Kapitel werden die Rahmenlehrpläne des Faches Deutsch für die Grundschule und Sekundarstufe I hinsichtlich der Thematik Dialekte untersucht. Die Lehrplananalyse bezieht sich ausschließlich auf die Bundesländer Brandenburg und Berlin, da die Präsenz der Berliner Stadtsprache in der unmittelbaren Umgebung erfasst werden soll. Ziel wird es sein, die Bedeutung des Berlinischen für den Sprachunterricht beider Bundesländer zu untersuchen. Handelt es sich bei dem Berlinischen um einen Unterrichtsstoff, der als angemessen und sinnvoll für den Deutschunterricht erachtet wird? Handelt es sich bei dem Berlinischen um ein Kulturgut der Stadt Berlin? Welche Vorgaben enthalten die Rahmenlehrpläne? Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden in den Klassenstufen für das Thema gesetzt? Diese Fragestellungen befinden sich im Fokus der folgenden Kapitel (siehe Kapitel 2.2.1 bis 2.2.3)
2.2.1 Curriculare Vorgaben für die Grundschule - Brandenburg und Berlin
Der Rahmenlehrplan für das Fach Deutsch in der Primarstufe wurde zum Schuljahr 2004/2005 vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin in Kraft gesetzt (vgl. Rahmenlehrplan Grundschule Deutsch, 2004: 4). Es handelt sich um ein länderübergreifendes Projekt, da die Landesinstitute Brandenburg, Berlin, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam in die Erarbeitung des Lehrplanes involviert waren (vgl. ebd.).
Im Kapitel „Der Beitrag des Faches zur Bildung und Erziehung in der Grundschule“ sind fünf Lernbereiche aufgelistet. Demnach lernen die Schüler im Deutschunterricht:
- zu lesen und zu schreiben sowie Lesen und Schreiben zu nutzen,
- sich situationsangemessen und adressatengerecht zu verständigen,
- die kreativen Möglichkeiten von Sprache zu gebrauchen,
- über Sprache und Sprachgebrauch zu reflektieren,
- Sprache in ihrer kulturellen, interkulturellen und ästhetischen Funktion zu verstehen
(vgl., a.a.O, 17).
Aus den Lernbereichen ergeben sich für den Deutschunterricht folgende vier Aufgabenbereiche:
- Sprechen und Zuhören,
- Lesen - mit Texten und Medien umgehen,
- Schreiben - Texte verfassen/Rechtschreiben,
- Sprache und Sprachgebrauch untersuchen (vgl. ebd.).
Der Themenkomplex Dialekte, in ihm enthalten das Berlinische, sollte grundsätzlich dem Aufgabenbereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ zugeordnet werden, da die Schüler lernen, im Sprachunterricht über die deutsche Sprache und deren Sprachgebrauch zu reflektieren. Die übrigen drei Aufgabenbereiche sind dennoch wichtige Bestandteile des Unterrichtsgegenstandes Dialekte bzw. das Berlinische, weil die Schüler u.a. Mundarten hören und sprechen, aber auch mundartliche Texte lesen und schreiben.
Der Rahmenlehrplan Deutsch legt für die einzelnen Aufgabenbereiche Standards fest, die bis zum Ende der Grundschulzeit von den Schülern zu erwerben sind, um ein erfolgreiches Lernen an den weiterführenden Schulen zu ermöglichen. Am Ende der Jahrgangsstufe 6 ergeben sich für die Schüler u.a. folgende Standards im Aufgabenbereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“:
- Reflexion der Beziehung zwischen Sprachabsicht, sprachlichen Mitteln und Wirkungen,
- Reflexion der Bedeutung von Sprachvarianten und Gruppensprachen,
- Verwendung grammatischer Fachbegriffe beim Untersuchen von Sprache (vgl. Rahmenlehrplan Grundschule Deutsch, 2004: 22).
Das Unterrichtsthema Dialekte ist ebenso in die Standards zu integrieren wie in die Aufgabenbereiche. Die Dialekte sind eine Form von Sprachvarianten (Jugendsprache, Standardsprache, Umgangssprache, etc.), sie erzielen unterschiedliche Wirkungen in verschiedenen Situationen (Situationsangemessenheit, Berufsleben, Alltag, etc.) und enthalten auch eigene Termini (Dialekt, Mundart, Mündlichkeit, Lautung, etc.).
Zu den fachdidaktischen Ansprüchen des Deutschunterrichts zählen u.a. neben der Lesefähigkeit, Differenzierung und den Inhalten, auch die Mehrsprachigkeit und das Niederdeutsche (vgl. ebd., 23f.). Die Mehrsprachigkeit fördert nicht nur interkulturelles Lernen im Unterricht, sondern ist auch als Lernchance für alle zu verstehen, um besonders das demokratische Lernen zu unterstützen (vgl. ebd., 24). Meines Erachtens muss sich Mehrsprachigkeit nicht nur auf Fremdsprachen beziehen. Ebenso sind die deutschen Mundarten in den Terminus Mehrsprachigkeit aufnehmbar. Der Rahmenlehrplan verweist auf das Niederdeutsche als einen wichtigen Bestandteil des Deutschunterrichts:
„Niederdeutsch ist Teil des Kulturgutes in Norddeutschland. Im Prozess der Umsetzung der europäischen Charta der Regional- bzw. der Minderheitssprachen ist dem Niederdeutschen Aufmerksamkeit zu widmen, um Vorstellungen von kultureller Identität aufzubauen und weiterzuentwickeln.“ (Rahmenlehrplan Deutsch Grundschule, 2004: 24)
Ein Großteil des Landes Brandenburg befindet sich im niederdeutschen Sprachraum (märkisch-brandenburgisch) (vgl. Der kleine Duden. Deutsche Grammatik, 2004: 31). Daher ist der Verweis des Rahmenlehrplanes auf das Niederdeutsche nachvollziehbar. Das Land Berlin nimmt eine gesonderte Stellung diesbezüglich ein, da auf mehreren Mundartkarten unterschiedliche Zuordnungen vorgenommen wurden. Entweder wird der Berliner Raum dem Niederdeutschen oder dem Mitteldeutschen zugewiesen. Er kann sich aber auch auf der Grenze beider Sprachräume befinden (vgl. u.a. Der kleine Duden, 2004: 31; Deutsch plus 8, 2003: 133; Unsere Muttersprache 9, 2004: 137; Deutschbuch 8. Sprach- und Lesebuch, 2007: 235). Da der Rahmenlehrplan in Kooperation mit den Bundesländern Brandenburg und Berlin entworfen wurde, ist zu vermuten, dass Berlin im Einvernehmen der beteiligten Länder ebenso dem Niederdeutschen zugeordnet wurde.
Der Aufgabenbereich „Sprache und Sprachgebrauch“ untersuchen für die Klassenstufen 5 und 6 ist in zwei Bereiche gegliedert: Einerseits sollen die Schüler befähigt werden, die „Bedeutung und Wirkung von Sprache zu untersuchen“, andererseits lernen sie den „Bau der Sprache zu verstehen“ (vgl. Rahmenlehrplan Deutsch Grundschule, 2004: 45). Eine Anforderung aus dem Bereich „Bedeutung und Wirkung von Sprache untersuchen“ lautet das „Kennen lernen und Zuordnen von Regionalsprachen“ (vgl. ebd.). Für die Untersuchung der Regionalsprachen werden als Inhalte „Text- und Hörbeispiele zu Regionalsprachen“ und das „Niederdeutsche“ vorgeschlagen (vgl. ebd.). Mit einer entsprechenden Kennzeichnung wird an dieser Stelle Bezug zum Fach Geografie genommen.
Am Ende des Lehrplanes sind die Kriterien für eine schulinterne Lektüreauswahl aufgelistet, wobei der Stichpunkt „Regional bedeutsame Texte“ (vgl., a.a.O., 50) der Lehrperson die Möglichkeit einräumt, das ein oder andere dialektale Textbeispiel (niederdeutsch, berlinisch) in den Deutschunterricht einzubauen.
Letztendlich wird im Brandenburger Rahmenlehrplan das Niederdeutsche für den Sprachunterricht der Grundschule hervorgehoben. Als sinnvoll erweist sich für die Brandenburger Schulen folglich die Behandlung der märkisch-brandenburgischen Mundarten in den Jahrgangsstufen 5 und/oder 6. Allerdings sollte auch an den Berliner Grundschulen das Berlinische als sprachliche Besonderheit des Berliner Raumes für den Deutschunterricht zur Diskussion gestellt werden.
2.2.2 Curriculare Vorgaben für die Sekundarstufe I - Brandenburg
Der Rahmenlehrplan des Faches Deutsch für die Sekundarstufe I gilt für die Brandenburger Schulen seit dem Monat August des Jahres 2002 (vgl. Rahmenlehrplan Deutsch. Sekundarstufe I, 2002: 3). Erarbeitet und koordiniert wurde dieser durch das Pädagogische Landesinstitut Brandenburg im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (vgl. ebd.).
Die Aufgabenbereiche für die Sekundarstufe I ähneln denen der Grundschule. Die Komplexität des Faches Deutsch wird in den folgenden vier Aufgabenbereichen beschrieben:
- Sprechen und Zuhören,
- Schreiben,
- Lesen/Umgang mit Texten,
- Nachdenken über Sprache, einschließlich Rechtschreiben (vgl., a.a.O., 22).
Das Themenfeld Dialekte sollte auch für die Sekundarstufe I dem Aufgabenbereich Nachdenken über Sprache zugeordnet werden. Bei der Behandlung des Themas finden allerdings auch die übrigen drei Aufgabenfelder Beachtung, da sich die Schüler über Dialekte bzw. das Berlinische mündlich austauschen werden, Arbeitsaufträge schriftlich bearbeiten können und mundartliche Texte sich laut vorlesen oder still lesen.
