Als im September 2007 Europas größtes Pilotprojekt der RFID-Technologie am Flughafen Heathrow im Bereich Gepäckprozessoptimierung startete, war die Euphorie groß (vgl. Kamath 2007). Peter Harrop, Analyst und RFID-Experte bei TechEx sah in der Installation des RFID-Systems am Flughafen Heathrow den möglichen Durchbruch der RFID-Technologie an Flughäfen. Sollte sich das RFID-System schließlich tech-nisch und finanziell am größten Flughafen Europas bewähren, würden die anderen Flughäfen nachziehen. Allerdings ist er sich auch sicher, dass sich die wahren Vorzüge von RFID erst zeigen werden, wenn jedes Gepäckstück mit einem Funkchip versehen ist und alle Flughäfen über dieses System verfügen (vgl. Jeschke 2007). So stellt sich die Frage, ob der Einsatz von RFID in der Luftfahrt wirklich vor dem Durchbruch steht. In welchen Bereichen bewährt sich RFID dort bereits? Welchen Nutzen bringt RFID dabei? Und wo liegen die gegenwärtigen Hemmnisse der Einführung von RFID?
In dieser Arbeit wird die Luftfahrtbranche auf den Einsatz von RFID untersucht. Dabei richtet sich die Arbeit vor allem an den Anwender, sowie an den Betriebswissen-schaftler und nicht vorwiegend an den Techniker, da der Fokus dieser Arbeit nicht auf der technischen Machbarkeit liegt, sondern viel mehr die wirtschaftliche Seite des Einsatzes von RFID in der Luftfahrt genauer betrachtet werden soll.
Im Folgenden wird zunächst der Begriff RFID und seine Funktionsweise erklärt, sowie der Begriff Luftfahrtbranche erläutert. Im 3. Kapitel werden dann die möglichen Einsatz-gebiete von RFID in der Luftfahrt aufgezeigt. Diese lassen sich in die Bereiche Gepäckprozess, Passagierprozess und Sonstige betriebliche Prozesse unterteilen. Aus jedem dieser Bereiche wird im nächsten Kapitel eine Anwendungsmöglichkeit näher betrachtet. Anschließend werden die Erfolgsfaktoren und Hemmnisse dieser drei Anwendungen identifiziert und gegenübergestellt. Im letzten Kapitel wird die Wirtschaft-lichkeit der Anwendungen unter der Voraussetzung, dass für jeden Beteiligten ein Nutzen entsteht, der seine Kosten überwiegt, beurteilt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Steht RFID in der Luftfahrtbranche kurz vor dem Durchbruch?
2. Begrifflichkeiten: RFID in der Luftfahrt
2.1. RFID und seine Funktionsweise
2.2. Die Luftfahrtbranche
3. Mögliche Anwendungsfelder in der Luftfahrt
3.1. Gepäckprozess
3.2. Passagierprozess
3.3. Sonstige betriebliche Prozesse
4. Erfolgsfaktoren und Hemmnisse der Anwendungen
4.1. Gepäcktracking
4.2. Passagiertracking
4.3. Sonstige betriebliche Prozesse
5. Die Implementierung von RFID im Gepäckprozess, sowie beim Inventar-management ist sehr erfolgsversprechend
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Win-Win-Win Situation zwischen Airline, Flughafen und Passagier
Abb.2: Wunschapplikationen für den Bereich Gepäckprozess
Abb.3: Kosten des fehlgeleiteten Gepäcks
Abb.4: Wunschapplikationen für den Bereich Passagierprozess
Abb.5: Wunschapplikationen für sonstige betriebliche Prozesse
Abb.6: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse des Gepäcktrackings
Abb.7: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse des Passagiertrackings
