Die Arbeit beschäftigt sich mit den Einflüssen auf den Kunden, der opportunistische Weiterempfehlungen bekommt. Im Rahmen einer empirischen Studie zu Weiterempfehlungen eines Mobilfunkanbieters sollen folgende Fragen geklärt werden:
Welchen Einfluss hat das Aufdecken opportunistischen Weiterempfehlungsverhaltens auf den Empfänger? Und, gibt es einen Moderator für diese Beziehung?
Da das Involvement - universell gesehen die wahrgenommene persönliche Bedeutung eines Produktes - einen Einfluss auf die Kundenbindung ausübt, liegt es nahe, zu prüfen, welche Rolle das Involvement des Kunden in der Beziehung Opportunistische Weiterempfehlungen - Kundenbindung spielt. Um diese Fragen zu beantworten, werden im Folgenden zunächst die notwendigen Grundlagen zur Untersuchung beschrieben, wobei die Begriffe Opportunistische Weiterempfehlungen, Kundenbindung und Involvement in Zusammenhang mit einem kurzen Literaturüberblick definiert werden.
Aufbauend auf dieser Bestandsaufnahme wird ein theoretisches Modell zur Erklärung der Wirkung von opportunistischen Weiterempfehlungen auf den Empfänger aufgestellt. Dieses Modell bildet die Basis für die Ableitung der Hypothesen. Diese werden in einem weiteren Schritt im Rahmen einer empirischen Untersuchung überprüft. Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine Schlussbetrachtung, in der die Ergebnisse der Studie diskutiert werden und daraus folgende Implikationen für das Management von KWKK, sowie für weiterführende Studien, abgeleitet werden.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Opportunistische Weiterempfehlungen
2.2 Das Konzept der Kundenbindung
2.3 Das Involvement Konstrukt
3 Modellentwicklun
3.1 Theorien
3.1.1 Die Theorie der Kognitiven Dissonanz
3.1.2 Das Elaboration Likelihood Model
3.2 Formulierung der Hypothesen
4 Empirische Untersuchun
4.1 Untersuchungsdesign
4.2 Operationalisierung der Variablen
4.3 Ergebnisse
4.3.1 Methodische Grundlagen zur Auswertung
4.3.2 Allgemeine Ergebnisse
4.3.3 Überprüfung der Hypothesen
5. Schlussbetracht
Anhangsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Merkmale einer Weiterempfehlung und mögliche Ausprägungen
Abb. 2: Merkmale und Ausprägungen einer opportunistischen Weiterempfehlung
Abb. 3: Aufgliederung des Involvement Konstrukts
Abb. 4: Das Auftreten einer kognitiven Dissonanz in Konsumentscheidungen
Abb. 5: Kognitive Dissonanztheorie - Dissonanzverstärkende Faktoren und dissonanzreduzierende Maßnahmen
Abb. 6: Empfohlene Mindestwerte für Reliabilitäts- und Validitätskriterien
Abb. 7: Häufigkeitsverteilung der Probanden bezüglich des Situationsverständnisses
Abb. 8: Interaktionsdiagramm der 2-faktoriellen Varianzanalyse für Affective Commitment
Abkürzungsverzeichnis
Kunden-werben-Kunden Kampagnen KWKK
Elaboration Likelihood Model ELM
Elaboration Likelihood EL
Word-of-Mouth WOM
1 Einleitung
„Kunden werben - 50€ kassieren!“, „Sie empfehlen - Wir belohnen!“, „Uns empfehlen und Prämien kassieren!“. Dies ist der aktuelle Weg zur Neukundenakquisition von E-Plus, Arcor und T- Mobile. Aber nicht nur diese Anbieter machen sich diese neue Art zu werben zu Nutze. Kaum ein Unternehmen nutzt sogenannte Kunden-werben-Kunden Kampagnen (KWKK) nicht. Aber woher stammt das aufgetretene Interesse an diesem neuen Marketingtool?
Der Einfluss produktbezogener Kommunikation auf Kaufprozesse, Kundenbindung und auch Kundenzufriedenheit ist in der Marketingforschung unumstritten (Arndt 1967; Wangenheim/Bayon 2004 a, b). Unter der Bezeichnung Word-of-Mouth (WOM) (Nießing 2007, S.19) ist sie seit vielen Jahren Gegenstand der Forschung (Dichter 1966; Sundaram/Mitra/Webster 1998; Richins 1983, 1984; East/Hammond/Wright 2007). Aus der traditionellen, persönlichen Kommunikation hat sich eine spezielle Form der WOM Kommunikation entwickelt, die Weiterempfehlung.
Auch Weiterempfehlungen haben in den letzten Jahren an Forschungsinteresse gewonnen (Markert 2008; Garnefeld 2008; Ryu/Feick 2007). Anlass dazu gibt die Tatsache, dass in der heutigen Zeit ein wachsender Werbe- und Kommunikationsdruck auf die Anbieter ausgeübt wird. Die Kunden sind einer Informationsüberflutung ausgesetzt, sie zeigen eine gesteigerte Wechselbereitschaft und das Spektrum an möglichen Kommunikationskanälen nimmt zu (Markert 2008, S.2; Kroeber- Riel/Weinberg 1999, S.615 f.; Nießing 2007, S.4). Es ist also notwendig, die Kunden über einen möglichst starken Kommunikationskanal zu erreichen. „A Word-of-Mouth recommendation is a strong, if not the strongest, ally a product can have.“ (Dichter 1966, S. 166). Dessen sind sich die Unternehmen heute zunehmend bewusst. Die Bedeutung von Weiterempfehlungen haben auch East et al. (2005, S.154) herausgearbeitet. So sagen sie, dass die meisten Kunden ihre Kaufentscheidung auf Basis einer Weiterempfehlung treffen und sich nur wenige an der traditionellen Werbung orientieren.
Weiterempfehlungen sind also ein wichtiges Marketingtool, das von den Unternehmen gemanagt werden sollte. Aus diesem Grund haben Firmen damit begonnen KWKK einzuführen. Diese Programme sind dadurch gekennzeichnet, dass die Unternehmen eine Prämie bereitstellen, wenn es nach einer Empfehlung zum Kauf seitens des Empfängers kommt (Nießing 2007, S.3). Bei der Prämie kann zwischen „Reward Me“, „Reward You“ und „Reward Both“ differenziert werden (Ryu/Feick 1 2007, S.89). In den meisten Fällen einer KWKK handelt es sich jedoch um „Reward Me“ Strukturen, bei denen der Sender der Weiterempfehlung die Prämie erhält. Es kommt also im Rahmen von KWKK dazu, dass sich der Sender opportunistisch verhalten kann, indem er eine Weiterempfehlung nur ausspricht um die Prämie zu erhalten. D.h., er empfiehlt den Anbieter auch dann weiter, wenn er selbst nicht vom ihm überzeugt ist.
