Ziel dieser Arbeit ist es, Mobbing als einen extremen Konflikt zwischen Menschen in Organisationen darzustellen, dessen Ursachen in der Nichtbewältigung von vorherigen Konflikten liegen und dessen Ignorieren für jede Organisation und den in ihr tätigen Menschen negative Folgen haben kann.
Welche nicht bewältigten Konflikte nun zu Mobbing führen können, soll diese Arbeit aufzeigen. Dabei werden organisatorische, wie auch individuelle und zwischenmenschliche Aspekte in dem konflikttheoretischen Erklärungsansatz berücksichtigt.
Anhand von vier Mobbingtypen werden unterschiedliche charakteristische Ursachen der Mobbingentstehung, aufgrund derer Mobbingaktivitäten bei einer Person ausgelöst werden können, dargestellt.
Ausgehend von diesem erarbeiteten Erklärungsansatz sollen Möglichkeiten der Prävention, sowie der Handhabung von laufenden Mobbingprozessen für die Praxis gegeben werden, damit die negativen Folgen für den Menschen und somit auch für die Organisation nicht auftreten, sich nicht verstärkten oder beseitigt werden können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A - Einleitung
I. Problemstellung
II. Zielsetzung
III. Vorgehensweise
B - Mobbing-Psychoterror am Arbeitsplatz: Grundlagen
I. Einführung
II. Ursprung der Mobbingdiskussion
1. Herkunft des Begriffes
2. Forschungsansätze
3. Gründe für die aktuelle Popularität
III. Mobbingdefinition
IV. Einteilung von typischen Mobbinghandlungen nach Leymann
V. Der Mobbingverlauf anhand des Phasenmodells von Leymann
VI. Charakteristika der Mobbingbeteiligten
1. Geschlecht und Alter der Beteiligten
2. Geschlechtsspezifische Unterschiede
3. Position der Beteiligten
VII. Mobbingursachen
VIII. Mobbingfolgen
1. Folgen für die Gemobbten
2. Folgen für die Unternehmen
3. Folgen für die Gesellschaft
IX. Zusammenfassung
C - Konflikte als Auslöser von Mobbing: Grundlagen
I. Der Konfliktbegriff
1. Definition
2. Konfliktverständnis
a) Dysfunktionales Konfliktverständnis
b) Funktionales Konfliktverständnis
c) Konflikte als abhängige oder unabhängige
Größe
II. Der Konfliktprozeß
1. Konfliktverlaufsmodell
2. Konfliktsituation und Konfliktgegenstand
3. Latente und manifeste Konflikte
4. Konflikthandhabung
a) Institutionelle Rahmenbedingungen
b) Konfliktverständnis der Konfliktparteien
c) Konflikteinstellung der Konfliktparteien
5. Konfliktergebnis
6. Konfliktnachwirkungen
7. Charakteristika und Verhaltensweisen der
Konfliktparteien und strukturelle
Rahmenbedingungen
III. Konfliktebenen
1. Konflikte auf der mikro-sozialen Ebene
2. Konflikte auf der meso-sozialen Ebene
3. Konflikte auf der makro-sozialen Ebene
IV. Konfliktklima
1. Heiße Konflikte
2. Kalte Konflikte
V. Konfliktdimensionen
1. Intra-individuelle Konflikte
a) Die psychologische Perspektive
b) Die kognitive Perspektive
c) Rollenkonflikte
2. Interpersonelle Konflikte
a) Die personenzentriete Perspektive
b) Die interaktionszentriete Perspektive
c) Die strukturzentrierte Perspektive
3. Intra- Gruppenkonflikte
VI. Zusammenfassung
D - Konflikttheoretische Mobbingtypen
I. Einführung
II. Präventiv-Mobbing
1. Erklärung
2. Personelle Ursachen
3. Interaktionsbedingte Ursachen
4. Strukturelle Ursachen
5. Fallbeispiel
6. Zusammenfassung
III. Frustrations-Mobbing
1. Erklärung
2. Personelle Ursachen
a) Konfliktunterwerfung
b) Gerechtigkeitsausgleich
c) Machtausgleich
d) Konfliktvermeidung
3. Interaktionsbedingte Ursachen
4. Strukturelle Ursachen
5. Fallbeispiel
6. Zusammenfassung
IV. Persönlichkeits-Mobbing
1. Erklärung
2. Personelle Ursachen - Psychoanalytische
Perspektive
3. Interaktionsbedingte Ursachen
a) Stereotypisierungen und Attribuierungen
aa) Stereotypisierungen
ab) Attribuierungen
b) Wahrnehmung
ba) Definition
bb) Wahrnehmungsfehler
c) Gruppendynamische Mobbingpotentiale
ca) Eintritt einer neuen Person in die Gruppe
cb) Abweichendes Verhalten von der
Gruppennorm
cc) Latente Intra-Gruppenkonflikte
4. Strukturelle Ursachen
5. Fallbeispiel
6. Zusammenfassung
V. Eskalations-Mobbing
1. Erklärung
2. Das Phasenmodell der Eskalation von Glasl
3. Mobbing als Eskalationsprozeß
a) Integration des Mobbingprozesses in das
Phasenmodell von Glasl
b) Personelle Ursachen
ba) Projektion
bb) Komplexitätsreduzierungen
c) Interaktionsbedingte Ursachen
ca) Der Kommunikationsprozeß
cb) Die "Vier Seiten" einer Nachricht
cc) Verbale und nonverbale Kommunikation
d) Strukturelle Ursachen
4. Fallbeispiel
5. Zusammenfassung
VI. Exkurs: Mobbing und Streß
E - Lösungsansätze zum Umgang mit Mobbing
I. Mobbingprävention
1. Personelle Präventivmaßnahmen
2. Präventivmaßnahmen hinsichtlich des
Interaktionsprozesses
a) Verbesserung des Kommunikationsprozesses
b) Verbesserung des Konfliktprozesses
3. Strukturelle Präventivmaßnahmen
a) Gestaltung der Unternehmenskultur
b) Gestaltung des Organisationsklimas
II. Kurative Maßnahmen
1. Diagnose des Mobbingprozesses
2. Abbrechen, Aufläsen, Schlichten
a) Abbrechen
b) Aufläsen, Schlichten
ba) Prozeßorientierte Interventionen
bb) Personenorientierte Interventionen
F - Schlußbetrachtung
I. Zusammenfassung
II. Bedarf an einer speziellen Mobbingforschung?
Literaturverzeichnis
Anhang
A. Einleitung
I. Problemstellung
Seit den Hawthorne-Studien und der aus ihr folgenden Human-Relations- Bewegung hat man die Bedeutung des Faktors Mensch für eine Organisation erkannt: Die Leistungsfähigkeit des Menschen wird nicht durch eine tayloristische Arbeitsorganisation optimiert, sondern soziale Aspekte wie Kommunikation, Anerkennung, Kontakte, Spaß an der Arbeit, Verantwortung etc. beeinflussen die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft in einem erheblichen Maße. Erfolgreiche Unternehmen sind sich dieser Tatsache bewußt und versuchen Bedingungen zu schaffen, in denen sich die Mitarbeiter wohl fühlen und ein optimales Arbeitsergebnis erzielen.
