Vor 1867 war Österreich eine absolute Monarchie. Der Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts wandelt diese „absolute“ Monarchie in eine „konstitutionelle“ Monarchie um. Die dem Monarchen zugeschriebene Ausübung der Staatsgewalt wurde verrechtlicht und durch eine Verfassung geregelt. Das Volk wirkt an der Ausübung der Staatsgewalt mit, Grund- und Freiheitsrechte wurden den Staatsbürgern garantiert. Obwohl die Rechtsstaatlichkeit noch nicht durchgehend verwirklicht war, wurde durch die Dezemberverfassung für Cisleithanien trotzdem ein – im Vergleich zu den früheren Verfassungsansätzen – wesentlich erweitertes und mit angekündigten weiteren Gesetzen vielfach zufriedenstellendes Gesetzeswerk erlassen. Es fehlten jedoch viele politische und soziale Grundrechte. Das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger“ blieb auch bei der Ausarbeitung der Bundesverfassung von 1920 bestehen; und auch eine seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts bestehende Grundrechtskommission hat bisher keine völlige Neugestaltung des Grundrechtskataloges, sondern lediglich Detailergebnisse zuwege gebracht. Da das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger“ noch immer in Geltung steht, ist die Dezemberverfassung – zumindest unter diesem Teilaspekt – auch heute für die österreichischen Staatsbürger von unmittelbarer praktischer Relevanz. Mit der Dezemberverfassung wurde ein Grundstock für die heute geltende Verfassungsordnung gelegt, sie war ein wichtiger Wegbereiter für die heute in Österreich geltende Verfassungsordnung. Begriffe, wie „Grundrechte“, „Gewaltentrennung“ und „Volkssouveränität“ sind wichtige Schlagworte der heutigen Verfassung.
Inhaltsverzeichnis
I. Was ist die Dezemberverfassung?
A. Terminologie
B. Kurzcharakteristik
II. Historische Hintergründe
A. Ausgleich mit Ungarn
1. Inhalt des Ausgleiches
2. „ Cislethanien“ und „ Transleithanien“
3. „ Pragmatische“ und „ dualistische“ Angelegenheiten
4. Die Folgen des „ Dualismus“
B. Konstitutionalismus
III. Zustandekommen der Dezemberverfassung
A. Notwendigkeit
B. Entstehung
C. Probleme bei der Entstehung
IV. Die Dezemberverfassung
A. Gültigkeit
B. Inhalt
C. Bestandteile
1. Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister
2. Grundgesetz über die Reichsvertretung
3. Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger
4. Staatsgrundgesetz über die Einsetzung eines Reichsgerichtes
5. Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt
6. Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt
7. Delegationsgesetz
D. Wichtige Gesetze im Zusammenhang mit der Dezemberverfassung
1. Die „ Maigesetze“ des Jahres 1868
2. Gesetz über das Vereinsrecht
3. Versammlungsgesetz
V. Zusammenfassung
A. Resümee
Literaturverzeichnis
I. Was ist die Dezemberverfassung?
A. Terminologie
Die Dezemberverfassung war kein einheitliches Verfassungswerk, sondern bestand aus einer Reihe von Staatsgrundgesetzen, die im parlamentarischen Weg, und nicht als Regierungsarbeit wie die Verfassungen 1848 und 1849 zustande gekommen waren.[1]
Die Dezemberverfassung sind die vom „cisleithanischen“ Reichsrat beschlossenen 5 liberalen Staatsgrundgesetze. Sie ergänzten den österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 und wurden am 21.12. 1867 von Kaiser Franz Joseph sanktioniert.
Ihr Inhalt erstreckt sich auf:
a) Festlegung des Wirkungskreises des Reichsrats,
b) allgemeine Rechte der Staatsbürger,
c) die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt,
d) die richterliche Gewalt und die Errichtung eines Reichsgerichts.[2]
„Dezemberverfassung“ ist die Bezeichnung für das nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 erlassene liberale Grundgesetz, mit dem die österreichische Reichshälfte der Habsburger Doppelmonarchie in eine konstitutionelle Monarchie mit kodifizierten staatsbürgerlichen Grundrechten umgewandelt wurde.[3]
B. Kurzcharakteristik
Am 21. Dezember 1867 erging für die habsburgischen Länder (Cisleithanien), jedoch ohne die Länder der ungarischen Krone, eine Reihe von Verfassungsgesetzen oder Staatsgrundgesetzen, die zusammen die Dezemberverfassung bildeten.[4]
Dazu gehörten das „Gesetz über die Verantwortlichkeit der Minister“[5], das „Gesetz, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird“[6], das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger“[7], das „Staatsgrundgesetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts“[8], das „Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt“[9], das „Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt“[10] und das „Gesetz betreffend die allen Ländern der österreichischen
Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung“.[11]
Sie wurden vom cisleithanischen Reichsrat beschlossen und am 21. Dezember 1867 von Kaiser Franz Joseph I. in Kraft gesetzt.