Zwar gibt es in der Forschung erste Ansätze, die sich mit KWKK auseinandersetzen (Ryu/Feick 2007; Nießing 2007) und auch opportunistische Weiterempfehlungen wurden von Wangenheim (2005), im Rahmen einer Studie zu opportunistischer WOM, thematisiert. Dennoch ist, vermutlich aufgrund der Neuheit der Erscheinung, eine große Forschungslücke erkennbar. Die bestehenden Studien befassen sich darüber hinaus fast ausschließlich mit den Konsequenzen für den Sender (Wangenheim/Bayon/Weber 2002; Eggert/Helm/Garnefeld 2005; Wangenheim 2005). Der Empfänger und sein Verhalten bei opportunistischen Weiterempfehlungen spielen nur eine untergeordnete Rolle in der Literatur. Die vorliegende Arbeit setzt genau an diesem Punkt an. Im Rahmen einer empirischen Studie zu Weiterempfehlungen eines Mobilfunkanbieters sollen folgende Fragen geklärt werden:
Welchen Einfluss hat das Aufdecken opportunistischen Weiterempfehlungsverhaltens auf den Empfänger? Und, gibt es einen Moderator für diese Beziehung?
Da das Involvement - universell gesehen die wahrgenommene persönliche Bedeutung (Celsi/Olson 1988, S.11) eines Produktes - einen Einfluss auf die Kundenbindung ausübt (Suh/Yi 2006; Jaritz 2007; Petty/Cacioppo 1981), liegt es nahe, zu prüfen, welche Rolle das Involvement des Kunden in der Beziehung Opportunistische Weiterempfehlungen - Kundenbindung spielt.
Um diese Fragen zu beantworten, werden im Folgenden zunächst die notwendigen Grundlagen zur Untersuchung beschrieben, wobei die Begriffe Opportunistische Weiterempfehlungen, Kundenbindung und Involvement in Zusammenhang mit einem kurzen Literaturüberblick definiert werden. Aufbauend auf dieser Bestandsaufnahme wird ein theoretisches Modell zur Erklärung der Wirkung von opportunistischen Weiterempfehlungen auf den Empfänger aufgestellt. Dieses Modell bildet die Basis für die Ableitung der Hypothesen. Diese werden in einem weiteren Schritt im Rahmen einer empirischen Untersuchung überprüft. Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine Schlussbetrachtung, in der die Ergebnisse der Studie diskutiert werden und daraus folgende Implikationen für das Management von KWKK, sowie für weiterführende Studien, abgeleitet werden.
2 Grundlagen
2.1 Opportunistische Weiterempfehlungen
Aus der für diese Arbeit verwendeten Literatur geht keine eindeutige Definition für opportunistische Weiterempfehlungen hervor. Um eine Arbeitsdefinition des Begriffes für diese Arbeit erstellen zu können, bietet es sich an, den Begriff der opportunistischen Weiterempfehlungen aus dem Begriff der Weiterempfehlung (im Folgenden werden die Begriffe Kundenempfehlung und Empfehlung synonym dazu verwendet) und des Opportunismus zusammenzusetzen.
Wangenheim, Bayon und Weber (2002, S.181) definieren eine Weiterempfehlung als „informelle, mündliche Kommunikation von positiver, negativer oder neutraler Information über ein Unternehmen und/oder seine Leistung“. Vergleicht man diese Definition mit dem traditionellen Verständnis einer WOM Kommunikation, z.B. von Arndt (1967, S.291) „oral person-to-person communication between a receiver and a perceived non-commercial communicator concerning a brand, a product, or a service offered for sale“, wird jedoch deutlich, dass Wangenheim, Bayon und Webers Erklärung sich nicht viel von der einer traditionellen WOM Definition unterscheidet. In der Literatur gibt es unterschiedliche Definitionen einer Weiterempfehlung, die hinsichtlich verschiedener Merkmale und der Art ihrer Ausprägungen unterscheiden, wann es sich um eine Weiterempfehlung und nicht nur um eine WOM Kommunikation handelt. Abbildung 1 zeigt eine Übersicht der Merkmale, die sich in der Literatur etabliert haben (Markert 2008, S.7; Garnefeld 2008, S.11; Nießing, 2007, S.23). Eine Definition der Weiterempfehlungen kann aus verschiedenen Zusammensetzungen dieser Merkmale und ihren Ausprägungen bestehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Merkmale einer Weiterempfehlung und mögliche Ausprägungen
Quelle: In Anlehnung an Markert 2008, S.7; Garnefeld 2008, S.11; Nießing 2007, S.23
Markert (2008, S.8) beispielsweise sagt, dass während es sich bei einer WOM Kommunikation lediglich um einen informellen Informationsaustausch handelt, bei der Weiterempfehlung das Urteil in Verbindung mit einer expliziten oder impliziten Handlungsempfehlung essentiell ist. Dieser Aspekt ist in der Literatur jedoch strittig, wie die Definition von Weiterempfehlungen nach Wangenheim, Bayon und Weber (2002, S.181) bereits gezeigt hat. Ein weiteres Merkmal ist ein Differenzierungskriterium zur Abgrenzung der Weiterempfehlung von einer einfachen Empfehlung: die Produkterfahrung (Nießing 2007, S.21; Garnefeld 2008, S.11). Auch in dieser Hinsicht herrscht in der Literatur keine Einigkeit. Markert beispielsweise versteht Weiterempfehlung lediglich als eine persönliche, mündliche oder schriftliche Weitergabe der positiven Beurteilung eines Bezugsobjekts an andere Personen (Markert 2008, S.14). Diese Definition enthält aber die Notwendigkeit einer positiven Beurteilung des Bezugsobjekts. Diesen Standpunkt vertritt auch Nießing und sagt, dass eine aktive Weiterempfehlung implizit die Zufriedenheit des Senders voraussetzt (Nießing 2007, S.24). Bezüglich der Initiierung einer Weiterempfehlung gibt es zum einen die Möglichkeit, dass der Kunde selbst die Empfehlung initiiert, weil er zufrieden oder begeistert mit einem Unternehmen ist (Buttle 1998, S.245). Zum anderen kann eine Weiterempfehlung aber auch durch Anreize vom Anbieter ausgelöst werden. Aus der WOM Forschung geht hervor, dass es wichtig für die Akzeptanz einer Empfehlung ist, dass der Sender kein materielles Interesse hat (Dichter 1966, S.147) und somit geht auch Arndt (1967, S.291) von einem nicht-kommerziell interessierten Kommunikator aus. Buttle (1998, S.245) nimmt an, dass eine Weiterempfehlung sowohl anbieter- als auch kundeninitiiert sein kann. Im Rahmen einer KWKK ist es jedoch zwangsweise so, dass der Sender einen materiellen Anreiz hat, der vom Anbieter initiiert wurde. Bezüglich des Kommunikationskanals, eines weiteren Merkmals, ist es sinnvoll, Abstand von der Beschränkung auf eine mündliche Kommunikation zu nehmen und jedwede Art der Kommunikation in eine Definition der Kundenempfehlung einzuschließen (Buttle 1998, S.243).
