Meine Abschlussarbeit im Fach Germanistische Sprachwissenschaft habe ich der indirekten Rede (oratio obliqua) gewidmet. Titel der Arbeit: Die indirekte Rede im Sprachvergleich: Deutsch - Französisch - Englisch - Spanisch - Altgriechisch.
Je intensiver man sich mit der Grammatik einer Sprache beschäftigt, desto faszinierender wird sie. Schnell erkennt man beim Erlernen mehrerer Sprachen Analogien und Divergenzen zwischen ihnen und kann so jede neu dazukommende Sprache noch leichter lernen. Ein mikroskopischer Vergleich grammatischer Strukturen macht indogermanische Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den einzelnen Sprachen besonders deutlich und zeigt auf, dass beispielsweise das Altgriechische (das klassische Attisch) mit dem Deutschen mehr gemeinsam hat, als wohl die meisten Menschen denken würden.
Meine Arbeit fördert diese Erkenntnisse anschaulich zu Tage. Doch auch die anderen untersuchten Sprachen zeigen untereinander Analogien auf, die sie vom Deutschen und Altgriechischen eindeutig unterscheiden. Macht man sich diese Analogien einmal klar, ist es ein leichtes, eine dieser für Europa und die ganze Welt so wichtigen Sprachen zu erlernen. Es ist nicht schwer, die Grammatik als Grundgerüst einer Sprache zu begreifen und dieses dann mit Wörtern zu füllen. Gleichzeitig ist es eine unerlässliche Notwendigkeit, ohne die man über ein paar Begrüßungsfloskeln nicht hinaus kommt.
Des weiteren stellt die korrekte Umsetzung der indirekten Rede ein unerlässliches Werkzeug für jeden Journalisten, Übersetzer, Historiker und Sprachwissenschaftler dar, für diejenigen also, die häufig mit fremden Quellen umgehen und aus ihnen zitieren müssen. Auch aus diesem sehr an der Praxis orientierten Grund lohnt es sich, die Regeln der oratio obliqua genau zu studieren. Lernt man eine Fremdsprache, stellt die korrekte indirekte Wiedergabe eine häufige Fehlerquelle dar.
Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich das Deutsche hierzu eines eigenen Modus (des Konjunktivs) bedient, während die meisten anderen Sprachen auf eine indikativische Tempusform zurückgreifen.
Diese Arbeit stellt schwerpunktmäßig keinen Vergleich des Konjunktivs dar, sondern einen Vergleich der indirekten Rede, für die man eben im Deutschen zufälligerweise den Konjunktiv benutzt. Der Vergleich beschränkt sich auf die ‚reine’ oratio obliqua mit redeeinleitendem verbum dicendi.
Inhalt
1. Einleitung
2. Vorbemerkungen zur indirekten Rede im Deutschen
3. Die Zeitenfolge
3.1 Die Zeitenfolge im Deutschen
3.2 Die Zeitenfolge im Französischen
3.3 Die Zeitenfolge im Spanischen
3.4 Die Zeitenfolge im Englischen
3.5 Die Zeitenfolge im Altgriechischen
4. Personen-, Orts- und Zeitangaben
4.1 Personenverschiebungen
4.2 Verschiebung von Orts- und Zeitangaben
5. Der subjonctif in der indirekten Rede
6. Der subjuntivo in der indirekten Rede
7. Der subjunctive in der indirekten Rede
8. Zusammenfassung
9. Schlussbemerkung
10. Die Füchsin und der Bock im Brunnen (Aesop)
11. Bibliographie
1. Einleitung
Für die vorliegende Bachelorarbeit im Fach Germanistische Sprachwissenschaft habe ich mir als Sprachvergleichsthema die indirekte Rede ausgesucht. Warum ein Sprachvergleich über die indirekte Rede?
Dieses Thema bietet sich insofern an, als es als grammatische Einheit klar von anderen Themen abzugrenzen und dennoch so komplex ist, dass man an ihm wichtige und interessante Eigenheiten der verschiedenen Sprachen studieren kann. Zumeist wird die indirekte Rede am Ende einer Grammatik vorgestellt, weil sämtliche Tempora und Modi der Sprache bekannt sein müssen, die Formenlehre also abgeschlossen ist. Des Weiteren stellt die korrekte Umsetzung der indirekten Rede ein unerlässliches Werkzeug für Journalisten, Historiker und Sprachwissenschaftler dar, für diejenigen also, die häufig mit fremden Quellen umgehen und aus ihnen zitieren müssen. Auch aus diesem sehr an der Praxis orientierten Grund lohnt es sich, die Regeln der oratio obliqua genau zu studieren.
