Im Zuge dieser Arbeit werden – nach einer Abgrenzung zu den Begriffen Bildung, Lernen und Sozialisation - die Theorien Wolfgang Brezinka’s (1928-2020) und Klaus Mollenhauer’s (1928-1998) als sinnvolle Vertreter beider Disziplinen bzw. deren jeweilige Erziehungsbegriffe gegenübergestellt, auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten geprüft und nach einer potentiellen Synthese gesucht.
Als Kritik auf die affirmativen Wesensmerkmale der bis dato dominierenden geisteswissenschaftliche Pädagogik, vollzog sich im deutschsprachigen Raum ab den 1960er und 1970er Jahren eine als "realistische Wende" benannte pädagogische Bewegung hinsichtlich erhöhter qualitativer als auch quantitativer Ansprüche auf ein ‚wissenschaftlicheres‘, empirisch-fundierteres Vorgehen zum Erlangen eines adäquaten Wissenschaftsverständnis‘ auf Basis einer "methodologische[n] Grundforderung nach Begründung … und intersubjektiver Prüfbarkeit der Aussagen" (Brezinka, 1972). Aus diesen, die Grundpfeiler der bislang geltenden pädagogischen Disziplin umstürzenden Anforderungen von einer bisweilen vermeintlich willkürlich-ideologischen Pädagogik hin zu einer deskriptiven Erziehungswissenschaft, resultierten die beinah parallel ablaufenden Entstehungen der empirischen & der kritischen Erziehungswissenschaften. Die empirische Erziehungswissenschaft forderte auf ihrer Seite allgemeingültige, nachprüfbare und möglichst wertfreie Erkenntnisse auf Basis wissenschaftstheoretischer Beobachtungen (Raithel, Dollinger & Hörmann, 2009), entgegen der wertbehafteten und hermeneutisch herbeigeführten Erkenntnisse der geisteswissenschaftlichen Pädagogik.
Die kritische Erziehungswissenschaft entstand grundsätzlich angesichts der gleichen Anforderung auf reflexiv-kohärente Erkenntnisse – allerdings auch Werte und Normen einschließend - einer Pädagogik respektive Erziehungswissenschaft, mit dem Fokus auf die Veränderung sozialer Zustände bzw. Emanzipation der Individuen auf Basis einer gesellschaftskritischen Grundhaltung, sich selbst "als Gewächs der historischen Entwicklung und zugleich als deren Korrektiv" (ebd.) - im Sinne einer notwendigen erziehungswissenschaftlichen Strömung - erkennend. Allerdings waren vorangegangene (politische) Missetaten – wie der Nationalsozialismus - grundlegende Motivation zum Umsturz geltender Pädagogik, damit "die heranwachsende Generation in Zukunft niemals [wieder] blind demagogischen Führern … folg[e]" (Hörner, Drinck & Jobst, 2010).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung / Problemstellung
- Begriffsabgrenzung
- Bildung
- Lernen
- Sozialisation
- Erziehungswissenschaftliche Positionen bzw. jeweilige Erziehungsbegriffe
- Brezinka's Distanzierung zur traditionellen Pädagogik
- Brezinka's Erziehungsbegriff
- Mollenhauer's Verständnis der kritischen Erziehungswissenschaft
- Mollenhauer's Erziehungsbegriff
- Brezinka versus Mollenhauer – kommunikative oder zweckrationale Erziehung
- Fazit bezüglich ideologiekritischer Aspekte
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung der empirischen und kritischen Erziehungswissenschaft im Kontext der „realistischen Wende“ in der Pädagogik. Sie setzt sich mit den Erziehungsbegriffen von Wolfgang Brezinka und Klaus Mollenhauer auseinander, die als Vertreter dieser beiden Disziplinen gelten. Die Arbeit analysiert Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Ansätze und sucht nach einer potentiellen Synthese.
- Die Entstehung der empirischen und kritischen Erziehungswissenschaft im Kontext der „realistischen Wende“
- Die Kritik an der traditionellen Pädagogik und die Forderung nach einer „wissenschaftlicheren“ und empirisch fundierten Erziehungswissenschaft
- Der Vergleich der Erziehungsbegriffe von Wolfgang Brezinka und Klaus Mollenhauer
- Die Analyse von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in den Ansätzen von Brezinka und Mollenhauer
- Die Suche nach einer möglichen Synthese der beiden Ansätze
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung / Problemstellung: Die Arbeit stellt die Entstehung der empirischen und kritischen Erziehungswissenschaft im Kontext der „realistischen Wende“ vor und erläutert die Motivation für die Entwicklung dieser Disziplinen.
- Begriffsabgrenzung: Die Begriffe Bildung, Lernen und Sozialisation werden im Hinblick auf ihren Unterschied zum Begriff Erziehung abgegrenzt.
- Erziehungswissenschaftliche Positionen bzw. jeweilige Erziehungsbegriffe: Der Ursprung und die Kernargumente der traditionellen Pädagogik werden vorgestellt, bevor die Distanzierung von Brezinka zur traditionellen Pädagogik und die Entstehung des Begriffs der empirischen Erziehungswissenschaft beleuchtet werden. Anschließend wird der Fokus auf Mollenhauer und die Entwicklung der kritischen Erziehungswissenschaft gelegt.
- Brezinka versus Mollenhauer – kommunikative oder zweckrationale Erziehung: Dieser Abschnitt vergleicht die Erziehungsbegriffe von Brezinka und Mollenhauer und analysiert ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf Erziehung.
- Fazit bezüglich ideologiekritischer Aspekte: Dieser Abschnitt befasst sich mit den ideologiekritischen Aspekten der beiden Disziplinen und versucht, mögliche Kritikpunkte an den beiden Ansätzen zu identifizieren.
Schlüsselwörter
Empirische Erziehungswissenschaft, kritische Erziehungswissenschaft, „realistische Wende“, traditionelle Pädagogik, Erziehungsbegriff, Wolfgang Brezinka, Klaus Mollenhauer, Bildung, Lernen, Sozialisation, wissenschaftstheoretische Beobachtungen, Wertfreiheit, Gesellschaftskritik, Emanzipation.
- Quote paper
- Dominik Velasco (Author), 2020, Diskurs der empirischen und kritischen Erziehungswissenschaft anhand Brezinka‘s und Mollenhauer‘s Erziehungsbegriff, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/903018