Nießing (2007, S.24) nimmt an, dass „i.S. einer KWK-Kampagne (..) nur diejenigen Sender (...) Empfehlungen aussprechen, bei deren Informationsabgabe eine positive Valenz unterstellt werden kann.“ Da im Rahmen von KWKK versucht wird die Bestandskunden zur Abgabe einer Empfehlung durch eine Prämie im Erfolgsfall zu stimulieren (Biyagolorsky/Gerstner/Libai 2001, S.82), ist es aber wahrscheinlich, dass Kunden auch eine positive Bewertung über den Anbieter aussprechen, wenn sie selbst negativ zu ihm eingestellt sind. In diesem Zusammenhang kommt es zu opportunistischen Handlungen im Konsumentenverhalten. Opportunismus ist ein Begriff der Neuen Institutionenökonomik (Rippberger 1998) und besagt allgemein, dass Individuen versuchen ihren eigenen Nutzen zu maximieren (Picot/Dietl/Franck 2005, S.32) und dabei in Kauf nehmen, dass sie einem anderen Individuum Schaden zufügen (Picot/Dietl/Franck 2005, S.32; Williamson 1975, S.255). Williamson bezeichnet Opportunismus als „frailty of motive“ (Williamson 1993, S.97). Mit anderen Worten, das Motiv für eine bestimmte Handlung ist moralisch nicht korrekt. Der Sender hat eine Empfehlung über ein Produkt ausgesprochen, mit dem er selbst unzufrieden ist, um seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Somit impliziert Opportunismus „the failure to tell the truth, the whole truth and nothing but the truth“ (Williamson 1993, S.101). Diesen Aspekt beinhaltet auch die Definition von Wangenheim einer opportunistischen WOM Kommunikation, die als Lügen, Täuschen oder Zurückhaltung wichtiger Marktinformationen bezeichnet wird „in order to achieve an end when giving experience-based referral information to other consumers in the marketplace“ (Wangenheim 2005, S.2). Diese opportunistischen Handlungsweisen sind ein Problem, weil Informationsasymmetrien im Markt herrschen (Moschandreas 1997, S.41). Diese entstehen, weil die Marktakteure nicht alle den gleichen Informationsstand haben, bedingt durch eine nur begrenzte Informationsverarbeitungskapazität (Simon 1957, S. 198). Im Falle einer Weiterempfehlung bedeutet dies, dass der Empfänger nicht weiß warum der Sender die Empfehlung ausgesprochen hat.
Abb. 2 zeigt, welche Ausprägungen der einzelnen Merkmale einer Weiterempfehlung vorliegen müssen, damit eine opportunistische Weiterempfehlung vorliegt. Die Merkmale wurden um den Opportunismus erweitert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Merkmale und Ausprägungen einer opportunistischen Weiterempfehlung
Quelle: Eigene Darstellung
Zusammenfassend lässt sich also folgende Definition einer opportunistischen Weiterempfehlung für diese Arbeit ableiten:
„Eine opportunistische Weiterempfehlung ist die Täuschung einer Person oder das Zurückhalten wichtiger Marktinformationen durch jedwede Kommunikation zwischen einem Bestandskunden (Sender) und einem potenziellen Kunden (Empfänger), die eine positive Bewertung eines Anbieters und/oder seiner Leistungen sowie eine Handlungsempfehlung beinhaltet, wobei die Kommunikation vom Anbieter durch das Bereitstellen eines materiellen Anreizes für den Sender initiiert wurde.“
2.2 Das Konzept der Kundenbindung
Für das Konstrukt der Kundenbindung gibt es keine klar abgegrenzte Definition. Vielmehr lassen sich drei verschiedene Forschungsstränge ausmachen, wenn man einen Blick in die bestehende Literatur wirft.
1) Kundenbindung als „repeat purchasing“ (Ehrenberg 1988)
2) Kundenbindung als Einstellungsmerkma l des Konsumenten (Oliver 1999)
3) Zwei-dimensionale Sichtweise, die die ersten beiden Aspekte vereint (Day 1969; Dick/Basu 1994)
Die Forscher des ersten Strangs, „repeat purchasing“ verstehen unter einer Kundenbindung hauptsächlich eine Stammkundschaft im Sinne von wiederholtem Kauf (Uncles et al. 2003, S.295; Dick/Basu 1994, S.99) und somit als eine Folge wiederholter Zufriedenheit (Uncles et al. 2003, S.297). Diese Sichtweise ist in der Literatur am besten mit Daten gestützt, jedoch auch am kontroversesten diskutiert (Uncles et al. 2003, S.297). Der Grund hierfür ist, dass bei einer rein verhaltensbezogenen Sichtweise der Kundenbindung die Gefahr einer „Spurious Loyalty“ besteht (Day 1969, S.30). Dies bedeutet, dass der Kauf nicht durch eine starke Einstellung zum Produkt oder zum Anbieter geprägt ist, sondern durch situative Erfordernisse (Uncles et al. 2003, S.297). Der Kunde kauft eventuell nur wiederholt bei einem Anbieter, weil keine Alternativen verfügbar sind. Sobald sich dem Kunden aber Alternativen bieten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er dem Anbieter auch dann noch treu bleibt. Der verhaltensorientierte Forschungsstrang unternimmt keinen Versuch, die, einem wiederholten Kauf zugrunde liegenden, psychologischen Faktoren wirklich zu verstehen (Dick/Basu 1994, S.100; Oliver 1999, S.34). Es könnte also bei einer rein verhaltensbezogenen Betrachtung ein Eindruck von Loyalität entstehen, auch wenn diese gar nicht vorhanden ist, weil die Einstellung des Kunden unberücksichtigt bleibt. Für ein Unternehmen hätte dies zu Folge, dass es von loyalen Kunden ausgeht, die aber tatsächlich bei der nächstbesten Gelegenheit bereit sind den Anbieter zu wechseln.