Lernt man eine Fremdsprache, stellt die korrekte indirekte Wiedergabe eine häufige Fehlerquelle dar. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sich das Deutsche hierzu eines eigenen Modus (des Konjunktivs) bedient, während die meisten anderen Sprachen auf eine indikativische Tempusform zurückgreifen. Diese Arbeit stellt schwerpunktmäßig keinen Vergleich des Konjunktivs dar, sondern einen Vergleich der indirekten Rede, für die man eben im Deutschen zufälligerweise den Konjunktiv benutzt. Der Vergleich beschränkt sich auf die ‚reine’ oratio obliqua mit redeeinleitendem verbum dicendi. Die indirekte Frage und die erlebte Rede, also nah verwandte Themen, bleiben in diesem Vergleich aus ökonomischen Gründen, und um eine möglichst klare Abgrenzung zu schaffen, außen vor.
Der Vergleich liefert nicht nur interessante Einblicke in die Struktur der verschiedenen Sprachen, sondern gibt bei näherer Betrachtung auch Auskunft über das Verhältnis von Sprecher (Urheber einer Aussage) und Gesprochenem auf der einen und Berichter und Berichtetem der indirekten Aussage auf der anderen Seite. Das Thema der indirekten Rede vereinigt also zugleich Studien zu Tempus/Temporalität, Modus/Modalität und Aspekt/Aspektualität.
Relevanz des Altgriechischen
Das Altgriechische (klassische Attisch) nimmt in diesem Sprachvergleich eine Sonderstellung ein, da es als gesprochene Sprache ausgestorben ist. Die in modernen Sprachen wichtigen und stets ausführlich behandelten deiktischen Verschiebungen werden in den Grammatiken gar nicht mehr aufgeführt, weil man davon ausgeht, dass diese Sprache sowieso nur noch in eine Richtung, nämlich Altgriechisch -> Deutsch übersetzt wird. Somit hat die indirekte Rede keinen allzu großen Stellenwert in der griechischen Grammatik. Dennoch zeigen sich, ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, interessante Analogien vor allem zum Deutschen, die eine gemeinsame indogermanische Verwandtschaft verblüffend deutlich machen. Das Altgriechische hat, wie das Lateinische, einen enormen Einfluss nicht nur auf unsere westliche Philosophie und Weltanschauung ausgeübt, sondern gleichfalls deutliche Spuren in unserem Wortschatz hinterlassen, der sich keineswegs auf den medizinisch-biologischen Bereich beschränkt. Bei meiner Untersuchung beziehe ich mich auf das klassische Attisch, das zwischen dem 8. und 3. vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland gesprochen und geschrieben wurde.
Vorgehensweise
Um auf möglichst hohem Niveau einzusteigen und in allen Sprachen die wichtigsten Eigenschaften der indirekten Rede vorzustellen, gehe ich auf die Formenlehre (Bildung der Tempora und Modi in den jeweiligen Sprachen) nicht mehr ein, erläutere aber jede wichtige Tempus/Modusform, damit die dargestellten Beispiele von jedermann nachvollzogen werden können. Um meine Darstellung so ökonomisch wie möglich zu halten, stelle ich folgende Kriterien der indirekten Rede jeweils vergleichend gegenüber: Zeitenfolge, Personen- Orts- und Zeitangaben (Deixis), Gebrauch und Rolle des Konjunktivs und der Tempora in ihrer modalen Verwendung. Abschließend folgt eine zusammenfassende Analyse, in der ich mich tiefer in die Geschichte der indirekten Rede wage. Zum Schluss präsentiere ich eine kleine Fabel des Aesop, übersetzt in alle hier abgehandelten Sprachen und mache noch einmal die behandelten Phänomene anhand des Textes deutlich.
