Das Kernthema der vorliegenden Hausarbeit ist die Intelligenzforschung als Teilbereich der Psychologie. Einleitend werden die Anfänge dieses Wissenschaftszweiges in Bezug auf geschichtliche und wissenschaftliche Rahmenbedingungen beleuchtet. Darauf folgt die Vorstellung der einflussreichsten frühen Vertreter der Intelligenzforschung, ihrer Theorien und Testpraxis. Aufgrund der deutlichen Unterschiede der nationalen Entwicklungen und Schwerpunkte gliedert sich die anschließende Betrachtung entsprechend der Länder beziehungsweise Kontinente. Die Darstellung der einzelnen Nationen umfasst die einflussreichsten Theorien und ihre Vertreter, die dazu entwickelten Tests und Studien sowie eine kurze Bezugnahme auf die Verwendung von Tests im öffentlichen Bereich. Eine Zusammenfassung der aktuellen Situation der Intelligenzforschung auf globaler Ebene und die Betrachtung eines möglichen internationalen Konzepts schließen diesen Teil der Hausarbeit ab. Im Anschluss werden Anknüpfungspunkte, Parallelen und auch denkbare gegenseitige Anregungen zwischen Kunsttherapie und Intelligenzforschung sowohl auf der Ebene der Methoden als auch auf der Ebene der Konzepte gesucht. Die Hausarbeit endet mit der Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
In der Ausarbeitung wird bewusst auf eine vorangestellt Definition von Intelligenz und verwandten Begriffen verzichtet, dies geschieht aus zweierlei Grund: Zum einen werden in entsprechenden Begriffsbestimmungen häufig Worte wie klug, fähig oder geschickt verwendet, die letztlich synonym zu intelligent sind und somit eine klare Darstellung umgehen, zum anderen erschließt sich die jeweilige Auffassung von Intelligenz deutlicher aus den verwendeten Anordnungen, welche sie messen wollen, als aus Worten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Anfänge der wissenschaftlichen Intelligenzforschung im ausgehenden
19. Jahrhundert
2.1 Gesellschaftliche Einflüsse
2.2 Einflüsse durch andere Wissenschaftszweige
2.3 Frühe Vertreter der Intelligenzforschung und die von ihnen entwickelten Tests
3. Entwicklung der Intelligenzforschung in ausgewählten Nationen
3.1 Europäische Entwicklungen
3.1.1 England
3.1.2 Frankreich und französischsprachige Schweiz
3.1.3 Deutschland und deutschsprachige Schweiz
3.1.4 Beiträge anderer europäischer Länder
3.2 Nord-Amerikanische Entwicklungen
3.3 Süd-Amerikanische Entwicklungen
3.4 Australische Entwicklungen
3.5 Asiatische Entwicklungen
3.5.1 Ostasien: Japan, China und Indien
3.5.3 Westasien: Israel und Türkei
3.5.2 Sowjetunion/Russland
3.6 Afrikanische Entwicklungen
4. Zusammenfassung des internationalen State-of-Art der Intelligenzforschung und Chancen eines übergeordneten Intelligenzkonzeptes
5. Kunsttherapie und Intelligenzforschung
5.1 Anknüpfungspunkte auf methodischer Ebene
5.2 Anknüpfungspunkte auf konzeptualer Ebene
6. Zusammenfassung
7. Literatur- und Abbildungsverzeichnis
8. Anhang
Anhang A
Anhang B
Anhang C
Anhang D
Anhang E
Anhang F
Anhang J
Anhang K
Anhang L
1. Einleitung
Was ist Intelligenz? „Was Intelligenz […] auch sein mag, immer trägt deren Ausmaß, das einem Individuum zugeschrieben wird, mit dazu bei, dessen Platz in der hierarchischen Struktur seiner Gruppe zu bedingen.“ (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 12)