Aus diesem Grund ergibt sich der zweite Forschungsstrang, „Kundenbindung als Einstellungsmerkmal“. Dieser sieht in der Kundenbindung hauptsächlich ein Einstellungsmerkmal des Kunden. Ein Wandel zu dieser Definition wurde bereits 1978 von Jacoby und Chestnut konstatiert: „from an overly behavioral macro approach, it is gradually making the transition to a more micro understanding of the cognitive mechanisms underlying choice behavior“ (S.31 f.). Eine sehr universelle Definition für die Kundenbindung als Einstellungsmerkmal geben Gerpott, Rams und Schindler (2001, S.264). Sie verstehen Kundenbindung als eine positive Wahrnehmung des Anbieters oder eines Produkts. Ein differenzierteres Verständnis hat Oliver (1999, S.392). Er bezeichnet Kundenbindung als eine Art innere Festlegung seitens des Kunden auf den Wiederkauf oder die Beibehaltung einer Beziehung mit dem Anbieter sowie die Unterstützung des Anbieters in der Zukunft. Auch Garnefeld schlägt eine einstellungsbasierte Operationalisierung der Kundenbindung vor. Kundenbindung ist demnach ein „innerer Bindungszustand des Kunden, der sich aus zwei generischen Zuständen zusammensetzt: Verbundenheit und Gebundenheit.“ (Garnefeld 2008, S.45). Verbundenheit besteht, wenn die Bindung an den Anbieter freiwilliger Natur ist, d.h. der Kunde ist gebunden, weil er zufrieden mit dem Anbieter ist und weiterhin Kunde bleiben möchte. Verbundenheit geht meist von einem uneingeschränkt freien Kunden aus und kann vom Unternehmen durch eine Steigerung der Kundenzufriedenheit und des Vertrauens gemanagt werden (Bliemel/Eggert 1998, S.44). Gebundenheit entsteht nach Garnefeld (2008, S.45), wenn eine Bindung erzwungen wird, sei es durch Wechselbarrieren oder durch fehlende Alternativen. Im Gegensatz zur Verbundenheit geht die Gebundenheit vom Anbieter aus, indem er Wechselbarrieren errichtet und den Konsumenten somit in seiner Wahlfreiheit einschränkt (Bliemel/Eggert 1998, S.44). Für ein Unternehmen bedeutet Verbundenheit, dass die Konsumenten eine starke innere Bindung haben, während die Gebundenheitskomponente der Kundenbindung nur aufrecht erhalten werden kann solange es Wechselbarrieren gibt. Das Problem bei der einstellungsorientierten Sichtweise einer Kundenbindung ist jedoch, dass es durchaus möglich ist, dass eine Person eine positive Einstellung hat aber das Produkt mehrmals trotzdem nicht kauft (Dick/Basu 1994, S.101). Dick und Basu (1994, S.102) sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Latent Loyalty“. Sie kann beispielsweise auftreten, wenn die Verkaufsbedingungen viele situative oder normative Einflüsse auf die Konsumenten ausüben (Dick/Basu 1994, S.100). So kann es vorkommen, dass eine Frau eine positive Einstellung gegenüber einem Kleidungsgeschäft hat, aber dennoch auch woanders kauft, weil ihre beste Freundin diesen Laden bevorzugt.
Es ist daher von mehreren Forschern als relevant angesehen worden, dass sowohl die verhaltensorientierte als auch die einstellungsorientierte Sichtweise zur Konzeptualisierung der Kundenbindung betrachtet werden (Dick/Basu 1994; Day 1969; Russell-Bennett et al. 2007). Dieses „ zweidimensionale Konstrukt“ der Loyalität, welches die Verhaltenskomponente ein-, eine „Spurious Loyalty“ aber ausschließt, wurde bereits 1969 von Day konzeptualisiert. Jaritz (2007, S.31) sagt, Kundenbindung drückt sich in einer positiven Einstellung in Verbindung mit der Bereitschaft zu zukünftigen Transaktionen aus. Auch Russell-Bennett unterscheiden in ihren Ausführungen zwei Komponenten der Loyalität:
a) Einstellungsbezogene Prädisposition: besteht aus der Bindung zu einer Marke und der Intention, die Marke wieder zu kaufen.
b) Verhaltenskomponente: definiert als Wiederholungskauf einer Marke, der sich in einer Konstellation aus andauernder Gunst und eigentlichem Kaufverhalten offenbart (Russell-Bennett et al. 2007, S.1254 f.).
Im Rahmen dieser Arbeit soll eine Definition von Kundenbindung angewandt werden, die das Hauptaugenmerk auf die einstellungsorientierte Sichtweise legt, den Verhaltensaspekt jedoch in Form einer Verhaltens absicht nicht vernachlässigt. Demnach wird Kundenbindung in Anlehnung an Ganesh et al. (2000, S.83) und Oliver (1999, S.392) definiert als „Innere Einstellung des Konsumenten, die sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: der aktiven Loyalität und der passiven Loyalität.“ Die aktive Loyalität bezieht sich hierbei auf "the proactive behaviours or behavioural intentions that require conscious or deliberate effort to undertake" (Ganesh et al. 2000, S. 83) und beinhaltet die Bereitschaft weiterhin bei einem Anbieter zu bleiben sowie die Verstärkung der Entscheidung. Passive Loyalität ist das reaktive Verhalten bzw. die verhaltensbezogenen Absichten, wie z.B. die Empfindlichkeit gegenüber Preisänderungen oder gestiegene Wettbewerbsfähigkeit. Sie wird stark durch wahrgenommene Wechselkosten beeinflusst, die für die aktive Loyalität keine Rolle spielen.