Teamarbeit, Lean Management, Qualitätszirkel, Humanisierung der Arbeit etc. bilden solche Ansatzpunkte. Diese Ansatzpunkte sind allerdings nur Programme, die von Menschen ausgeführt werden müssen. Menschen lassen sich aber nicht programmieren; sie haben ihre eigenen Gefühle, Erfahrungen, Einstellungen und Werte, die ihr Verhalten in der Organisation beeinflussen. Wenn so unterschiedliche Menschen zur Erreichung eines Zieles zusammenarbeiten sollen, führt dies unweigerlich zu Konflikten. Beziehen sich diese Konflikte ausschließlich auf eine sachliche Ebene, so können sie als Ausgangspunkte und Initiatoren von optimalen Problemlösungsprozessen, die zu Fortschritt und Entwicklung führen, betrachtet werden. Solche konstruktiven Konflikte sind für die Organisation überlebenswichtig.
Entwickeln sich Konflikte aber zu Beziehungskonflikten zwischen einzelnen Organisationsmitgliedern, führt das unweigerlich zu Störungen in der Zusammenarbeit. Sachliche Konflikte entwickeln sich zu persönlichen. Ein produktives Arbeiten ist nicht mehr möglich, denn die Konzentration gilt nicht mehr der Arbeit, sondern der Konfliktverarbeitung.
Zwischenmenschliche Konflikte gibt es in Organisationen schon immer. Seit etwa 6 Jahren beschäftigen sich einige Forscher mit einer speziellen Form von zwischenmenschlichen Konflikten am Arbeitsplatz: dem gezielten "Psychoterror am Arbeitsplatz", genannt Mobbing. Mobbing führt nicht nur zu eine Verschlechterung des Betriebsklimas und somit zu eine unproduktiveren Arbeitsweise, sondern kann auch bei den
Mobbingopfern zu schweren gesundheitlichen Schäden führen. Unternehmen sollten daher aus zweierlei Hinsicht an einer Verhinderung dieser Form von Konflikten interessiert sein: zum einen aus unternehmerischer Sicht, da durch unbewältigte, sich eskalierende Konflikte wichtige Ressourcen gebunden werden und die Folgen des Mobbingprozesses hohe Kosten verursachen, und zum anderen aus fürsorglicher Sicht, da die Unternehmensführung gegenüber ihren Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht hat, die sie verletzen würde, wenn sie Mobbing ignoriert und somit dessen gesundheitlichen Auswirkungen akzeptiert.
II. Zielsetzung
Damit eine Organisation Mobbing bekämpfen kann, muß sie sich zunächst einmal dessen Problematik bewußt sein und dessen Ursachen kennen.
Ziel dieser Arbeit ist es, Mobbing als einen extremen Konflikt zwischen Menschen in Organisationen darzustellen, dessen Ursachen in der Nichtbewältigung von vorherigen Konflikten liegen und dessen Ignorierung für jede Organisation und den in ihr tätigen Menschen negative Folgen haben kann.
Welche nicht bewältigten Konflikte nun zu Mobbing führen können, soll diese Arbeit aufzeigen. Dabei werden organisatorische, wie auch individuelle und zwischenmenschliche Aspekte in dem konflikttheoretischen Erklärungsansatz berücksichtigt.
Ausgehend von diesem erarbeiteten Erklärungsansatz sollen Möglichkeiten der Prävention, sowie der Handhabung von laufenden Mobbingprozessen für die Praxis gegeben werden, damit die negativen Folgen für den Menschen und somit auch für die Organisation nicht auftreten, sich nicht verstärkten oder beseitigt werden können.
III. Vorgehensweise
Im Teil B der Arbeit wird das Phänomen Mobbing erklärt. Es wird gegenüber anderen Begriffen abgegrenzt, ein Überblick über die bisherige Forschung gegeben, sein typischer Verlauf dargestellt und die Folgen für die Betroffenen und die Organisation benannt.
Im Teil C wird die Basis für den späteren konflikttheoretischen Mobbing Erklärungsansatz gelegt. Der Konfliktbegriff wird erklärt,sein Verlauf und die für den Mobbingprozeß relevanten Beeinflussungsfaktoren dargestellt.
Teil D erklärt die Mobbingentstehung aus einer konflikttheoretischen Perspektive. Vier Mobbingtypen geben dazu unterschiedliche Ansatzschwerpunkte.
Im Teil E werden Maßnahmen für die Organisation vorgeschlagen, die Mobbing verhindern (präventive Maßnahmen) oder beseitigen (kurative Maßnahmen) können.
Teil F faßt die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen kritischen Ausblick auf die Notwendigkeit einer speziellen Mobbingforschung.
Die Arbeit stützt sich auf deutsche, wie auch amerikanische Fachliteratur und Artikeln aus Fachzeitschriften. zusätzlich werden Informationen genutzt, die von Organisationen, wie bspw. Krankenkassen, Gewerkschaften, Kirchen oder Selbsthilfegruppen, zum Thema Mobbing herausgegeben worden sind. Dokumentierte Fallstudien und Interviews mit Mobbingexperten sollen eine möglichst große Praxisnähe gewährleisten.
B. Mobbing - Psychoterror am Arbeitsplatz: Grundlagen
I. Einführung
Seit Anfang der neunziger Jahre hat der Begriff "Mobbing" in Deutschland ein breites Forum gefunden. Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendungen berichten größtenteils in populärwissenschaftlicher Weise Über gezielte "Schikanen am Arbeitsplatz". Bücher erscheinen, in denen praktische Handhabungsempfehlungen für den Umgang mit Mobbing gegeben werden. Wissenschaftliche Einrichtungen versuchen, sich im Rahmen von Promotionen, Seminar und Diplomarbeiten dem Thema wissenschaftlich zu nähern. Gewerkschaften, Krankenkassen und die Evangelische Kirche werden ebenfalls auf Mobbing und deren Folgen aufmerksam und Gründen Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Sorgentelefone[1]. Wieso kommt es gerade jetzt zu solch einer Inflation des Begriffes "Mobbing"? Belästigungen, Schikanen, Psychoterror oder andere zwischenmenschliche Konflikte gibt es doch, seit Menschen interaktiv zusammenarbeiten.