II. Historische Hintergründe
Vor 1867 war Österreich eine absolute Monarchie. Die Staatsgewalt lag in den Händen einer Person, des „Monarchen“. Dieser war an keine Regeln gebunden und seine Allmacht war mit dem „Gottesgnadentum“ begründet.[12]
Die militärische Niederlage im Krieg gegen Preußen von 1866 zwang den Kaiser zur Rückkehr zur verfassungsmäßigen Regierungsweise, zu weitgehenden Zugeständnissen an die Ungarn und zur Einräumung von umfassenden Mitwirkungsrechten für das Parlament.[13]
A. Ausgleich mit Ungarn
Unter Ausgleich versteht man die zwischen dem habsburgischen Haus und dem Königreich Ungarn zustande gekommenen Vereinbarungen,[14] und bedeutet unter einem das Ende der seit 1849 gegebenen minderen Rechtsstellung Ungarns.[15] Die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn wurden im März 1867 abgeschlossen. Staatsrechtlich gesehen, war der Ausgleich ein Vertrag zwischen dem ungarischen König (den die Ungarn vorher formell anerkennen mussten) und dem ungarischen Volk, repräsentiert durch den ungarischen Landtag (der gleichzeitig zum ungarischen Reichstag wurde). Aufgrund des erzielten Verfassungskompromisses erließ der ungarische Reichsrat den Gesetzesartikel XII. Nach der Krönung Franz Josephs zum König von Ungarn wurde dieser Gesetzestext im Juni sanktioniert.[16] Nun musste der Ausgleich noch von dem nach Abschluss der Verhandlungen wieder einberufenen engeren Reichsrat nachvollzogen werden. Dies geschah durch das inhaltlich weitgehend dem ungarischen Gesetzestext XII entsprechende Delegationsgesetz vom 21. Dezember 1867. Die Selbstständigkeit und die Unabhängigkeit Ungarns wurden somit anerkannt. Ungarn anerkannte im Gegenzug die Pragmatische Sanktion. Der sogenannte Ausgleich zwischen den „im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern“ (Cisleithanien, ab 1915 wurde der Name „Österreich“ nur mehr für diese Länder verwendet) und den „Ländern der ungarischen Krone“ (Transleithanien) besiegelte eine Teilung der Monarchie unter deutscher und magyarischer Vorherrschaft. Für die slawischen Länder und die anderen in der Monarchie vertretenen Volksgruppen, konnte dieser Ausgleich jedoch nur als Affront verstanden werden.[17]
In Cisleithanien betonte man die Existenz eines einheitlichen, über den beiden Staaten stehenden oder aus ihnen gebildeten, „Reiches“. In Ungarn war man jedoch der Auffassung, dass es sich um zwei vollkommen getrennte Staaten mit eigener Völkerrechtspersönlichkeit handle.[18]
1. Inhalt des Ausgleiches
Wesentlicher Inhalt des im Ausgleich erzielten Kompromisses war, dass es keine gemeinsame Verfassung für Ungarn und Cisleithanien mehr gab. Gemeinsam waren jedoch noch immer die Dynastie und die sogenannten pragmatischen Angelegenheiten. Zu diesen pragmatischen Angelegenheiten zählen Außenpolitik, Kriegswesen und Finanzwesen. Nach der Okkupation von Bosnien-Herzogewina kam auch noch dessen gemeinsame Verwaltung dazu. Das Gesetzgebungsrecht in pragmatischen Angelegenheiten übten die Delegationen, die aus je 60 Mitgliedern des (österreichischen) Reichsrates und des (ungarischen) Reichstages bestanden und abwechselnd in Wien und Budapest einberufen wurden. Die Mitglieder stellten zu einem Drittel das Herrenhaus (durch Wahl aus seinen Mitgliedern) und zu zwei Drittel die Landtage.[19] [20] Die Ungarn anerkannten jedoch nicht diese Delegationen als „gemeinsames Parlament“, weil dies die Anerkennung der Existenz eines Oberstaates bedeutet hätte.[21] Dies hätte eventuell auch eine stärkere Bindung zwischen den beiden Ländern bedeutet.[22]
Von den pragmatischen Angelegenheiten abgesehen, erschienen Österreich („Cisleithanien“) und Ungarn („Transleithanien“) als zwei getrennte Staaten mit getrennten Parlamenten und Regierungen. Weiters sollten bestimmte Angelegenheiten der Wirtschaft nach gleichen, von Zeit zu Zeit zu vereinbarenden, Grundsätzen behandelt werden.
