Die vorliegende Arbeit soll zeigen, dass Rechnungslegungssysteme keine statischen Konstrukte sind, sondern vielmehr einer sich ständig ändernden Umwelt angepasst werden müssen. Demzufolge müssen die jeweiligen Standardsetzer auf die veränderten Bedingungen reagieren, um eine funktionierende Corporate Governance zu gewährleisten.
Ziel der Untersuchung ist auszuloten, welchen Beitrag private Standardsetzer im Zuge der fortschreitenden Corporate Governance Diskussion leisten können. Darüber hinaus soll herausgestellt werden, wo mögliche Grenzen liegen.
Stichworte:
Rechnungslegung, Corporate Governance, Internationale Standardsetzer, IASB, FASB, DRSC, Sarbanes-Oxley Act of 2002, Modernisierung der Corporate Governance in Deutschland, Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung, Konvergenzbestrebungen in der internationalen Rechnungslegung
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Gang der Untersuchung
1.2 Ziel der Untersuchung
2 Die Modernisierung der Corporate Governance im Kontext der internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung
2.1 Relevanz der Corporate Governance
2.2 Corporate Governance - Entwicklung in Deutschland
3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung
3.1 Neuorientierung des deutschen Bilanzrechts
3.2 Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)
3.2.1 Aufgaben und Ziele des DRSC
3.2.2 Die Organe und Gremien des DRSC
3.2.3 Verfahren der Standardisierung - „Due Process“
3.3 Beitrag des DRSC auf internationaler Ebene zur Fortentwicklung der Corporate Governance
4 Internationaler Einfluss privater Standardsetzungsgremien
4.1 International Accounting Standard Board (IASB)
4.1.1 Organisationsstruktur
4.1.2 Verfahren der Standardisierung - „Due Process“
4.1.3 Der Anerkennungsprozess - „Endorsement“
4.1.4 Auswirkungen auf die nationale Rechtssprechung im Zuge der fortschreitenden Harmonisierung der Rechnungslegung
4.2 Financial Accounting Standards Board (FASB)
4.2.1 Gesetzliche und institutionelle Grundlagen
4.2.2 Die Securities and Exchange Commission (SEC) und ihr Verhältnis zum FASB
4.2.3 Organisationsstruktur
4.2.4 Aufgaben und Verlautbarungen
4.2.5 Internationale Vorbildfunktion des US-amerikanischen Standardsetzungsmodells
5 Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act auf die Corporate Governance
5.1 Sarbanes-Oxley Act of 2002
5.2 Gesetze und Initiativen in Europa
5.2.1 Bestrebungen auf EU-Ebene
5.2.2 Bestrebungen in Deutschland
6 Konvergenzbestrebungen in der internationalen Rechnungslegung
6.1 Konvergenz zwischen US-GAAP und IAS/IFRS
6.2 Die Rolle des DRSC im Kontext der Harmonisierung
7 Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 3.2.2 Organisationsstruktur des DRSC
Abbildung 3.2.3 Verfahren der Standardisierung
Abbildung 4.1.1 Organisationsstruktur der IASC Foundation
Abbildung 4.1.3 EU-Anerkennungsverfahren
Abbildung 4.2.3 Organisationsstruktur des FASB
1 Einleitung
In den letzten drei Jahrzehnten lässt sich ein ansteigender Trend zu einer Internationali- sierung der Unternehmenstätigkeit beobachten. Dieses Phänomen ist nicht zuletzt durch eine zunehmende Globalisierung der Finanz- und Kapitalmärkte begründet (Haller & Walton, 2005, S. 5). Insbesondere das Gebiet der Unternehmensfinanzierung ist für vie- le Unternehmen hierbei von besonderer Bedeutung. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, stellen die weltweiten Kapitalmärkte für viele Unternehmen eine wichtige Möglichkeit zur Eigen- und Fremdkapitalbeschaffung dar. Ein international vergleich- barer und anerkannter Jahresabschluss ist hierbei für den Unternehmenserfolg unerläss- lich. Darüber hinaus können Kapitalmärkte auf Dauer nur funktionieren, wenn die ge- samte externe Rechnungslegung aussagekräftige und verwertbare Daten für die jeweili- gen Adressaten bereitstellt. Weltweit existiert jedoch eine Vielzahl von Rechnungsle- gungssystemen, welche dementsprechend heterogene Informationen publizieren. Diese Heterogenität der Rechnungslegung im internationalen Kontext erweist sich zunehmend als problematisch, da bei ihrer Überwindung erhebliche Kosten für die bilanzierenden Unternehmen entstehen. Dies führt oftmals zu Verwirrung bei den Abschlussadressaten, welche mit verschiedenen Jahresabschlüssen für das gleiche Geschäftsjahr konfrontiert werden. Weiterhin wird international agierenden Konzernen wird die Planung, Steue- rung und Kontrolle des Unternehmens durch verschiedene Rechnungslegungsdaten er- schwert (Wagenhoff, 2002, S. 7ff.).
