Wortspiele sind – wie der Name schon sagt – Spiele mit Worten, deren Bedeutungen und ihrem Klang. Sie dienen immer zur Aufdeckung der Doppelbödigkeit und sind daher in der Regel nicht in andere Sprachen übersetzbar.
Auch Heinrich von Kleist hat in seinem Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ mit den Worten gespielt. „Kleists Lustspiel bringt einen Prozeß auf die Bühne, der nicht nur ‚mit’ Wörtern, sondern zugleich ‚um’ Wörter […] geführt wird.“. Doch was sind das für Wortspiele, und was bedeuten sie im Einzelnen? Diese Fragen zu klären ist das Ziel meiner Arbeit.
Dabei werde ich zuerst auf die Namen der Protagonisten eingehen und deren Bedeutung darlegen. Im Anschluss untersuche ich die rhetorischen Figuren, im Besonderen die Doppeldeutigkeiten, Wortumbildungen, Wortwiederholungen und Vergleiche. Zum Schluss erläutere ich noch den Einfluss der Sprichwörter.
Nicht behandeln werde ich die Symbole, die Bedeutung der Körpersprache und Kleists Einstellung zur Sprache im Allgemeinen.
Den Variant werde ich – wo es nötig ist – mit einbeziehen, da er zum vollen Verständnis des Stückes beiträgt. Heinrich von Kleist hat seinen Protagonisten im „Zerbrochenen Krug“ keine willkürlichen Namen gegeben, sondern die Namensgebung hat eine charakterisierende Funktion. Diese Funktion „dient der näheren Kennzeichnung von Aussehen und Wesen des Namensträgers“. Wenn man die Namen Adam und Eve liest, denkt man sofort an Adam, den „biblischen Stammvater der Menschheit“ und an Eva. So erinnert auch Adams Fall aus dem Bett an den biblischen Sündenfall mit der Vertreibung aus dem Paradies, und der Schreiber Licht macht aus dem „Sündenfall“ ein „Adamsfall“. Noch dazu vergleicht er Adam mit dem Ältervater.
Aber warum spielt Kleist mit diesen Namen auf den Sündenfall an? Verführt der Dorfrichter Adam Eve, oder Eve den Adam? Und wer ist die Schlange, und wer die verbotene Frucht?
Dirk Grathoff ist der Meinung, dass der „nächtliche Vorfall“ für Eve ein Fall „in den Stand der Erkenntnis“ war. Dem kann ich jedoch nicht zustimmen. Aus dem Text geht eindeutig hervor, dass Eve – deren Name zugleich ein Palindrom ist – nach dieser Nacht noch nicht die Erkenntnis erlangt hat, dass sie von Adam belogen wurde. Sonst würde sie diesen während der Verhandlung nicht decken.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Sprechende Namen
2.1 Adam und Eve
2.2 Licht
2.3 Walter
2.4 Ruprecht Tümpel
2.5 Weitere Namen
3. Rhetorische Figuren
3.1 Doppelbedeutungen
3.1.1 Wechsel zwischen eigentlicher und metaphorischer Bedeutung
3.1.2 Der „Schein“
3.1.3 Der Turm zu Babylon und Pfingsten
3.2 Wortumbildungen
3.3 Wortwiederholungen
3.4 Vergleiche
4. Sprichwörter
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Wortspiele sind – wie der Name schon sagt – Spiele mit Worten, deren Bedeutungen und ihrem Klang. Sie dienen immer zur Aufdeckung der Doppelbödigkeit und sind daher in der Regel nicht in andere Sprachen übersetzbar.[1]
Auch Heinrich von Kleist hat in seinem Lustspiel „Der zerbrochene Krug“[2] mit den Worten gespielt. „Kleists Lustspiel bringt einen Prozeß auf die Bühne, der nicht nur ‚mit’ Wörtern, sondern zugleich ‚um’ Wörter […] geführt wird.“.[3] Doch was sind das für Wortspiele, und was bedeuten sie im Einzelnen? Diese Fragen zu klären ist das Ziel meiner Arbeit.
Dabei werde ich zuerst auf die Namen der Protagonisten eingehen und deren Bedeutung darlegen. Im Anschluss untersuche ich die rhetorischen Figuren, im Besonderen die Doppeldeutigkeiten, Wortumbildungen, Wortwiederholungen und Vergleiche. Zum Schluss erläutere ich noch den Einfluss der Sprichwörter.
Nicht behandeln werde ich die Symbole, die Bedeutung der Körpersprache und Kleists Einstellung zur Sprache im Allgemeinen.
Den Variant werde ich – wo es nötig ist – mit einbeziehen, da er zum vollen Verständnis des Stückes beiträgt.