Das Kernthema der vorliegenden Hausarbeit ist die Intelligenzforschung als Teilbereich der Psychologie. Einleitend werden die Anfänge dieses Wissenschaftszweiges in Bezug auf geschichtliche und wissenschaftliche Rahmenbedingungen beleuchtet. Darauf folgt die Vorstellung der einflussreichsten frühen Vertreter der Intelligenzforschung, ihrer Theorien und Testpraxis. Aufgrund der deutlichen Unterschiede der nationalen Entwicklungen und Schwerpunkte gliedert sich die anschließende Betrachtung entsprechend der Länder beziehungsweise Kontinente. Die Darstellung der einzelnen Nationen umfasst die einflussreichsten Theorien und ihre Vertreter, die dazu entwickelten Tests und Studien sowie eine kurze Bezugnahme auf die Verwendung von Tests im öffentlichen Bereich. Eine Zusammenfassung der aktuellen Situation der Intelligenzforschung auf globaler Ebene und die Betrachtung eines möglichen internationalen Konzepts schließen diesen Teil der Hausarbeit ab. Im Anschluss werden Anknüpfungspunkte, Parallelen und auch denkbare gegenseitige Anregungen zwischen Kunsttherapie und Intelligenzforschung sowohl auf der Ebene der Methoden als auch auf der Ebene der Konzepte gesucht. Die Hausarbeit endet mit der Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
In der Ausarbeitung wird bewusst auf eine vorangestellt Definition von Intelligenz und verwandten Begriffen verzichtet, dies geschieht aus zweierlei Grund: Zum einen werden in entsprechenden Begriffsbestimmungen häufig Worte wie klug, fähig oder geschickt verwendet, die letztlich synonym zu intelligent sind und somit eine klare Darstellung umgehen, zum anderen erschließt sich die jeweilige Auffassung von Intelligenz deutlicher aus den verwendeten Anordnungen, welche sie messen wollen, als aus Worten.
Meine persönliche Motivation für die Wahl dieses Themas resultiert aus der Dissonanz zwischen den Alltagsauffassungen darüber, wer oder was intelligent sei, und der wissenschaftlichen Zugangsweise, sowie meiner Mitgliedschaft in Mensa e.V., die mich vor die Frage stellt, ob aus einem hohen Wert in einem Intelligenztest automatisch so genanntes intelligentes Verhalten im Alltag gefolgert werden kann.
2. Die Anfänge der wissenschaftlichen Intelligenzforschung im ausgehenden 19. Jahrhundert
2.1 Gesellschaftliche Einflüsse
Einleitend sei erwähnt, dass die Beschäftigung mit dem menschlichen Denkvermögen keine Erfindung der Neuzeit ist. Bereits Plato schrieb in “Staat” über die Vergabe von Regierungsämtern aufgrund der Auswahl der Besten. Im alten China diente ein solches Auswahlverfahren, ke ju genannt, über 1300 Jahre der Bestimmung hoher Beamter. Das Alte Testament berichtet in Richter 7 von der „Eignungsprüfung“, welche Gideon durchführte um die 300 Besten seiner 32000 Soldaten auszuwählen. Viele einflussreiche Schriften dieser Zeit thematisieren Verstand, Denken und Intelligenz, darunter das Alte und Neue Testament, die traditionellen Schriften Indien, die Lehren des Konfuzius und die Arbeiten griechischer Philosophen. Jedoch entsprechen weder die aufgestellten Theorien noch die dafür herangezogenen Untersuchungsweisen den Anforderungen einer wissenschaftlichen Arbeitsweise und können grundlegend der Philosophie und Religion zugerechnet werden. (Sternberg, 2004, S. 217)
Durch die Scholastik des Mittelalters verschwanden interindividuelle Unterschiede aus dem Blickfeld, da das Individuum als untrennbar von der (religiösen) Gemeinschaft erlebt wurde. Die „Vereinzelung“ oder „Individualisation“, die Trennung von der Gruppe durch Exkommunikation, stellte höchste Bestrafung dar. Durch den aufkommenden Protestantismus wurde die Generalisierung des Einzelnen abgelöst durch die Betonung der Beziehung des Einzelnen zu Gott und somit die Grundlage für ein neues Interesse an interindividuellen Unterschieden gelegt. Das Streben nach Gleichbehandlung aller Menschen führte im 19. Jahrhundert zu einer Öffnung der Schulen für eine Vielzahl an Kindern aus schlechteren sozialen Verhältnissen. Das Bildungssystem wurde zunehmend vor ein breiteres Spektrum an Leistungsunterschieden gestellt, woraus sich das Bedürfnis nach Selektionskriterien und -methoden für die entsprechenden Bildungswege ergab. (Brennan, 1986, S. 43, 79)