Trotz genauer Regelungen des Verfahrens bei den Delegationen traten zwischen Ungarn und Österreich immer wieder Streitigkeiten, Auslegungsschwierigkeiten und Blockierungen auf. Der Ausgangspunkt dafür war meist Ungarn.[23]
Der ungarische Reichstag erließ in Ausführung des erzielten Verfassungskompromisses den Gesetzesartikel XII. Dieser wurde von Franz Joseph I. – nach erfolgter Krönung zum König von Ungarn im Juni – sanktioniert. Das ungarischen Gesetz „über die zwischen den Ländern der ungarischen Krone und den übrigen unter der Regierung Sr. Majestät stehenden Länder obwaltenden Verhältnisse von gemeinsamen Interesse und über den Modus ihrer Behandlung“ vom 12. Juni 1867 bildete daher den Kern des Ausgleichs. Die Selbstständigkeit und die Unabhängigkeit Ungarns wurden somit anerkannt; Ungarn anerkannte seinerseits die Pragmatische Sanktion.
Für den neuen dualistischen Aufbau der Gesamtmonarchie war es notwendig, staatsrechtliche Vorkehrungen zu treffen. In Österreich sollte dies durch das Delegationsgesetz erreicht werden. Aus diesem Grund berief Kaiser Franz Joseph I. im Mai 1867 – nach Abschluss der Verhandlungen mit Ungarn – den engeren Reichsrat wieder ein, welcher den Ausgleich nun vollzog. Dies geschah durch das Delegationsgesetz vom 21. Dezember 1867,[24] welches dem ungarischen Gesetzesartikel XII weitgehend entsprach[25] und welcher einen Teil der so genannten Dezemberverfassung bildet.
[...]
[1] http://www.klahrgesellschaft.at/Mitteilungen/Mugrauer_1_01.html
[2] http://www.aeiou.at
[3] http://www.cpw-online.de, (Stand 10.05.2005).
[4] Reiter, Die autochthonen Volksgruppen Österreichs, http://www.rewi.hu-berlin.de 2001.
[5] RGBl 1867/101.
[6] RGBl 1867/141.
[7] RGBl 1867/142.
[8] RGBl 1867/143.
[9] RGBl 1867/144.
[10] RGBl 1867/145.
[11] RGBl 1867/146.
[12] Binder, Öffentliches Recht I Skriptum2 (2003) 23.
[13] http://www.parlament.gv.at (Stand 10.05.2005).
[14] Baltl/Kocher, Österreichische Rechtsgeschichte8 (1995) 213.
[15] http://www.uni-klu.ac.at/~rstauber/DatenLehre/ 05SoSe/VO_OeGII/07_Liberalismus_Handout.pdf (Stand 10.05.2005).
[16] http://www.parlament.gv.at (Stand 10.05.2005).
[17] Floßmann/Kalb, Geschichte des öffentlichen Rechts Teil 23 (2004) 274.
[18] Baltl/Kocher, Österreichische Rechtsgeschichte8 (1995) 219.
[19] Floßmann/Kalb, Geschichte des öffentlichen Rechts Teil 23 (2004) 304.
[20] http://www.parlament.gv.at (Stand 10.05.2005).
[21] http://www.parlament.gv.at (Stand 10.05.2005).
[22] Baltl/Kocher, Österreichische Rechtsgeschichte8 (1995) 213.
[23] Baltl/Kocher, Österreichische Rechtsgeschichte8 (1995) 213.
[24] RGBl 1867/146.
[25] http://www.parlament.gv.at (Stand 10.05.2005).
- Arbeit zitieren
- Helmut Paul Wallner (Autor:in), 2005, Dezemberverfassung 1867, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90805
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