Abb.8: Erfolgsfaktoren und Hemmnisse des Trolley-Inventarmanagements
Abb.9: Nutzenmatrix
1. Steht RFID in der Luftfahrtbranche kurz vor dem Durchbruch?
Als im September 2007 Europas größtes Pilotprojekt der RFID-Technologie am Flughafen Heathrow im Bereich Gepäckprozessoptimierung startete, war die Euphorie groß (vgl. Kamath 2007). Peter Harrop, Analyst und RFID-Experte bei TechEx sah in der Installation des RFID-Systems am Flughafen Heathrow den möglichen Durchbruch der RFID-Technologie an Flughäfen. Sollte sich das RFID-System schließlich tech-nisch und finanziell am größten Flughafen Europas bewähren, würden die anderen Flughäfen nachziehen. Allerdings ist er sich auch sicher, dass sich die wahren Vorzüge von RFID erst zeigen werden, wenn jedes Gepäckstück mit einem Funkchip versehen ist und alle Flughäfen über dieses System verfügen (vgl. Jeschke 2007). So stellt sich die Frage, ob der Einsatz von RFID in der Luftfahrt wirklich vor dem Durchbruch steht. In welchen Bereichen bewährt sich RFID dort bereits? Welchen Nutzen bringt RFID dabei? Und wo liegen die gegenwärtigen Hemmnisse der Einführung von RFID?
In dieser Arbeit wird die Luftfahrtbranche auf den Einsatz von RFID untersucht. Dabei richtet sich die Arbeit vor allem an den Anwender, sowie an den Betriebswissenschaftler und nicht vorwiegend an den Techniker, da der Fokus dieser Arbeit nicht auf der technischen Machbarkeit liegt, sondern viel mehr die wirtschaftliche Seite des Einsatzes von RFID in der Luftfahrt genauer betrachtet werden soll.
Im Folgenden wird zunächst der Begriff RFID und seine Funktionsweise erklärt, sowie der Begriff Luftfahrtbranche erläutert. Im 3. Kapitel werden dann die möglichen Einsatzgebiete von RFID in der Luftfahrt aufgezeigt. Diese lassen sich in die Bereiche Gepäckprozess, Passagierprozess und Sonstige betriebliche Prozesse unterteilen. Aus jedem dieser Bereiche wird im nächsten Kapitel eine Anwendungsmöglichkeit näher betrachtet. Anschließend werden die Erfolgsfaktoren und Hemmnisse dieser drei Anwendungen identifiziert und gegenübergestellt. Im letzten Kapitel wird die Wirtschaftlichkeit der Anwendungen unter der Voraussetzung, dass für jeden Beteiligten ein Nutzen entsteht, der seine Kosten überwiegt, beurteilt.
2. Begrifflichkeiten: RFID in der Luftfahrt
2.1. RFID und seine Funktionsweise
Die Abkürzung RFID steht für R adio F requency ID entification und zählt zu den Identifikationstechniken. Genau wie der Barcode, stellt RFID ,,eine Brücke zwischen Informationsfluss und Materialfluss“ (vgl. Gerhäuser 2006) her, indem es Daten über die Luft zwischen einem Datenträger (Transponder) und einem Lese-/Schreibgerät überträgt. Kleine Datenmengen, die zwischen 1 Bit und 30 Kilobyte liegen, können so übermittelt werden (vgl. Finkenzeller 2002, S.6 zit. nach Franke/Dangelmaier 2006, S.8).
Nach Franke und Dangelmaier (2006, S.8 ff.) besteht jedes RFID-System aus 2 Komponenten, dem schon kurz erwähnten Transponder (RFID-Tag) und dem Lese-gerät (RFID-Reader). Ein Mikrochip ist die zentrale Komponente des Transponders, da auf ihm die Daten gespeichert werden. Der Datenaustausch zwischen den beiden Komponenten setzt sofort ein, sobald sich der Transponder mit dem Mikro-Chip im Empfangsbereich des RFID-Readers befindet und der Transponder vom elektronischen Feld des RFID-Readers aktiviert wird. Die Daten werden mit Hilfe eines Koppelelementes, meist eine Spule im Transponder, die als Antenne dient, an den RFID-Reader gesendet. Es kommt dadurch zu einem Dialog zwischen den beiden Geräten, der aus Senden und Empfangen besteht. Im Gegensatz zum Barcode, wo eine optische Abtastung der Hell-Dunkel-Felder erfolgt, werden die Daten bei RFID per Funk übertragen. RFID hat bei der Identifizierung zwei wesentliche Vorteile gegenüber dem Barcode. Erstens benötigen der Transponder und der RFID-Reader keinen Sichtkontakt beim Datenaustausch. Dadurch kann der RFID-Chip in die Ware mit eingearbeitet werden oder durch die Verpackung hindurch gelesen werden und ist somit gegen Schmutz, Feuchtigkeit, Temperaturen und Beschädigungen geschützt. Zweitens können zudem auch mehrere Objekte auf einmal gelesen werden.