2.2 Einflüsse durch andere Wissenschaftszweige
Während unter dem Einfluss der Kirche Erkenntnisse aus dem theologischen Rahmenwerk apriorisch abgeleitet wurden, eröffnete sich durch Kopernikus und später Galileo, Keppler und Newton der Weg zu einer Wissenschaft, die auf empirischen Daten beruhte. Entscheidende Impulse für die Entstehung der Intelligenzforschung entstammen der Beschäftigung mit individuellen Unterschieden in der Biologie. Die Evolutionstheorie von Charles Darwin (1809-1882) postulierte die Entwicklung der Arten anstelle ihrer Unveränderlichkeit und stellte so die Erforschung individueller Unterschiede in einen neuen theoretischen Zusammenhang. Der Universalgelehrte Sir Francis Galton (1822-1911) bereicherte die Intelligenzforschung um die Zwillingsmethode, wodurch der Einfluss von Erb- und Umweltfaktoren unterschieden werden kann. In seinem 1869 erschienenen Buch „Hereditary Genius“ zeigte er anhand von Stammbäumen Intelligenzballungen in bestimmten Familien. Zudem entwickelte Galton eine Vielzahl von Tests (z. B. die Galton-Pfeife), zu denen auch Gedächtnistests gehörten. 1844 errichtete er ein „anthropometrisches Laboratorium“ auf der Londoner „International Health Exhibition“, in dem er Gewicht, Größe und andere körperliche Besonderheiten der Besucher festhielt und die Verteilungsformen dieser physischen Merkmale anhand der von Gauß 1809 entwickelten Normalverteilung untersuchte (s. Anhang A). Die Bedeutung von Erbfaktoren zeigte Gregor Mendel (1822-1881) auf, indem er individuelle Eigenarten kausal durch die zufällige Kombination von Erbanlagen erklärte. (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 18-22) Weitere Impulse kamen aus der Psychophysik, die physikalische Stimuli und deren Wahrnehmung untersuchte. In der Nachfolge von Weber (1795-1878), Fechner (1801-1887) und v. Helmholtz (1821-1894) studierten Wilhelm Wundt (1832-1920) und sein Schüler Edward B. Titchener (1867-1927) ab 1879 die individuellen Unterschiede in der Reizleitung. Unter den Namen von Wundts Studenten finden sich viele Wissenschaftler, die die Psychologie stark beeinflussten. (Brennan, 1986, S. 140-145, 155-157; Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 218-229)
2.3 Frühe Vertreter der Intelligenzforschung und die von ihnen entwickelten Tests
James McKeen-Cattell (1860-1944), der bei Wundt über individuelle Reaktionszeitdifferenzen promovierte, prägte 1890 den Begriff „mental tests“ für die Prüfungen spezifischer Fähigkeiten durch stark sensorisch ausgerichtete Tests. Sowohl in Deutschland (Rieger, Oehrn, Kraepelin, Münsterberg, Ebbinghaus), als auch in Nordamerika (Farrand und Jastrow) wurden ähnliche Tests durchgeführt, die aber letztlich nicht zu einem Messinstrument der eigentlichen Intelligenz führten, da sie bei ein und derselben Person starke Unterschiede aufwiesen und sie keinen Bezug zu Intelligenzschätzwerten durch Außenstehende aufwiesen. (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 22-23)