2.3 Das Involvement Konstrukt
Das Involvement ist ein zentrales Konstrukt im Konsumentenverhalten. Trommsdorff spricht sogar von einem „Schlüsselkonstrukt der Marketingforschung“ (Trommsdorff 1989, S.40). Besonders häufig wurde in der Vergangenheit seine Wirkung auf diverse Aspekte des Konsumentenverhaltens, wie z.B. die Informationsverarbeitung (Petty/Cacioppo 1986; Celsi/Olson 1988; Krugmann 1965), die Einstellungsbildung (Petty/Cacioppo/Schumann 1983) und auch die Kundenbindung (Jaritz 2007; Beatty/Kahle/Homer 1988) untersucht (Trommsdorff 1989, S. 41). Es existieren weiterhin verschiedene Ansätze einen angemessenen Forschungsrahmen und zuverlässige Messinstrumente für dieses Konstrukt zu erstellen (Laurent/Kapferer 1985; Zaichkowsky 1985 und 1986). Eine einheitliche Definition oder Unterteilung verschiedener Ausprägungen des Involvement gibt es jedoch nicht.
Viele Autoren bezeichnen das Involvement universell als „perceived personal relevance“ (Cel- si/Olson 1988, S.11) (Petty/Cacioppo 1981, S.20; Russell-Bennett et al. 2007, S.1255; Zaichkowsky 1986, S.342). Für eine differenziertere Definition in dieser Arbeit soll die Unterteilung des Involvement, hinsichtlich der Fristigkeit, grundlegend sein. Diese Unterteilung in Enduring Involvement und Situatives Involvement findet sich in der Literatur (Richins/Bloch 1991; Richins 1984) und wird im linken Teil der Abbildung 3 illustriert. Die Begriffe Enduring Involvement und Situatives Involvement können mit den Begriffen Produktinvolvement und Kaufinvolvement gleichgesetzt werden (Mittal/Lee 1989, S.365; Zaichkowsky 1985, S.341) und werden im Folgenden auch synonym verwendet. Obwohl Kaufinvolvement und Produktinvolvement beide einen Zustand von Erregung oder Produktinteresse hervorrufen, differieren sie in ihrer Motivation und im zeitlichen Auftreten (Richins/Bloch 1986, S.280).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Situatives Involvement bezeichnet das vorübergehende Interesse an einem Produkt oder einem Thema, das durch eine bestimmte Situation hervorgerufen wird (Laurent/Kapferer 1985, S.42; Ri- chins/Bloch 1986, S.280). Enduring Involvement hingegen bezieht sich auf das dauerhafte Interesse, das eine Person an einer Produktkategorie hat und es existiert unabhängig von einem Kauf (Ri- chins/Bloch 1986, S.280). Das Enduring Involvement stammt aus der Überzeugung, dass die Produktklasse bestimmte Werte und Ziele widerspiegelt (Mittal/Lee 1989, S.365; Laurent/Kapferer 1985, S.42). Ein relevantes Merkmal des Produktinvolvement ist, dass es sich hierbei um eine stabile Eigenschaft handelt, die sich nur über eine lange Zeit hinweg verändert (Richins/Bloch 1986, S.281). Zusammenfassend kann man sagen, dass das situative Involvement nur in Kaufentscheidungen auftritt und dann ein erhöhtes Interesse am Produkt hervorruft. So wird eine Person sich mehr für Handys interessieren, wenn ihr Vertrag ausläuft. Enduring Involvement hingegen ist ein dauerhaftes, stabiles Interesse an einer Produktkategorie, das sich nur über eine lange Zeit hinweg verändert. Mittal und Lee (1989, S.365 f.) konstatieren im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Produkt- und Kaufinvolvement, dass das Produktinvolvement immer ein Vorläufer für das situative Involvement ist. Letzteres ist aber nicht immer mit Enduring Involvement verbunden. Von dieser Feststellung ausgehend, und weil für die Kundenbindung die dauerhafte Einstellung eine Rolle spielt, werden sich die folgenden Ausführungen sowie die empirische Untersuchung auf das Produktinvolvement konzentrieren und das situative Involvement vernachlässigen.
Eine passende, auf die Merkmale des Produktinvolvement ausgerichtete, Definition für diese Arbeit stammt von Zaichkowsky (1985, S.342). Demnach ist Involvement “a person’s perceived relevance of the object based on inherent needs, values and interests. “ Wangenheim und Bayon bezeichnen Produktinvolvement, ähnlich dieser Definition, als den Grad zu dem eine Person ein Produkt als persönlich relevant empfindet (Wangenheim/Bayon 2007, S.236).
Abbildung 3 weist neben der Fristigkeit noch eine weitere Differenzierung auf, die hinsichtlich des Involvement im Rahmen dieser Arbeit getroffen werden muss: die Unterscheidung nach der Intensität des Involvement (Jaritz 2007, S.21), mit anderen Worten, in hohes (High) Involvement und niedriges (Low) Involvement. Diese Unterteilung liegt auch der empirischen Studie in Kapitel 4 dieser Arbeit zu Grunde.
High Involvement Situationen sind mit starken Emotionen verbunden (Kroeber-Riel/Weinberg 1999, S.360). Das Individuum ist in diesem Fall bereit, sich zu engagieren, sich kognitiv und auch emotional mit dem Kauf auseinander zu setzen. Darüber hinaus haben Konsumenten mit hohem Involvement ein breit gefasstes Produktwissen. Sie kennen sich gut mit dem Produkt aus und werden aus diesem Grund bessere Kaufentscheidungen treffen als andere Konsumenten (Oli- ver/Bearden 1983, S.250; Russell-Bennett et al., S.1255). Auch Richins (1984, S.700) zeigt in ihrer Arbeit auf, dass Kunden mit einem hohen Involvement ein breiteres Wissen über eine bestimmte Produktkategorie haben und sich, darüber hinaus, durch weniger aussagekräftige Empfehlungen nicht überzeugen lassen. Ein weiteres Merkmal eines Konsumenten mit hohem Involvement ist, dass er mehr Zeit damit verbringt nach Kaufinformationen zu suchen, um die für sich richtige Wahl zu treffen (Suh/Yi 2006, S.146).