Möchten deutsche Unternehmen Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt, welche der bedeutendste weltweit ist, stellen sich die dargelegten Herausforderungen. Die USamerikanische Börsenaufsichtsbehörde, die Securities and Exchange Commission (SEC) fordert zwingend für die Zulassung zum US-amerikanischen Kapitalmarkt Jahresabschlüsse auf Basis der United States-Generally Accepted Accounting Principles (USGAAP) oder wahlweise Überleitungen des Ergebnisses und des Eigenkapitals, genannte Reconciliations, auf US-GAAP (Sing, 2004, S. 1f.).1 Wie groß die hieraus resultierende Problematik für ein Unternehmen werden kann, zeigt in beeindruckender Weise der Fall der Daimler Benz AG, als diese am 5. Oktober 1993 an die New York Stock Exchange (NYSE) ging. Der Jahresabschluss nach deutschem Handelsrecht zeigte einen Konzerngewinn in Höhe von 615 Millionen DM, nach US- GAAP musste jedoch ein Verlust von 1.839 Millionen DM ausgewiesen werden (Bruns, 1997, S. 31).
Neben der angesprochenen Vergleichbarkeit ist vor allem die Verlässlichkeit der zur Verfügung gestellten Informationen für den Kapitalmarkt und die Öffentlichkeit von hoher Bedeutung. Spektakuläre Fälle wie Enron (vgl. Frentz, 2003, S. 1ff. für eine Chronik des Falls Enron) Ende des Jahres 2001 und WorldCom (Tanski, 2002, S. 2003) Mitte des Jahres 2002 in Amerika haben eindrucksvoll veranschaulicht, dass bis dato bestehende Kontrollen der Unternehmensleitung zum Schutze der Rechte von Aktionä- ren nicht ausreichend waren. Auch in Europa offenbarten sich eklatante Mängel im Be- reich der Corporate Governance und es kam auch dort vermehrt zu Bilanzskandalen. Als Beispiel hierfür sei die schweizerische Adecco S.A. genannt, die am 12. Januar 2004 den Termin zur Veröffentlichung des Jahresergebnisses 2003 aufgrund der Aufde- ckung von Schwächen im internen Kontrollsystem auf unbestimmte Zeit verschieben musste.2 An dieser Stelle zeigt sich der enge Wirkungszusammenhang zwischen Rech- nungslegung und Corporate Governance. Sowohl Rechnungslegung als auch Corporate Governance zielen von ihrer Grundintention auf eine effiziente und wirkungsvolle Un- ternehmensleitung sowie transparente Informationspolitik ab.
In Anbetracht einer weltweiten Harmonisierung der externen Rechnungslegung sind vor allem der gläubigerschutzorientierte kontinental-europäische Ansatz3 und die angloamerikanischen Rechnungslegungsvorschriften,4 welche primär auf den Investorenschutz abzielen, von Bedeutung. Zwischen beiden Konzepten bestehen teilweise erhebliche Differenzen, welche aus den unterschiedlichen wirtschaftlichen Ordnungs- und Wertvorstellungen resultieren (Sing, 2004, S. 2f.).