Diese Arbeit kann für alle Deutschen, die eine der Fremdsprachen lernen, eine nützliche Hilfestellung sein, sich durch die aufgezeigten Analogien und Divergenzen in den verschiedenen Sprachen kleine Eselsbrücken zu bauen und so Fehler bei der indirekten Wiedergabe zu vermeiden. Gleichfalls ist die Arbeit für nichtdeutsche Muttersprachler geeignet, die sich die Eigenheiten des Deutschen, insbesondere die Benutzung des Konjunktivs, erarbeiten wollen und so hilfreiche Analogieschlüsse zu ihrer Muttersprache ziehen können.
2. Vorbemerkungen zur indirekten Rede im Deutschen
Um eine einheitliche Verwendung der Terminologie zu gewährleisten und Konfusionen zu vermeiden, möchte ich im Folgenden zunächst 4 Begriffe einführen, die ich im Laufe meiner Arbeit immer wieder verwenden werde:
Sprecher = Urheber der Aussage (direkte Rede);
Hörer I = Hörer der Aussage;
Berichter = Hörer I, wenn er die gehörte Aussage wiedergibt (indirekte Wiedergabe)
Hörer II = Hörer der berichteten Aussage (der indirekten Wiedergabe)
Ich habe diese Begriffe der Einfachheit halber aus dem „großen Duden“ von 1973[1] übernommen und an meine Bedürfnisse adaptiert.
Der Duden über den Sachverhalt der indirekten Rede: „Im Unterschied zur direkten (wörtlichen) Rede wird in der indirekten Rede eine fremde (oder früher eigene) Äußerung nicht wörtlich angeführt, d.h., so wie der ursprüngliche Sprecher sie gemacht hat, sondern sie wird vom Standpunkt des berichtenden Sprechers aus wiedergegeben.“[2] Die französische Grammatik Klein/Kleineidam bezeichnet das von mir behandelte Thema als ‚discours rapporté’ oder ‚Redeerwähnung’, worunter man die Tatsache versteht, „dass innerhalb einer Äußerung eine andere Äußerung erwähnt wird. Diese kann einer vergangenen oder zukünftigen Redesituation angehören. Redeerwähnung umfasst somit die Wiedergabe bereits erfolgter Rede sowie die Vorwegnahme zukünftiger Rede. Redeerwähnung ist also ein Fall von Kommunikation über Kommunikation in einer anderen Situation.“[3]
Über den Modusgebrauch in der indirekten Rede empfiehlt der Duden für die geschriebene Sprache, „dass die indirekte Rede im Konjunktiv I stehen sollte.“[4] Die Grammatik von Sommerfeldt/Starke schreibt über die Wiedergabe in der indirekten Rede: „Hier gilt in der Standardsprache der Konjunktiv I als Norm für die neutrale Wiedergabe […] Daneben können der Indikativ und der Konjunktiv II verwendet werden. Hierbei müsse beachtet werden, „ob es sich um einen mündlichen oder schriftlichen Text handelt und ob durch den Modusgebrauch semantische oder stilistische Unterschiede entstehen.“[5]
Auch der kleine Duden sieht den Konjunktiv II als Alternative zum Konjunktiv I, wenn
a) der Konjunktiv I mit dem Indikativ gleich lautet
Bsp.: Er sagte, die Freunde hätten heute keine Zeit (hätten statt haben).
b) der Sprecher das Wiedergegebene anzweifelt oder sich stark davon distanzieren möchte.[6]
Bsp.: Er behauptet, er hätte fünfzig Mäuse erschlagen (Der Berichter glaubt aber, es waren nur 20).
Als Alternative zum Konjunktiv I und II kommt in der gesprochenen Sprache allerdings auch häufig der Indikativ zum Einsatz:
Bsp.: Er hat gesagt, dass er krank im Bett liegt (liegt statt liege).
Fehlt jedoch das einleitende „dass“, ist der Konjunktiv obligatorisch, um die indirekte Wiedergabe deutlich zu machen:
Bsp.: Er hat behauptet, er sei krank (in diesem Fall ist der Konjunktiv obligatorisch und nicht durch den Indikativ substituierbar).