Niedriges Involvement ist der entgegengesetzte Pol zu hohem Involvement. Trommsdorff (1989, S.42) gibt in seinem Werk einige Merkmale für Low Involvement Situationen an. Zunächst findet bei Konsumenten mit Low Involvement keine aktive Informationssuche statt, sondern die Konsumenten sind den Informationen i.d.R. passiv ausgesetzt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Werbung im Kino gezeigt wird oder am Einkaufswagen befestigt ist. Darüber hinaus findet bei Low Involvement keine Bewertung der Marken vor dem Kauf statt, sondern erst danach. Weiterhin gibt es viele Alternativen, die nur anhand weniger Merkmale ausgewählt werden. Der soziale Einfluss in Situationen mit einem niedrigen Involvement ist gering und ein letzter Aspekt ist, dass es das Ziel beim Kauf unter Low Involvement ist das Anspruchsniveau zu erreichen. Daher ist, anders als bei High Involvement Käufen, eine Optimierung der Entscheidung nicht notwendig. Wie diese Merkmale nach Trommsdorff zeigen, werden die Entscheidungen nicht involvierter Kunden auf Basis anderer Faktoren getroffen als die Entscheidungen involvierter Konsumenten. Während Letztere basierend auf den zur Verfügung stehenden Informationen ihre Wahl treffen, ziehen zuerst Genannte lediglich nicht-inhaltsbezogene Aspekte, wie die Attraktivität der Informationsquelle oder die Anzahl der Befürworter einer Alternative, zur Entscheidung heran (Petty/Cacioppo 1981, S.20).
Bei der Unterscheidung zwischen High und Low Involvement sollte man bedenken, dass es nicht nur diese zwei Ausprägungen gibt. Hohes Involvement wird man im Konsumentenverhalten nur sehr selten antreffen (Richins/Bloch 1991, S.146). Beim Kauf einer Zahnpasta z.B. werden sich die meisten Konsumenten keine großen Gedanken über die Richtigkeit ihrer Wahl machen. Aber auch sehr niedriges Involvement wird man nur selten erleben, bedenkt man, dass das Produkt unter diesen Umständen für den Konsumenten fast unwichtig ist. Daher sollte man die Intensität des Invol- vement auf einem Kontinuum betrachten, bei dem High und Low Involvement jeweils einen der gegensätzlichen Pole darstellen (Jaritz 2007, S.24-25). Siehe hierzu auch Abbildung 3.
3 Modellentwicklung
3.1 Theorien
3.1.1 Die Theorie der Kognitiven Dissonanz
Die Theorie der kognitiven Dissonanz stammt aus der Psychologie. Sie ist zurückzuführen auf Leon Festinger (1978) und hat einen weitgefassten Anwendungsbereich, der auch das Konsumentenverhalten mit einschließt (Raffée/Sauter/Silberer 1973; Bawa/Kansal 2008, S.33; Jermias 2001; Mitt- lestaedt 1969).
Die Grundannahme der kognitiven Dissonanztheorie ist das vom Individuum angestrebte Gleichgewicht des kognitiven Systems (Festinger 1978, S.3; Nießing 2007, S.69, Raffée/Sauter/Silberer 1973, S.12-15). Anders ausgedrückt: die Menschen versuchen sich selbst und anderen gegenüber plausibel zu handeln, d.h. sie müssen sicherstellen, dass ihr Verhalten konsistent mit ihren Kognitionen gegenüber einem Bezugsobjekt ist. Der Begriff Kognition beschreibt die Gesamtheit kognitiver Elemente, wie z.B. Kenntnisse, Meinungen oder Annahmen über die Umwelt, über sich selbst und über sein eigenes Verhalten (Festinger 1978, S.17). Gemäß Festinger (1978, S17) ist eine Dissonanz „das Bestehen von nicht zueinander passenden Beziehungen zwischen Kognitionen“. Mit anderen Worten: eine Dissonanz tritt immer dann auf, wenn einzelne kognitive Elemente einer Person nicht übereinstimmen bzw. sich widersprechen (Raffée/Sauter/Silberer 1973, S.13). Dies ist beispielsweise der Fall bei einem Familienvater, der in seiner Freizeit Fallschirm springt, obwohl er weiß, dass dieses Hobby gefährlich ist und er eine große Verantwortung gegenüber seiner Familie hat. Oliver definiert kognitive Dissonanz als eine Art „inconsistency-induced psychological discom- fort“ (Oliver 1997, S.247), also ein seelisches Unbehagen, durch Inkonsistenz der Kognitionen hervorgerufen. Auch Raffée/Sauter/Silberer (1973, S.41) definieren kognitive Dissonanz als eine “als unbequem empfundene psychische Spannung aufgrund eines psycho-logischen Widerspruchs zwischen füreinander relevanten und gleichzeitig resistenten Kognitionen.“ Relevant bedeutet, dass die Kognitionen miteinander zusammen hängen. Dies ist beispielsweise der Fall bei „Ich rauche“ und „Rauchen ist schädlich“, nicht aber bei „Ich rauche“ und „In Rom regnet es“.
Kognitive Dissonanzen treten bei Konsumentscheidungen regelmäßig auf (Wangen- heim,/Bayon/Weber 2002, S.183; Raffée/Sauter/Silberer 1973, S.18; Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S.125). Warum dies der Fall ist wird in den folgenden Ausführungen in Anlehnung an Fest- inger (1978, S.44-47) erklärt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Grund für kognitive Dissonanzen bei Käufen ist, dass Konsumenten sich i.d.R. zwischen zwei oder mehreren Produkten entscheiden müssen. Im Falle einer Entscheidung zwischen Alternative A und B (siehe Abb. 4) ist es so, dass es immer einige kognitive Elemente geben wird, die Alternative A bevorzugen (Netz und Preis als wichtigste Kriterien für die Auswahl), aber auch immer einige kognitive Elemente, die Alternative B den Vorzug geben würden (denn hier ist der Service besser). Die Konsequenz daraus ist, dass all die Elemente, die, für sich allein genommen, zur Wahl einer anderen Alternative als der Gewählten führen (in Abb. 4 also der Service), automatisch inkonsistent sind mit den kognitiven Elementen der gewählten Alternative. Einfach ausgedrückt kann man sagen, dass das Problem bei einer Entscheidung darin besteht, dass man schlichtweg nicht alles haben kann. Jede Alternative hat positive und negative Aspekte und es ist für einen Konsumenten nicht möglich alle positiven Aspekte zu bekommen und gleichzeitig alle negativen Aspekte zu vermeiden. Warum Dissonanzen bei Käufen auftreten haben auch Nießing (2007) und Oliver (1997) beschrieben. Nießing (2007, S.70) konstatiert, dass Individuen bei generellen Produktunsicherheiten nach einem Produktkauf, bei Unsicherheiten über die Folgen des Verzichts auf Alternativen oder bei unbefriedigenden eigenen bzw. fremden Konsumerfahrungen kognitiven Ungleichgewichten ausgesetzt sein können. Auch Oliver sagt, dass Dissonanz die Unsicherheit über die Richtigkeit einer Entscheidung, deren Konsequenzen unbekannt für den Konsumenten sind, beinhaltet. (Oliver 1997, S.247). Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Konsumenten, nachdem sie eine Kauf- entscheidung getroffen haben, eine Nachkaufdissonanz verspüren, die ihre Bedenken ausdrückt, die falsche Wahl getroffen zu haben. Oliver (1997, S.239) spricht in diesem Zusammenhang von „kalten Füßen“ (Oliver 1997, S.239), die ein Konsument nach einer Entscheidung bekommt.
