Vorbemerkung
Die vorliegende Arbeit soll sich mit dem Phänomen des „Kalliasfriedens“, welcher das vorläufige Ende der Perserkriege für Griechenland im 5. Jahrhundert bedeutete, beschäftigen. Hier soll insbesondere der Frage nach tatsächlicher Geschichtlichkeit desselben nachgegangen werden, da seit geraumer Zeit erhebliche Zweifel an der Historizität dieses für die griechische und persische Welt der Antike wichtigen Ereignisses bestehen.
Die herrschende Lehrmeinung, welche die Existenz des Friedensschlusses zwischen Griechen und Persern unter Vermittlung eines angesehenen Athener Bürgers namens Kallias ausdrücklich bejaht, gerät zunehmend in Bedrängnis angesichts gewissenhaft aufgearbeiteter Quellenbestände und daraus logisch abgeleiteter Beweisverfahren für die Gegenthese.
Den Schwerpunkt meiner Untersuchung wird die Argumentation von Klaus Meister bilden, da dieser in seiner Arbeit zum Thema „Kalliasfrieden“ einerseits am saubersten das zur Verfügung stehende Quellenmaterial aufbereitet und diskutiert, andererseits sein Forschungsergebnis dasjenige gewesen ist, welches die seit zweihundert Jahren dominierende Existenztheorie der Forschung zunichte machte und die Anhänger der traditionellen Lehre damit zwang, die überalterten Ergebnisse gründlich zu überarbeiten..
I. Inhalt
1. Ausgangslage – Von Salamis nach Susa. Griechenlands langer Weg zum Frieden?
a) Zehnjährige Ruhe vor dem großen Sturm
b) Die Perser greifen an
c) Die Perser fallen ein
d) Hochmut kommt vor dem Fall – Der Untergang der persischen Flotte
e) Die Wende bei Plataiai und Mykale
f) Der attisch-delische Seebund
g) Am geschichtlichen Scheideweg
2. Der Kalliasfrieden – Forschungsstand und Forschungstendenzen
a) Der Kalliasfrieden im Jahre 449 bei Bengtson
b) Der Kalliasfrieden bei Badian – Der Eurymedonansatz
c) Der Kalliasfrieden bei Meister – Die Ungeschichtlichkeitstheorie
3. Quellenschau mit Ausnahme Diodors – Nach der Eurymedonschlacht und vor dem Sturz des Areopags
a) Platon
b) Isokrates
c) Plutarch
d) Demostenes
e) Lykurg
3.1. Die Gesandtschaft bei Herodot
3.2. 449/48 – Die Irrtümlichkeit des Datums bei Ephoros/Diodor
3.3. Die schweigenden Zeugen
a) Noch einmal Herodot
3.4. Die leugnenden Zeugen
a) Kallisthenes
b) Theopomp
4. Schlußbetrachtungen
II Quellen- und Literaturverzeichnis
Vorbemerkung
Die vorliegende Arbeit soll sich mit dem Phänomen des „Kalliasfriedens“, welcher das vorläufige Ende der Perserkriege für Griechenland im 5. Jahrhundert bedeutete, beschäftigen. Hier soll insbesondere der Frage nach tatsächlicher Geschichtlichkeit desselben nachgegangen werden, da seit geraumer Zeit erhebliche Zweifel an der Historizität dieses für die griechische und persische Welt der Antike wichtigen Ereignisses bestehen.
Die herrschende Lehrmeinung, welche die Existenz des Friedensschlusses zwischen Griechen und Persern unter Vermittlung eines angesehenen Athener Bürgers namens Kallias ausdrücklich bejaht,[1] gerät zunehmend in Bedrängnis angesichts gewissenhaft aufgearbeiteter Quellenbestände und daraus logisch abgeleiteter Beweisverfahren für die Gegenthese.
Den Schwerpunkt meiner Untersuchung wird die Argumentation von Klaus Meister[2] bilden, da dieser in seiner Arbeit zum Thema „Kalliasfrieden“ einerseits am saubersten das zur Verfügung stehende Quellenmaterial aufbereitet und diskutiert, andererseits sein Forschungsergebnis dasjenige gewesen ist, welches die seit zweihundert Jahren dominierende Existenztheorie der Forschung zunichte machte und die Anhänger der traditionellen Lehre damit zwang, die überalterten Ergebnisse gründlich zu überarbeiten. Es wird jedoch auch gezeigt werden, daß Meister mit seiner „neuen“ Theorie nicht ganz alleine steht,[3] sondern seit Beginn einer ernsthaften wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema lebhafte Diskurse geführt werden.