Im Deutschunterricht werden unterschiedliche Kompetenzen bei den Schülern gefördert, wobei besonders die Sach- und Methodenkompetenz von Bedeutung sind. Im Kapitel „Ziele, Qualifikationserwartungen und fachdidaktische Konzeption“ lautet ein Aspekt zur Förderung der Sachkompetenz:
„Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass Sprache und Sprachgebrauch sich verändern. Zumindest exemplarisch werden sich die Schülerinnen und Schüler der historisch bedingten Veränderungen (etwa Veränderungen des Wortschatzes, Gebrauch fremder Wörter, Bedeutungswandel, Entstehung und Entwicklung von Varietäten wie märkische Dialekte, Regiolekte, Fachsprachen) und entwicklungsbedingter Prozesse bewusst (so mit der Sprachentwicklung bei Kindern oder mit Jugendsprachen)“.
(vgl. Rahmenlehrplan Deutsch Sek. I, 2002: 24)
Dem Auszug ist zu entnehmen, dass die Entwicklungen im deutschen Sprachraum (bzgl. Varietäten, Dialekte, Regiolekte, etc.) mit den Schülern der Sekundarstufe I im Unterricht zu behandeln sind.
Aus den Zielen des Faches Deutsch leiten sich Qualifikationserwartungen zum Abschluss der Jahrgangsstufe 10 ab, um bei den Schülern eine Differenzierung hinsichtlich ihrer Leistungen vornehmen zu können. Die Aufgabenbereiche sind demnach in drei Bildungsniveaus untergliedert:
- Grundlegende allgemeine Bildung
- Erweiterte allgemeine Bildung
- Vertiefte allgemeine Bildung (vgl. Rahmenlehrplan Deutsch Sek. I, 2002: 29).
Auch in diesen Bildungsniveaus sind entsprechende Passagen u.a. zum Thema Dialekte verankert:
- Grundlegende allgemeine Bildung: Sie beschreiben Sprache in unterschiedlichen Ausprägungen (z.B. als Jugendsprache, Dialekt).
- Erweiterte allgemeine Bildung: Sie erkennen und vergleichen Sprache in unterschiedlichen Ausprägungen (z.B. als Jugendsprache, Dialekt).
- Vertiefte allgemeine Bildung: Sie untersuchen und vergleichen selbstständig Sprache in unterschiedlichen Ausprägungen (z.B. als Jugendsprache, Dialekt) (vgl. ebd.).
Im Zusammenhang mit den vielfältigen mündlichen und schriftlichen Sprachhandlungen werden die Schüler, besonders der Jahrgangsstufen 7/8, angehalten, über Sprache nachzudenken. Der Rahmenlehrplan setzt im Teilaufgabenbereich „Sich in konkreten Situationen verständigen und Muster sprachlicher Verständigung überdenken“ an und nennt als inhaltlichen Schwerpunkt:
- Abweichungen von der Standardsprache in Beispielen erkennen (z.B. in Mundart, Dialekt) (vgl., a.a.O., 54).
Der Brandenburger Rahmenlehrplan der Sekundarstufe I (Jahrgangsstufen 7 und/oder 8) enthält als einen Schwerpunkt des Faches Deutsch die Thematik Dialekte. Er verweist im Abschnitt „Ziele, Qualifikationserwartungen und fachdidaktische Konzeption“ ein einziges Mal auf die märkischen Dialekte, enthält ansonsten aber sehr allgemein formulierte Anforderungen für den Themenbereich Dialekte. Besonders für den mündlichen Sprachgebrauch werden die Dialekte mit den Begriffen Standardsprache und Jugendsprache in Verbindung gesetzt. Die Lehrperson besitzt aufgrund der allgemeinen Formulierungen zum Thema eine größere Entscheidungsfreiheit für ihren Deutschunterricht. Demnach kann sie selbst wählen, welche Dialekte behandelt werden können und inwieweit das Berlinische dabei Berücksichtigung findet.
2.2.3 Curriculare Vorgaben für die Sekundarstufe I - Berlin
Der Rahmenlehrplan Deutsch der Sekundarstufe I gilt im Bundesland Berlin für die Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie für die Gymnasien. Dieser Rahmenlehrplan wurde vom Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) erarbeitet, von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin herausgegeben und zum Schuljahr 2006/2007 in Kraft gesetzt (vgl. Rahmenlehrplan Deutsch Sek. I, 2006: 2). Im Vergleich zu den Rahmenlehrplänen der Grundschule (Berlin, Brandenburg) und Sekundarstufe I (Brandenburg) handelt es sich hierbei um ein Exemplar, das erst seit drei Schuljahren (im Zeitraum von 2006 bis 2008) als fachdidaktische Vorlage für den Deutschunterricht gilt.
Das Kapitel „Kompetenzerwerb“ listet folgende Kompetenzbereiche auf, die die KMK6 - Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss im Fach Deutsch angeben:
- Sprechen und Zuhören
- Schreiben
- Lesen - mit Texten und Medien umgehen
- Sprache und Sprachgebrauch untersuchen (vgl., a.a.O., 10).
Angelehnt an die ersten beiden Teilkapitel wird das Themenfeld Dialekte grundsätzlich in den vierten Kompetenzbereich „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ eingeordnet. Auch wenn sich der Deutschunterricht eine Zeit lang auf den Komplex Sprache konzentriert, schließt das die übrigen Kompetenzen nicht aus, da die Schüler während des Lernens mit allen Bereichen gleichermaßen konfrontiert werden.
Als Standards für das Ende der Doppeljahrgangsstufe 7/8 nehmen für den Kompetenzbereich „Sprachwissen und Sprachbewusstsein“7 die Sprachvarietäten eine entscheidende Rolle ein. Der Lernbereich „Wissen über Sprachvarietäten sprachbewusst verwenden und reflektieren“ fordert von den Schülern elementare Sprachvarietäten unterscheiden zu können. Als Sprachvarietäten zählen eingangs insbesondere die Standard-, Umgangs- und Jugendsprache, aber auch die Fachsprache (vgl., a.a.O., 34). Die Schüler sollen Sprachvarietäten in Texten und mündlichen Kommunikationszusammenhängen erkennen und sie zunehmend in ihrer Wirkung reflektieren. Als mögliche Inhalte wird u.a. Folgendes vorgeschlagen:
- Werbesprache, Sprache E-Mails, SMS
- Vergleich von Dialekten, Besonderheiten des Berlinischen
- Gespräch mit Behörden
- Sexualität und Sprache (vgl. Rahmenlehrplan Deutsch Sek. I, 2006: 34)
Interessanterweise verweist der Berliner Rahmenlehrplan Deutsch nicht nur auf den „Vergleich von Dialekten“, sondern bewusst auch auf die „Besonderheiten des Berlinischen“ (vgl. ebd.). Die Standards für das Ende der Doppeljahrgangsstufe 9/10 formulieren für den Kompetenzbereich „Sprachwissen und Sprachbewusstsein“ ähnliche Anforderungen.
Demnach sollen die Schüler Sprachvarietäten wie die Standard-, Umgangs- und Jugendsprache sowie Dialekte (besonders das Berlinische) reflektieren und eine einfache Fachsprache beziehungsweise ausgewählte Bereiche der Fachsprachen verwenden (vgl., Rahmenlehrplan Deutsch Sek. I, 54). Das heißt, der Rahmenlehrplan spricht dem Berlinischen als Unterrichtsgegenstand durchaus eine höhere Relevanz zu, als dies in den übrigen Lehrplänen der Fall war.
Der Lehrplan Deutsch teilt des Weiteren für den Deutschunterricht die Themen und Inhalte in fünf Bereiche (A-E) ein:
- A: In Alltags- und Arbeitssituationen sprachlich handeln
- B: Mit Sprache gestalten
- C: Über Sprache reflektieren
- D: Kulturell bedeutsame Texte und Medien verstehen
- E: Sprachliche Fähigkeiten fächerübergreifend und fächerverbindend verwenden
(vgl., a.a.O., 56-61).
Die Bereiche A und C greifen thematisch und inhaltlich die Sprachvarietäten auf und fordern von den Schülern, diese im Sprachunterricht zu unterscheiden und zu reflektieren, gegebenenfalls auch zu verwenden (vgl., a.a.O., 57, 59).
Der Berliner Rahmenlehrplan Deutsch enthält für den Bereich Sprache als Themenschwerpunkt die Sprachvarietäten. Neben den Begriffen Standardsprache, Umgangssprache, Jugendsprache sowie Fachsprache finden auch die Dialekte Erwähnung. Im Gegensatz zu den übrigen Lehrplänen verweist der Berliner Rahmenlehrplan als Einziger inhaltlich auf das Berlinische. Der curriculare Vorschlag, sich mit den Schülern im Deutschunterricht der sprachlichen Untersuchung des Berlinischen zu widmen, zeugt von einer Offenheit und Pflege, welche die Lehrpläne der 60er Jahre nicht umsetzten. Die Nicht- Achtung von Dialekten findet sich in den Lehrplänen der damaligen Zeit u.a. mit folgenden Worten wieder:
„Umgangssprache der Schule ist die deutsche Hochsprache. Landschaftlich bedingte grammatische und stilistische Besonderheiten müssen zurückgedrängt werden, soweit sie - in die Hochsprache übernommen - fehlerhaft sind. Phonetisch soll die hochsprachliche Lautform angestrebt werden.“8 (vgl. Neuland, 2006: 178)
2.3 Lehrbuchanalyse
Die Lehrbuchanalyse basiert auf folgende Voraussetzungen: Zum einen trat ich mit der Schulbuchgutachterin des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport9 in Kontakt. Dort verschaffte ich mir einen ersten Überblick über die neuzugelassenen Deutschbücher für die Primarstufe und Sekundarstufe I. Zum anderen führte ich die Lehrbuchrecherche im Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM)10 fort und analysierte den gesamten Bestand an Lehrbüchern der Primarstufe und Sekundarstufe I vor Ort. Insgesamt werden 27 Sprachbücher, welche die Thematik Dialekte beziehungsweise das Berlinische enthalten, ausgewertet und zusammenfassend in den Folgekapiteln (siehe Kapitel 2.3.1 und 2.3.2) vorgestellt. Dabei werden als Erstes die entsprechenden Kapitel, die sich mit den Dialekten beschäftigen, erläutert und im Anschluss daran folgt eine Darlegung der Schulbuchseiten, die das Berlinische enthalten. Bei den untersuchten Büchern handelt es sich nicht immer um reine Sprachbücher, sondern teilweise auch um solche, die in Kombination für den Literatur- und Sprachunterricht eingesetzt werden. Eine Auflistung aller Sprachbücher, die einen Überblick hinsichtlich der Texte, Abbildungen und Aufgabenstellungen bietet, befindet sich im Anhang (siehe Anhang A, 93).