Über den Einsatz des Konjunktiv II in der indirekten Rede denkt Prof. Dr. Peter Gallmann[7] von der Universität Jena, dass „der Konjunktiv II überhaupt zur Kennzeichnung der indirekten Rede dienen kann, könnte vielleicht damit erklärt werden, dass die Erscheinung schon zu einem Zeitpunkt angebahnt worden ist, als noch von einer einzigen Kategorie Konjunktiv auszugehen war und außerdem noch die consecutio temporum (Tempuskongruenz) in der indirekten Rede herrschte.“ Ein Beispiel in synchroner Nachahmung:
a. Otto sagt [Präsens], Anna bringe auch etwas mit [Konjunktiv I].
b. Otto sagte [Präteritum], Anna brächte auch etwas mit [Konjunktiv II].
Ist das Subjekt des Nebensatzes mit dem des Hauptsatzes identisch, ist auch eine Infinitivkonstruktion möglich:
Bsp.: Er hat behauptet krank zu sein. Die Infinitivkonstruktion ist allerdings von der Art des redeeinleitenden Verbs abhängig (nicht: *Er sagt krank zu sein).
Über den Gebrauch der würde -Form in Bezug auf die indirekte Rede sagt der Duden, dass die würde-Form nur dann gebraucht werden soll, „wenn in der wiedergegebenen Äußerung 1) ein zukünftiges Geschehen oder 2) etwas Irreales ausgedrückt wird, wenn also in der entsprechenden direkten Rede das Futur oder Konjunktiv II steht.“[8]
Zum Beispiel: 1) Sie sagen, sie würden morgen in den Urlaub fahren (würden statt werden).
2) Er hat immerzu gesagt, er würde sich freuen, wenn alle Autos gelb wären.
Ebenso wie in den Konditionalsätzen (ein weiteres Einsatzgebiet unseres Konjunktivs), dürfen auch in der indirekten Rede dann die Konjunktivformen mit „würde“ substituiert werden, wenn 1) die entsprechende Konjunktivform gleich mit dem Indikativ oder 2) im allgemeinen als veraltet und ungebräuchlich angesehen wird.
Beispiel: 1) Sie sagten, sie würden nicht an Gott glauben (würden glauben statt glaubten), Vermeidung einer Konfusion von Modus und Tempus;
2) Er behauptete, in so einem Fall würde er schnell davon schwimmen (würde schwimmen statt schwömme)[9], veraltete oder als geziert empfundene Form.
Wie man sieht, hält das Deutsche für den Spracherwerb nicht nur auf den ersten Blick einiges an Regeln und Ausnahmen für den korrekten Gebrauch der indirekten Rede parat. Zum Gebrauch des Indikativs oder Konjunktivs möchte ich meine Erkenntnisse bis soweit festhalten:
In vielen Fällen, in denen ein Konjunktivgebrauch nicht obligatorisch ist, hat der Berichter die Möglichkeit, sich mit dem, was er indirekt wiedergibt, mehr oder weniger zu identifizieren. Hierbei gilt: Je indikativischer die Wiedergabe (Konjunktiv II bis Indikativ), desto stärker identifiziert er sich mit dem Gesagten. Je konjunktivischer (Indikativ bis Konjunktiv II), desto deutlicher kann er sich von dem Gesagten distanzieren bzw. den Wahrheitsgehalt der Aussage anzweifeln. Der Konjunktiv I stellt hierbei die neutralste Form der Wiedergabe dar (Tagesschau-Modus).
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nicht alle Wissenschaftler diese Meinung teilen. Karl-Heinz Bausch[10] unterscheidet drei Personengruppen, die hinsichtlich des Einsatzes von Konjunktiv I/II oder Indikativ divergieren:
1. Gruppe: Autoren, die den Konjunktiven lediglich die Funktion ‚Zitierzeichen’ geben (also keine subjektive Stellungnahme des Berichters).
2. Gruppe: Autoren, die in den Konjunktiven sowohl ein Zitierzeichen als auch ein Mittel zur semantischen Differenzierung sehen.
3. Gruppe: Autoren, die den Indikativ, Konjunktiv I und Konjunktiv II ein je-spezifisches semantisches Merkmal ‚Sprecherurteil’ zuerkennen.
In dieser Ausarbeitung schließe ich mich der Ansicht der letztgenannten an, nicht weil sich unter ihren Anhängern Admoni, Flämig und Duden befinden, sondern weil sie mir persönlich auch am plausibelsten erscheint.
