Das 18. Jahrhundert war charakteristisch für einen gesellschaftlichen Umbruch und die Emanzipation des Bürgertums, die an den Grundsteinen der Ständeordnung rüttelte. In dieser Zeit konnte sich auch das überlieferte strenge Regelsystem der Dramentheorie nicht mehr unverändert halten. Lenz war einer der großen Schriftsteller, die dieses System in Frage stellten. Er wird in seiner Zeit unterschiedlich eingeschätzt: Einerseits in seinem künstlerischen Schaffen verachtet, da seine Werke keine gerade tragische oder komische Linie aufweisen, andererseits für eben diese Tatsache als Schöpfer der realistischen bürgerlichen Tragödie gelobt, für das unter anderen Werken „Der Hofmeister“ so berühmt wurde.
Die Bezeichnung des „Hofmeisters“ als „bürgerliche Tragödie“ birgt jedoch schon die erste Schwierigkeit. Von Lenz selbst wurde das Werk zunächst als „Komödie“ bezeichnet. In weiteren Stellungnahmen schwankte er jedoch zwischen „Komödie“, „Lust- und Trauerspiel“, „Trauerspiel“ und „Raritätskasten“. Auch Kritiker und Leser haben von jeher unterschiedliche Meinungen zu Gattung des Werkes gehabt: „Bürgerliches Trauerspiel“, „Tragikomödie“, „Lustspiel“, etc. Einig waren sich jedoch viele zeitgenössische und spätere Autoren darüber, dass das Werk der Gattung des Dramas neue Dimensionen eröffnete und Lenz einen neuen Dramentypus geschaffen habe.
Das Werk „Der Hofmeister oder die Vorteile der Privaterziehung“ ist ein ironisches gesellschaftskritisches Drama, in dem Lenz auch die eigenen biographischen Erfahrungen einfließen ließ. Dieser war selbst eine zeitlang Hofmeister gewesen, ein Lebensabschnitt, der ihn im negativen Sinne stark geprägt hatte.
In diesen Ausführungen wird auf das Problem der Gattungsbezeichnung für dieses Werk eingegangen und beleuchtet, inwiefern die Schwankungen im Werk mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit einhergehen. In einem ersten Kapitel werden, um einen Überblick zu erhalten, die Gattungsgeschichte und Gattungsproblematik des 18. Jahrhunderts beleuchtet. Sodann werden die daraus erworbenen Kenntnisse auf das Drama „Der Hofmeister“ angewendet, in den gesellschaftlichen Zusammenhang gestellt und versucht, das Werk gattungstheoretisch einzuordnen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gattungsgeschichte und Gattungscharakteristika
- Gattungsdiskussion in Bezug auf den „Hofmeister“
- Untersuchung des „Hofmeister“ auf die formalen Kriterien
- Betrachtung der inhaltlichen und personellen Charakteristika des Dramas
- Einordnung des Dramas in den zeitgeschichtlichen Kontext
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die gattungstheoretische Einordnung von J.M.R. Lenz' „Der Hofmeister“. Ziel ist es, die Unsicherheit bezüglich der Gattungsbezeichnung (Komödie, Tragikomödie, bürgerliches Trauerspiel) im Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen des 18. Jahrhunderts zu beleuchten und die Bedeutung des Werks für die Dramentheorie zu erörtern.
- Gattungsgeschichte des Dramas im 18. Jahrhundert
- Formale und inhaltliche Charakteristika von Komödie und Tragödie
- Analyse der gattungsspezifischen Merkmale in „Der Hofmeister“
- Der Einfluss der Aufklärung auf die Dramentheorie
- „Der Hofmeister“ als Spiegel der bürgerlichen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Problematik der Gattungszuordnung von Lenz' „Der Hofmeister“ ein. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Bezeichnungen des Werkes (Komödie, Lust- und Trauerspiel, Tragödie) und verweist auf die gesellschaftlichen Umbrüche des 18. Jahrhunderts, die das traditionelle Gattungsverständnis in Frage stellten. Lenz' eigene Unsicherheit in der Gattungszuweisung wird als Ausgangspunkt der Analyse präsentiert und die Bedeutung des Werkes als möglicher Wegbereiter eines neuen Dramentypus hervorgehoben. Die Arbeit skizziert den methodischen Ansatz, der die Gattungsgeschichte mit der Analyse des „Hofmeisters“ verbindet, um dessen gattungstheoretische Einordnung zu klären.