2.3.1 Analyse von Lehrbüchern der Grundschule
In den Sprachbüchern der Primarstufe wird das Thema Dialekte selten aufgegriffen. Aus einem großen Bestand an Deutschbüchern für den primarstufenspezifischen Bereich konnten lediglich vier Sprachbücher11 für die Klassenstufe 6 ausfindig gemacht werden, die sich den Dialekten zuwenden. Besonders in den aktuellen Schulbüchern sind entsprechende Kapitel enthalten. BEKES und NEULAND stellen ähnliche Auswertungen der Lehrbuchinhalte in ihrem Beitrag „Norm und Variation in Lehrwerken“ (Bekes, Neuland, 2006: 507-524) vor. Ihre Untersuchungsergebnisse fassen sie wie folgt zusammen:
„Aufs Ganze betrachtet wird in den Lese- und Sprachbüchern der 5. bis 7. Jahrgangsstufe das Thema der inneren Mehrsprachigkeit der Muttersprache nur sporadisch behandelt. (...) Ziel ist es hier nach wie vor, sie zur Kommunikationsfähigkeit in der Standardsprache in schriftlicher und mündlicher Form zu erziehen. (...) Dagegen finden sich in den Unterrichtswerken nur kurze Einheiten über sprachliche Varietäten.“ (Bekes, Neuland, 2006: 515)
Die Deutschbücher „D6 - Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht“ (vgl. 176f.), „Deutsch 6. Sprache. Kommunikation. Medien“ (vgl. 170f.) und „Unsere Muttersprache 6“ (vgl. 112f.) besitzen zu den Dialekten eigene Kapitel. Dabei handelt es sich um sehr kurze Lernsequenzen mit einem geringen Umfang von etwa zwei Seiten. Die Kapitel lauten wie folgt:
- „Versteht man denn bei euch kein Deutsch?“ - Von unterschiedlichen Sprachen
- Varianten des Deutschen
- Die Vielfalt unserer Sprache erkennen.
Die Einstiege der jeweiligen Kapitel wurden in den Sprachbüchern sehr unterschiedlich gestaltet. Die Schüler werden entweder mit einem Text, einem Cartoon oder einer Deutschlandkarte in das Themenfeld Dialekte eingeführt.
Das Deutschbuch „D6- Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht“ bietet mit dem Text „Warum sprechen die Menschen verschiedene Sprachen?“ (vgl. 176) aus dem Kapitel „Versteht man denn bei euch kein Deutsch? - Von unterschiedlichen Sprachen“ den Schülern eine kleine Einführung in die verschiedenen Sprachformen des Deutschen (Hochsprache, Dialekt, Fremdsprache). Thematisiert wird in dieser kurzen Lernsequenz eine geografische Variante der deutschen Sprache: der Dialekt. Die Autorin WÖLFEL beschreibt in ihrem Text „Warum sprechen die Menschen verschiedene Sprachen“, wie die neu nach Süddeutschland umgezogenen Kinder zunächst Schwierigkeiten mit der dort üblich gesprochenen Sprache haben. Ebenso komme den einheimischen Kindern die hochdeutsche Ausdrucksweise fremd vor. Im Anschluss daran folgen Aufgabenstellungen zum Text, die der näheren Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Dialekt dienen. Die Schüler sollen untereinander die Reaktionen der neu zugezogenen und einheimischen Kinder diskutieren, die Formulierungen aus dem Text im Dialekt und in der Standardsprache gegenüberstellen und weitere Dialektausdrücke für das Wort Brötchen suchen.
Als weitere Möglichkeit, Dialekte in den Deutschunterricht einzuführen, dient ein Auszug aus einem Cartoon bzw. Comic. Das Sprachbuch „Deutsch 6 - Sprache. Kommunikation. Medien“ beginnt das Kapitel „Varianten des Deutschen“ mit einem AsterixComic auf Sächsisch (vgl. 170). Die Schüler bearbeiten, nachdem sie den Comic gelesen haben, die Aufgabenstellungen. Eine Übersetzung des Comics ins Hochdeutsche verdeutlicht die sprachlichen Besonderheiten des sächsischen Dialekts und sichert das inhaltliche Verständnis. Des Weiteren können die Schüler diskutieren, um welchen Dialekt es sich handelt, da dieser keineswegs im Sprachbuch genannt wird. Anschließend versuchen sie sich in einer Comic-Übersetzung im eigenen Dialekt.
Als dritte Einstiegsvariante ist im Sprachbuch „Unsere Muttersprache 6“ im Kapitel „Die Vielfalt unserer Sprache erkennen“ eine Deutschlandkarte (vgl. 112) abgebildet, die den südwestdeutschen Raum mit den alemannischen und schwäbischen Mundarten darstellt. Auf der Karte befinden sich die unterschiedlichen mundartlichen Bezeichnungen für das Wort Kartoffel (z.B. Herdäpfel, Bodabira, Grumbeere etc.). Die Arbeit mit einer geografischen Karte ist für den Deutschunterricht recht unüblich, bietet sich aber hervorragend für die Dialekte an, um ihr Vorkommen und ihre Verbreitung zu verdeutlichen. Außerdem handelt es sich um ein fächerübergreifendes Arbeitsmaterial, da Bezüge zum Fach Geografie gezogen werden können. Die Schüler arbeiten mit der Mundartkarte, indem sie die verschiedenen Dialekt-Bezeichnungen für das Wort Kartoffel notieren, die Gründe für die unterschiedlichen Benennungen zusammentragen und mehrere mundartliche Bezeichnungen für das Wort Brötchen suchen.
Die weiteren Aufgabenstellungen und Arbeitsmethoden zur Vertiefung des Unterrichtsgegenstandes Dialekte sind sehr unterschiedlich in den Deutschbüchern gestaltet. Im Folgenden werden drei Aufgaben bzw. Methoden, die der Vertiefung dienen, vorgestellt.
Zwei Sprachbücher beinhalten eine Darstellung mehrerer kurzer Texte in verschiedenen Dialekten. Das „Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht“ (vgl. 177) stellt drei Gedichte in Bairisch, Berlinisch und Kölsch vor. Die Aufgabenstellung fordert von den Schülern die Texte zu lesen, die Dialekte zu sprechen, aber vor allem ihre Pointen zu verstehen. Von den drei Texten wird wahrscheinlich der mundartliche Text aus Berlin am einfachsten zu verstehen sein. Dieses Arbeitsbuch führt die Schüler der sechsten Jahrgangsstufe lediglich an das Thema Dialekte heran, da weitere Aufgabenstellungen und Arbeitsvorschläge nicht angeführt werden.
Im Sprachbuch „Deutsch 6. Sprache. Kommunikation. Medien“ (vgl. 170f.) sind im Teilkapitel „Humor und Dialekt“ vier Witze in Kölsch, Sächsisch, Bairisch sowie im Hamburger Platt aufgelistet. Nachdem die Schüler die Texte gelesen und ihren Inhalt erfasst haben, sollen sie den Witzen die richtigen Dialekte, welche in der Aufgabenstellung genannt werden, zuordnen. Anschließend können sie die Witze ins Hochdeutsche übertragen. Sie sollen feststellen, dass bei dem einen oder anderen Witz die hochdeutsche Übersetzung den Verlust der Pointe zur Folge hätte und die Wirkung des Witzes dadurch verloren ginge.
Das Sprachbuch „Unsere Muttersprache 6“ (vgl. 112f.) enthält eine Arbeitsmethode, bei der sich die Schüler spielerisch mit den Dialekten auseinandersetzen können. Die Arbeitsanweisung lautet wie folgt:
Spielt ein Dialekträtsel in eurer Gruppe. Geht so vor:
1. Schreibt die hochdeutsche Bezeichnung für einen Gegenstand auf einen Zettel, den ihr vor euren Nachbarn verdeckt haltet.
2. Benennt dieses Wort vor den anderen im Dialekt eines Gebiets.
3. Nun raten die Mitschüler reihum, wie das Wort auf Hochdeutsch heißt.
4. Die Anzahl der Versuche, welche die Mitschüler brauchen, um das Ergebnis richtig zu benennen, werden gezählt. Die Person, die sich das Wort ausgedacht hat, erhält die Punkte.
5. Wer am Ende in einer von euch festgelegten Anzahl von Runden die meisten Punkte hatte, gewinnt. (Unsere Muttersprache 6, 2004: 112f.)
