In dieser Arbeit wurde ein Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Umweltstrafrechts in Österreich erarbeitet.
Das Umweltverwaltungsstrafrecht wurde anhand des Wasserrechtes, beginnend beim Reichswassergesetz 1869, über das Landeswassergesetz 1870 für das Erzherzogthum Österreich unter der Enns, das Wasserrechtsgesetz 1934 sowie auch dem Wasserrechtsgesetz 1959 mit seinen umweltverwaltungsstrafrechtlichen Novellen veranschaulicht.
Betreffend das gerichtliche Umweltstrafrecht wurde versucht, einen geschichtlichen Überblick, beginnend beim „Brunnenvergifterparagraphen“ des Strafgesetzes 1803, über das Strafgesetz 1852, hin bis zum Strafgesetzbuch 1974 und seinen Novellen, zuletzt mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006, zu bieten.
Gliederung
I. Einleitung
II. Geschichtliches
II.A. Umweltverwaltungsstrafrecht
II.A.1. Umwelt(verwaltungs)strafrecht am Beispiel des Wasserrechts
II.A.1.a) Das niederösterreichische Landeswassergesetz 1870
II.A.1.b) Das Wasserrechtsgesetz 1934
II.A.1.c) Die Wasserrechtsnovelle 1959
II.A.1.d) Das Wasserrechtsgesetz 1959
II.A.1.e) Die Wasserrechtsnovelle 1990
II.A.1.f) Wasserrechtsnovelle 1999
II.A.2. Die umweltrelevanten Verwaltungsstraftatbestände des § 137
II.A.2.a) Umweltrelevante Tatbestände des § 137 Abs 1 sind
II.A.2.b) Umweltrelevante Tatbestände des § 137 Abs 2 sind
II.A.2.c) Umweltrelevante Tatbestände des § 137 Abs 3 sind
II.A.3. Strafrahmen
II.B. Umweltstrafrecht
II.B.1. Das alte Strafrecht
II.B.1.a) Constitutio Criminalis Carolina
II.B.1.b) Constitutio Criminalis Theresiana
II.B.1.c) Josefinisches Strafgesetz
II.B.1.d) Strafgesetz 1803
II.B.1.e) Das Strafgesetz von 1852
II.B.2. Das neue Strafrecht
II.B.2.a) Strafgesetzbuch 1974
II.B.2.b) Strafrechtsänderungsgesetz 1987
II.B.2.b) aa) Exkurs Verwaltungsakzessorietät
II.B.2.c) Strafrechtsänderungsgesetz 1996
II.B.2.d) Strafrechtsänderungsgesetz 2006
II.B.3. Umwelttatbestände
II.B.3.a) Unerlaubter Umgang mit Kernmaterial, radioaktiven Stoffen oder Strahleneinrichtungen
II.B.3.b) Beeinträchtigung der Umwelt
II.B.3.c) Schwere Beeinträchtigung durch Lärm
II.B.3.d) Umweltgefährdendes Behandeln und Verbringen von Abfällen
II.B.3.e) Umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen
II.B.3.f) Andere Gefährdungen des Tier- und Pflanzenbestandes
II.B.3.g) Tätige Reue
II.B.4. Exkurs: Praxis des Umweltstrafrechts in Österreich
III. Zusammenfassung
I. Einleitung
Umweltschutz war bis zum 1. Januar 1975 dem österreichischen Strafgesetz nicht bekannt.
Die anthropozentrisch ausgerichteten ersten Kodifikationen des österreichischen Strafrechtes kannten keine Tatbestände wider die Umwelt.
Als ersten wenn auch ökozentrisch unbeabsichtigten Ansatz zur Formulierung eines die Umwelt schützenden Tatbestandes kann man den sog „Brunnenvergifterparagraphen“ des Strafgesetzbuches 1803[1] bezeichnen. Das neunte Hauptstück enthielt unter der Marginalrubrik „Von schweren Polizey-Uebertretungen gegen die Gesundheit.“den § 152:
„Wer in einen Brunnen, eine Cisterne, einen Fluß, oder Bach, dessen Wasser einer Ortschaft zum Trunke, oder Gebräue dienet, todtes Vieh, oder sonst etwas wirft, wodurch das Wasser verunreiniget, und ungesund werden kann, soll mit Arrest von einer Woche; bey hervorleuchtendem großen Muthwillen, oder Bosheit auch mit öffentlicher Gemeindearbeit, und Verschärfung des Arrestes durch Fasten oder Streiche bestrafet werden.“
Mit dieser Arbeit soll die Entstehungsgeschichte des österreichischen Umweltstrafrechts dargestellt werden, wobei sich der Bogen der Betrachtung von den ersten Kodifikationen im österreichischen Raum über die Geburtsstunde der Umwelttatbestände im österreichischen Strafrecht mit Einführung des Strafgesetzbuches samt dessen Reformen spannen wird.