In der Vergangenheit konnte die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Rechnungsle- gungsmodell auf internationaler Ebene nur sehr beschränkt Einfluss ausüben. Insbeson- dere das strikte Vorsichtsprinzip im deutschen Handelsrecht, was verstärkt zu der Bil- dung von stillen Reserven führt, wirkt sich negativ auf die internationale Akzeptanz aus. Des Weiteren führen Pellens, Fülbier und Ackermann (1996) den geringe Einfluss Deutschlands auch auf das langjährige Fehlen einer deutschen Rechnungslegungskom- mission als Interessenvertretung in den internationalen Standardisierungsgremien zu- rück (S. 290).
Die Bundesregierung reagierte mit einer Reihe von legislativen Maßnahmen, um die Position Deutschlands im Wettstreit der Rechnungslegungssysteme international zu verbessern und so gleichzeitig einen notwendigen Beitrag zur Fortentwicklung der Cor- porate Governance in Deutschland zu leisten. Als wichtigste Gesetze seien an dieser Stelle das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) und das Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) genannt. Im Zuge der Einfüh- rung des KonTraG wurde im HGB durch die §§ 342 und 342a die Möglichkeit der Ein- richtung eines privaten Standardsetzers für die externe Rechnungslegung in Deutsch- land geschaffen (Böcking & Orth, 1998, S. 1241ff.). Nachdem das KonTraG am 1. Mai 1998 in Kraft getreten war, wurde ein privates Standardisierungsgremium errichtet, welches unter dem Namen Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) firmiert. Es wurde am 3. September 1998 offiziell durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) anerkannt (Sing, 2004, S. 4). Harald Wiedmann (2005), Präsident des Deutschen Standardisierungsrates (DSR), sieht eine Hauptaufgabe des DRSC in einer „proaktiven und reaktiven Zusammenarbeit mit dem International Accounting Standard Board (IASB) ... zur Berücksichtigung der gebündelten deutschen Interessen“ (S. 9).
Inwiefern der DRSC dieser selbst gesetzten Zielsetzung auch tatsächlich gerecht wird, gilt es zu klären. Im Speziellen stellt sich die Frage, ob es gelingt, die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften an die internationalen Rechnungslegungsstandards des IASB heranzuführen. Welchen Beitrag private Standardsetzungsgremien somit zur Fortentwicklung der Corporate Governance leisten können, soll in der vorliegenden Arbeit näher untersucht werden.
1.1 Gang der Untersuchung
Zunächst wird im zweiten Teil der Arbeit die Modernisierung der Corporate Governan- ce im Kontext der voranschreitenden Harmonisierung der internationalen Rechnungsle- gung erörtert. Hierbei wird vor allem die steigende Bedeutung der Corporate Governan- ce herausgestellt und die daraus resultierenden Auswirkungen in Deutschland betrachtet.
Zu diesen Auswirkungen zählt insbesondere die Gründung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees. Neben der Darstellung der Aufgaben, Ziele und der strukturellen Ausgestaltung des DRSC liegt der Schwerpunkt dieses Abschnitts auf dem Beitrag zur Weiterentwicklung der Corporate Governance, den das DRSC auf internationaler Ebene leisten kann.
Im Anschluss werden zwei weitere private Standardsetzungsgremien detailliert beschrieben. Zum einen wird das supranationale International Accounting Standard Board (IASB), welches die IAS/IFRS entwickelt, näher beleuchtet und zum anderen wird das Financial Accounting Standards Board (FASB), welches maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung und Fortentwicklung der US-GAAP in den USA hat, untersucht. Das DRSC ist als Standardisierungsgremium nach angloamerikanischem Vorbild errichtet worden und weißt offenkundige Parallelen zum FASB und IASB auf (Paal, 2001, S. 31). Dieser Abschnitt soll herausstellen, inwiefern sich die Verlautbarungen privater Standardsetzungsgremien auf die nationale Rechtssprechung auswirken und auf diese Weise zur Fortentwicklung der Corporate Governance beitragen.