Glinz[11] sagt hierzu: „Durch den Gebrauch des Konjunktivs kann man jederzeit das in einer indirekt angeführten Proposition Dargestellte ausdrücklich relativieren, kann es als Meinung von anderen hinstellen oder als eigene frühere, jetzt nicht mehr gültige Meinung (jedenfalls, wenn der in der anführenden Proposition dargestellte Sprech-Denk-Akt eine solche Relativierung nicht ausschließt). Aber dieses Relativieren ist eine Möglichkeit und keine Verpflichtung.“
3. Die Zeitenfolge
3.1. Die Zeitenfolge im Deutschen
Zunächst ist folgende, im Verlauf dieser Arbeit für das Deutsche sehr wichtige Erkenntnis festzuhalten: Die Zeitform des Verbs in der indirekten Rede ist unabhängig von der Zeitform, in der das Verb des redeeinleitenden Satzes (er/sie sagt, äußert, behauptet, erklärt, versichert… etc.) steht. Die indirekte Rede steht immer in derselben Zeit wie die entsprechende direkte Rede[12]. Der Nebensatz der indirekten Rede befindet sich also Gegenüber der Zeitstufe des übergeordneten Verbs in Gleichzeitigkeit, die Variation des Modus gibt lediglich eine unterschiedliche Modalität wieder.[13]
Direkte Rede: „Ich habe keine Lust, meine Hausaufgaben zu machen.“ (Präsens)
Indirekte Wiedergabe: Er sagt, er habe keine Lust seine Hausaufgaben zu machen.
Er hat gesagt/sagte/hatte gesagt/wird sagen/wird gesagt haben, er habe keine Lust seine Hausaufgaben zu machen. ( Zweimal Konjunktiv Präsens)
Direkte Rede: „Ich habe letzte Woche im Lotto gewonnen.“ (Perfekt)
Indirekte Wiedergabe: Er behauptet, er habe letzte Woche im Lotto gewonnen.
Er hat behauptet/behauptete/hatte behauptet/wird behaupten/wird behauptet haben, er habe letzte Woche im Lotto gewonnen (Zweimal Konjunktiv Perfekt)
Direkte Rede: „Ich werde hinausgehen und mein Schaf waschen.“ (Futur)
Indirekte Wiedergabe: Er sagt, dass er hinausgehen und sein Schaf waschen werde.“
Er hat gesagt/sagte/hatte gesagt/wird sagen/wird gesagt haben, dass er hinausgehen und sein Schaf waschen werde. (Zweimal Konjunktiv Futur)[14]
Der Berichter gibt dem Hörer II also sowohl Auskunft über das in der direkten Rede verwendete Tempus. Durch die Variation des verwendeten Modus (Konjunktiv oder Indikativ) hat er darüber hinaus noch die Möglichkeit, seine eigene Einstellung zu dem Wiedergegebenen zu transportieren.
3.2. Die Zeitenfolge im Französischen
Die Darstellung der Zeitenfolge in der indirekten Rede ist der ideale Einstiegspunkt für den Vergleich mit den anderen Sprachen. Ich beginne mit dem Französischen, in dem es sehr klare Regeln für die korrekte Transposition der direkten in die indirekte Rede gibt.
Zunächst führe ich noch einmal an, dass das Tempus des redeeinleitenden Verbs im Deutschen keinerlei Einfluss auf die Zeit der indirekten Rede hat. Im Französischen ist dies anders, das Tempus des redeeinleitenden Verbs (z.B. dire, demander, raconter, répondre, promettre) ist entscheidend für das Tempus der indirekten Rede. Als Modus der indirekten Wiedergabe fungiert hier nicht etwa der subjonctif, sondern die verschiedenen Tempora des Indikativs. In besonderen Fällen kann auch der subjonctif vorkommen, was aber nicht der Regelfall und nicht durch die indirekte Wiedergabe begründet ist. Auf diese Fälle werde ich gesondert eingehen (siehe Punkt 5). Wie im Deutschen ist auch hier eine Infinitivkonstruktion möglich, allerdings nur, wenn Haupt- und Nebensatz dasselbe Subjekt haben:
Bsp.: François nie avoir frappé son frère.
François leugnet, seinen Bruder geschlagen zu haben.