Im folgenden Abschnitt wird erklärt, was unter Mobbing zu verstehen ist und warum ihm gerade heute eine so starke Beachtung geschenkt wird. zunächst wird der Ursprung des Begriffes und des Forschungsansatzes dargestellt, Mobbing wird definiert und zu anderen, ähnlichen Begriffen abgegrenzt. Danach werden Mobbingformen, -handlungen, -verlauf und die -ursachen skizziert. Die Charakteristika der Mobbingbeteiligten werden anhand der bisherigen Forschungsergebnisse beschrieben.
II. Ursprung der Mobbingdiskussion
1. Herkunft des Begriffes
Der Begriff Mobbing stammt ursprünglich vom englischen Wort "to mob", was übersetzt "anpöbeln", "angreifen" oder "attackieren" heißt. Der lateinische Begriff "mobile vulgus" dient dabei als Ursprung. Er bedeutet: "aufgewiegelte Volksmenge, Pöbel, soziale Massengruppierung mit sehr geringem oder völlig fehlendem Organisationsgrad, in denen triebenthemmte, zumeist zerstörerisch wirkende Verhaltenspotenz vorherrscht"[2]. In der Wissenschaft wurde der Begriff erstmals von Konrad Lorenz 1958 im Rahmen der vergleichenden Verhaltensforschung unter Tieren verwendet. Lorenz bezeichnete dabei das zum eigenen Schutz dienende Angriffsverhalten einer Gruppe gegen ein einzelnes Wesen als Mobbing[3].
1969 transformierte der schwedische Forscher Peter Paul Heinemann den Begriff Mobbing in den Bereich der Humanbeziehungen. Heinemann benutzte den Begriff zur Beschreibung von bestimmten Gewalttaten innerhalb von Gruppen unter Kindern und Erwachsenen[4].
2. Forschungsansätze
Die Mobbingforschung hat ihren Ursprung Anfang/Mitte der siebziger Jahre in den skandinavischen Ländern. In diesen Ländern wurde sehr stark über Mobbing zwischen Schülerinnen geforscht[5]. Der schwedische Arbeitspsychologe Heinz Leymann Übernahm dann erstmals 1984 den in der Schulforschung benutzten Begriff und benutzte ihn auch zur Beschreibung von gezielten regelmäßigen zwischenmenschlichen Feindseligkeiten am Arbeitsplatz[6].
Ansatzpunkt der Mobbingforschung in Skandinavien, vor allem in Schweden, war die Paraphierung eines schwedischen Gesetzes Über das Arbeitsmilieu, indem dem Arbeitnehmer nicht nur ein physischer, sondern auch ein psychischer Schutz am Arbeitsplatz zugesichert wird. Der schwedische Staat stellte daraufhin Forschungsgelder bereit, mit deren Hilfe psychische Arbeitsplatzbelastungen erforscht werden sollten[7]. Der Pionier auf dem Forschungsgebiets des Psychoterrors am Arbeitsplatz ist Heinz Leymann, der Anfang der neunziger Jahre erste großangelegte empirische Untersuchungen zu diesem Thema durchführte. Aus diesen Ergebnissen erstellte Leymann einen wissenschaftlichen Erklärungsansatz Über die Ursachen, den Verlauf, die Handlungsformen und die Folgen von Mobbing. Diese Erkenntnisse dienen heute als Grundlage für die Mobbingdiskussionen und veröffentlichte Literatur.
Im deutschsprachigen Raum Übernahm man zunächst die schwedischen Untersuchungsergebnisse. Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen schienen diese aber nicht uneingeschränkt transformierbar. 1992/93 untersuchte Niedl am Beispiel zweier Organisationen die Relevanz von Mobbing für Österreich[8]. Umfangreichere Mobbingstudien in Deutschland wurden von 1993 bis 1995 durch Halama in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft gegen psychosozialen Streß und Mobbing e.V.[9]und durch Dick/Dulz in Form eines Zwischenberichtes "Acht Monate Mobbing Telefon in den Räumen der AOK Hamburg"[10]durchgeführt. In der Schweiz veröffentlichte der kaufmännische Verband Zürich und der Schweizerische Beobachter 1994 die Auswertung einer von ihnen eingerichteten Mobbing Hotline[11]. 1995 befragte die Pathos AG für Unternehmensberatung größere schweizer Unternehmen zur Mobbingproblematik[12]. Weniger umfangreiche Befragungen erfolgten zum Zwecke kleinerer wissenschaftlicher Arbeiten[13].
3. Gründe für die aktuelle Popularität
Die Popularität des Begriffes Mobbing in der heutigen Zeit ist auf mehrere Gründe zurückzuführen:
Durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung Leymanns mit dem gezielten "Psychoterror am Arbeitsplatz" wurden dessen Folgen vielen bewußt. Die Mobbingfolgen reichen von gesundheitlichen Schäden für den einzelnen bis zu hohen Kosten für die Unternehmen und die Gesellschaft[14]. Aufgrund des immer stärker werdenden Wettbewerbdruckes, können sich die Unternehmen zum einen keine unnötigen Kosten leisten und zum anderen sind sie immer mehr auf die "Ressource Mensch" und deren Potentiale angewiesen, da durch sie entscheidende Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Mobbing ist ein Faktor, der eine optimale Potentialausschöpfung der "Ressource Mensch" verhindert, da durch Mobbing wichtige Kräfte für den Mobbingprozeß verschwendet werden. Ziel des Unternehmens muß es deshalb sein, diese Verschwendung zu verhindern und die Kräfte für ihre Zwecke zu nutzen.
Im Zuge der Humanisierung der Arbeit war man darauf bedacht, den Menschen optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen, die eine Gesundheitsgefährdung möglichst ausschließen sollen. In den letzten Jahren sind aber erst weitreichende Erkenntnisse Über die Auswirkungen psychischer Belastungen auf die Gesundheit der Menschen erzielt worden, die somit auch erst jetzt Eintritt in die Diskussion Über eine humane Arbeitsplatzgestaltung gefunden
haben. Der zunehmende Konkurrenzdruck zwischen den Unternehmen überträgt sich unweigerlich in das Unternehmen hinein. Ein Mittel der Mitarbeiter, mit diesem internen Konkurrenzdruck fertigzuwerden, ist Mobbing.
III. Mobbingdefinition
Durch die starke Präsenz des Begriffes Mobbing in den Medien besteht die Gefahr des "Mißbrauchs" des Begriffes. Kleine Sticheleien, Streitereien, Unverschämtheiten oder alltägliche soziale Konflikte werden schnell als Mobbing tituliert. Einer ernsthaften wissenschaftlichen Betrachtung ist dieser "Begriffsmißbrauch" nicht förderlich, da Mobbing dadurch normalisiert und verharmlost wird, was den wirklichen Auswirkungen für die Betroffenen in keinster Weise gerecht wird.