Dass die Weiterentwicklung der Corporate Governance globaler Natur ist und neben den privaten Standardsetzern insbesondere durch staatliche Institutionen geprägt ist, zeigt das Beispiel des Sarbanes-Oxley Acts. Das US-amerikanische Gesetz aus dem Jahre 2002 hat weltweit starken Einfluss auf viele Unternehmen und die Corporate Go- vernance genommen. Als Reaktionen wurden sowohl auf europäischer wie auch auf deutscher Ebene Bestrebungen unternommen, die Rolle des Abschlussprüfers zu stärken und die Rechtmäßigkeit von Unternehmensabschlüssen sicherzustellen.
Anschließend ist zu erörtern, in welchem Maße Konvergenz zwischen diesen Rech- nungslegungsstandards zu erreichen ist und welche potenziellen Vorteile für eine funk- tionierende Corporate Governance hieraus entstehen können. Es wird ein Ausblick über die zukünftige Entwicklung auf dem Gebiet der Konvergenz geliefert und insbesondere hierbei die Rolle des DRSC als nationaler Standardsetzer näher beleuchtet.
Der letzte Teil der vorliegenden Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergeb- nisse und stellt einen Ausblick dar, inwiefern private Standardsetzungsgremien in der Zukunft einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung der Corporate Governance leisten können.
1.2 Ziel der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit soll zeigen, dass Rechnungslegungssysteme keine statischen Konstrukte sind, sondern vielmehr einer sich ständig ändernden Umwelt angepasst wer- den müssen. Demzufolge müssen die jeweiligen Standardsetzer auf die veränderten Be- dingungen reagieren, um auf diese Weise eine funktionierende Corporate Governance zu gewährleisten.
Ziel der Untersuchung ist auszuloten, welchen Beitrag private Standardsetzer im Zuge der fortschreitenden Corporate Governance Diskussion leisten können. Darüber hinaus soll herausgestellt werden, wo mögliche Grenzen liegen.
Zum Erkenntnisgewinn bedient sich die vorliegende Untersuchung sowohl dem deut- schen Standardsetzungsgremium DRSC wie den internationalen Vorbildorganisationen IASB auf europäischer Ebene und dem FASB aus den USA, da hierdurch die zahlrei- chen Einflussmöglichkeiten auf eine Fortentwicklung der Corporate Governance aufge- zeigt und kritisch evaluiert werden können. Im Rahmen dieser Arbeit gilt es ebenfalls herauszustellen, welche Bedeutung das Zusammenspiel zwischen privaten Standardset- zungsgremien und staatlichen Institutionen wie der SEC in den USA oder der Europäi- schen Kommission bei der Fortentwicklung der Corporate Governance einnimmt.
Ein weiteres Ziel ist es, die Erfolgschancen der momentanen Konvergenzbemühungen zu bewerten und einzuschätzen, wie realistisch deren Umsetzung in der Praxis ist. So- wohl aus Sicht der Unternehmen wie auch aus der Stakeholder-Perspektive wären weltweit einheitliche Rechnungslegungsstandards und eine damit verbundene allgemei- ne akzeptierte Corporate Governance sehr zu begrüßen, da diese zu sinkenden Transak-tionskosten für die Unternehmen und zu höherer Transparenz und Vergleichbarkeit sowohl für Aktionäre wie auch andere Interessengruppen führen würden.
2 Die Modernisierung der Corporate Governance im Kontext der internationalen Harmonisierung der Rechnungslegung
2.1 Relevanz der Corporate Governance
Um die Relevanz der Corporate Governance darzulegen, ist es unabdingbar, eine brauchbare Definition des Begriffs zu finden. Trotz einer regelmäßigen Verwendung im betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch existieren noch keine eindeutigen Begrifflich- keiten und Definitionen. Nach Nippa, Petzold und Kürten (2002) gilt dies sowohl für den Inhalt wie auch den Umfang des Betrachtungsgegenstands Corporate Governance (S. 148). Die Definitions- und Erklärungsansätze reichen von kurzen Übersetzungen des Begriffs als „Unternehmensverfassung, Unternehmensverwaltung oder Unternehmens- führung“ (Langebucher & Baum, 1994, S. 2197) bis hin zu umfassenden Begriffsbe- stimmungen. In der Literatur finden sich unzählige Definitionen und Konkretisierungen des Begriffs, welche für jeweils unterschiedliche Problemstellungen unterschiedliche Akzente setzen.5 Es wäre an dieser Stelle weder sinnvoll noch zweckgemäß, eine voll- ständige Auflistung aller Definitionen mit den jeweiligen Akzentuierungen vorzuneh- men. Stattdessen soll an dieser Stelle ein begrenzter, jedoch signifikanter Ausschnitt der bestehenden Begriffklärungen vorgenommen werden.