Wie im Deutschen ist diese Konstruktion abhängig von der Art des einleitenden Verbs; eine vollständige Tabelle dieser Verben findet sich in Klein/Kleineidam S. 138 § 193.
Im Französischen sind zwei Fälle zu unterscheiden:
1. Das Verb des redeeinleitenden Satzes steht in einem Tempus der Nicht-Vergangenheit (présent/futur): Das Tempus der indirekten Rede entspricht dem Tempus der direkten Rede.[15] Hier besteht kein Unterschied zum Deutschen. Ich benutze aus ökonomischen Gründen, aber auch aus Gründen der Übersichtlichkeit und Eindeutigkeit dieselben Sätze wie im deutschen Teil. Die Sätze werden also genauso übersetzt (in der indirekten Wiedergabe also mit dem Konjunktiv) wie auf Seite 9 dargestellt.
Direkte Rede: „Je n’ai pas envie de faire mes devoirs.“ (présent)
Indirekte Wiedergabe: Il dit/va dire/dira qu’il n’ a pas envie de faire ses devoirs (présent bleibt, da das redeeinleitende Verb in einer Nicht-Vergangenheit steht)
2. Das Verb des redeeinleitenden Satzes steht in einem Tempus der Vergangenheit (imparfait/passé composé/passé simple/plus-que-parfait/passé antérieur/conditionnel passé)
Direkte Rede: „La semaine dernière j’ai gagné au loto. “ (passé composé)
Indirekte Wiedergabe: Il affirme qu’il a gagné au loto la semaine précédente. (passé composé bleibt erhalten, weil einleitendes Verb im Präsens)
Aber:
Il a affirmé/affirmait/affirma/avait affirmé, eut affirmé, aurait affirmé qu’il avait gagné au loto la semaine précédente (passé composé wird zu plus-que-parfait, weil das redeeinleitende Verb in einer Vergangenheitsform steht)
Direkte Rede: „J’irai dehors pour laver mon mouton“ (futur)
Indirekte Wiedergabe: Il dit qu’il ira dehors pour laver son mouton. “ (redeeinleitendes Verb in Nicht-Vergangenheit, Futur bleibt erhalten)
Aber:
Il a dit/disait/dit/avait dit/eut dit/aurait dit qu’il irait dehors pour laver son mouton (einleitendes Verb in Vergangenheit, futur wird zu conditionnel)
Auf den ersten Blick sieht es komplizierter aus als es ist, man muss sich jedoch nur folgende Grundregeln merken:
Steht das redeeinleitende Verb in einem Tempus der Vergangenheit, ergeben sich folgende Tempustranspositionen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Regel gilt auch für die zusammengesetzten Zeitformen, die also eine Präsensform + Infinitiv verwenden, wie das Futur composé oder das passé récent:
- „Je vais acheter un livre“ -> Il a dit qu’il allait acheter un livre
Ich werde ein Buch kaufen gehen (unmittelbare Zukunft) -> Er hat gesagt, er gehe ein Buch kaufen/werde gleich ein Buch kaufen gehen).
- „Je viens d’acheter un livre“ -> Il a dit qu’il venait d’acheter un livre
Ich habe mir soeben ein Buch gekauft (unmittelbare Vergangenheit) -> Er hat gesagt, er habe sich soeben ein Buch gekauft.
„Einem présent der direkten Rede entspricht also in der indirekten Rede als ein imparfait, auch wenn ein Gegenwärtiges bezeichnet wird“.[17]
Bsp.: Tu m’as déjà dit que tu n’ avais pas envie de venir avec moi. (imparfait)
Du hast mir schon gesagt, dass Du keine Lust hast, mit mir zu kommen. (Präsens)/…du habest keine Lust mit mir zu kommen (Konjunktiv Präsens).
Steht das redeeinleitende Verb in einem Tempus der Nicht-Vergangenheit, wird einfach das Tempus der direkten Rede übernommen.
Es kann also Folgendes festgestellt werden: Im Vergleich zum Deutschen ist die indirekte Rede im Französischen an eine feste Tempusverschiebung gebunden, die vom redeeinleitenden Verb abhängig ist; eine persönliche Stellungnahme des Berichters (beispielsweise über den Wahrheitsgehalt der Aussage) wie im Deutschen durch die Wahl des Indikativs oder Konjunktivs ist nicht gegeben. Der Hörer II kann anhand der indirekten Wiedergabe aber genaue Rückschlüsse auf das verwendete Tempus in der direkten Rede ziehen.