Das Umwelt(verwaltungs)strafrecht wird überblicksweise anhand des Wasserrechtes, beginnend beim Reichswassergesetz 1869[2], dem Landeswassergesetz 1870 für das Erzherzogthum Österreich unter der Enns[3], dem Wasserrechtsgesetz 1934[4] sowie dem Wasserrechtsgesetz 1959[5] dargestellt.
Strafen: Verwaltungsstrafen bzw gerichtliche Strafen;
Beide sind nur im Rahmen allfälliger Prävention – und damit va in Abhängigkeit von effizienter Überwachung, rascher und strenger Bestrafung und entsprechender Publizität – umweltwirksam.
Da bzgl Missständen im Umweltrecht seit je erhebliche Dunkelziffern bestehen, ist nach Ansicht F. Oberleitners die Wirksamkeit von Strafen praktisch vernachlässigbar.[6]
II. Geschichtliches
II.A. Umweltverwaltungsstrafrecht
Das Verwaltungsrecht im Allgemeinen und das Umweltrecht im Besonderen bieten eine nahezu unüberschaubare Anzahl verschiedenster Verhaltensregeln in Form von Geboten und Verboten. Im Falle der Nichtbefolgung zählen verwaltungspolizeiliche und verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen zum verwaltungsrechtlichen Handeln.[7]
II.A.1. Umwelt(verwaltungs)strafrecht am Beispiel des Wasserrechts
Die "klassische" Reaktion der Staatsgewalt bei Missständen ist die Verhängung von Strafen und die Erlassung von Anordnungen (Polizeibefehlen) zur Wiederherstellung geordneter Zustände. Beides findet sich im dreizehnten Abschnitt des geltenden Wasserrechtsgesetzes in den Paragraphen 137 und 138. § 137 enthält detaillierte Straftatbestände (die Umweltkriminalität ist im StGB 1974 geregelt). Übertretungen des WRG und seiner Verordnungen sind mit Strafen bis zu € 36.340,- bedroht. Strafbar ist nicht nur der unmittelbare Täter, sondern (bei genehmigten Anlagen) auch der Wasserberechtigte und sein Betriebsleiter. Die Verwaltungsstrafe entfällt[8], wenn die Tat gerichtlich strafbar ist (insb Umweltdelikte nach §§ 180 ff StGB).[9]
Die Geschichte des Wasserrechts ist die Geschichte der zunehmenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der zivilrechtlich begründeten Sachnutzungsbefugnis.[10] Die Entwicklung setzt mit der „Allgemeinen Mühlenordnung“ vom 1. Dezember 1814[11] ein. Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Wasserrechts setzte sich in Erlassung der Wasserbaunormale vom 10. November 1830[12] sowie der wasserrechtlichen Bestimmungen im Reichsforstgesetz 1852[13], im Allgemeinen Berggesetz 1854[14], in Teichordnungen, etc, fort.
Gemeinsam war diesen wasserrechtlichen Bestimmungen, dass sie zwar vereinzelt durch Strafbestimmungen geschützt waren, ihnen jedoch kein Tatbestand zum Schutze der Umwelt zu eigen war.
II.A.1.a) Das niederösterreichische Landeswassergesetz 1870
Die erste Kodifizierung des Wasserrechtes erfolgte schlussendlich 1869 mit dem Reichswassergesetz 1869[15] als Reichsrahmengesetz.
Die Länder erließen in der Folge entsprechende Ausführungsgesetze.[16]
Das als Ausführungsgesetz zum Reichswassergesetz 1869 erlassene Landesgesetz für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns vom 28. August 1870[17] enthielt im sechsten Abschnitt unter der Marginalrubrik „Von den Uebertretungen und Strafen.“ in § 64 Strafbestimmungen. Die im 8. Halbsatz formulierte Bestimmung „die der Gesundheit schädliche Verunreinigung der Gewässer“ ist somit der erstbelegte Tatbestand des wasserrechtlichen Umweltverwaltungsstrafrechts, der auch zum Schutz der Umwelt ausgelegt werden konnte. Also ein erster ökozentrischer Ansatz zur Formulierung eines die Umwelt schützenden Tatbestandes, wenn auch mit anthropozentrisch ausgerichteten Hintergrund.
II.A.1.b) Das Wasserrechtsgesetz 1934
Die Grundlage des heute geltenden Wasserrechtsgesetzes wurde mit dem Wasserrechtsgesetz 1934[18] geschaffen. Dieses Gesetz bildete eine umfassende Kodifikation nach zeitgemäßen Grundsätzen womit unter einem die Vielzahl der damals bestehenden Einzelgesetze abgelöst wurde.[19]
Es enthielt im achten Abschnitt unter der Marginalrubrik „Von den Übertretungen und Strafen.“ in § 120 Abs 1 die Blankettstrafnorm „…Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz oder die zu seiner Ausführung erlassenen Verordnungen, schließlich die Nichteinhaltung der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen sind unbeschadet einer allfälligen strafgerichtlichen Ahndung von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretungen…“.
Diese Strafnorm erfasste somit eindeutig die zum Schutze der Gewässer (und somit auch zum Schutze der Umwelt) erlassenen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes.