In einem Großteil der Literatur werden im Bezug auf Corporate Governance nur bör- sennotierte und öffentlich gehandelte Kapitalunternehmen behandelt. Auch wenn die dargelegten Konzepte sich nicht ausschließlich auf diese Art der Kapitalgesellschaften beziehen, so gilt diese Annahme jedoch oft implizit (Blum, 2005, S. 11). Als Beispiel sollen hierbei die OECD Principles of Corporate Governance angeführt werden, welche besonders die Stellung der Anteilseigner unter allen Stakeholdern betonen:
„Allen guten Corporate Governance-Systemen gemeinsam ist die hohe Priorität, die den Interessen der Aktionären eingeräumt wird, die sich ja darauf verlassen, dass die Unternehmen umsichtig und effektiv mit den von ihnen investierten Mitteln umgehen.“ (Seibert, 1999, S. 340.)
An dieser Stelle kommt ein Grundkonflikt über die möglichen Interessenlagen im Un- ternehmenskontext zum Ausdruck. Häufig fallen Verfügungs- und Fruchtziehungsge- walt bei Kapitalgesellschaften auseinander. Die Unternehmensleitung muss demnach nicht zwangsläufig Interessen verfolgen, die sich mit denen der Eigentümer decken. Aus theoretischer Sicht eines klassischen Prinzipal-Agenten Konflikts strebt die Unterneh- mensleitung primär nach der Maximierung des eigenen Nutzens und nicht nach der Nutzenmaximierung der Aktionäre.6 Daher gilt Corporate Governance zum einen als Maßstab für die Unternehmensleitung über die Zustände der Organe bzw. die Rechte und Pflichten der Organmitglieder zu entscheiden, zum anderen jedoch wird die bereits erwähnte Shareholder-Perspektive eingenommen, die verstärkt auf die Überwachung der Unternehmensleitung zum Zwecke der Sicherung der Aktionärsinteressen eingeht (Feddersen, Hommelhoff & Schneider, 1996, S. 1). Eine weitere Definition erklärt Cor- porate Governance als Struktur von Beziehungen und entsprechenden Verantwortlich- keiten in einer aus Aktionären, Vorstandsmitgliedern und Managern bestehenden Kern- gruppe zur bestmöglichen Förderung der nötigen Wettbewerbsleistungen, um das Hauptziel eines jeden Unternehmens, die Erwirtschaftung langfristiger Gewinne, ver- wirklichen zu können. (OECD-Beratergrupper, 1998, S. 13). Der Vielzahl von Definiti- onen kann entnommen werden, dass es sich bei Corporate Governance um einen ver- hältnismäßig jungen Begriff im deutschen Sprachgebrauch handelt. In der Literatur wird dieser Begriff erstmals in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wissenschaft- lich behandelt.7 Schneider und Strenger (2000) weisen darauf hin, dass, obwohl der Begriff „Corporate Governance“ durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) Eingang in das Aktiengesetz gefunden hat8, dieser noch immer keinen Rechtsbegriff darstellt (S. 106).
Nichtsdestotrotz zeigt die aktuelle Diskussion, dass das Thema Corporate Governance zunehmend an Bedeutung gewinnt. Im Zuge der erwähnten Bilanzskandale und einiger spektakulären Unternehmensschieflagen ist die Thematik zunehmend ins öffentliche Interesse gerückt. Insbesondere für Kapitalgesellschaften ist Corporate Governance von hoher Relevanz. Dies gilt insbesondere für die Interpretation der Außenbeziehungen eines Unternehmens, da die Interessen- und Anspruchsgruppen bei einer Kapitalgesell- schaft vielfältiger sind als bei einem eigentümergeführten Unternehmen. Corporate Go- vernance ist allerdings auch für Gesellschaften von Bedeutung, welche nicht den Kapi- talmarkt in Anspruch nehmen, da im Hinblick auf Kapitalbeschaffung eine transparente und verantwortungsvolle Unternehmensführung förderlich ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine gute Corporate Governance primär von börsennotierten Akti- engesellschaften gefordert wird, kleine und mittelständische Unternehmen sich jedoch dieser langfristig nicht verschließen können, um künftige Handlungsspielräume nicht unnötig einzuengen.