Beispiel:
Indirekte Wiedergabe: „Il a dit qu’il allait chez soi“ (Er sagte, er gehe nach Hause).
Der Hörer II weiß also, dass der Sprecher den Indikativ Präsens in seiner Aussage benutzt hat und rekonstruiert im Kopf für den Sprecher folgendes:
Direkte Rede: „Je vais chez moi.“ (Ich gehe nach Hause).
Doch auch hier gibt es Doppeldeutigkeiten, die sich nur aus dem Kontext erschließen lassen. Sagt der Berichter nämlich: „Il a dit qu’il irait chez soi. “ kann der Hörer II hieraus schließen, dass in der Originalaussage entweder das futur verwendet wurde: „J’irai chez moi“ (Ich werde nach Hause gehen) oder das conditionnel: „J’irais chez moi“ (Ich würde nach Hause gehen… wenn).
3.3. Die Zeitenfolge im Spanischen
Nachdem die Zeitenfolge im Französischen erläutert ist, wende ich mich dem Spanischen zu. Als weitere romanische Sprache sind einige Gemeinsamkeiten mit dem Französischen zu erwarten.
Tatsächlich steht auch im Spanischen, wie im Französischen, in der indirekten Wiedergabe als Modus nicht der subjuntivo, sondern ebenfalls die Tempora des Indikativs. Auch hier gilt wieder:
1. Steht das Verb des redeeinleitenden Satzes in einem Tempus der Nicht-Vergangenheit (Präsens/Perfekt/Futur I/Konditional), dann gilt wieder: Das Tempus der indirekten Rede entspricht dem Tempus der direkten Rede[18]. Hier sehen wir schon einen ersten wichtigen Unterschied zum Französischen: Im Spanischen wird das zusammengesetzte Perfekt (el preterito perfecto compuesto) zum Präsens gezählt, während es im Französischen als Vergangenheitstempus betrachtet wird. Eventuell eine Folge der Tatsache, dass von der analytisch verwendeten Vergangenheitsform (dem indefinido) auch im Mündlichen reger Gebrauch gemacht wird, während das passé simple (die analoge Form hierzu im Französischen) nur noch in der Schriftsprache Verwendung findet. Somit kann eine genauere Differenzierung zwischen resultativem Perfekt und abgeschlossenem Perfekt erfolgen.
[...]
[1] Der große Duden, Deutsche Grammatik, Mannheim: Dudenverlag 1973, S. 545
[2] Der kleine Duden, Deutsche Grammatik, Mannheim: Dudenverlag 2004, S. 130 § 145.
[3] Klein/Kleineidam, Grammatik des heutigen Französisch, Ludwigsburg: Ernst Klett Verlag 2004, S.275.
[4] Der kleine Duden, S. 131 § 146.
[5] Sommerfeldt/Starke, Einführung in die Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1998 S. 76.
[6] Der kleine Duden, S. 133 § 147.
[7] http://www.personal.uni-jena.de/~x1gape/Konjunktiv.pdf, besucht am 20.01.07.
[8] Der kleine Duden, S. 135 § 151.
[9] Der kleine Duden, S. 135 § 151.
[10] Karl-Heinz Bausch, Modalität und Konjunktivgebrauch in der gesprochenen deutschen Standardsprache, München: Max Hueber Verlag 1979, S. 71.
[11] Hans Glinz, Grammatiken im Vergleich, Tübingen: Max Niemeyer Verlag 1994, S. 451.
[12] Der kleine Duden, S. 131 § 146.
[13] Sommerfeldt/Starke, S. 79.
[14] Der kleine Duden, S. 131 § 146.
[15] Klein/Kleineidam, S. 278 § 400.
[16] Klein/Kleineidam, S. 278 § 400.
[17] Klein/Kleineidam, S. 278 § 400.
[18] Rodríguez, Teresita, Standardgrammatik Spanisch, Berlin/München: Langenscheidt 1996, S.86.
- Arbeit zitieren
- Frank Eschmann (Autor:in), 2007, Die indirekte Rede im Sprachvergleich - Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Altgriechisch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90311
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