Für eine wissenschaftliche Betrachtung ist deshalb eine klare Definition, sowie eine eindeutige Abgrenzung zu anderen, ähnlichen Begriffen notwendig.
Um eine Situation eindeutig als Mobbing definieren zu können, müssen, nach der Ansicht des Verfassers, folgende Aspekte klar zu bestimmen sein:
- Art der Handlungen und deren Inhalt,
- subjektive Wahrnehmung von Mobbinghandlungen durch das Opfer,
- Dauer und Häufigkeit der Handlungen,
- Hilflosigkeit der Opfer,
- Systematik des Mobbingprozesses.
Die Mobbingtäter können Gruppen oder Einzelpersonen sein, deren Mobbinghandlungen sich in der Regel gegen Einzelpersonen richten.
Eine Aussage darüber, welche Handlungen Mobbing darstellen und welche nicht, läßt sich objektiv nur schwer machen. Leymann gibt in seiner Definition[15]explizit 45 Handlungen an, die Mobbing kennzeichnen sollen[16]. Er reduziert somit Mobbing auf diese 45 Handlungen und geht demnach auch von der Vollständigkeit seiner Liste aus. Diese Annahme ist nicht haltbar, denn Leymann läßt bei dieser operationalisierten Definition einen wichtigen Punkt außer Acht: die Subjektivität der Wahrnehmung. Eine bestimmte Handlung kann für den einen eine Kränkung oder Diskriminierung darstellen, für einen anderen ist die gleiche Handlung vielleicht eine nicht böse gemeinte Neckerei. Die Wahrnehmungsfähigkeit jedes einzelnen ist von mehreren Faktoren abhängig (Erfahrungen, kognitive Fähigkeiten, situative Befindlichkeit, etc.)[17]. Es ist deshalb nicht möglich, eine allgemeingültige komplette Liste von Mobbinghandlungen anzugeben. Handlungen, die sich nicht auf der Liste wiederfinden, von einzelnen aber als belästigend empfunden werden, gelten demnach nicht als Mobbinghandlungen und eine Anwendung dieser nicht als Mobbing[18].
Ob eine Handlung als belästigend, feindselig oder diskriminierend empfunden wird, hängt von der subjektiven Wahrnehmung des "Opfers" ab. Leymanns Liste kann somit nur als eine Liste möglicher Mobbinghandlungen angesehen werden, die aber keinesfalls einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. Mobbing kann auch nicht an einzelnen Handlungen festgemacht werden. Mobbing ist ein Prozeß, der als eine Eskalation eines nicht oder falsch bewältigten Konfliktes bezeichnet werden kann[19].
Entscheidend für eine Mobbingidentifikation ist, daß Mobbinghandlungen in gewisser Regelmäßigkeit und über einen längeren Zeitraum hinweg gegen eine bestimmte Person gerichtet sind. Nach Leymann muß dies mindestens einmal die Woche ein halbes Jahr lang geschehen[20]. Auch diese zeitliche Festlegung ist zu eng gefaßt und kann eine ganze Reihe von wirklichen Mobbingfällen als Nicht-Mobbingfälle definieren. Es würde dazu schon reichen, wenn der Mobber sich einmal eine Woche lang ruhig verhält, danach aber wieder sehr aktiv tätig ist.
Kennzeichnend für einen Mobbingprozeß ist es, daß die gemobbte Person der Mobbingsituation hilflos gegenübersteht[21]. Diese Hilflosigkeit kann aus einer ökonomischen Abhängigkeit resultieren (wenn der Gemobbte sich wehrt, muß er um seinen Arbeitsplatz bangen) oder aus einer physischen oder psychischen Unterlegenheit.
Dieses Ungleichgewicht zwischen Mobber und Gemobbten muß zu Anfang des Mobbingprozesses nicht bestehen. Die Kräfte können zu Anfang gleich verteilt sein. Erst im Laufe des Mobbingprozesses zehren sich die Konfliktbewältigungsreserven des Gemobbten zu sehr auf, bis er nicht mehr die Kraft hat, sich der Situation aktiv entgegenzustellen und sich machtlos beugen muß.
In der Literatur finden sich einige Definitionen, deren Schwerpunkt, je nach Perspektive des Verfassers, bei dem beteiligten Personenkreis oder den Mobbinghandlungen liegt[22].
Die zwei weitreichendsten Definitionen sind die von Niedl und der Gesellschaft gegen psychosozialen Streß und Mobbing e.V..
Die Definition von Niedl:
"Unter Mobbing am Arbeitsplatz werden Handlungen einer Gruppe oder eines Individuums verstanden, denen von einer Person, die diese Handlungen als gegen sich gerichtet wahrnimmt, ein feindseliger, demütigender oder einschüchternder Charakter zugeschrieben wird. Die Handlungen müssen häufiger auftreten und Über einen längeren Zeitraum hinweg andauern. Die betroffene Person muß sich zudem aufgrund wahrgenommener sozialer, ökonomischer, physischer oder psychischer Charakteristika außerstande sehen, sich zu wehren oder dieser Situation zu entkommen".[23]
Die Definition der Gesellschaft gegen psychosozialen Streß und Mobbing e.V.[24]:
"Unter Mobbing am Arbeitsplatz versteht man eine konfliktbelastete Kommunikation unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder mehreren anderen Personen systematisch und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes direkt oder indirekt angegriffen wird.
Für statistische Untersuchungen gelten die Zeitangaben "mindestens einmal in der Woche" und "mindestens während eines zusammenhängenden halben Jahres".
Die Zusammenfassung dieser beiden Definitionen soll dieser Arbeit zugrunde liegen:
Unter Mobbing am Arbeitsplatz werden systematische Handlungen einer Gruppe oder eines Individuums verstanden, denen von einer Person, die diese Handlungen als gegen sich gerichtet wahrnimmt, ein feindseliger, demütigender oder einschüchternder Charakter zugeschrieben wird und das Ziel und/oder den Effekt des Ausstoßes dieser Person haben. Die Handlungen müssen häufiger auftreten und über einen längeren Zeitraum hinweg andauern. Die betroffene Person muß sich zudem aufgrund wahrgenommener sozialer, ökonomischer, physischer oder psychischer Charakteristika außerstande sehen, sich zu wehren oder dieser Situation zu entkommen.
Begriffe wie Intrigen, Diskriminierung, Belästigung, Sticheleien, Beschimpfungen u.a. werden oft in einem Zuge mit Mobbing benutzt. Wo liegt der Unterschied zwischen diesen Begriffen und Mobbing?