2.2 Corporate Governance - Entwicklung in Deutschland
Die Entwicklungsbemühungen einer funktionierenden Corporate Governance in Deutschland wurden vor allem durch den Kapitalmarkt forciert. In der Vergangenheit gaben angloamerikanische Investoren Grundsätze guter Corporate Governance heraus. Aufgrund unterschiedlicher Regelwerke in Deutschland (AktG, HGB, WpHG) war eine Vergleichbarkeit an dieser Stelle kaum gegeben und das deutsche System wurde im internationalen Vergleich als undurchsichtig kritisiert. Aus Investorensicht wurde zu- dem immer wieder eine restriktive Informationspolitik deutscher Unternehmen bemän- gelt. Da jedoch der internationale Kapitalmarkt eine Informations-Bringschuld einfor- dert, entstand das Problem, die Besonderheiten des deutschen Systems transparent dar- zustellen. In diesem Kontext wurde der Ruf nach einem Verhaltenskodex für Unter- nehmen immer lauter (Dörner & Orth, 2003, S. 13f.)
Bereits im Vorfeld der deutschen Initiativen entstanden auf supranationaler Ebene Versuche zur Bestimmung von Grundsätzen guter Corporate Governance. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) befasste sich bereits 1996 mit der Thematik, um zentrale und einheitliche Grundsätze herauszuarbeiten. Insgesamt musste die OECD hierbei feststellen, dass weltweit keine einheitlichen Systeme der Unternehmensführung und -kontrolle bestanden und die bisherigen Modelle grundsätzlich nicht miteinander kompatibel waren. Allerdings merkte die OECDBeratergruppe (1998) ebenfalls hierzu an, dass tendenziell eine Annäherung zwischen den unterschiedlichen Systemen zu beobachten sei.
Um im globalen Wettbewerb der Kapitalmärkte nicht weiter zurückzufallen und auf diese Weise auch die internationale Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen zu stärken, setzte der deutsche Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) einen Meilenstein zur Verbesserung der Corporate Governance. Neben weit reichenden Anpassungen im Überwachungssystem deutscher Aktiengesellschaften (Kontrolle) wurde auch eine umfassende Rechnungs- bzw. Re- chenschaftslegung, insbesondere der börsennotierten Unternehmen (Transparenz) ge- setzlich vorgeschrieben (Dörner & Orth, 2003, S.14f.). Als Reaktion auf die beschrie- benen OECD-Grundsätze, die kapitalmarktgetriebenen Forderungen zur Verbesserung der Corporate Governance und die geänderte Rechtslage durch das KonTraG entstanden in Deutschland zahlreiche Initiativen, welche sich allesamt der Thematik annahmen.9 Als Reaktion auf die Krise bei Philipp Holzmann setzte die Bundesregierung zwei Kommissionen ein, die sich mit Fragen der deutschen Corporate Governance beschäf- tigten. Zum einen war dies die Kommission „Corporate Governance - Unternehmens- führung - Unternehmenskontrolle - Modernisierung des Aktienrechts“ („Baums- Kommission“) und zum anderen die hierauf folgend eingerichtete Regierungskommis- sion „Deutscher Corporate Governance Kodex“ („Cromme-Kommission“). Während die Baums-Kommission Defizite im deutschen Modell der Unternehmensführung und - kontrolle aufspüren sollte (Baums, 2001, S. 1), war es Aufgabe der Cromme- Kommission einen deutschen Kodex zu entwickeln. Als Reaktion auf die Kommissi- onsergebnisse trat am 26. Juli 2002 das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) in Kraft, das den gesetzlichen Ordnungsrahmen für den deutschen Corporate Governance Kodex darstellt, ohne dessen Inhalt zu bestimmen (Dörner & Orth, 2003, S. 16).