Ein Neubeginn erfolgte durch die Erkenntnisse des französischen Pädagogen Alfred Binet (1857-1911). Als Direktor des Psychopysiologischen Institutes der Sorbonne arbeitete er mit Victor Henri (1872-1940) und Theophile Simon (1873-1961) zusammen. Er schlug Verfahren zum Messen von Prozessen höherer Ordnung (Gedächtnis, Vorstellungskraft und Verständnisfähigkeit) anstelle der sensorischen Tests zur Erfassung einfacherer Fähigkeiten vor. Unter Messen verstand Binet: „The word measure is not used here in its mathematical sense: It does not mean the number of times a quantity is contained in another. To us, the idea of measurement is one of hierarchical ranking.” (Sternberg, 2004, S. 106) Seine erste Aufgabenserie mit 30 nach Schweregraden gestaffelten Aufgaben veröffentliche er 1905, den Maßstab der Intelligenz bildete dabei der altersbedingte Leistungsfortschritt. Das Intelligenzalter errechnete aus Grundalter (Altersklasse, in der alle Aufgaben gelöst wurden) plus 1∕5 Jahr für jede Aufgabe einer höheren Altersklasse. Der Binet-Test wurde 1908 und 1911 revidiert und war für Kinder bis 15 Jahre ausgelegt. Für ältere Kinder wurde die Findung altersspezifischer Aufgaben schwierig, woraus Binet schloss, dass die Entwicklung der Intelligenz mit diesem Alter abgeschlossen ist. William Stern (1871-1938) setzte 1911 Intelligenzalter und Lebensalter in Beziehung und bildete so den Intelligenzquotienten (IQ), der eine höhere Konstanz von Leistungsvorsprüngen und Rückständen auf verschiedene Altersstufen gewährleistete. Der Begriff „Intelligenzquotient“ fand rasch Popularität, Binets Test verbreitete sich schnell und dominierte für ein halbes Jahrhundert die Testszene. 1916 wurde der Test an der Stanford-Universität durch Terman und Merrill standardisiert (Stanford-Binet-Test). Weitere Standardisierungen folgten 1937 und 1960 (für Aufgabenbeispiele der verschiedenen Tests: s. Anhang B). (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 23-27)
Während sich die experimentelle Psychologie auf das Messen interindividueller Unterschiede konzentrierte, war es das Anliegen des Biologen Jean Piaget (1896-1980), „to understand the development of knowledge in the human species rather than to describe and understand how children develop“ (Sternberg, 2004, S. 111). Er untersuchte die Stufen der Entwicklung der Intelligenz im Allgemeinen und konzentrierte sich dabei auf ein ideales (epistemisches) Subjekt, um sich so den universellen Entwicklungsgesetzten anzunähern. Piaget führte das Interview als Mittel der Erkenntnisgewinnung ein, welches jedoch nur innerhalb der akademischen Welt ein Bestandteil der Forschungsmethoden wurde. Der Amerikaner David Wechsler (1896-1981) löste 1939 das Problem der Altersbegrenzung des Binet-Tests. Er verwendete zur Erfassung der Intelligenz von Erwachsenen und Kindern Abweichungsquotienten, d.h. der Durchschnitt der empirischen Messung der Leistungsstreuung einer Altersgruppe wird mit Punktwert 100 gleichgesetzt, die individuelle Leistung wird als Differenz zum Mittelwert ausgedrückt und auf die jeweilige Altersstreuung bezogen. Um die Vergleichbarkeit zu Binets Skalen zu ermöglichen, wird dieser Quotient mit Faktor 15 multipliziert. (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 111-112, 155-157, 195)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Prinzip der Normierungsverfahren wird auch heute noch angewandt. Hierbei ist der Intelligenzquotient so definiert, dass er zwischen etwa 70 und 130 liegt, einen Mittelwert bei Mx= 100 hat und eine Standardabweichung von sx=15. (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 195) Zwei gebräuchliche Unterteilungen der IQ-Werte-Verteilung, Abb. 1 (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 195):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die ersten Tests waren Individualtest, sie wurden von einem Testleiter mit je einer Person durchgeführt. Gruppentests entstanden zur Zeit des Eintritts der USA in den 1. Weltkrieg zum gleichzeitigen Testen vieler Rekruten, daher wurde 1917 der Army-Alpha-Test entwickelt. Ein weiterer Vertreter der frühen Intelligenzforschung war Charles E. Spearman (1863-1945), der die Überprüfung von Theorien der Wahrnehmung