Intrigen, Diskriminierung, Belästigung, usw. sind Elemente des Mobbings. Sie können synonym zu Mobbing benutzt werden, wenn sie den Anforderungen der Mobbingdefinition gesnügen.
Mobbing ist ein Prozeß, der nicht Über Einzelhandlungen definiert werden kann, sondern nur durch deren systematische, zielgerichtete und sich wiederholende Anwendung.
IV. Einteilung von typischen Mobbinghandlungen nach Leymann
Leymann hat aufgrund seiner Untersuchung mögliche Mobbinghandlungen in fünf Gruppen eingeteilt. Als Bezugspunkt wurden die Auswirkungen der einzelnen Handlungen auf die Opfer gewählt[25]:
a) Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen
b) Angriffe auf die sozialen Beziehungen
c) Angriffe auf das soziale Ansehen
d) Angriffe auf die Qualität der Arbeit
e) Angriffe auf die Gesundheit
zu a): Diese Art von Handlungen beschneidet die Kommunikationsmöglichkeiten einer Person. Dies kann zum einen dadurch geschehen, daß Kommunikationswege abgeschnitten oder vorgeschrieben werden. Eine offene Kommunikation wird somit verhindert. Persönliche Gespräche können kaum noch stattfinden.
Eine andere Form der kommunikativen Ausgrenzung besteht dann, wenn ein Ungleichgewicht zwischen den Kommunikationspartnern systematisch aufgebaut und dann auch ausgenutzt wird. Informationen werden hier einseitig weitergegeben und die dadurch entstandene Überlegenheit in der Kommunikation zum Nachteil des Unterlegenen ausgenutzt[26].
zu b): Kennzeichnend für Angriffe auf die sozialen Beziehungen ist die soziale Isolierung des Opfers. Man meidet möglichst den Kontakt mit der jeweiligen Person; jeglicher direkten Kommunikation wird aus den Weg gegangen. Der Betroffene verliert dadurch seine soziale Unterstützung, die für jeden in schwierigen Situationen von großer Bedeutung ist. Anerkennung, Trost, Kritik, Aufmunterung oder allgemein gesagt: ein Feedback Über die geleistete Arbeit bleibt ihm versagt[27].
zu c): Das wichtigste, was ein Mensch besitzt, ist sein Selbstwertgefühl. "Es ist die zentrale Einheit unseres Seins, auf die wir letztlich alles beziehen"[28]. Das Selbstwertgefühl wird zum größten Teil von dem Bild bestimmt, welches der Mensch innerhalb seiner Umgebung besitzt. Dieses Bild möchte er möglichst positiv gestalten, denn: nur mit einem positiven Außenbild erhält er ein positives Innenbild, welches sein Selbstwertgefühl bestimmt[29]. Wird dieses Außenbild in irgendeiner Weise beschädigt, bspw. durch üble Nachrede, falsche Gerüchte o.ä., so erfährt das Innenbild und somit auch das Selbstwertgefühl des Gemobbten eine große Verletzung. Wenn dies einmal zerstört ist, ist gleichzeitig die wichtigste Motivationsgrundlage zerstört, denn wenn ein Mensch nicht mehr an sich selbst glaubt, dann ist er nicht mehr in der Lage, an sein Tun zu glauben[30].
zu d): Der Beruf besitzt für den Menschen in der heutigen Zeit eine zentrale Bedeutung. Die Position in der Gesellschaft wird hauptsächlich Über den Beruf und der dort eingenommenen Position definiert. Angriffe auf die Berufssituation, bspw. Unter- oder Überforderung, Entzug von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen haben somit direkte Auswirkungen auf seine gesamte Lebenssituation. Die Grundlagen vieler sozialer Beziehungen außerhalb des Berufsalltags, wenn sie sich Über den Beruf definieren, werden somit entzogen. Zu der beruflichen Isolation kommt die gesellschaftliche hinzu[31].
zu e): Wenn durch Mobbing direkte Angriffe auf die Gesundheit vorgenommen werden, dann befindet man sich in einer extremen Phase des Mobbingprozesses. Körperliche Gewalttaten sind in Mobbingprozessen kaum anzutreffen. Aufgrund hinreichender Arbeitsschutzgesetze wird auch ein systematischer Einsatz an gesundheitsgefährdenen Arbeitsplätzen kaum durchgeführt. Gesundheitliche Schädigungen treten bei den Betroffenen indirekt als Folge von Mobbinghandlungen auf und sind meist psychosomatischer Natur[32].
Mobbinghandlungen können direkt oder indirekt auftreten. Direktes Mobbing ist für jeden objektiv sichtbar, die durchgeführten Handlungen haben ganz offensichtlich das Ziel, jemanden anzugreifen und zu attackieren. Bei den indirekten Handlungen wird dies nicht so deutlich. Die eigentlichen Absichten der Handlungen werden nicht offen auf den Tisch gelegt. Beispiele dafür sind Gerüchte verbreiten, Informationen zurückhalten, Unter- bzw. Überforderung in der Aufgabenzuteilung und falsche Informationen weitergeben, die automatisch Fehlverhalten hervorrufen.
V. Der Mobbingverlauf anhand des Phasenmodells von Leymann
Bei der Analyse seiner erfaßten und untersuchten Mobbingfälle kristallisierte Leymann einen typischen Mobbingverlauf heraus. Nahezu jeder Fall durchlief alle der von ihm identifizierten fünf Phasen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Verlaufsmodell [nach Leymann, H. (Mobbing), a.a.O. S. 59]
Die vierte Phase kam in der ursprünglichen Fassung von Leymann nicht vor[33]. Auf Anregung von Resch[34]Übernahm er die "Phase der Ärztlichen psychologischen Fehldiagnosen" 1995 in sein Modell[35].
Die Ursachen des gesamten Mobbingprozesses liegen in der ersten Phase. Konflikte, die unvermeidbar an jedem Arbeitsplatz entstehen, werden falsch gehandhabt. Diese erste Phase ist Hauptbestandteil dieser Arbeit. Die zu Mobbing führenden Konflikte werden in Kapitel D ausführlich erarbeitet.
In der zweiten Phase ist der Konflikt schon eskaliert. Eine Stigmatisierung der betroffenen Person hat sich festgesetzt. Mobbinghandlungen etablieren sich[36]. Der anfänglich sachliche Konflikt hat sich personifiziert. Es kristallisieren sich Opfer und Täter heraus.