1. Ausgangslage – Von Salamis nach Susa. Griechenlands langer Weg zum Frieden?
a) Zehnjährige Ruhe vor dem großen Sturm
Während der zehnjährigen Kampfpause nach dem Sieg der Griechen über die Perser bei Marathon im Jahre 490 entstand unter dem Herrscher Athens, Themistokles, die größte Flotte der griechischen Staaten.[4] Mit über einhundert Kriegschiffen sollte so der persischen Bedrohung zur See begegnet werden, da der unterlegene Großkönig Daraios nach der Schmach von Marathon zu einem erneuten Zug gegen die Griechen rüstete.[5] Doch der Tod des Perserkönigs[6] und die Unternehmungen seines Nachfolgers Xerxes zu Sicherung und Ausbau der neugewonnenen Macht verschafften Griechenland vorerst Ruhe.[7]
Nachdem es Xerxes allerdings gelungen war, seine Macht im Inneren zu festigen, rüstete er zu ruhmreichen Fahrten in Feindesland, um aus dem Schatten seiner Vorgänger in eigener Machtfülle hervorzutreten.[8] Im Herbst des Jahres 481 waren die Vorbereitungen zu einem erneuten Waffengang gegen die griechischen Poleis abgeschlossen.[9]
Zunächst versuchte Xerxes, seine gewaltige Streitmacht als Druckmittel gegen die Stadtstaaten einzusetzen und diese auf dem Wege massiver Drohungen in die Knie zu zwingen. Tatsächlich ergaben sich einige kleinere Staaten dem mächtigen Perser.[10] Mittlere Staaten wie etwa Argos suchten ihr Heil in der Neutralität, Athen und Sparta hingegen gaben ihrerseits klar zu verstehen, was sie von einer kampflosen Kapitulation hielten: Das freche Auftreten der persischen Boten wurde mit deren Hinrichtung gemaßregelt.[11]
Auf Drängen Athens und unter spartanischer Führung schlossen sich noch im Jahre 481 ganze dreißig griechische Staaten zu einem gemeinsamen Schutz- und Trutzbündnis gegen die Bedrohung jenseits des Hellesponts zusammen. Vorherrschende Streitigkeiten zwischen einzelnen Poleis wurden unter dem Druck des Bündnisses im Angesicht des gemeinsamen Feindes vorerst beigelegt.[12] Jetzt konnten die Perser kommen.
b) Die Perser greifen an
Mitte des Jahres 480 setzte Xerxes´ gewaltige Streitmacht auf zwei Schiffsbrücken über den Hellespont[13] und marschierte in Richtung des Thermophylenpasses, auf dem sich der Spartanerkönig Leonidas mit wenigen Tausend Mann verschanzt hatte. Dorthin hatten sich die Griechen zurückgezogen, weil dieser einzige von Norden aus zugängliche Paß nach Griechenland mit geringem Aufwand an Mensch und Material gehalten werden konnte.[14]
Mehrere Angriffe der Perser auf den Paß scheiterten, und die Spartaner mußten lernen, daß der Verrat eines Einzelnen manchmal schwerer wiegt als der Heldenmut einer ganzen Heerschar tapferer Krieger. Mithilfe einheimischer und daher ortskundiger Verräter gelang es Xerxes, den engen Paß zu umgehen und so das Hauptheer der Verteidiger in ernste Gefahr zu bringen.[15]
Mit seinen legendären dreihundert Kriegern[16] konnte Leonidas den Feind in einer verwegenen Abwehrschlacht dennoch so lange aufhalten, bis es den verbündeten Truppen glückte, dieser Gefahr zu entkommen.[17] König Leonidas und seine Mannen gingen als Helden in die Geschichte ein.[18]
Zeitgleich mit dem taktischen Rückzug des griechischen Landheeres blockierten die alliierten Seestreitkräfte den Zugang vor Euböa am Kap Artemision, um eine Landung der Perser im Rücken der eigenen Truppen zu vereiteln.[19] Dieser geplante und für die Griechen sicher vernichtende, aber mißlungene persische Zangenangriff und die glückliche Fügung, daß die Perser durch einen Sturm zahlreiche vor der Küste ankernde Schiffe verloren,[20] bildete einen leisen Hoffnungsschimmer für Griechenland, der eine Niederlage im letzten Augenblick abwendete.