anhand von validen Variablen der experimentellen Psychologie postulierte. Spearman erkannte, dass verschiedene Intelligenztestaufgaben interkorrelierten und fand zwei dafür verant-wortliche Faktoren: den generellen Faktor (g), der in allen Tests zu finden war und den speziellen Faktor (s), der auf den einzelnen Test bezogen ist (Zwei-Faktoren-Theorie, g-Faktor-Theorie). Damit war er der erste Forscher, der eine Theorie auf Grundlage empirischer Daten aufbaute. Die Vorstellung des g-Faktors der Intelligenz übt bis heute einen starken Einfluss aus. (Sternberg, 2004, S. 3-5, 27)
Abschließend zur Darstellung der frühen Intelligenzforschung sei auf den bereits angeführten Unterschied zu philosophischen Betrachtungen der Antike verwiesen, der sich anhand der Kriterien des wissenschaftlichen Testens bestätigen lässt:
1. Objektivität; d.h. Grad der Unabhängigkeit der gemessenen Merkmale vom Beobachter
2. Reliabilität; d.h. Grad der Messfehlerfreiheit
3. Validität; d.h. Grad der Genauigkeit, mit dem das gesuchte Merkmal tatsächlich gemessen wird (Roth, Oswald, Daumenlang, 1972, S. 130-132,149)
3. Entwicklung der Intelligenzforschung in ausgewählten Nationen
3.1 Europäische Entwicklungen
3.1.1 England
Die englische Entwicklung der Intelligenzforschung ist deutlich geprägt durch Galton, den „father of experimental psychology in England“ (Sternberg, 2004, S.3). Es zeigen sich historische Unterschiede zwischen den Schulen der Psychologie in Cambridge und London, erstere befasste sich mit Spearmans g-Faktor-Theorie, Zweitere versuchte Intelligenzunterschiede durch Faktoren wie Reaktionszeit und sensorische Auswahl zu begründen. Aufbauend auf den g-Faktor erforschten Thomson, Burt und Vernon die Struktur der Intelligenz. Laut Vernon waren ihre Erkenntnisse, „that mental ability differences may be described as a hierarchy of more or less specific packets of variance with g on top; that psychometrics will never explain intelligence differences; and that ability factors, especially g, should be treated as discoveries to be explained rather than things in the brain.” (Sternberg, 2004, S.3-5)
Aktuelle Forschungsschwerpunkte
1. Arbeitsgedächtnis: Zentrales Forschungsthema Baddeleys ist das Arbeitsgedächtnis, definiert als „a limited capacity system allowing the temporary storage and manipulation of information necessary for such complex tasks as comprehension, learning and reasoning“ (Sternberg, 200a, S. 11). Baddeley untersucht dabei besonders den episodischen Buffer, der Daten in multimodaler Kodierung speichert und zwischen benachbarten Systemen und dem Langzeitgedächtnis vermittelt. (Sternberg, 2004, S. 11)
2. Großhirnfunktion, Reaktions- und Inspektionszeit: Duncan, Emslie und Williams (1996-2000) wiesen auf einen Zusammenhang von Großhirnfunktion und g hin. Sie schlossen aus PET-überwachten Tests (Positronenemisionstomografie) auf die Existenz eines „specific frontal-lobe network that is consistently recruited for solution of diverse cognitive problems“ (Sternberg, 2004, S. 12) Zur Untersuchung des Zusammenhangs von psychometrischer Intelligenz und Reaktionszeit wurden in der „West of Scotland Twenty-07 Study“ (2001) 900 repräsentative 55-Jährige getestet. Daraufhin wurden in Metaanalysen deutliche Korrelationen der psychometrischen Intelligenz mit der Inspektionszeit gezeigt. Ab 1989 suchten Deary, Caryl und andere nach den biologischen Grundlagen dieser Variablen in situationsabhängigen Gehirnstrompotentialen. (Sternberg, 2004, S.12-13, 16)