Die Mobbingangriffe zeigen bei dem Opfer Wirkung. Sein durch die ständigen Angriffe verändertes Verhalten wird auffällig. Die Personalleitung und die Kollegen werden auf die Person aufmerksam. Sie sehen, daß das Arbeitsverhalten sich zum Negativen verändert hat. Nach den Gründen dieser Veränderung wird aber nicht gefragt. Das gezeigte Verhalten ist allein Grundlage für die Beurteilung dieser Person. Aufgrund der Beobachtung werden gegenüber dem Gemobbten oft noch Sanktionen verhängt. Die Mobber erhalten eine Rechtfertigung und Bestätigung ihrer Taten. Der Gemobbte wird zunehmend weiter ausgegrenzt und gerät tiefer in diesen Teufelskreis hinein, aus dem es für ihn bald keinen schadlosen Ausweg mehr gibt. Rechtsbrüche entstehen bspw. dadurch, daß den Opfern Kündigungen angedroht werden oder Versetzungen an minderwertige Arbeitsplätze erfolgen[37].
Die ständigen Angriffe und die fortschreitende soziale Isolierung des Opfers werden von ihm ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr bewältigt. Seine Widerstandskraft ist irgendwann ausgeschöpft. Die Folge davon kann ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Unternehmen sein. Dies ist aber aufgrund der wirtschaftlichen Situation für die meisten Betroffenen keine Alternative. Sie verbleiben deshalb im Unternehmen. Die Folgen sind weitere Demütigungen. Man wird abgeschoben und kaltgestellt. Die psychische Belastung wird so groß, daß längere Erkrankungen die Folge sind, die zu dauerhaften psychischen Behandlungen, die aufgrund falscher Diagnosen oft verkehrt angesetzt werden und im Endeffekt zur Arbeitsunfähigkeit führen können[38].
Dieses Phasenmodell ist nicht für jeden Mobbingprozeß bindend. In jeder Phase können Interventionen erfolgen, die den Prozeß beenden oder in eine andere Richtung treiben. So muß die Folge einer falschen Konflikthandhabung nicht immer der Einstieg zu Mobbing sein. Wie der Pfeil in Abb. 1 andeutet kann bspw. auch sofort nach einem Konflikt in die dritte Phase eingestiegen werden.
VI. Charakteristik der Mobbingbeteiligten
In Punkt B.II.2 wurde auf einige empirische Mobbingstudien hingewiesen, die Mobbing auch im deutschsprachigen Raum untersuchen. Die Ergebnisse Über das Alter, Geschlecht und die Position der am Mobbingprozeß beteiligten Personen sind in den folgenden Tabellen dargestellt.
Gegenübergestellt wurden dort die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen von Dr. Halama[39], Klaus Niedl[40], der AOK Hamburg[41], des Kaufmännischen Verbandes Zürich und des Schweizerischen Beobachters[42]sowie der Ergebnisse von Heinz Leymann[43].
1. Geschlecht und Alter der Beteiligten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Charakteristika der Mobbingbeteiligten
Die Ergebnisse bezüglich der gemobbten Personen zeigen einige Unterschiede zwischen den deutschen und den ausländischen Untersuchungen auf. Sind nun in Deutschland Frauen vom Mobbing Stärker betroffen als in Österreich, der Schweiz oder Schweden? Die Ergebnisse von Halama und der AOK sind zu relativieren, denn es wurden Daten von Personen erfaßt, die sich freiwillig zu ihren Problemen Äußerten. Bei Halamas Untersuchung waren hauptsächlich Patienten oder Teilnehmer von Selbsthilfegruppen, bei der AOK ausschließlich Anrufer des Mobbingtelefons. Männer reden in der Regel weniger offen Über ihre Probleme, denn es ist für sie ein Zeichen der Schwäche, wenn sie zugeben müssen, daß sie mit ihnen alleine nicht fertig werden.
Niedls Untersuchungspersonen rekrutierten sich hauptsächlich aus einem Krankenhaus. In Krankenhäusern ist der Anteil der Frauen an der Beschäftigtenzahl gegenüber dem Anteil der Männer recht hoch, so daß auch seine Zahlen zu relativieren sind.
Leymanns Zahlen kommen der Realität am Nähesten. Genaue repräsentative Aussagen sind nur sehr schwer zu erheben, da wohl eine nicht geringe Dunkelziffer von gemobbten Personen neben der angenommenen Zahl (3,5% der gesamten arbeitenden Bevölkerung ist von Mobbing betroffen[44]) existiert.
Das Durchschnittsalter der Gemobbten erscheint bei Niedl mit 33 Jahren recht niedrig, was ebenfalls auf die Zusammensetzung der untersuchten Einheit zurückzuführen ist. Leymann gibt selbst keine genaue Zahl an. Er schreibt, daß die meisten gemobbten Personen in der Altersgruppe von 21 bis 40 Jahren vorzufinden sind. Aus Gesprächen mit Betreuern von Mobbing Selbsthilfegruppen erscheinen die deutschen Zahlen am realistischsten.
Die Untersuchungsergebnisse bezüglich der Täter lassen keine, die schweizerische Erhebung ausgeschlossen, Unterschiede im Geschlecht erkennen. Frauen und Männer mobben gleich stark und viel. Das Durchschnittsalter liegt nach Halama bei 42 Jahren. 17% der Mobber sind zwischen 21 und 30 Jahre, 24,2% zwischen 31 und 40, die 41 bis 50 jährigen mobben mit einen Anteil von 31,6% am meisten und die 51 60 jährigen sind mit 24% am Mobbinggeschehen als Mobber beteiligt.
2. Geschlechtsspezifische Unterschiede
Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es aber in der Art des Mobbings. Frauen mobben viel aktiver und indirekter als Männer, die passivere Mobbingmethoden bevorzugen[45].
Leymann und der Kaufmännische Verband Zürich haben weiter herausgefunden, daß Mobbing meist geschlechtsintern erfolgt. Männer mobben am häufigsten Männer und Frauen mobben am häufigsten Frauen. Männer werden kaum von Frauen gemobbt, Frauen von Männern dagegen recht häufiger. Niedl weicht mit seinen Ergebnissen recht deutlich von den Ergebnissen aus Zürich und von Leymann ab. Die Frauen und die Männer werden bei seinen Untersuchungseinheiten Hauptsächlich von beiden Geschlechtern gemobbt. Die Ursachen dafür könnten ebenfalls in der spezifischen Situation der beiden untersuchten Organisationen liegen. Tabelle 2 stellt die Ergebnisse vom Kaufmännischen Verband Zürich, Niedl und Leymann dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Geschlechtsspezifische Mobbingverteilung
3. Position der Beteiligten
Nach den bisherigen empirischen Untersuchungen wird Mobbing zum größten Teil von Vorgesetzten betrieben; ein Zeichen dafür, daß der Machtaspekt beim Mobbing eine nicht unerhebliche Rolle spielt[46], die geringe Zahl von Mobbing durch Untergebene unterstreicht dies. Leymanns Ergebnisse weichen von denen der anderen ab. Er beobachtete, daß Mobbing zum größten Teil unter Gleichgestellten betrieben wird. Der Anteil des Vorgesetztenmobbings ist aber auch bei ihm sehr groß. Die Ergebnisse von Leymann, Niedl, der AOK Hamburg und dem Kaufmännischen Verband Zürich sind in Tabelle 3 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Hierarchie der Mobber
Daß Hierarchie ein guter Nährboden für Mobbing zu sein scheint, zeigt die Tatsache, daß in Organisationen mit starker Hierarchieausprägung (Verwaltungen, Krankenhäusern, Schulen) mehr Mobbingfälle zu beobachten sind, als in der Privatwirtschaft[47].