1948[20] wurde das in § 120 bezeichnete Strafausmaß auf das Doppelte erhöht.[21]
II.A.1.c) Die Wasserrechtsnovelle 1959
Die umfassendste Änderung für das Wasserrecht brachte die WRG-Novelle 1959, die am 1. Mai 1959 in Kraft getreten ist[22]. Jedoch hatte diese umfangreiche Novelle für die wasserrechtlichen Verwaltungsstrafrechtsbestimmungen keinen Einfluß. In § 120 Abs 1, 1. Halbsatz, wurde lediglich eine ergänzende Wortfolge eingefügt.
II.A.1.d) Das Wasserrechtsgesetz 1959
Die umfangreiche Änderung und Erweiterung des WRG 1934 durch die Novelle des Jahres 1959 löste in weiterer Folge die für die heutige Rechtslage maßgebliche Wiederverlautbarung durch die Kundmachung BGBl 1959/215 aus.[23] Gemäß Art V dieser Kundmachung trägt das Gesetz den amtlichen Titel „Wasserrechtsgesetz 1959“.[24] Von den seither ergangenen Novellen sei die „große Novelle[25] “ des Jahres 1990[26] erwähnt.
[...]
[1] Strafgesetz vom 3. September 1803 über die Verbrechen und schweren Polizey- Uebertretungen, JGS 1803/623.
[2] Gesetz vom 30. Mai 1869 betreffend die der Reichsgesetzgebung vorbehaltenen Bestimmungen des Wasserrechtes, RGBl 1869/93.
[3] Gesetz vom 28. August 1870 über die Benützung, Leitung und Abwehr der
Gewässer, LGBl 1870/56.
[4] Bundesgesetz vom 19. Oktober 1934 betreffend das Wasserrecht,
BGBl II 1934/316.
[5] Kundmachung der Bundesregierung vom 8. September 1959, mit der das
Bundesgesetz, betreffend das Wasserrecht, wiederverlautbart wird,
BGBl 1959/216.
[6] F. Oberleitner, Umweltrecht Einführung, Skriptum, Wien 2005, 8, http://www.hydro.tuwien.ac.at/fileadmin/mediapool-hydro/Diverse/Lehre/
Wasserrecht/TU_Umweltrecht_04_2005.pdf (abgefragt 3.11.2007).
[7] N. Raschauer/Wessely in N. Raschauer/Wessely (Hrsg), Handbuch Umweltrecht,
Wien 2006, 92.
[8] Seit BGBl 1999/155 § 137 Abs 6 Wasserrechtsgesetz 1957; Abs 7 idF
BGBl I 1997/94 mit Abänderungen seit der Wasserrechtsnovelle 1990,
BGBl 1990/252.
[9] F. Oberleitner, Wasserrecht, Einführung und Überblick, (2007), 88, http://www.hydro.tuwien.ac.at/fileadmin/mediapool-hydro/Diverse/Lehre/
Wasserrecht/TU_Wasserrecht_04-2007.pdf (abgefragt 1.11.2007); derselbe, Wasserrechtsgesetz 19592 (2007), Rz 5 zu § 137, wonach va die Straftatbestän- de der §§ 180 ff StGB 1974 angesprochen sind, wie vorsätzliche oder fahrlässige Beeinträchtig von Gewässern, vorsätzlicher oder fahrlässiger umweltgefährden- der Umgang mit Abfällen sowie vorsätzliches und grob fahrlässiges Betreiben von Anlagen. Die Dauer der gerichtlichen Abklärung kann verwaltungsstrafrecht- lich nach § 137 Abs 7 dritter Satz überbrückt werden.
[10] B. Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht (1993), 2 ff.
[11] PGS 1814/95.
[12] PGS 1830/106.
[13] RGBl 1852/250.
[14] RGBl 1854/146.
[15] RGBl 1869/93.
[16] B. Raschauer, Wasserrecht, 4.
[17] Gesetz vom 28. August 1870 über die Benützung, Leitung und Abwehr der Ge- wässer, LGBl 1870/56, (Landeswassergesetz 1870).
[18] Bundesgesetz vom 11. Oktober 1934, betreffend das Wasserrecht,
BGBl II 1934/316.
[19] B. Raschauer, Wasserrecht, 6.
[20] BGBl 1948/50.
[21] Hartig/Grabmayr, Das österreichische Wasserrecht (1961), 29.
[22] BGBl 1959/54.
[23] Hartig/Grabmayr, Wasserrecht, 30, wonach die Kundmachung im 57. Hauptstück des BGBl erfolgte, das am 16. Oktober 1959 ausgegeben wurde. Als Tag der
Herausgabe der Wiederverlautbarung gilt daher der 1. November 1959, der
zufällig der 25. Jahrestag des Inkrafttretens des Wasserrechtsgesetzes 1934, BGBl II 1934/316, ist.
[24] B. Raschauer, Wasserrecht, 7.
[25] B. Raschauer, Wasserrecht, 7.
[26] BGBl 1990/252.
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