Dieses Spiel bedarf im Voraus einer guten Vorbereitung, indem sich die Schüler bei den Eltern oder Großeltern informieren, aber auch im Internet recherchieren. Ohne Vorbereitung geht der Spaß am Spiel verloren, die Spieldauer verkürzt sich stark und der Lerneffekt bleibt bei den Schülern aus.
Das Deutschbuch „Blickfeld Deutsch“ weist kein gesondertes Kapitel zum Thema Dialekte auf, allerdings besitzen zwei Kapitel dialektale Texte (vgl. 200 f., 204, 212, 273, 307). Das vierte Kapitel „Menschen und Zeiten - Durch das Jahr: Winter“ enthält einen Auszug des Sketches „Radlerpech“ (vgl. 200f.) von Karl Valentin, in dem sich Beschuldigungen und Beleidigungen der Protagonisten zu einem Gemenge aus bairischer Mundart und Hochsprache verbinden. Die Arbeitsanregungen zum Text dienen jedoch dem Erfassen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden einer Groteske und eines Sketches. Der Vergleich zweier Textsorten steht im Vordergrund; Arbeitsaufträge zur Untersuchung des Dialektes sind nicht angeführt. Im selben Kapitel befindet sich das Gedicht „Fastelovend" (vgl. 204), welches im Kölner Dialekt (ripuarisch12 ) verfasst ist. Die Aufgabenstellungen fordern an dieser Stelle die Schüler auf, sich genauer mit dem Kölner Dialekt zu befassen. Das zweistrophige Gedicht ist in die Hochsprache zu übersetzen und beide Versionen sind im Anschluss daran miteinander zu vergleichen. Beim Vergleich werden die Regelmäßigkeiten des Kölner Dialekts erkannt (z.B. der Konsonant „g“ ist im Dialekt „j“, Vokale sind anders). Des Weiteren wird vorgeschlagen, ein Gedicht zum Thema „Fastnacht“ im eigenen Dialekt oder in der Hochsprache zu verfassen. Im Kapitel „Menschen und Zeiten - Durch das Jahr: Sommer“ befindet sich unter der Abbildung mehrerer Sommerfotos ein vierstrophiges Gedicht von Sebastian Blau mit dem Titel „August“ (vgl. 212), welches in der schwäbischen Mundart geschrieben ist. Durch das laute Lesen des Gedichtes wird den Schülern bewusst, dass der Dialekt eine gesprochene Sprache ist und besonders ein Dialektgedicht vom lauten Vortrag lebt. Sie arbeiten am dialektalen Text, indem sie einerseits die beschriebene Gegend und die Entstehungszeit des Gedichtes klären, ihre Meinungen mithilfe der Strophen begründen und andererseits eine möglichst genaue Übertragung des Textes in das Hochdeutsche umsetzen. Im sechsten Kapitel „Arbeit und Freizeit - Alltagsbilder: Was tun Eltern“ ist das vierstrophige Gedicht „Mutterns Hände“ (vgl. 273) von Kurt Tucholsky im Berlinischen abgedruckt. Weitere Ausführungen zu den Arbeitsaufträgen folgen am Ende des Kapitels „Analyse von Lehrbüchern für die Grundschule“.
Von den vier Sprachbüchern für die Primarstufe enthalten drei am Ende der Kapitel Merkkästen, die die wesentlichen Merkmale der Dialekte zusammentragen. Im „Blickfeld Deutsch“ befindet sich eine trichterförmige Abbildung, die drei Sprachebenen (Einheitssprache - Umgangssprache - Dialekt) darstellt (vgl. 307). Der dazugehörige Merktext enthält Erklärungen zu den eben genannten Begriffen. Im Sprachbuch „Deutsch 6. Sprache. Kommunikation. Medien“ befindet sich eine Definition zum Begriff Standardsprache (Hochdeutsch) und Dialekt (Mundart) (vgl. 171). Es folgen im Merkkasten zum Dialekt Ausführungen zur Aussprache, zum Wortschatz sowie zu den grammatischen Besonderheiten. Das Merkkästchen in „Unsere Muttersprache 6“ erläutert am Ende des Kapitels allerdings nur die Begriffe Hochdeutsch und Standardsprache (vgl. 113).
Die Darstellung der verschiedenen Arbeitsmethoden und -anregungen zu den Dialekten verdeutlicht einen Aspekt: Die Sprachbücher der Primarstufe nutzen vor allem die Schriftlichkeit, um die Schüler am Themenbereich arbeiten zu lassen. Das heißt, im Sprachunterricht finden lediglich dialektale Texte in Form von Gedichten, Witzen oder Comics ihren Einsatz. In den Aufgabenstellungen der Lehrbücher und in den Ausführungen der Lehrerbände wird zwar stets auf das laute Lesen/ Vorlesen verwiesen, allerdings wird damit keine Mündlichkeit im Unterricht umgesetzt, die von entscheidender Bedeutung wäre. Der Einsatz von Hörproben (z.B. Lieder, Hörbeispiele aus Alltagssituationen, dialektale Hörbücher) oder die Einladung eines dialektsprechenden Gastes aus einer anderen Gegend sind nur zwei Vorschläge für eine Erweiterung des Sprachunterrichtes.
Zwei der vier Sprachbücher enthalten Texte im Berlinischen. Im Deutschbuch „D6. Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht“ ist folgender Reim abgedruckt:
„Ick sitze hier und esse Klops, uff eenmal kloppts. Ick kieke, staune, wundre mir, uff eenmal jeht se uff, die Tür. Nana, denk ick, ick denk nanu, jetzt isse uff; erst war se zu! Ick jehe raus und kieke, und wer steht draußen? - Icke!“ (D6. Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht, 2003: 177)
Die Schüler der sechsten Jahrgangsstufe sollen versuchen den Text in der berlinischen Mundart zu sprechen. Im Anschluss daran gilt es die Pointe des Reimes zu verstehen. Weitere Aufgabenstellungen folgen im Lehrbuch nicht. Dem Lehrer bleibt es selbst überlassen, ob zusätzliche Arbeitsaufträge zum Reim an die Schüler gestellt werden. Im Lehrbuch „Blickfeld Deutsch“ ist das vierstrophige Gedicht „Mutterns Hände“ von Kurt Tucholsky im Berlinischen wie folgt abgedruckt:
„Hast uns Stulln jeschnitten un Kaffee jekocht un de Töppe rübajeschohm - un jewischt un jenäht un jemacht un jedreht ... alles mit deine Hände.
Hast de Milch zujedeckt, uns Bonbongs zujesteckt un Zeitungen ausjetragen - hast die Hemden jezählt und Kartoffeln jeschält ... alles mit deine Hände.
Hast uns manches Mal bei jroßem Schkandal auch`n Katzenkopp jejeben. Hast uns hochjebracht. Wir wahn Stücker acht, sechse sind noch am Leben ... alles mit deine Hände.
Heiß warn se un kalt, nu sind se alt, nu bist du bald am Ende.
Da stehn wa nu hier, und denn komm wir bei dir und streicheln deine Hände.“
(Blickfeld Deutsch, 1997: 273)
Der Berliner Dialekt wird in den Arbeitsanregungen bereits genannt und muss von den Schülern nicht mehr zugeordnet werden. Die erste Aufgabe besteht darin, das Gedicht in der Klasse laut zu lesen, um zwei Einsichten zu erhalten: Zum einen sollen die Schüler feststellen, wo die Schwierigkeiten für Nichtberliner liegen. Zum anderen sollen sie einen ersten Eindruck von der Form und der Aussage des Gedichtes erhalten (vgl. Blickfeld Deutsch - Lehrerband, 1998: 244, linke Spalte). Anschließend sollen die Schüler eine möglichst genaue Übersetzung ins Hochdeutsche anfertigen, indem sie die Strophen in das Heft übertragen und zwischen den Versen jeweils eine Zeile für die Übersetzung freilassen. Die Übertragung ins Hochdeutsche zeigt die Vorteile (z.B. das Hervorheben eines Berliner Lebensgefühls), aber auch die Nachteile des Gebrauchs der Mundart (z.B. Verständnisschwierigkeiten für Nicht- Berliner) auf (vgl. Blickfeld Deutsch - Lehrerband, 1998: 244, rechte Spalte). Nachdem sie die Aufgabe abgeschlossen haben, unterstreichen sie mit einem farbigen Stift die Wortteile, die für das Berlinische eigentümlich sind. Mit dieser Arbeitsmethode werden typische sprachliche Besonderheiten des Berlinischen herausgearbeitet, wie die Spirantisierung13 eines Konsonanten im Anlaut einer Silbe (z.B. jewischt statt gewischt) oder die Elision14 eines unbetonten Vokals (z.B. Stulln statt Stullen).
2.3.2 Analyse von Lehrbüchern der Sekundarstufe I
Zahlreiche Sprachbücher der Sekundarstufe I enthalten zur Thematik Dialekte eigene Kapitel. Dabei handelt es sich insgesamt um 23 Sprachbücher. Aktuelle, aber auch ältere Deutschbücher für den Sprachunterricht werden für meine Auswertungen herangezogen. Für den Zeitraum von 1991 bis 2000 sind 10 Sprachbücher zu verzeichnen, von 2001 bis 2007 dagegen sind es 13. Aufgrund der Fülle an Materialien wird im Folgenden ein kurzer Abriss zu den Einstiegen der Kapitel vorgestellt. Im Anschluss daran werden zusammenfassend weitere Übungen zur Thematik dargelegt, und abschließend wird das Berlinische erläutert.