VII. Mobbingursachen
Mobbing entsteht, wie Phase 1 von Leymanns Phasenmodell zeigt[48], aus unterdrückten oder falsch bewältigten Konflikten. Zu fragen ist, warum diese Konflikte falsch bewältigt wurden und sich zu Mobbing eskalieren konnten?
Liegen die Ursachen allein in den beteiligten Personen oder sind es strukturelle Ursachen, die zu Mobbing führen oder es begünstigen? Die Beantwortung dieser Fragen ist Hauptteil dieser Arbeit und wird in Teil D ausführlich behandelt.
VIII. Mobbingfolgen
1. Folgen Für die Gemobbten
Die Folgen von Mobbing für den einzelnen können vielfältig und schwerwiegend sein. Neben dem Verlust des Arbeitsplatzes und des sozialen Umfeldes kann der Gemobbte psychisch, physisch und psychosomatisch schwer erkranken. Viele Psychologen haben sich auf die Behandlung von Mobbingopfern spezialisiert. In Bad Lippenspringe in Brandenburg entstand ein Sanatorium, speziell für die Behandlung von Mobbingopfern.
Mobbing ist für den Betroffenen eine sozialpsychologische Situation, die Streß erzeugt. Streß entsteht immer dann, wenn für den einzelnen Situationen auftreten, die für ihn unbekannt sind und dadurch eine Unsicherheit entsteht, ob die eigenen Möglichkeiten ausreichen, diese Situation zu bewältigen. Diese Unsicherheit wird als belastend empfunden[49]. Nach Selye kann dieser Streß positiv wirken (Eustreß), aber auch negativ (Distreß)[50]. Mobbing ist zweifellos ein Distressor. Die Belastungen, die die Betroffenen durch die Mobbinghandlungen erfahren, haben auf ihren Organismus folgende Auswirkungen[51]:
Die auf den Organismus einwirkenden Belastungen erzeugen Widerstände, die einen Erregungszustand auslösen, den Streß. Der Organismus versucht, sich nun dieser neuen Belastungssituation anzupassen. Wenn es ihm gelingt, entsteht für die Betroffenen weiter kein Schaden. Besitzt der Organismus des Gemobbten aber nicht genügend Abwehrkräfte, die zur Neuanpassung notwendig sind, so kommt es zu einer Überbelastung des Organismus. Eine Anpassung ist nicht mehr möglich, psychosomatisch bedingte Krankheiten treten auf.
Ein typischer Krankheitsverlauf in Anlehnung an Leymanns Phasenmodell könnte sich, wie in Abb. 1 dargestellt, entwickeln[52].
[...]
[1]Besonderes Engagement geht von den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) und dem Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) aus. Gemeinsam organisieren sie Veranstaltungen, Sorgentelefone und Selbsthilfegruppen, die den Betroffenen Unterstützungen geben sollen. Hamburg, Berlin und Brandenburg bilden die Schwerpunkte ihrer Arbeit.
[2]Meyers Grosses Taschenlexikon in 24 Bänden, Mannheim 1992.
[3]Vgl. Lorenz, K., Hier bin ich wo bist du? Ethologie der Graugans, München 1991.
[4]Vgl. Heinemann, H., Mobbning gruppvald bland barn och vuxna, Stockholm 1972.
[5]Vgl. Niedl, K., Mobbing, Bullying am Arbeitsplatz: eine empirische Analyse zum Phänomen sowie zu personalwirtschaftlich relevanten Effekten von systematischen Feindseligkeiten, München 1995, S. 13. Im folgenden zitiert als Niedl, K. (Mobbing).
[6]Vgl. ebd., S. 14f.
[7]Vgl. Leymann, H., Mobbing Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann, Reinbeck 1993, S. 9. Im folgenden zitiert als Leymann, H. (Mobbing).
[8]Vgl. Niedl, K. (Mobbing), a.a.O. S. 71 143.
[9]Vgl. Halama, P., Die Halama Mobbing Studie'94, Acht Referate zum Thema Mobbing Vorgelegt zur ordentlichen Mitgliederversammlung der "Gesellschaft gegen psychosozialen Streß und Mobbing e.V. am 29./30.10.1994 in Hamburg, 2. revidierte und erweiterte Aufl. 12/94 und
ders., Schikane am Arbeitsplatz("Mobbing") - Aktuelle Ergebnisse 1995, in: Halama,P., Psychosozialer Stress durch "Mobbing" und Giftstoffe am Arbeitsplatz - Auf Körpersignale achten. Herrn Udo Mäckel zum 60. Geburtstag gewidmet (1995).
[10]Vgl. o.V., Acht Monate Mobbing Telefon in den Räumen der AOK Hamburg, Presseinformation der AOK Hamburg vom 21.04.1994.
[11]Vgl. o.V., Mobbing Eine Untersuchung des Kaufmännischen Verbandes Zürich und des Schweizerischen Beobachters, hrsg. v. Der Schweizerische Beobachter, Zürich 1994.
[12]Vgl. o.V., Neue Erkenntnisse zum Thema "Mobbing in der Schweizer Wirtschaft" Studie der Pathos Aktiengesellschaft für Unternehmensberatung aus Gossau, St. Gallen in Zusammenarbeit mit Dr. Tommy Hofmann, Direktor des Betriebspsychologischen Instituts BPIH in Bern, St. Gallen 1995.
[13]Vgl. Niedl, K. (Mobbing), a.a.O., S. 33ff.
[14]Vgl. Punkt B.VII.
[15]Die am meisten zitierte Definition ist die von Heinz Leymann: "Mobbing oder Psychoterror am Arbeitsplatz liegt vor, wenn eine Person von einer oder mehreren operativ beschriebenen Handlungen betroffen ist, und zwar systematisch mindestens einmal die Woche Über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr". Leymann, H., Mobbing was ist das? in: Mobbing Psychoterror am Arbeitsplatz, hrsg. v. AOK Hamburg, KDA Hamburg u. DAG Hamburg, 2. Aufl., S. 7. Im folgenden zitiert als AOK/KDA/DAG (Mobbing).
[16]Siehe Anhang 1.
[17]Siehe Punkt D.IV.3b.