Im Nachgang an die Ergebnisse der Cromme-Kommission war ein Kodex zu erstellen, welcher alle Corporate Governance-Grundsätze in einem einzigen Regelwerk bündeln sollte. Dörner und Orth (2003) nennen drei Ziele, die durch den Kodex erreicht werden sollen (S. 17). Diese sind:
- Dokumentation deutscher Governance Grundsätze;
Rechnungslegung, Corporate Governance und private Expertengremien 10
- Flexibilisierung ordnungspolitischer Rahmengrundsätze;
- Kodifizierung des Leitgedankens der Transparenz.
Der Kodex wird in vier weiteren Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch und Italie- nisch) veröffentlicht und zeigt somit, dass vor allem ausländischen Investoren Informa- tionen über den deutschen Kapitalmarkt bereitgestellt werden sollen. Der Kodex wurde nicht mittels eines gesetzgeberischen Aktes umgesetzt, sondern hat als „Soft Law“ in die Praxis Einzug gehalten. Dies bietet die Möglichkeit dauerhaft eine hohe Qualität der Empfehlungen zu sichern, indem auf veränderte Anforderungen flexibel und schnell reagiert werden kann. Des Weiteren wurde stark auf die internationale Kritik eingegan- gen, wonach das deutsche System der Unternehmensführung häufig im Mittelpunkt der Kritik steht. Gerade die oftmals als undurchsichtig empfundene Trennung zwischen Unternehmensführung und -überwachung, die mangelnde Unabhängigkeit von Auf- sichtsräten und Wirtschaftsprüfern, unzureichende Transparenz sowie die ungenügende Ausrichtung an den Aktionärsinteressen sollten durch den Kodex verbessert werden (Werder, 2002, S. 802).
Da man bei der Umsetzung des Kodex auf den Druck des Kapitalmarkts hofft und ihn nicht in Gesetzesform erlassen hat, hängt seine Wirkung entscheidend von der Umset- zung durch die Unternehmen ab. Anlässlich der 3. Konferenz Deutscher Corporate Go- vernance Kodex am 24. Juni 2004 in Berlin stellte Gerhard Cromme die Kodex Umset- zung dar (S. 5f.). Demnach nimmt die Umsetzung von Jahr zu Jahr zu und hat 2004 bereits einen zufrieden stellenden Grad erreicht. Es lässt sich darüber hinaus festhalten, dass die Zustimmung tendenziell mit Größe der Unternehmen zunimmt. So wurden zum Jahresende 2004 durchschnittlich 96% aller Empfehlungen des Kodex durch DAX- Unternehmen umgesetzt. Im M-DAX lag diese Quote bei 90% und im S-DAX bei 87%. Cromme bekräftigt den Trend der steigenden Akzeptanz des Kodex in Deutschland, wodurch der Standort Deutschland in seiner gesamten Wettbewerbskraft gestärkt hervor geht.
3 Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung
Die deutsche Rechnungslegung wird aktuell nicht mehr allein vom deutschen Gesetzge- ber bestimmt, sondern ist einer Vielzahl von Einflussfaktoren unterworfen. Von beson- derer Bedeutung ist hierbei der Einfluss verschiedener EU-Richtlinien, da diese einen maßgeblichen Einfluss auf die Fortentwicklung der Rechnungslegung haben. Im Zuge dieser Entwicklung kam es zu einer Neuorientierung des deutschen Bilanzrechts.
3.1 Neuorientierung des deutschen Bilanzrechts
Der deutsche Gesetzgeber hat in der Vergangenheit einige tief greifende Veränderungen im deutschen Bilanzrecht vorgenommen. Die zwei ersten, wichtigen Schritte zu einer Internationalisierung der deutschen Rechnungslegung waren zum einen das Kapitalauf- nahmeerleichterungsgesetz (KapAEG) vom 20. April 1998 (BGBl. I, 1998, S. 707) so- wie das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) am 27. April 1998 (BGBl. I, 1998, S. 786).