c) Die Perser fallen ein
Doch mit dem Fall der Thermophylenfestung stand den Persern Mittelgriechenland offen.[21] Xerxes marschierte nun gegen Athen. Auf seinem Weg dorthin, wurden zahlreiche Städte von den Eindringlingen verwüstet. Wer jedoch zum Feind überlief, wie etwa Theben und Delphi, konnte auf Gnade und Schonung hoffen.[22] Im zerstörten und menschenleeren Athen schlug der Perser nun sein Hauptquartier auf[23] und traf Vorbereitungen für das weitere Vorgehen gegen die Athener, welche sich im Sund von Salamis zur Entscheidungsschlacht rüsteten.[24]
An den Gestaden von Salamis ließ sich der nun siegesverwöhnte Xerxes einen Thron errichten, da er gedachte, von dort aus dem Untergang der griechischen Flotte standesgemäß beizuwohnen. Allerdings sollte er sich wie so mancher Feldherr vor und auch nach ihm zu früh gefreut haben.[25]
d) Hochmut kommt vor dem Fall – Der Untergang der persischen Flotte
Mit etwa dreihundert wendigen Trieren warfen sich die Griechen der persischen Flotte entgegen und hatten im engen Sund ein leichtes Spiel mit den schwerfälligen Schiffen der Perser, die sich gegenseitig behinderten und damit manövrierunfähig wurden. Nach demütigenden zwölf Stunden mußte Xerxes erkennen, daß seine einst stolze Flotte von den kleinen griechischen Schiffen vernichtend geschlagen wurde und er seinen Feldzug vorerst beenden mußte.
Der klägliche Rest seiner Seestreitkräfte floh[26] zurück nach Asien, das persische Landheer setzte sich nach Thessalien ab,[27] wo es überwinterte. Xerxes verkroch sich schwer gekränkt in seiner kleinasiatischen Satrapenresidenz Sardes und grollte. Für Griechenland war die persische Gefahr dennoch nicht gebannt.
e) Die Wende bei Plataiai und Mykale
Im Winter des Jahres 480 startete der persische Oberkommandierende des Heeres, Mardonios, eine gewaltlose Offensive gegen die Griechen. Er hoffte, die griechische Allianz mit Hilfe eines Separatfriedens für Athen aufbrechen zu können.[28] Doch Athen durchschaute diesen plumpen Versuch, einen Spaltkeil zwischen die Verbündeten zu treiben und lehnte ab.[29] Als dann auch noch im Folgejahr Mardonios mit der erneuten Besetzung[30] des inzwischen wieder bevölkerten Athens die freundliche Maske des friedlich gesonnenen Unterhändlers fallen ließ und den Griechen sein wahres Antlitz offenbarte, da zeigten die Athener dem Perser voller Verachtung nur das nackte Postlitz, sammelten ihre Truppen[31] und rückten, angeführt von dem Spartaner Pausanias, gegen Plataiai, wohin sich die Perser zurückgezogen hatten, in gleichwertiger Truppenstärke mit dreißig- bis vierzigtausend entschlossenen Soldaten vor.[32]
Nach einigen Wirren in teilweise erbittert geführten Gefechten[33] gelang es den verbündeten griechischen Truppen, die Oberhand zu gewinnen und den Persern eine vernichtende Niederlage beizubringen,[34] was diese dazu veranlaßte, Griechenland vorerst zu räumen.[35] Die bei Mykale an Land in Sicherheit gebrachte persische Flotte wurde ebenfalls von griechischen Truppen angegriffen und zerstört. Daraufhin erhoben sich nun auch die ionischen Stadtstaaten gegen die Fremdherrschaft der Perser und schlossen sich der griechischen Allianz an.
f) Der attisch-delische Seebund
Allmählich nähern wir uns dem kritischen Punkt, an dem es für die genauere Betrachtung des hier zu behandelnden Themenkomplexes innezuhalten gilt.
Xerxes mußte bis zu seiner Ermordung im Jahre 465 auf seinen Traum von einem persischen Großreich, dessen Herrschaftsbereich sich auch auf Kleinasien erstreckte, verzichten und war auch nicht in der Lage, einen nennenswerten Vorstoß auf die Küste Kleinasiens zu unternehmen. Maßgeblich an der Verhinderung einer weiteren persischen Großoffensive gegen Griechenland wirkte sich der 478 ins Leben gerufene attisch-delische Seebund aus, dem es gelang, unter athenischer Führung bis zum Jahre 476 mit dem Fall Sions den letzten persischen Stützpunkt an der makedonischen Küste zu beseitigen.[36]
Erst um das Jahr 469 glückte es einem großen persischen Heeresaufgebot, in Zypern einzufallen und von dort aus weitere Vorstöße Richtung Griechenland zu unternehmen. Doch auch dieser Versuch, Kleinasien unter persische Kontrolle zu bringen, scheiterte am erbitterten Widerstand des Seebundes. In der Schlacht an der Mündung des Eurymedon besiegte Kimon mit seiner Flotte die Perser erneut und zwang den Feind zum Rückzug.[37]
[...]