Weiterführende Informationen zum technischen Aufbau und der Funktionsweise von RFID-Systemen sind in ,,RFID–Leitfaden für die Logistik“ von Franke und Dangelmeier, sowie in ,,RFID–Handbuch“ von Finkenzeller zu finden.
2.2. Die Luftfahrtbranche
Die Luftfahrtbranche besteht aus dem Flugzeugbau, der in dieser Arbeit nicht genauer untersucht wird, sowie den Flughäfen und ihrem Umfeld wie den Flughafenbetreibern, den Airlines und weiteren Dienstleistern.
Nach Schildhauer (2005, S.12) fallen in den Zuständigkeitsbereich der Flughafenbetreibergesellschaften wie z.B. der Fraport AG die Flughafenleitung, die Flughafenkoordination sowie auch luftverkehrsunabhängige Prozesse. Die Zuständigkeitsbereiche der Airlines liegen dagegen in der Bereitstellung bestimmter Services im Bereich des Passagierhandlings und in der Bereitstellung und Handhabung der Flugzeuge. Zu der Gruppe der Dienstleister gehören alle externen Dienstleistungsunternehmen, die im Umfeld des Flughafens bestimmte Services wie das Catering, die Reinigung etc. anbieten. Die Zuständigkeitsaufteilung zwischen den drei Beteiligten Gruppen ist jedoch von Flughafen zu Flughafen sehr unterschiedlich.
Die Tatsache, dass die Zuständigkeiten und somit die Wertschöpfungsketten der drei Beteiligten eng miteinander verwoben und nicht scharf voneinander abzugrenzen sind, birgt folgende Problematik. Die Einführung der RFID-Technologie erscheint meist nur prozessübergreifend sinnvoll und führt zu unterschiedlichen Nutzenpotenzialen der drei Beteiligten. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Auffassungen darüber, wer die Kosten für diese neue Technologie zu tragen hat. Im Gegenteil zur Einzelhandelsbranche, wo durch das Auftreten eines einzelnen starken Akteurs wie z.B. der Metro AG oder Walmart die Einführung der RFID-Technologie stark vorangetrieben wird, fehlte es der Luftfahrtbranche bisher an dieser Entscheidungsgewalt, die den Einführungsprozess forcieren würde (vgl. Schildhauer 2005, S. 55 ff.).
Schließlich gilt es jedoch eine Win-Win-Win Situation, wie in Abbildung 1 dargestellt, zu schaffen, in der Airlines, Flughafenbetreiber mit ihren Dienstleistern, aber auch Passagiere von dieser neuen Technologie in dem Maße profitieren, dass ihre jeweiligen Nutzen ihre Kosten überdecken. Nur so kann es zu einem erfolgreichen Einsatz der RFID-Technologie in der Luftfahrtbranche kommen (vgl. IATA 2007b).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Win-Win-Win Situation zwischen Airline, Flughafen und Passagier (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an IATA 2007b)
3. Mögliche Anwendungsfelder in der Luftfahrt
Um den Einsatz der RFID-Technologie am Flughafen besser aufzeigen zu können, werden die Einsatzgebiete von RFID in drei Teilbereiche untergliedert. Der erste Teilbereich ist der Gepäckprozess. Dabei werden alle RFID-Anwendungsgebiete von der Aufgabe bis zum Wiedererhalten des Gepäcks aufgeführt. Der zweite Teilbereich ist der Passagierprozess und umfasst alle Einsatzgebiete bei denen der Passagier vom Betreten des Flughafens bis zum Betreten des Flugzeuges mit RFID in Kontakt gerät. Der letzte Teilbereich umfasst die sonstigen betrieblichen Prozesse wie die Luftfracht, das Facility Management, Retailing und andere Dienstleistungen.