Als nächstes stellt sich die Frage, welche Faktoren die Stärke einer Dissonanz beeinflussen. Festin- ger definiert in seinem Werk drei Variablen, die das Ausmaß der auftretenden Dissonanz nach Entscheidungen beeinflussen (Festinger 1957, S.47-52):
a) Wichtigkeit der Entscheidung: Wenn man alle anderen Einflussfaktoren als gleich voraussetzt, dann wird die Dissonanz umso größer sein, je wichtiger die Entscheidung für das Individuum ist.
b) Relative Attraktivität der nicht gewählten Alternative: Im Falle einer Dissonanz besitzt das Individuum noch kognitive Elemente, die, für sich genommen, zu einer anderen Wahl führen würden. Diese Elemente lassen sich als die wünschenswerten Eigenschaften der nicht gewählten Alternative und die schlechten Eigenschaften der gewählten Alternative charakterisieren. Es ist somit klar, dass je relativ attraktiver diese Alternative ist, desto größer wird der Anteil der Elemente sein, die dissonant mit der Entscheidung sind.
c) Grad der kognitiven Überlappung: Der Grad an kognitiver Überlappung ist hoch, wenn viele Elemente der einen Alternative ähnlich den Elementen der anderen Alternative sind. D.h., dass die Produkte oder Dienstleistungen viele ähnliche Eigenschaften aufweisen. Je ähnlicher sich nun zwei Alternativen sind, desto geringer wird die kognitive Dissonanz sein.
Die Wichtigkeit der Entscheidung wurde auch in der nach Festinger folgenden Literatur mehrfach als eine Determinante der Dissonanz genannt. So sagt z.B. Oliver (1997, S.253) „it should be clear that major purchase decisions (...) most reliably possess the conditions for dissonance”. Auch Cummings und Venkatesan (1976, S.306) sehen in diesem Aspekt einen wichtigen Vorläufer für das Auftreten einer Dissonanz. Zwei weitere Determinanten, die Cummings und Venkatesan (1976, S.306) und Wangenheim und Bayon (2004a, S.213) als entscheidend für das Auftreten einer Dissonanz sehen, sind die Unwiderruflichkeit der Entscheidung und die persönliche Verantwortung für die Entscheidung. Die Bedeutung der Unwiderruflichkeit der Entscheidung wird klar, wenn man bedenkt, dass eine Dissonanz erst auftritt, wenn man eine Entscheidung getroffen hat und nicht mehr alles haben kann. Oliver (1997, S.251) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass die Entscheidung zu dem Zeitpunkt einer Dissonanz „Geschichte“ ist und die Konsumenten mit den positiven, aber auch mit den negativen Konsequenzen leben müssen. Die persönliche Verantwortung ist wichtig, da eine kognitive Dissonanz nur entsteht, wenn man nicht die Möglichkeit hat die Verantwortung für die Entscheidung auf eine andere Person zu übertragen (Wangenheim/Bayon 2004a, S.213). Eine Zusammenfassung der relevanten dissonanzverstärkenden Faktoren, die in dieser Arbeit beschrieben wurden, ist in Abbildung 5 dargestellt.
Die Folge einer kognitiven Dissonanz ist der Druck, konsonante Beziehungen zwischen den Elementen der Kognitionen und eine kognitive Harmonie wiederherzustellen (Festinger 1978, S.52; Raffée/Sauter/Silberer 1973, S.14). Aus diesem Grund muss das betroffene Individuum bzw. der betroffene Konsument Maßnahmen treffen, die ihm dabei helfen, die Dissonanz zu reduzieren. In der Literatur gibt es hierzu verschiedene Ansätze.
Festinger beispielsweise orientiert sich an drei grundlegenden Möglichkeiten (Festinger, 1957, S.52-56).
a) Die Entscheidung ändern oder zurücknehmen. Eine Person kann bei einer Dissonanz ent weder die Entscheidung rückgängig machen oder psychologisch zurücknehmen. Letzteres beinhaltet z.B., eine falsche Wahl zuzugeben oder aber zu behaupten, dass man für die Entscheidung nicht verantwortlich war.
b) Kognitionen über die Alternativen ändern indem entweder dissonante Aspekte eliminiert oder konsonante (passende) Aspekte hinzugefügt werden. In letzterem Fall könnte der fallschirmspringende Familienvater z.B. sagen, dass er nach dem Fallschirmspringen ausgeglichener und erholt ist und dann auch wieder besser für die Familie da sein kann.
c) Kognitive Überschneidungen zwischen zwei Alternativen herstellen, d.h. einzelne Elemente der Alternativen werden in einen Kontext eingefügt, indem sie beide das gleiche Resultat liefern. So könnte sich eine Person, die sich zwischen Schwimmen oder Radfahren entscheiden muss, bewusst machen, dass beides Möglichkeiten der sportlichen Betätigung sind.
Im Wesentlichen gehen auch Raffée/Sauter/Silberer (1973, S.14 f.) von den genannten Möglichkeiten zur Dissonanzreduzierung aus. Eine weiterführende Möglichkeit der Reduzierung von kognitiven Dissonanzen liefert Oliver: das Leugnen der Wahrheit (Oliver 1997, S.254) oder anders gesagt, die „Verdrängung von Informationen“ (Nießing 2007, S. 71). Sie ist eine Form der Änderung von Kognitionen, d.h. der Eliminierung dissonanter Kognitionen (Raffée/Sauter/Silberer 1973, S.15). Abbildung 5 zeigt eine Zusammenfassung der Einflussfaktoren auf die kognitive Dissonanz und der Möglichkeiten zur Reduzierung, so wie sie im Rahmen dieser Arbeit von Bedeutung sind.