Im Gegensatz zu den Sprachbüchern der Primarstufe, die nur kurze Lernsequenzen zur
Thematik Dialekte enthalten, weisen die Deutschbücher der Sekundarstufe I längere Lernsequenzen auf mit einem Umfang von fünf bis zehn Seiten. Eine Ausnahme bilden die Sprachbücher „Verstehen und Gestalten - H8“ mit einem Umfang von 16 Seiten (vgl. 168- 183) und „Praxis Sprache 8“ mit einem Umfang von 13 Seiten (vgl. 130-143). BEKES und NEULAND weisen ähnliche Ergebnisse ihrer Lehrwerkanalyse für die Sekundarstufe I auf.
Vor allem die Unterrichtswerke für die 8. und 9. Jahrgangsstufen enthalten verstärkt Lerneinheiten zur Erarbeitung der Sprachnormen sowie zu Sprachvarietäten und zum Sprachwandel. Hierbei erkennen sie folgende Entwicklungen: „Schwerpunktmäßig werden heute Gruppensprachen, Jugendsprachen, Fachsprachen und regional geprägte Sprachvarietäten anhand von Texten, Bildern und Tabellen als Beispiele ausgewählt.“ (Bekes, Neuland, 2006: 517)
Die Kapitel, der von mir untersuchten Lehrbücher der Sekundarstufe I, lauten u.a. wie folgt:
- Ist das deutsch, bitte?
- Wie sprichst du denn? - Dialektsprache vor Ort
- Machen oder maken?
- Erscheinungsformen der deutschen Sprache - Dialekte
- Sprachvarianten
- Eine Sprache - viele Sprachen
- Entwicklung der deutschen Sprache aus Dialekten
- Rundstück, Semmel, Schrippe
Die Sprachbücher sind sehr abwechslungsreich gestaltet. Mundartkarten, Sachtexte oder Comics werden häufig zur Einführung genutzt; Witze, Gedichte sowie Märchen und Lieder oder Merkkästen dagegen weniger. Die Mundartkarten zu den Bezeichnungen „sprechen“, „Junge“, „Mädchen“ und „Brötchen“ sind in drei Sprachbüchern (vgl. Verstehen und Gestalten, 1991: 116; Wort & Co 8, 2001: 104; Deutsch plus 8, 2003: 133) enthalten und führen die Schüler in das Thema ein. Die Sachtexte enthalten Informationen zur deutschen Sprache. Teilweise unterscheiden sich die Termini in den Sprachbüchern der Sekundarstufe I.
Während „Das Hirschgraben Sprachbuch“ die „Teilsprachen der deutschen Sprache“ (Hochdeutsch, Dialekt etc.) nennt (vgl. 21), enthält das Lehrbuch „Praxis Sprache 7“ Informationen zu den „Erscheinungsformen der Sprache“ (Hochdeutsch, Jugendsprache, Dialekt etc.) (vgl. 132).
Eine weitere beliebte Variante in das Thema einzusteigen, ist die Abbildung eines Comics. Hierbei handelt es sich in den Sprachbüchern ausschließlich um Auszüge aus den mundartlichen „Asterix und Obelix“-Comics (ruhrdeutsch, pfälzisch und sächsisch) (vgl. Sprache 9/10, 2002: 246; Unsere Muttersprache, 2003: 106). Witze und Reime bzw. Gedichte eignen sich ebenfalls zur Einführung in das Themenfeld. Das Sprachbuch „Unsere Muttersprache 9“ (vgl. 136) enthält drei dialektale Witze und im Lehrbuch „Deutschbuch 8“ (vgl. 233) beginnt das Kapitel mit einem Gedicht „Op der Huhstroß“ (ruhrdeutsch) von FISCHER. Die mundartlichen Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ (niederdeutsch) und „Rotkäppchen“ (mecklenburgisch) sind in den Deutschbüchern „Deutschstunden 7. Sprachbuch“ (vgl. 79) und „Wort & Co 9“ (vgl. 92) abgedruckt. Des Weiteren werden Lieder wie „Kann schinnern Baam“ (erzgebirgisch) (vgl. Praxis Sprache 8, 2006: 130), Merkkästen überwiegend zu den Begriffen Mundart/Dialekt (vgl. Deutsch. Wege zum sicheren Sprachgebrauch, 1996: 168), aber auch Mundartkarten in unüblicher Weise, zum Beispiel als bayerische15 Speisekarte, genutzt (vgl. Unsere Muttersprache 7, 2002: 96), um die Schüler in den Themenbereich einzuführen.
Nicht nur die Einstiege der Kapitel sind interessant gestaltet, auch die dazugehörigen Aufgabenstellungen ermöglichen ein abwechslungsreiches Arbeiten an den Dialekten. Wie bereits als Einstiegsvariante erwähnt, lassen sich sehr häufig Mundartkarten in den Sprachbüchern finden, die den Schülern einen Überblick der deutschen Sprachräume verleihen. Meist werden die Aufgabenstellungen zu den Karten ähnlich gestellt. Diese lauten dann u. a. wie folgt:
- Ermittle aus den Sprachkarten, welche mundartlichen Ausdrücke in den Hauptstädten der einzelnen Bundesländer gesprochen werden. Nimm dabei den Atlas zur Hilfe. (vgl. Wort & Co 9, 2001: 104)
- In welchem Dialektgebiet liegen folgende Städte: Köln, Hamburg, Leipzig und München? (vgl. Sprache 9/10, 2002: 247)
- Schaut euch die Bezeichnungen für „Mädchen“ und „Junge“ in den deutschen Mundarten an. Welche verwendet ihr selbst? Welche kennt ihr? Welche sind euch fremd? (vgl. Deutschbuch 8, 2007: 235)
- Stellt in einer Tabelle die großen Sprachräume des Deutschen mit ihren Dialekten von Norden nach Süden innerhalb der heutigen Staatsgrenzen zusammen. (vgl. Deutschstunden 7. Sprachbuch, 1999: 81)
Ein Großteil der Sprachbücher enthält mundartliche Texte (u.a. Gedichte, Lieder,
Witze, Märchen), die von den Schülern ins Hochdeutsche zu übersetzen sind. Teilweise verlangen die Aufgabenstellungen auch genau das Gegenteil. Das heißt, ein hochdeutscher Text soll in die eigene oder einer vorgegebenen Mundart umgeschrieben werden. Diese Übungen sollen die Schüler dazu befähigen, die sprachlichen Besonderheiten eines Dialektes zu erfassen und demzufolge die Abweichungen zum Hochdeutschen zu erkennen. Die folgende Auswahl an Arbeitsaufträgen erteilt einen Einblick in die Aufgabenvielfalt:
- Übersetzt den Wetterbericht in eure Mundart. (vgl. deutsch.kombi 3, 2005: 219)
- Übertragt die Witze ins Hochdeutsche. Bei welchen geht das, bei welchen geht dadurch die Pointe verloren? (vgl. Deutsch 6. Sprache... , 2004: 171)
- Übertrage den Text ins Hochdeutsche. Schreibe ihn auf. Wer den Dialekt beherrscht, könnte das Märchen weitererzählen oder weiterschreiben. (vgl. Unsere Muttersprache 7, 2002: 98)
- Übersetzt den Text ins Hochdeutsche. Warum ist die Mundartfassung recht gut für eine Vertonung geeignet? (vgl. Praxis Sprache 8, 2006: 131)
Die Schüler können sich nicht nur im Umgang mit Mundartkarten üben, sondern lernen, sich ebenfalls mit Statistiken und Diagrammen auseinander zu setzen. Die Durchschau der Schulbücher machte jedoch deutlich, dass diese Form von Texten selten genutzt wird. Trotz alledem lohnt sich eine kurze Darstellung der Arbeitsaufträge. Im Deutschbuch 8 (vgl. 236) ist die Statistik „Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach - Können Sie eine Mundart, einen Dialekt sprechen?“ abgedruckt. Die Schüler üben sich in der Auswertung von Statistiken zum Thema, indem sie zum Beispiel erhobene Prozentwerte untersuchen, diese miteinander vergleichen und gegebenenfalls Schlussfolgerungen oder Ergebnisse formulieren. Ein weiteres Sprachbuch enthält eine Grafik „Beliebtheitsgrad deutscher Dialekte nach Einschätzung der 19-29-Jährigen in Deutschland“ (vgl. Verstehen und Gestalten H8, 2006: 182). Auch an diesem Beispiel sind u.a. die Grundaussagen der Grafik zu formulieren oder die Ergebnisse der Erhebung zu diskutieren.