[1] vgl. Bayer, Erich: Griechische Geschichte, Stuttgart 19873, S. 220f.; Bengtson, Hermann: Die Staatsverträge des Altertums, Bd. II, München 19752, S. 64ff.; Gärtner, Hans, in: Der kleine Pauly, Bd. III, München 19795, Sp. 66f. s. v. Kallias.
[2] Meister, Klaus: Die Ungeschichtlichkeit des Kalliasfriedens und deren historische Folgen, Wiesbaden 1982.
[3] vgl. Dahlmann, Christoph Friedrich: Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte, Bd. I, Altona 1822, S. 1-148; Curtius, Ernst: Griechische Geschichte. Bis zum Ende des Peloponnesischen Kriegs, Bd. II, Berlin 18886, S. 184; Krüger, Karl Wilhelm: Historisch philologische Studien, Bd. I, Berlin 1836, S. 74ff.
[4] Hdt. VII 1.; ebeso Plut. Them. 4. u.a.
[5] Hdt. VII 1.
[6] Hdt. VII 4.
[7] Hdt. VII 5.
[8] Hdt. VII 8.
[9] Hdt. VII 54.
[10] Hdt. VII 138.
[11] Dahlmann, Forschungen auf dem Gebiet der Geschichte, S. 113.
[12] Hdt. VII 145.
[13] Hdt. VII 184-184; Sicherlich übertreibt Herodot in seiner Schilderung des persischen Heeres, dessen Gesamtzahl er mit etwa 1,8 Millionen Soldaten und noch einmal 3 Millionen Troßangehörigen angibt. Die neuere Forschung geht von 50.000 bis 100.000 Soldaten und 600 bis 700 Kriegsschiffen aus. Für einen Augenzeugen der damaligen Zeit muß dieser Heereshaufen dennoch so gewaltig gewirkt haben, daß leicht eine solche Fehleinschätzung entstehen konnte. An anderer Stelle nennt Herodot insgesamt „dreihundertmal Zehntausende“ für die Schlacht am Thermophylenpaß. s. Hdt. VII 228.
[14] Hdt. VII 175-177.
[15] Hdt. VII 213; Auf den Malier Epialtes setzten die Lakedaimonier für dessen Verrat ein Kopfgeld aus. Zunächst gelang ihm die Flucht nach Thessalien. Bei seiner Rückkehr in die Heimat wurde er jedoch in Antikyra von einem Mann namens Athenades erschlagen.
[16] Hdt. VII 202f; Zu den Spartanern gesellten sich auch nach der Schilderung Herodots weitere viertausend Griechen. s. Hdt. VII 228. Eine Beschreibung der Schlacht findet sich bei Hdt. VII 210ff; Leonidas soll am Morgen der Schlacht die Verbündeten aus Sorge um deren Leben weggeschickt haben. vgl. Hdt. VII 220.
[17] Hdt. VII 210ff; s.o.
[18] Hdt. VII 220; 224.
[19] Hdt. VIII 7ff.
[20] Hdt. VIII 13f; Laut Herodot soll Xerxes an diesem Tage um die 400 Schiffe verloren haben, was bei korrekter Angabe gute zwei Drittel der persischen Flotte ausgemacht hätte. Selbst wenn auch diese Schätzung ein wenig übertrieben sein dürfte, muß der Verlust für die Perser sehr schmerzhaft gewesen sein. In Stelle VII 236 nennt Herodot ebenfalls die Zahl von 400 verlorenen Schiffen, schätzt die Gesamtzahl der persischen Flotte jedoch auf weit über 700 Schiffe, da er bei Entsendung von 300 zu einer Umgehung der Hellenen immer noch eine stattliche Anzahl auf seiten der Perser vermutet.
[21] Hdt. VIII 15.
[22] Hdt. VIII 36f.
[23] Hdt. VIII 53f.
[24] Hdt. VIII 40.
[25] Hdt. VIII 86ff.
[26] Hdt. VIII 93.
[27] Hdt. VIII 133.
[28] Hdt. VIII 136; 140.
[29] Hdt. VIII 143f.
[30] Hdt. IX 1ff.
[31] Hdt. IX 15.
[32] Hdt. IX 29.
[33] Hdt. IX 60ff.
[34] Hdt. IX 65.
[35] Hdt. IX 66.
[36] vgl. Bengtson, Hermann: Griechische Geschichte. Von den Anfängen bis in die römische Kaiserzeit, München 19775, S.179f.
[37] vgl. Ders., S.195
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