Gattungsgeschichte und Gattungscharakteristika: Dieses Kapitel beleuchtet die Entwicklung der Dramengattungen im 18. Jahrhundert. Es beschreibt das bis dahin relativ stabile System der Polarisierung zwischen Tragödie und Komödie und zeigt auf, wie die Aufklärung und gesellschaftliche Veränderungen zu neuen Dramenformen führten. Gottscheds Reformen und Lessings Weiterentwicklung der bürgerlichen Tragödie werden als wichtige Stationen dieser Entwicklung dargestellt. Die Analyse fokussiert auf die Merkmale, die Komödie und Tragödie unterscheiden, wie Dramenausgang, soziale Stände der Figuren, und Sprachstil, um den Kontext für die spätere Analyse von Lenz' Werk zu schaffen. Die zunehmende Vermischung der Gattungen und das Aufkommen von Zwischenformen werden als wichtiger Aspekt der Entwicklung im 18. Jahrhundert hervorgehoben.
Häufig gestellte Fragen zu J.M.R. Lenz' "Der Hofmeister"
Was ist der Inhalt dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die gattungstheoretische Einordnung von J.M.R. Lenz' Drama "Der Hofmeister". Sie untersucht die Unsicherheit bezüglich der Gattungsbezeichnung (Komödie, Tragikomödie, bürgerliches Trauerspiel) im Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen des 18. Jahrhunderts und erörtert die Bedeutung des Werks für die Dramentheorie.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Gattungsgeschichte des Dramas im 18. Jahrhundert, die formalen und inhaltlichen Charakteristika von Komödie und Tragödie, eine Analyse der gattungsspezifischen Merkmale in "Der Hofmeister", den Einfluss der Aufklärung auf die Dramentheorie und "Der Hofmeister" als Spiegel der bürgerlichen Gesellschaft.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Gattungsgeschichte und Gattungscharakteristika, ein Kapitel zur Gattungsdiskussion in Bezug auf "Der Hofmeister" (inkl. Untersuchung der formalen Kriterien und Betrachtung der inhaltlichen und personellen Charakteristika), ein Kapitel zur Einordnung des Dramas in den zeitgeschichtlichen Kontext und einen Schluss.
Wie wird "Der Hofmeister" gattungstheoretisch eingeordnet?
Die Arbeit untersucht die verschiedenen Bezeichnungen des Werks (Komödie, Lust- und Trauerspiel, Tragödie) und analysiert die gattungsspezifischen Merkmale im Kontext der gesellschaftlichen Umbrüche des 18. Jahrhunderts. Ziel ist es, die Position des Werks innerhalb der Dramentheorie zu klären und seine Bedeutung als möglicher Wegbereiter eines neuen Dramentypus zu beleuchten.
Welche Rolle spielt die Aufklärung in der Analyse?
Die Aufklärung und ihre Auswirkungen auf die Dramentheorie bilden einen wichtigen Kontext für die Analyse. Die Arbeit zeigt auf, wie die gesellschaftlichen Veränderungen der Aufklärung zu neuen Dramenformen führten und wie sich diese Entwicklung auf die Gattungszuordnung von "Der Hofmeister" auswirkt.
Welche methodischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit verbindet die Gattungsgeschichte mit der detaillierten Analyse von "Der Hofmeister", um dessen gattungstheoretische Einordnung zu klären. Sie untersucht sowohl formale Aspekte (z.B. Dramenausgang, soziale Stände der Figuren, Sprachstil) als auch inhaltliche Aspekte des Dramas.
Welche Bedeutung hat "Der Hofmeister" für die Dramentheorie?
Die Arbeit untersucht die Bedeutung von "Der Hofmeister" als möglicher Wegbereiter eines neuen Dramentypus im Kontext der sich verändernden gesellschaftlichen und gattungstheoretischen Verhältnisse des 18. Jahrhunderts. Die Unsicherheit in der Gattungszuweisung des Werkes wird als Ausgangspunkt für die Erörterung seiner Bedeutung für die Dramentheorie genutzt.
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- B.A. Maria Rieder (Author), 2008, Über J. M. R. Lenz' "Der Hofmeister" - Komödie, Tragikomödie oder bürgerliches Trauerspiel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90550