Im überwiegenden Teil der Sprachbücher sind Merkkästen abgebildet. Sie fassen meist am Ende des Kapitels die wesentlichen Merkmale und Besonderheiten der Dialekte zusammen oder versuchen sie von den Begriffen „Hochdeutsch“, „Standardsprache“ und „Umgangssprache“ abzugrenzen. Der Umfang und Inhalt solcher Merkkästen variiert in den Schulbüchern. Wenige werden im Folgenden in Auszügen dargestellt16:
- Mundart (auch Dialekt) ist die regional verwendete Sprachform, die meist nur gesprochen wird. Den verschiedenen Mundarten steht eine Hochsprache (Schriftsprache) gegenüber. (vgl. deutsch.kombi 3, 2005: 218)
- Dialekte (Mundarten) sind im Gegensatz zur üblichen Einheits- oder Standardsprache mündliche Ausdrucksformen in einer bestimmten Region. Dialekte sind älter als die Standardsprache, die sich erst später als Schriftsprache und als Sprache der Verwaltung und Literatur herausgebildet hat. (...) (vgl. D8. Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht, 2004: 149)
- In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird kein einheitliches Deutsch gesprochen. Die deutsche Sprache besteht aus vielen Dialekten oder Mundarten. Sie werden vor allem gesprochen. Sie unterscheiden sich (...) in den Lauten, der Aussprache (...). (vgl. Deutschstunden 7, 1999: 80)
- Regional bzw. landschaftlich begrenzte Ausprägungen einer Sprache werden als Mundart bzw. Dialekt bezeichnet. (...) Man unterscheidet nieder-, mittel- und oberdeutsche Dialekte. (vgl. Deutsch plus 8, 2003: 135)
Das Angebot sich spielerisch mit Dialekten auseinander zu setzen, weckt bei vielen Schülern gewiss ein gesteigertes Interesse am Unterrichtsstoff. Das ein oder andere Deutschbuch versucht mit szenisch darstellenden Arbeitsaufträgen die Dialekte in den Deutschunterricht wie folgt einzubringen:
- Welche Merkmale des meißnisch-osterländischen (typisch) sächsischen Dialekts erkennt ihr in dem folgenden Dialog. Spielt ihn mit verteilten Rollen und genießt die liebevolle Mundart. (vgl. Praxis Sprache 8, 2006: 142)
- Gestaltet kurze Spielszenen in Mundart zu folgenden Situationen: Gespräch im Fußballstadion zwischen Fans gegnerischer Vereine, Unterhaltung im Pausenhof über eine unerwartete Stegreifaufgabe, Beschwerde einer älteren Frau über Aussehen und Verhalten eines jungen Mädchens. (vgl. Wort & Co 9, 2001: 107)
- Spielt Text 12 in verschiedenen Mundarten vor, die ihr beherrscht. Ein Experiment: Mixt die Dialekte in eurem Spiel, Erna kommt z.B. aus Bayern, Schorsch aus Hamburg. Was müsst ihr verändern? (vgl. Verstehen und Gestalten H8, 2006: 181)
Sechs von 23 Sprachbüchern der Sekundarstufe I enthalten Texte zum Berlinischen. In vier Deutschbüchern wird das Berlinische nebenbei erwähnt. Das heißt, ein Beispielsatz, ein sehr kurzer Reim oder die Nennung des Dialektes „Berlinisch“17 beziehungsweise „Berlinerisch“ sind lediglich Bestandteile der Kapitel (vgl. Deutsch in ... 8, 1999: 215; vgl. Deutsch. Wege zum sicheren Sprachgebrauch, 1996: 170; vgl. Verstehen und Gestalten H 8, 2006: 182; vgl. Wort & Co 9, 2001: 94). Die berlinischen Texte und Aufgabenstellungen in den zwei übrigen Sprachbüchern fallen etwas umfangreicher aus (vgl. Deutsch plus 8, 2003: 137, 140; vgl. Sprachschlüssel, 1992: 106ff.). Als Erstes werden die Deutschbücher mit geringem Anteil an berlinischen Texten vorgestellt.
Das Sprachbuch „Deutsch. Wege zum sicheren Sprachgebrauch“ enthält vier dialektale Witze, von denen der letzte in der berlinischen Mundart abgedruckt ist. Die Aufgabenstellungen zu den Texten lauten wie folgt:
Hier einige Witze mit wörtlicher Rede. Um welche Mundarten geht es?
(...)
„Vata, lass mir ooch mal ant Steuer“, bittet der 16jährige Sohn, „ick bin doch alt jenuch.“
„Du schon“, sagt der Vater, „aba det Auto nich.“
a) Welche sprachlichen Besonderheiten erkennst du?
b) Versuche einmal einen Witz in einer Mundart zu erzählen!
(vgl. Wege zum sicheren Sprachgebrauch, 1996: 170)
Da im Sprachbuch der Dialekt nicht genannt wird, müssen die Schüler die Mundart erkennen und benennen, um die es sich hierbei handelt. Zusätzlich untersuchen sie die sprachlichen Besonderheiten. Jedoch würde sich ein längerer Text besser anbieten, um an den grammatischen, sprachlichen und lautlichen Merkmalen des Berlinischen zu arbeiten.
Das zweite Lehrbuch „Deutsch in ... 8“ enthält vier mundartliche Texte, wovon einer im Berlinischen verfasst ist. Dabei handelt es sich um ein bekanntes fünfzeiliges Volksgut, welches ohne Titel und Autor abgedruckt ist. Die Aufgabenstellungen lauten folgendermaßen:
Auch die folgenden Texte sind ursprünglich mündliche Texte.
(...)
Ick liebe dir, ick liebe dich, wie`s richtig ist, det wees ick nich,
un is mich ooch Pomade.
(...)
1) Man spricht bei derartigen Texten von Dialekt oder Mundart.
Wählt euch einen der Texte aus und versucht ihn in die übliche Standardsprache zu übertragen. Erklärt jeweils mit eigenen Worten die Aussage des Textes.
Welche Fassung wirkt eurer Meinung nach besser: Dialekt (Mundart) oder Standardsprache?
(vgl. Deutsch in …8, 1999: 215)
Im Vergleich zum vorherigen Sprachbuch konzentriert sich die Arbeit am Text ausschließlich auf die Übersetzung ins Hochdeutsche, das Erfassen des Inhaltes und die Diskussion zur Wirkung. Die Arbeitsaufträge sind keinesfalls unproduktiv gestaltet, aber sie allein ermöglichen den Schülern keine Vertiefung in die Thematik, da sie einerseits den Dialekt nicht benennen und gegebenenfalls einer Gegend zuordnen müssen. Andererseits entfällt u.a. die Untersuchung sprachlicher Charakteristika des Berlinischen. Hier liegt es an der Lehrperson, inwieweit zusätzliche Arbeitsaufträge zur Vertiefung erteilt werden oder sich im Unterrichtsgespräch genauer mit dem berlinischen Text auseinander gesetzt wird.
Das Sprachbuch „Wort & Co 9“ listet den Satz „Heinrich, geh vom Bürgersteig, da kommt eine Dame“ (vgl. Wort & Co 9. Sprachbuch für Gymnasien - Lehrerheft, 2003: 68) in zehn unterschiedlichen Mundarten auf, darunter sich auch befindend das Berlinische:
„Hein, jon vom Trottoir eraaf, do kött en Madam.“ (Kölsch)
(...)
„Heine, gang ronder vom Trottwar, da kommdt a Froua.“ (Schwäbisch)
„Ejh, Heinrich, jeh vom Bürjerschteich runter, da kommt Eene.“ (Berlinerisch)18
(...)
„Heini, geh na a wengla auf d` Seidn, do kummt a feins Madla.“ (Fränkisch)
(...)
1. Welcher hochdeutsche Satz wurde hier in verschiedene Dialekte „übersetzt“
2. Was fällt auf, wenn man die verschiedenen Dialektbeispiele miteinander vergleicht?
3. Ordne die Beispiele mit Hilfe der Karte dem Nieder-, Mittel- und Oberdeutschen zu. (vgl. Wort & Co 9, 2001: 94)
Die erste Aufgabe verlangt von den Schülern den hochdeutschen Satz, welcher in zehn Dialekten übertragen wurde, herauszufinden. In der zweiten Aufgabe werden die Satzbeispiele miteinander verglichen, um im Anschluss daran ihre Unterschiede zu erkennen und zu benennen. Dabei fällt den Schülern u.a. auf, dass das Wort „Dame“ sich als „Frau“ oder „Mädchen“ wiederfindet, im Berlinischen sogar anstelle dessen nur der unbestimmte Artikel bestehen bleibt und die Stellung eines Substantivs übernimmt. Der berlinische Satz enthält zwar typische sprachliche Besonderheiten der Stadtsprache, allerdings ist die Eindeutigkeit hinsichtlich der fehlenden Wortverwendung als fraglich zu betrachten. Schließlich hätte der Satz auch folgendermaßen enden können: „Ejh, Heinrich, jeh vom Bürjerschteich, da kommt eene Frau.“ Die dritte Aufgabe beinhaltet die Zuordnung der Dialekte zum Nieder-, Mittel- und Oberdeutschen. Das Berlinische befindet sich an der Grenze vom Niederdeutschen zum Mitteldeutschen (vgl. Wort & Co 9. Sprachbuch für Gymnasien - Lehrerheft, 2003: 68).
Das vierte Sprachbuch „Verstehen und Gestalten. H 8“ enthält, wie bereits in diesem Kapitel erwähnt, die Grafik „Beliebtheitsgrad deutscher Dialekte nach Einschätzung der 19- 29-Jährigen in Deutschland“, welche die Ergebnisse zweier Befragungszeitpunkte in Form von Balkendiagrammen darstellt. Folgende Abbildung wird dargestellt, um einen Eindruck von ihr und den Aufgabenstellungen zu vermitteln:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Beliebtheitsgrad deutscher Dialekte nach Einschätzung der 19-29-Jährigen in Deutschland
Die Aufgabenstellungen verlangen von den Schülern sich mit der Grafik wie folgt auseinander zu setzen: Sie sollen die beiden Diagramme auf ihre Grundaussage untersuchen und diese in einem Satz formulieren (z.B. Die Grafik sagt aus, dass ...). Nachdem sie die Grundaussage erschlossen haben, analysieren sie, welche Gründe zu den Ergebnissen geführt haben. Die weiteren Arbeitsaufträge konzentrieren sich überwiegend auf die Meinungen und Einschätzungen der Schüler zum Thema Dialekte (z.B. Welcher Dialekt wird in eurer Region gesprochen? Welche weiteren Dialekte sind euch bekannt? etc.) (vgl. Verstehen und Gestalten H8, 2006: 182). Die Bearbeitung der Aufgaben führt zum Ziel, einen Überblick über die Beliebtheit einzelner Dialekte zu zwei Erhebungszeitpunkten zu erhalten. Dabei wird der Schüler mit dem Stadtnamen Berlin und der Mundartbezeichnung Berlinerisch konfrontiert, erhält aber über dialektale Ranglisten hinaus keine weiteren Informationen zum Berlinischen (z.B. sprachliche Charakteristika der Stadtsprache).