3. Genetik: Als bekannteste Arbeit ist hier Burts Zwillingsstudie zu nennen. Plonim studiert aktuell den Einfluss der Vererbung abhängig vom Alter. Das IQ-QTL-Projekt (IQ-quantitive trait loci) des Londoner Instituts für Psychiatrie untersucht anhand von 3000 genetischen Markern die Auswirkung von Genfaktoren auf den psychometrischen Phänotyp. (Sternberg, 2004, S.19-20)
Testpraxis im öffentlichen Bereich
1. Testpraxis im Bildungssystem: Seit Mitte des 20. Jahrhunderts war der Eleven-plus-Test wesentliches Kriterium der Wahl des Bildungsweges, er wurde jedoch in den letzten Jahren durch weniger verbal orientierte Tests abgelöst. Gegenwärtig werden die meisten Kinder mit 11 und 13 Jahren mit dem Cognitive Abilities Test (CAT), dem NFER-Nelson-Test oder der neuen Testbatterie CogATTM getestet, sie werden von den Lehrern angeleitet und besitzen im Allgemeinen eine hohe Vorhersagekraft über den Schulerfolg. Gegen Ende der schulischen Laufbahn erfolgen Tests zur Eignungsbestimmung. Für individuelle Tests im Bildungsbereich werden hauptsächlich Wechsler Intelligence Scale for Children (WISC-III) und British Ability Scales (BAS-II) genutzt. (Sternberg, 2004, S. 21-28)
2. Testpraxis im Berufssystem: Im englischen Berufssystem wird eine Vielzahl von Tests angewandt, in deren Entwicklung das Ziel verfolgt wurde, sie vom Geschlecht und der kulturellen Zugehörigkeit unabhängig zu machen. Es zeigt sich eine vermehrte Einbindung von computergestützten Verfahren und den Konzepten der multiplen und der emotionalen Intelligenz (EQ). (Sternberg, 2004, S. 30-31)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in England eine selbstbewusste Forschungstradition besteht, die ihre Resonanz in der weiten Verbreitung von Tests im öffentlichen Leben findet und sich in ihren Schwerpunkten auf die biologisch bedingten Variablen der Intelligenz konzentriert.
3.1.2 Frankreich und französischsprachige Schweiz
Frankreich und der französischsprachige Teil der Schweiz werden in dieser Arbeit aufgrund der sprachlichen Übereinstimmung und den intensiven Interaktion im wissenschaftlichen Bereich gemeinsam betrachtet.
Mit Binet und Simon weist die französische Intelligenzforschung zwei bedeutende Namen auf, deren Einfluss im eigenen Land jedoch geringer war als in den Nachbarnationen und Nordamerika. Dieser Umstand begründet sich in Edouard Toulouse’ Interesse am experimentellen Testen von Wahrnehmungen. Zwischen Toulouse’ Zugang und dem von Binet gemessenen globaleren intellektuellen Maß gab es große Kontroversen. Nach Binets Tod 1911 übernahm Píeron das Labor für Experimentalpsychologie der Sorbonne, reorientierte es auf Toulouse’ Ansichten und institutionalisierte die Psychologie in Frankreich. Píeron arbeitete auf den Gebieten Psychophysiologie und Psychometrik und verwarf die Theorie der hierarchischen Struktur der Intelligenz. Das von ihm gegründete Institut d’Orientation Professionnelle, das er 1928 bis 1963 leitete, unterhielt eine Abteilung zur Eignungstestentwicklung. Anhand dieser Tests wollte Pieron individuelle Eignungsprofile erstellen und diese mit den Anforderungsprofilen gewisser Anstellungen vergleichen, statt den sozialen Hintergrund entscheiden zu lassen. Hierin wurde er von linksorientierten Intellektuellen unterstützt, die darin die Möglichkeit sahen, soziale Ungerechtigkeiten zu korrigieren. Der Binet-Test wurde nur noch im schulischen Rahmen genutzt, geriet mit der Zeit in Vergessenheit und wurde erst 38 Jahre nach Binets Tod wieder revidiert. Trotz der Bedeutung Binets sind seit den 50er Jahren die französischen Varianten der Wechsler-Tests das zentrale Arbeitsmittel in der psychologischen Praxis. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in Bezug auf Piaget nachvollziehen. Obwohl seine Mitarbeiterin Inhelder in vielen Studien klinische Populationen mit dem epistemischen Subjekt verglich, setzte sich Piagets Arbeitsweise aufgrund des hohen Aufwandes und mangels Vergleichswerten aus der Durchschnittsbevölkerung nicht durch. Rey, der im selben Institut tätig war wie Piaget, befürwortete eine hypothetisch-deduktive Herangehensweise und entwarf eine Vielzahl von Tests (Rey Auditory-Verbal Learning Test, Rey-Osterrieth Complex Figure Test). Er konzentrierte sich auf die Lernfähigkeit und die systematische Unterscheidung von gelerntem Wissen und aktuellem Lernpotential. Rey wird als Vorläufer der gegenwärtigen kognitiv-neuropsychologischen Zugänge in Frankreich angesehen. (Sternberg, 2004, S. 105-112)
Aktuelle Forschungsschwerpunkte
1. Neo- oder Post-Piaget Ansätze: Mounoud, ein Schüler Piagets, untersucht die motorische Entwicklung, die Entwicklung und die Selektivität der Wahrnehmung, sowie die Struktur semantischer Netzwerke. Eine Erweiterung der Ansätze Piagets geschieht durch Montangeros Studien über die Entwicklung des diachronischen Denkens. Die Rolle soziokognitiver Konflikte in der Intelligenzentwicklung, das Arbeitsgedächtnis und die Bedeutung von Kapazitäten, die einander widerstreitende Folgerungen hemmen, stellen weitere Themen der Forschung im Sinne Piagets dar. (Sternberg, 2004, S. 120-122)
2. Ansätze, die Piagets Theorie mit der Erforschung individueller Unterschiede vereinen: Reuchelin leitete g aus Piagets übergeordneten Strukturen ab und faktorenanalytische Gruppenfaktoren aus den horizontalen Unterschiede. Er postulierte die Existenz mehrerer, substituierbarer Prozesse, die in gleicher weise auf eine Situation angewandt werden können und so viele Formen intra- und interindividueller Variabilität erklären. Das Konzept wird aktuell durch Studien überprüft. (Sternberg, 2004, S. 123)
3. Differentialpsychologische Ansätze: Ein kleiner Teil der Forschung befasst sich mit Strategien zur Problemlösung, deren altersabhängiger Nutzung, ihrer Stabilität und ihrem Bezug zu individuellen Neigungen. (Sternberg, 2004, S. 125-127)
Testpraxis im öffentlichen Bereich
1. Testpraxis im Bildungssystem: Nach 1968 gewannen die Extrem-Linken zunehmend Einfluss auf das politische Geschehen Frankreichs. Da Intelligenztests als ein Mittel zur Aufrechterhaltung der als ungerecht empfundenen Struktur der Gesellschaft empfunden wurden, kam es zu einer massiven Abschwächung der Testpraxis. Nur für Fragen der Einstufung in Sonderklassen oder -programme finden Tests wie WPPSI und WISC Anwendung. In weiterführenden Schulen werden partiell an Píeron orientierte Eignungstests genutzt. Die Situation in der französischen Schweiz variiert von Kanton zu Kanton, wobei nicht jedes Kanton Schulpsychologen unterhält. (Sternberg, 2004, S. 114-117)
2. Testpraxis im Berufssystem: Tests werden im beruflichen Bereich kaum genutzt, Ausnahmen bilden Tätigkeiten mit besonderen Sicherheitsvorschriften (Transportwesen). (Sternberg, 2004, S. 117-118)
Allgemein weisen Frankreich und die Schweiz eine stark theoretische orientierte Forschung auf. Piaget und Binet, die bekanntesten Vertreter der Intelligenzforschung dieser Länder, übten in ihrer Heimat einen kleineren Einfluss aus als in anderen Nationen. Aktuell zeigt die Testpraxis eine politisch begründete Zurückdrängung der Psychometrie auf die Erfassung klinischer Phänomene.
[...]
- Arbeit zitieren
- Dipl. Kunsttherapeutin Denise Schubert (Autor:in), 2005, Intelligenzforschung - Von den Anfängen der wissenschaftlichen Intelligenzforschung im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zu den aktuellen internationalen Schwerpunkten der Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90104
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