3.1. Gepäckprozess
In einer Umfrage unter 28 Experten aus der Luftfahrtbranche, die vom Institute of Electronic Business (IEB) im Jahre 2005 durchgeführt wurde, wurden am häufigsten die in Abbildung 2 folgenden RFID-Wunschapplikationen für den Bereich Gepäckprozess genannt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Wunschapplikationen für den Bereich Gepäckprozess (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schildhauer 2005, S.37 ff.)
Die Ist-Situation im Gepäckprozess ist wie folgt: Bei ca. 2,2 Milliarden Flugpassagieren jährlich fallen laut SITA (Société Internationale de Télécommunication Aéronautique) für die Luftfahrtbranche weltweit Entschädigungszahlungen für 34,3 Millionen fehlge-leitete Gepäckstücke in Höhe von 1,21 Milliarden $ an, sowie geschätzte 2,6 Milliarden $ für die Suche und Wiederbeschaffung des verloren gegangenen Gepäcks. Diese enormen Kosten, sowie der erhöhte Sicherheitsanspruch seit dem 11. September 2001 und der Aspekt der Kundenzufriedenheit, sorgen für ein Umdenken in der Gepäckabfertigung (vgl. IATA 2007b; Pankaj/ Poulsen 2007). In Abbildung 3 werden diese Kosten nach dem Kostenträger aufgeschlüsselt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Kosten des fehlgeleiteten Gepäcks (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Pankaj/ Poulsen 2007)
Gegenwärtig werden die Gepäckstücke für das Handling und die Gepäcksortierung mit einem Papier-Tag, auf dem ein Barcode aufgedruckt ist, ausgestattet. Verschmutzte, zerknitterte, falsch oder an der falschen Position angebrachte Papier-Tags lassen die Leserate des Barcodes oft sinken, wodurch Gepäckstücke verloren gehen. Die Leserate des Barcodes liegt teilweise bei ca. 80-90%, weltweit jedoch nur bei ca. 70%. RFID-Tags liefern für dieses Problem die Lösung. Da sie mit einem beschreibbaren Chip und einer kleinen Antenne ausgestattet sind, können auch die Daten von verschmutzten und zerknitterten Tags mittels Radiowellen gelesen werden. Die Position des RFID-Tags ist zudem irrelevant, da der Reader alle Tags im Umkreis von wenigen Metern lesen kann. Somit kann eine Leserate der RFID-Tags von beinahe 100% erzielt werden (vgl. Narita 2006).
3.2. Passagierprozess
In der bereits oben erwähnten Umfrage des IEB, wurden für den Passagierprozess am häufigsten die in Abbildung 4 folgenden RFID-Wunschapplikationen genannt.
Von diesen Wunschapplikationen wurde bisher vor allem das Passagiertracking vorangetrieben. Ein europäisches Konsortium, das aus mehreren europäischen Firmen sowie dem University College London besteht, entwickelt ein System zur Verfolgung der Passagiere vom Einchecken bis zum Betreten des Flugzeugs. Mittels batterie-betriebenen RFID-Tags, die in Kombination mit Videokameras eingesetzt werden, soll die Sicherheit erhöht werden, sowie die Boarding time verkürzt werden. Dieses System, Optag, wurde bereits 2006 am ehemaligen ungarischen Militär-Flughafen in Debrecen getestet. Die EU förderte dieses Projekt mit über 2 Millionen €. Optag ist ein spezielles System, bei dem in die Bordkarte integrierte RFID-Tags einmal pro Sekunde die Kennung jedes Passagiers (Name, Alter, Geschlecht, Flugnummer) an Antennen senden. Ein Computer ermittelt daraus auf einen Meter genau die aktuelle Position des RFID-Tags, die an das Videosystem des Flughafens übermittelt wird. Mittels Kameras lassen sich die Passagiere dann erfassen und überwachen (vgl. Wessel 2006).
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- Arbeit zitieren
- Georg Sellner (Autor:in), 2008, RFID - Anwendungen in der Luftfahrt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90184
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