Die Lehrbücher „Deutsch plus 8“ und „Sprachschlüssel“ greifen das Berlinische nicht nur namentlich in Form des Stadtnamens oder der Dialektbezeichnung auf, sondern enthalten auch längere Texte und Arbeitsaufträge, die ein intensiveres Arbeiten am Unterrichtsgegenstand Berlinisch ermöglichen. Im Kapitel 2.3.1 (vgl. S. 22 f.) verweise ich auf das Deutschbuch „Blickfeld Deutsch. Jahrgangsstufe 6“ und das Gedicht „Mutterns Hände“ von Kurt Tucholsky (vgl. 273). Dieses vierstrophige Gedicht findet sich auch im „Deutsch plus 8“ wieder (vgl. 137). Allerdings soll auf einen Unterschied aufmerksam gemacht werden. Vergleicht man beide Texte miteinander, werden vier Abweichungen in den Strophen sichtbar. Im Sprachbuch „Deutsch plus 8“ treten folgende Wörter in dieser Schreibweise auf: Kaffe (1. Strophe), jroßen (3. Strophe), Sticker (3. Strophe) und Nu (4. Strophe). Die Auflistung der Wörter aus dem Lehrbuch „Blickfeld Deutsch“ verdeutlicht die Unterschiede: Kaffee (Silbenauslaut mit Doppel-e, laut Duden gültige Schreibweise), jroßem (Dativ), Stücker (vom Substantiv Stück abgeleitetes Wort) und nu (Kleinschreibung am Versanfang).
Ein interessanter Aspekt ist die Abbildung einer Heinrich Zille-Zeichnung neben dem Gedicht. Auf diesem Bild ist eine Arbeiterfrau mit ihren beiden Kindern abgebildet - ein Motiv, welches der Berliner Künstler mehrmals darstellte. Die Aufgabenstellungen konzentrieren sich auf den Inhalt, die Wirkung und den Vortrag des Gedichtes. Die Schüler sollen herausfinden, in welcher Region und zu welcher Zeit Tucholskys Text entstanden ist. Zusätzlich müssen sie das lyrische Ich beschreiben, den Einfluss des Dialekts auf die Wirkung des Textes erklären und Vortragsvarianten gestalten (vgl. Deutsch plus 8, 2003: 137). Die sprachlichen Besonderheiten werden den Schülern während des stillen Lesens oder Vorlesens auffallen. Die Besonderheiten des Dialektes jedoch müssen noch nicht analysiert werden. Dieser Arbeitsschritt folgt erst auf eine der nächsten Buchseiten. Das Ende des Kapitels „Erscheinungsformen der deutschen Dialekte“ dient zur Wiederholung. Die letzte Seite zum Thema ist in zwei Bereiche gegliedert - einem Übungsteil und einer Zusammenfassung. Die Aufgabenstellung zur Übung lautet wie folgt:
„Lies die folgenden Texte und prüfe, ob du sie richtig verstanden hast. Übernimm die Tabelle in dein Heft und ordne die Besonderheiten der drei Mundarten/Dialekte in die entsprechende Spalte ein.“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(vgl. Deutsch plus 8, 2003: 140)
Unter der Aufgabenstellung befinden sich drei Texte in den Mundarten obersächsisch/oberfränkisch, berlinisch und niederdeutsch. Bei dem berlinischen Text handelt es sich um das bereits zuvor erwähnte Volksgut (vgl. Deutsch plus 8, 2003: 140):
„Ick liebe dir - Ick liebe dich, wie`s richtich is, det weeß ick nich, un is mich ooch Pomade.“
Der Text aus diesem und dem Sprachbuch „Deutsch in ... 8“ weisen ebenfalls Unterschiede auf. Im Sprachbuch „Deutsch plus 8“ treten folgende Wörter in dieser Schreibweise auf: richtich (3. Vers), is (3. Vers) und weeß (4. Vers). Die Auflistung der Wörter aus dem Lehrbuch „Deutsch in ... 8“ verdeutlicht die Unterschiede: richtig (laut Duden gültige Schreibweise), ist (Beugung des Verbs sein in der 3. Person Singular) und wees (Silbenauslaut mit s). Zwar enthalten beide Versionen die typischen sprachlichen Merkmale des Berlinischen, dennoch sollte der Text aus dem Lehrbuch „Deutsch plus 8“ bevorzugt werden, da er im Vergleich zur anderen Fassung eine größere Anzahl sprachlicher Besonderheiten enthält.
Nachdem die Schüler die mundartlichen Texte hinsichtlich ihrer Besonderheiten im Wortschatz, in der Grammatik und Wortbildung sowie ihrer Aussprachebesonderheiten untersucht haben, erhalten sie im Sprachbuch eine knappe Zusammenfassung (drei Stichpunkte) zum Kapitel „Erscheinungsformen der deutschen Sprache - Dialekte“ (vgl. Deutsch plus 8, 2003: 140)
Der „Sprachschlüssel“ ist zwar ein älteres Lehrbuch, das höchstwahrscheinlich im Deutschunterricht keine Verwendung mehr findet, aber es ist auch mit das Einzige, welches sich im Kapitel „Sprachvarianten“ überwiegend dem Berlinischen zuwendet. Unter dem Titel „Rettet dem Dativ! Oder: Haben Dialekte eine eigene Grammatik?“ sind zwei Texte abgedruckt - ein berlinischer und ruhrgebietsdeutscher Spottvers. Dem mundartlichen Text aus Berlin (und dem Ruhrgebiet) schließen sich ein kleiner Einleitungstext und mehrere Aufgabenstellungen an:
„Ick liebe dir, ick liebe dich - wie`s richtig heißt - det weeß ick nich, und is mich ooch Pomade. Ick lieb nich uff den ersten Fall, ick lieb nich uff den zweeten Fall - ick liebe dir uff jeden Fall.“
Menschen, die an Dialekt gewöhnt sind, haben gelegentlich Probleme, wenn sie sich bemühen, nach den Regeln der Standardsprache zu sprechen und zu schreiben.
1. Um welches grammatische Problem geht es in den beiden Spottversen?
2. Was sagen die beiden Verse über das Verhältnis der Menschen zu ihrer Mundart aus, und wie stehen sie zur überregionalen Standardsprache und ihren Regeln?
3. (...)
4. Erläutert das Problem des Berliner Sprechers mit Hilfe der Karte (Mundartkarte zum Dativ und Akkusativ beim Personalpronomen der zweiten Person).
5. (...)
(vgl. Sprachschlüssel, 1992:106)
Die Arbeitsaufträge sollen den Schüler befähigen, eine grammatische Besonderheit der Berliner Stadtsprache zu erkennen (Verwechslung der Kasus bei den Personalpronomen). Der Spottvers eignet sich besonders gut, um die sprachliche Auffälligkeit der Berliner Sprecher zu verdeutlichen und die Schüler daran arbeiten zu lassen. Diese Aufgaben konzentrieren sich ausschließlich auf die grammatischen Probleme der Dialektsprecher im Berliner Raum.
Auf der nächsten Seite im „Sprachschlüssel“ sind folgende 18 Sätze auf Berlinisch abgedruckt:
So kann man es in Berlin hören:
- Ick hab den Mann det Jeld vasprochen.
- Jib doch det Kind die Bulette.
- Bei die Kälte jeh ick nich raus.
- Ick trinke jern`n Glas juten Wein.
- Det is nich wie bei arme Leute.
- Det is der Hut von mein Vata.
- Det is mein Vata sein Auto.
- Muttan ihr Kleid is dufte.
- Wem sein Mantel is det?
- Seit wann jehste mit se, Emil?
- Putz doch die Jöre ma die Nese.
- Emil seine Tante is ne olle Zicke.
- Wat, du liebst ihr?
- Die Jungs sind dufte.
- Willste nich ne Schrippe koofen?
- Ick hab Ihn ja nich jesehn, Herr Lehmann.
- Ick hab neue Stiebeln jekooft.
- Wo sind die Messern vor den Julasch?
(vgl. Sprachschlüssel, 1992: 107)
Den berlinischen Sätzen folgen vier Aufgabenstellungen:
6. Übertragt die Sätze in die Standardsprache und dann in eure eigene ´Sprache`.
7. Vergleicht: Wie werden jeweils die Kasus (Genitiv, Dativ, Akkusativ) verwendet? Untersucht auch die Pluralformen (vor allem Nominativ und Akkusativ).
8. Klärt die Bedeutung von Wörtern wie „Bulette“, „Jöre“, „Zicke“, „Schrippe“, „dufte“. Wie sagt man in der Standardsprache dazu und wie bei euch? Vielleicht kenn ihr weitere Bezeichnungen, die regional unterschiedlich verbreitet sind, z.B. „Semmel“, „Wecken“, „Rundstück“,
9. Die Sätze aus dem Berliner Dialekt sind so aufgeschrieben, dass man auch die Aussprache erkennen kann. Sucht nach charakteristischen Merkmalen der Berliner Aussprache.
(vgl. Sprachschlüssel, 1992:107)
Nachdem die Schüler eingangs die grammatischen Besonderheiten des Berlinischen kennen lernten (Kasus-Problematik) und die neu gewonnenen sprachlichen Erkenntnisse mit Hilfe der siebten Aufgabe vertiefen konnten, werden ihre Arbeitsaufträge (siehe Aufgabe 6, 8, 9) erweitert, indem sie sich in der Übertragung eines dialektalen Textes in die Standardsprache, in der Klärung von Wortbedeutungen und der Untersuchung charakteristischer Besonderheiten in der Aussprache probieren und üben. Diese Aufgaben ermöglichen den Schülern ein vielseitiges Arbeiten am Unterrichtsgegenstand Dialekte - Berlinisch.