Mit dem Inkrafttreten des KapAEG wurde die deutsche Konzernrechnungslegung für international anerkannte Rechnungslegungsgrundsätze geöffnet, indem (u.a.) der § 292a HGB in das deutsche Bilanzrecht eingeführt wurde. Gemäß § 292a HGB entfällt die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nach HGB, wenn ein konsolidierter Abschluss nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften aufgestellt wird, der in seiner Aussagekraft einem nach HGB aufgestellten Konzernabschluss gleichwertig ist. Zu den anerkannten internationalen Rechnungslegungsvorschriften gehören die IAS/IFRS sowie die US-GAAP. Am 19.07.2002 verabschiedete das Europäische Par- lament und der Ministerrat die Verordnung (EG 1606/2002) der Europäischen Union „betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze“ (sog. IAS- Verordnung) zur Vereinheitlichung der Rechnungslegung in den Mitgliedstaaten der EU (ABlEG, 2002, 243/1). Die IAS-Verordnung schreibt insbesondere die verpflichtende Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS/IAS) für konsoli- dierte Abschlüsse von kapitalmarktorientierten Gesellschaften ab dem 01.01.2005 vor. Aufgrund der Anwendung des Rechtsinstruments einer EU-Verordnung gilt die Ver- pflichtung zur Erstellung der Konzernabschlüsse ohne besonderen Umsetzungsakt der einzelnen Mitgliedstaaten unmittelbar.
[...]
1 Unternehmen, die eine Notierung an einer US-amerikanischen Börse anstreben und nicht bereits nach US-GAAP bilanzieren, stehen drei Möglichkeiten zur Auswahl: Es kann ein dualer Abschluss veröf- fentlicht werden, bei dem die Bilanzierungswahlrechte so ausgeübt werden, dass der erstellte Abschluss mit US-GAAP und den nationalen Rechnungslegungsvorschriften konform ist. Des Weiteren ist die Erstellung eines parallelen Abschlusses möglich, bei dem neben dem nationalen Abschluss ein weiterer nach US-GAAP erstellt wird. Die dritte Alternative ist die Reconciliation. Jede Alternative verursacht hohe Kosten und fügt dem bilanzierenden Unternehmen erhebliche Nachteile zu.
[2] Als Reaktion auf diese Bekanntmachung brach der Kurs der Adecco-Aktie an der Schweizer Börse zeitweise um mehr als 47% ein (vgl. Hamburger Abendblatt, 13.01.2004).
[3] Das kontinentaleuropäische Bilanzierungskonzept wird vor allem durch Deutschland, Frankreich und Belgien geprägt.
[4] Hierzu zählen beispielsweise das US-amerikanische, britische, kanadische und australische Bilanzkon- zept.
[5] Nippa, Petzold und Kürten (2002) weisen darauf hin, dass die Thematisierung der Corporate Governance in der Wissenschaft von der Mikroökonomie und der Organisationsökonomie über die Finanzwissenschaften und Recht bis hin zur Politologie und Psychologie reicht (S. 6).
[6] Der Property-Rights Ansatz geht von einer Aufteilung der Eigentumsrechte der am Unternehmen betei- ligten Personen aus. Die Eigentumsrechte werden hierbei in spezifische Einzelrechte aufgeteilt, die dann in einer neuen Kombination zusammengefügt werden. Eine solche Reallokation der Einzelrechte soll dabei eine dem Effizienzziel förderliche Steuerung des individuellen Verhaltens der am Unternehmen Beteiligten bewirken (Fama & Jensen, 1983, S. 327).
[7] Besonders erwähnenswert in Deutschland ist die Studie von Bleicher, Leberl und Paul (1989).
[8] In § 161 AktG: „Erklärung zum Corporate Governance Kodex“.
[9] Als Beispiele hierfür können die „Grundsatzkommission Corporate Governance“ („Frankfurter“- Initiativkreis) aus dem Jahre 2000 mit einem „Code of Best Practice“ oder der „German Code of Corporate Governance (GCCG)“ des „Berliner“-Initiativkreises (2000) angeführt werden.
- Quote paper
- Anonymous,, 2007, Rechnungslegung, Corporate Governance und private Expertengremien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90172
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.