[18]Weitere Kritikpunkte vgl. Neuberger, O., Mobbing übel mitspielen in Organisationen, Mering 1994, S.13ff. Im folgenden zitiert als Neuberger (Mobbing).
[19]Siehe dazu Abschnitt D.
[20]Vgl. Leymann, H., in AOK/KDA/DAG (Mobbing) a.a.O., S.7.
[21]Vgl. Niedl, K., (Mobbing), a. a. O., S. 23.
[22]Vgl. ebd., S.18ff.
[23]Vgl. ebd., S. 23.
[24]Vgl. Leymann, H., Einführung: Mobbing Das Konzept und seine Resonanz in Deutschland, in: Der neue Mobbingbericht, hrsg. v. Leymann, H., Reinbeck 1995, S.18. Im folgenden zitiert als Leymann, H. (Einführung).
[25]Vgl. Leymann, H. (Mobbing), a. a. O. S.21ff.
Eine Ähnliche Einteilung nimmt Zuschlag vor. Vgl. dazu Zuschlag, B., Mobbing Schikane am Arbeitsplatz, Göttingen 1994, S. 55ff. Im folgenden zitiert als Zuschlag, B. (Mobbing).
[26]Die einzelnen operationalisierten Handlungen dazu siehe Anhang 1.
[27]Die einzelnen operationalisierten Handlungen dazu siehe Anhang 1.
[28]Birkenbihl, V. F., Kommunikationstraining: zwischenmenschliche Beziehungen erfolgreich gestalten, 14. Aufl., München 1993, S. 25.
[29]Vgl. ebd., S. 25f.
[30]Die einzelnen operationalisierten Handlungen dazu siehe Anhang 1.
[31]Ebd.
[32]Die einzelnen operationalisierten Handlungen dazu siehe Anhang 1. u.
zu den gesundheitlichen Schädigungen vgl. Leymann, H. (Mobbing), a.a.O. S.110ff.
[33]Vgl. Leymann, H. (Mobbing), a.a.O. S. 59.
[34]Vgl. Resch, M., Wenn Arbeit krank macht, Frankfurt/M 1994.
[35]Vgl Leymann, H. (Einführung), a.a.O. S. 20f.
[36]Siehe Anhang 1.
[37]Vgl. Leymann, H. (Mobbing), a.a.O. S. 59ff.
[38]Siehe Punkt B.VII.1.
[39]Die Ergebnisse sind eine Zusammenfassung der von Dr. Halama in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für psychosozialen Streß und Mobbing e.V. im Zeitraum von 1992 1995 durchgeführten Befragungen von Mobbingbetroffenen. Insgesamt sind die Daten von 665 gemobbten Personen erfaßt worden. Die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen sind in folgenden Quellen dokumentiert:
Halama, P./Mäckel, U., "Mobbing" Acht Referate zum Thema Mobbing - Vorgelegt zur ordentlichen Mitgliederversammlung der "Gesellschaft gegen psychosozialen Streß und Mobbing e.V. am 29./30.10.1994 in Hamburg, 2. revidierte und erweiterte Auflage 12/94.
Halama, P., Schikane am Arbeitsplatz ("Mobbing") Aktuelle Ergebnisse 1995, in: Halama, P., Psychosozialer Stress durch "Mobbing" und Giftstoffe am Arbeitsplatz Auf Körpersignale achten. Herrn Odo Mäckel zum 60. Geburtstag gewidmet (1995).
[40]Die Daten von Niedl stammen aus seiner Untersuchung an zwei ästerreichischen Organisationen (Krankenhaus und Forschungsinstitut). Insgesamt konnten Daten von 109 gemobbten Personen erfaßt werden.
Vgl. Niedl, K., (Mobbing), a.a.O. S.178ff.
[41]Die Daten stammen von protokollierten Anrufen gemobbter Personen des Mobbing Telefons der AOK Hamburg im Zeitraum vom 23.8.1993 22.2.1994. Insgesamt gingen dort in diesen Zeitraum 524 Anrufe ein, von denen 200 protokolliert wurden. Veröffentlicht wurde der Zwischenbericht in:
o.V., Acht Monate Mobbing Telefon in den Räumen der AOK Hamburg, Presseinformation der AOK Hamburg vom 21.04.1994.
[42]Diese Daten stammen von der Auswertung einer Mobbing Hotline, die Anfang Februar 1994 vom Schweizerischen Beobachter und dem Kaufmännischen Verband Zürich betrieben wurde. Von 250 Gesprächen wurden 100 ausgewertet, in:
Mobbing - Eine Untersuchung des Kaufmännischen Verbandes Zürich und des Schweizerischen Beobachters, hrsg. v. Der Schweizerische Beobachter, Zürich 1994.
[43]Leymann führte in Schweden eine landesweite Untersuchung durch, dabei gelangte er an Daten von 88 gemobbten Personen, was ein Anteil von 3,5% der gesamt befragten Personen ausmacht, in:
Leymann, H., (Mobbing), a.a.O. S.84ff.
[44]Vgl. Leymann (Mobbing), a.a.O. S.84.
[45]Vgl. Gräntzdörffer, W., im Gespräch mit der Kreiszeitung "Neue Stader Wochenblatt", 25.Jg. Nr.1, 04.01.1995 u.
Hahne, A., Mobbing Konflikte unter Kollegen, in: Zeitschrift für Führung & Organisation, Jg. 63 (1994) Nr. 3, S. 188.
[46]Siehe Punkt D.III.2b.
[47]Vgl. Leymann, H. (Mobbing), a.a.O. S. 84ff u. o.V., Acht Monate Mobbing Telefon in den Räumen der AOK Hamburg, Presseinformation der AOK Hamburg vom 21.04.1994 u. o.V., Mobbing Eine Untersuchung des Kaufmännischen Verbandes Zürich und des Schweizerischen Beobachters, hrsg. v. Der Schweizerische Beobachter, Zürich 1994.
[48]Siehe Punkt B.V.
[49]Siehe Punkt D.VI.
[50]Vgl. Selye,H., Geschichte und Grundzüge des Streßkonzepts. In: Nitsch, J.R.(Hrsg.), Streß, Bern 1981, S. 163 187.
[51]Vgl. Selye, H., Streß, Bewältigung und Lebensgewinn, München 1974.
[52]Abbildung nach Kimottho,U., Mobbingfolgen, in: Mobbing - Erkennen, Lernen, Helfen, hrsg. v. Landesbildungswerk der DAG Berlin und Brandenburg e.V., Berlin 1996, S.14f.
- Arbeit zitieren
- DiplKfm Markus Nowak (Autor:in), 2001, Vom Konflikt zu Mobbing. Eine konflikttheoretische Ursachenanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9
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