Auf der darauffolgenden Seite ist ein Streitgespräch zwischen zwei Männern im Berlinischen abgedruckt:
A: Sind Sie verrückt geworden, Sie dämlicher Knochen?
B: Ick? - Sie vielleicht! - Ick komm doch aus ne Straße mit ne Straßenbahnlinie!
A: Und wenn Se aus ne Straße mit ne Schiffahrtslinie kommen - wer von rechts kommt, hat Vorfahrtsrecht, Sie ... vermanschtet Profil, Sie! Bedanken Se sich bei meine Bremsen. Aber immer mit de Hornhaut uff`t Jaspedal, nich? Sagen Se mal, wo ham Sie eijentlich Ihren Führerschein jemacht?
B: Ick bin ja vasichat!
A: So! Jejen jeistige Vawesung ooch? - Da muß man wat
unternehmen, wenn man ne morsche Jondel hat. Oder aba: Finger von` Quirl!
B: Na also, da kommt ja der Wachtmeister!
(vgl. Sprachschlüssel, 1992: 108)
Da die fünf Aufgabenstellungen zum Streitgespräch inhaltlich keinen Bezug auf die sprachlichen Charakteristika des Berlinischen nehmen, sondern lediglich die situationsbedingte Verwendung und die Wirkung des Dialektes aufgreifen, werden sie an dieser Stelle nicht weiter dargelegt.
Die relativ kleine Auswahl an Sprachbüchern, die sich mit dem Berlinischen befassen, lässt den Eindruck entstehen, andere Dialekte würden ein größeres Ansehen genießen. Eine Durchschau der Lehrbücher ergab, dass besonders Texte in den Dialekten Bairisch, Sächsisch, Plattdeutsch und Kölsch (Ruhrgebiet) Beachtung finden und die Schüler jene mit unterschiedlichen Arbeitsmethoden und -aufträgen erschließen sollen.
Auch die Sprachbücher der Sekundarstufe I nutzen vor allem die Schriftlichkeit, um die Schüler an den Dialekten bzw. das Berlinische arbeiten zu lassen. Viele mundartliche Texte in Form von Gedichten, Dialogen, Comics oder Witzen finden ihren Einsatz. Selten enthalten die Sprachbücher Arbeitsmaterialien, die sich von der Schriftlichkeit abwenden, sich aber auch nicht nur im Rahmen des lauten Lesens oder Vorlesens bewegen. Zwei Sprachbücher werden im Folgenden angeführt, um mündliche Arbeitsmethoden vorzustellen: Das Deutschbuch „Praxis Sprache 8“ steigt zum Beispiel in das Kapitel „Mundarten (Dialekte)“ mit dem Lied „Kaan schinnern Baam“ aus dem Erzgebirge ein (vgl. 130). Die Schüler erhalten die Aufgabe, dieses Lied mit einem Musiklehrer zu singen. Am Ende des Kapitels ist ein weiteres Lied abgedruckt. Dabei handelt es sich um das schwäbische Volkslied „Auf de schwäbsche Eisebahne“ (vgl. 143). Dieses können die Schüler laut Lehrbuch im Rahmen eines Abendprogramms mit mundartlichen Texten den Eltern, Mitschülern und Lehrern vorsingen. Das Sprachbuch „Unsere Muttersprache 7“ enthält einen Linkverweis19, der es den Schülern ermöglicht, sich im Internet verschiedene dialektale Tonbeispiele anzuhören (vgl. 100). Diese Art von Aufgabenstellungen findet allerdings zu selten in den Sprachbüchern Berücksichtigung.
Abschließend werden die stofflichen Schwerpunkte und didaktisch-methodischen Herangehensweisen aus den Sprachbüchern der Primarstufe und Sekundarstufe I zum Thema Dialekte zusammengefasst.
Folgende Schwerpunkte werden in den Deutschbüchern gesetzt:
- Unterteilung des deutschen Sprachraumes in Nieder-, Mittel- und Oberdeutsch; Verteilung der Dialekte auf drei große Sprachräume
- Entstehung der Dialekte und des Hochdeutschen; sprachhistorische
Entwicklungen in Deutschland
- Typik von Dialekten (sprachliche Besonderheiten: Wortschatz, Grammatik, Wortbildung/ Aussprache)
- Dialekt und Identifizierung/ Identität
- Meinungen bzw. Einstellungen zum Dialekt: Wann spricht man Dialekt? Wann sollte man auf den dialektalen Gebrauch verzichten?
Die stofflichen Schwerpunkte werden den Schülern mit unterschiedlichen Methoden präsentiert. Die Sprachbücher enthalten hauptsächlich folgende didaktisch-methodische Herangehensweisen:
- Einsatz von Mundartkarten, um die Vielfalt an Dialekten kennen zu lernen (z.B. verschiedene mundartliche Bezeichnungen für Kartoffel, Brötchen, Junge, Mädchen miteinander vergleichen)
- Übersetzungsübungen zur Hervorhebung dialektaler Besonderheiten: vom Dialekt ins Hochdeutsche, vom Hochdeutschen in den eigenen Dialekt
- Merkkästen zur Zusammenfassung wesentlicher Inhalte, Definitionen unterschiedlicher Termini (Dialekt, Hochdeutsch, Standardsprache, etc.)
- Umgang mit Statistiken und Diagrammen lernen (lesen, auswerten)
- Szenische Darstellungen dialektaler Spielszenen, Theaterstücke
Die Kapitel zur Sprachreflexion, die derzeit in den Unterrichtswerken angeboten werden, enthalten eine Vielzahl an produktiven Ansätzen und abwechslungsreichen Anregungen für den Themenschwerpunkt Dialekte. Dieses Resümee ziehen auch BEKES und NEULAND in ihrem Beitrag „Norm und Variation in Lehrwerken“ (vgl. Bekes/Neuland, 2006: 507-524). Darüber hinaus schreiben sie den Lernangeboten dennoch oft „Punktualität“ und „Heterogenität“ zu (vgl., a.a.O., 522). Nach Aussagen der Autoren fehlt es den Lehrmaterialien der Grundschulen und weiterführenden Schulformen an „Systematisierungen und vor allem an einem schlüssigen sprachdidaktischen Konzept, das sich von der 5. bis 10. (oder 13.) Jahrgangsstufe dem Gegenstand der inneren und äußeren Mehrsprachigkeit mit dem Ziel widmet, kontinuierliches und nachhaltiges Lernen zu ermöglichen und ein systematisches Sprachwissen aufzubauen“ (vgl. ebd.).
[...]
1 NEULAND verweist auf „Sprachdidaktik Deutsch“ von Steinig/ Huneke, 2001.
2 NEULAND verweist auf „Sprachdidaktik Deutsch“ von Biere/ Diekmannshencke, 2000.
3 Im Norden Deutschlands bestanden Forderungen nach einer Ausrottung des Niederdeutschen. Ein „dialektfreier“ Sprachunterricht war die Folge solcher Forderungen, während den oberdeutschen Dialekten im südlichen Sprachraum ein höheres Sozialprestige zugeschrieben wurde.
4 1977 folgte ein weiterer Kongress zum Gegenstand „Dialekt und Schule“ in Marburg.
5 Beim Erscheinungsdatum handelt es sich mittlerweile um die 9., veränderte Auflage. Bereits 1966 veröffentliche er seine erste Ausgabe „Didaktik der deutschen Sprache“.
6 Die Abkürzung KMK bedeutet Kultusministerkonferenz.
7 Die Bezeichnung für den vierten Kompetenzbereich variiert im Berliner Rahmenlehrplan Deutsch Sek. I: „Sprache und Sprachgebrauch untersuchen“ oder „Sprachwissen und Sprachbewusstsein“.
8 Autorin zitierte aus: Richtlinien für den Unterricht in der höheren Schule. Die höhere Schule in NRW 1963, 2.
9 Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (Referat 21): Heinrich- Mann-Allee 107, 14473 Potsdam.
10 LISUM: Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Medienforum - Unterrichtswerkstatt, Seydelstraße 5, Berlin-Mitte. Blickfeld Deutsch. Jahrgangsstufe 6 (1997), D6 - Arbeitsbuch für den Literatur- und Sprachunterricht (2003), Deutsch 6. Sprache. Kommunikation. Medien (2004), Unsere Muttersprache - 6 (2004).
11
12 Bedeutung laut Duden - Die deutsche Rechtschreibung (2006): am [Rhein]ufer wohnend; Franken (um Köln), S. 857.
13 Bedeutung laut Duden - Die deutsche Rechtschreibung (2006): Spirant Sprachw. Reibelaut, Frikativlaut, z.B. „f“, S. 954.
14 Bedeutung laut Duden - Die deutsche Rechtschreibung (2006): Sprachw. Auslassung eines unbetonten Vokals, z.B. des „e“ in „Wand[e]rung“, S. 363.
15 Bairisch bezeichnet die Mundart aus der Gegend, hingegen bayerisch bzw. bayrisch landestypische Eigenheiten, Name des Bundeslandes.
16 Die hervorgehobenen Textstellen sind den Sprachbüchern entnommen. 26
17 Der überwiegende Teil der Lehrbücher gebraucht die Bezeichnung „Berlinisch“, nur wenige „Berlinerisch“.
18 Bezeichnung „Berlinerisch“ aus Sprachbuch entnommen. 29
19 http://www.rhoenline.de/sauwantzt/ 36
- Quote paper
- Nicole Helbig (Author), 2008, Das Berlinische als Unterrichtsgegenstand des Faches Deutsch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90893
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