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3.1.2 Das Elaboration Likelihood Model
Das Elaboration Likelihood Model (ELM) ist eine Theorie, die den Prozess der Informationsverarbeitung unter den verschiedenen Aspekten des Low und High Involvement (Lee, Park, Han 2008, S.344) fokussiert und ist zurückzuführen auf Petty und Cacioppo (1981, 1986). Der Begriff Elaboration Likelihood (EL) bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit mit der ein Individuum sich eingehend mit produktbezogenen Informationen beschäftigt (Petty/Cacioppo 1986, S. 674). Die EL beschreibt, wie wahrscheinlich ein Individuum sich mit einer Entscheidung intensiv auseinandersetzt und dabei alle relevanten Informationen mit einbezieht.
Auf Basis des ELM wird grundsätzlich in zwei verschiedene Wege der Informationsverarbeitung unterschieden: die Hauptstraße (Central bzw. zentrale Route) und die Peripheriestraße (Peripheral bzw. periphere Route) zur Persuasion. Der Begriff der Persuasion bezeichnet das Ziel der Einstellungsänderung (Solomon/Bamossy/Askegaard 2001, S.180). Die Hauptstraße stellt den Informationsverarbeitungsprozess bei einer hohen EL dar, während die Peripheriestraße eingeschlagen wird, wenn die EL niedrig ist (Petty/Cacioppo 1986, S.674). Wodurch die Central bzw. die Peripheral Route zur Persuasion gekennzeichnet sind und welchen Einfluss das Involvement darauf hat, welche Route vom Individuum eingeschlagen wird, wird im Folgenden erläutert.
Die zentrale Route führt zu Einstellungsänderungen, die aus der sorgsamen Berücksichtigung von Informationen, die eine Person wichtig für die Festlegung der wahren Vorzüge einer bestimmten Einstellungshaltung findet, resultieren (Petty, Cacioppo/Schuhmann 1983, S.135). Generell kann man sagen, dass jemand, der eine hohe EL aufweist, dazu tendiert, die meisten - oder sogar alle - 16 verfügbaren Informationen in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Konsumenten mit hoher EL sind motivierter die kognitiven Anstrengungen, die zur Evaluation der wahren Vorzüge einer Sache oder eines Produkts notwendig sind, auf sich zu nehmen (Lee/Park/Han 2008, S.344). Petty und Cacioppo (1986, S.673) sprechen in ihren Ausführungen von folgenden Konsequenzen einer hohen EL für die Informationsverarbeitung: Konsumenten mit einer hohen EL neigen dazu,.
a) sich des Appells anzunehmen. Anders ausgedrückt, sie werden eine Botschaft aufnehmen und sie verarbeiten und nicht ignorieren.
b) zu versuchen, relevante Assoziationen, Bilder und Erfahrungen aus dem Gedächtnis her vorzurufen. D.h. sie strengen sich an, die persuasive Botschaft mit bereits vorhandenem Wissen zu verknüpfen.
c) die extern zur Verfügung gestellten Botschaftsargumente sorgfältig zu untersuchen und auszuarbeiten.
d) Schlüsse bezüglich der Logik der Argumente für eine Empfehlung, basierend auf einer Analyse der Informationen, zu ziehen, die sie aus dem Appell gezogen bzw. aus dem Gedächtnis hervorgerufen haben. Mit anderen Worten: die Konsumenten vergleichen ihre Erinnerungen mit den Informationen aus dem Botschaftsappell und entscheiden dann, ob die Botschaft relevante Argumente enthält oder nicht.
e) als Konsequenz aus den zuvor genannten Anstrengungen eine allgemeine Evaluation zu treffen und eine Einstellung zur Empfehlung anzunehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Individuen mit einer hohen EL sich intensiver und sorgfältiger mit einer persuasiven Botschaft auseinandersetzen und erst nach einer gründlichen Untersuchung eine Bewertung durchführen und eine entsprechende Haltung annehmen. Eine kognitive Verarbeitung der Informationen ist das Hauptmerkmal der zentralen Route (Jaritz 2007, S.73).
Ist die EL eines Konsumenten jedoch niedrig, wird er die Peripheriestraße einschlagen um die Informationen einer Botschaft zu verarbeiten. Periphere Stimuli, die dem Individuum in dieser Situation Hilfestellung bei der Entscheidung bzw. Bewertung der Argumente einer persuasiven Botschaft geben, sind beispielsweise die Attraktivität der Botschaftsquelle, die Glaubwürdigkeit der Quelle oder einfach die Anzahl der Argumente (z.B. je mehr Argumente es gibt, desto besser ist das Produkt) (Lee/Park/Han 2008, S.344). Petty, Cacioppo und Schumann (1983, S.135) sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass Einstellungsänderungen mittels der peripheren Route „occur because the attitude issue or object is associated with positive or negative cues - or because a person makes a simple inference about the merits of the advocated position based on various simple cues in the persuasion context.“
Man kann somit sagen, dass die Einstellungsänderung bei niedrigem EL nicht durch die sorgfältige Verarbeitung der Botschaftsinformationen vollzogen wird, sondern über sogenannte Entscheidungsheuristiken. Solche Entscheidungsheuristiken können als „geistige Eselsbrücken“ gesehen werden und vereinfachen die Bewertung verschiedener Informationen (Solo- mon/Bamossy/Askegaard 201, S.277). Schließlich kann der Konsument nicht für jedes Produkt, das er kauft, einen aufwändigen kognitiven Verarbeitungsprozess durchlaufen. Das würde ihn zu viel Zeit kosten. Ein Beispiel für eine Entscheidungsheuristik ist „Teure Marken haben auch eine gute Qualität “ oder „Ich kaufe den Weichspüler, den meine Großmutter schon immer benutzt hat, der wird wohl gut sein“. Die Verarbeitung von Informationen unter niedrigem Involvement erfolgt demnach affektiv (Jaritz 2007, S.73).
Das Involvement spielt nun insofern eine Rolle, als dass die Intensität des Involvement die Art der Informationsverarbeitung über die zentrale oder die periphere Route (kognitiv oder affektiv) (Jaritz 2007, S.73) bestimmt. Es wird angenommen, dass Low Involvement Kunden ihre Einstellung über die periphere Route bilden und High Involvement Kunden über die zentrale Route (Pet- ty/Cacioppo1981, S.20).
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- Arbeit zitieren
- Daria Gerke (Autor:in), 2009, Kunden-werben-Kunden Kampagnen. Der Einfluss von opportunistischen Weiterempfehlungen auf den Empfänger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/903468
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