2. Sprechende Namen
Heinrich von Kleist hat seinen Protagonisten im „Zerbrochenen Krug“ keine willkürlichen Namen gegeben, sondern die Namensgebung hat eine charakterisierende Funktion. Diese Funktion „dient der näheren Kennzeichnung von Aussehen und Wesen des Namensträgers“.[4]
2.1 Adam und Eve
Wenn man die Namen Adam und Eve liest, denkt man sofort an Adam, den „biblischen Stammvater der Menschheit“[5] und an Eva. So erinnert auch Adams Fall aus dem Bett[6] an den biblischen Sündenfall mit der Vertreibung aus dem Paradies, und der Schreiber Licht macht aus dem „Sündenfall“ ein „Adamsfall“.[7] Noch dazu vergleicht er Adam mit dem Ältervater.[8]
Aber warum spielt Kleist mit diesen Namen auf den Sündenfall an? Verführt der Dorfrichter Adam Eve, oder Eve den Adam? Und wer ist die Schlange, und wer die verbotene Frucht?
Dirk Grathoff ist der Meinung, dass der „nächtliche Vorfall“[9] für Eve ein Fall „in den Stand der Erkenntnis“[10] war. Dem kann ich jedoch nicht zustimmen. Aus dem Text geht eindeutig hervor, dass Eve – deren Name zugleich ein Palindrom ist – nach dieser Nacht noch nicht die Erkenntnis erlangt hat, dass sie von Adam belogen wurde. Sonst würde sie diesen während der Verhandlung nicht decken.[11]
Außerdem hätte sie keinen Grund mehr gehabt über den Krugzertrümmerer zu schweigen, wenn sie gewusst hätte, dass Ruprecht gar nicht nach Ostindien muss. Sie ist noch genauso naiv wie in der Nacht zuvor, als sie Adam in ihre Kammer lässt, damit dieser Ruprechts Namen in das Attest setzen kann.[12] Und auch später entlarvt sie Adam erst,[13] weil Ruprecht sonst schuldig gesprochen worden wäre,[14] und nicht, weil sie Adams Lüge durchschaut. Über diese wird sie erst zum Schluss des Stückes von Walter aufgeklärt.[15]
Verführen will meiner Meinung nach Adam Eve, und nicht – wie es in der Bibel ist – Eve den Adam. Somit ist Adam also die Schlange. So sehen das auch Grathoff[16] und Michelsen.[17] Adam verführt Eve zum Betrug – die Fälschung eines Attests für Ruprecht[18] – und damit auch zum Lügen.[19] Deutlich wird das im Variant, in welchem man mehr Einzelheiten über die gesamten Geschehnisse erfährt. Eine sexuelle Verführung liegt entgegen der Annahme von Dirk Grathoff[20] dagegen nicht vor. So weit kommt Adam nicht, denn er wird vorher durch Ruprecht gestört.[21] Ebenso sieht das auch Peter Michelsen.[22]
Jetzt bleibt noch die Frage zu klären, ob mit der Anspielung auf den Sündenfall, auf einen moralischen Fall von Adam hingewiesen werde sollte.
Auf einen „Fall“ von Adam spielt schon der Schreiber Licht an, wie ja vorhin bereits erwähnt.[23] Adam nutzt seine Macht aus für den Versuch, Eve zu verführen. Einmal die Macht seines Amtes,[24] und dazu noch den Vorteil lesen zu können,[25] was Eve bekanntlich nicht kann.[26]
Meiner Meinung nach handelt es sich also um einen moralischen Fall Adams – neben dem körperlichen Fall – durch die Ausnutzung seiner Macht mit dem Ziel der Befriedigung seiner sexuellen Triebe. So sehen das auch Michelsen[27] und Thorwart.[28] Mit dem moralischen Fall verliert Adam auch seine Richterwürde. Zu erkennen ist das an dem Verlust seiner Perücke bei dem „Fall“ aus dem Fenster.[29] So muss er ohne Perücke – und ohne Würde – den Gerichtstag abhalten.[30]
2.2 Licht
Mit dem Namen „Licht“ assoziiert man – neben seiner wörtlichen Bedeutung Licht – Erleuchtung, Zwielicht, Licht ins Dunkle bringen, oder auch Licht und Schatten. Und wie Adam und Eve trägt auch der Schreiber „Licht“ seinen Namen nicht ohne Hintersinn.[31] „Licht“ ahnt die Wahrheit über die nächtlichen Ereignisse bereits zu Beginn des 1. Auftritts, als er auf den Sündenfall anspielt,[32] und von Adams Fuß sagt, dass dieser auf „dem Weg der Sünde wandelt“.[33] Ebenso sehen das auch Manfred Schunicht[34] und Monika Schmitz – Emans.[35] „Licht“ kennt Adam, denn „er steht nach einer Dienstzeit von fast neun Jahren mit dem Richter Adam auf vertrautem Fuß, wie die wechselseitig gebrauchte Anrede ‚Gevatter’ verdeutlicht“.[36]
Dem Schreiber ist auch die Aufklärung der nächtlichen Vorkommnisse im Prozess zu verdanken.[37] Er deckt Adams Lüge über den Verbleib von dessen Perücke auf,[38] verrät, dass Adam „mißgeschaffene Füße“[39] hat, und beweist dem Gericht, dass dem Dorfrichter die Perücke aus dem Spalier wie angegossen passt.[40] „‚Licht’ bringt Licht in die dunklen Machenschaften seines Vorgesetzten.“[41] Er ist Adams Gegenspieler,[42] also ist Adam der Schatten, und „Licht“ ist das Licht. „Diese aufklärende Funktion des Schreibers zeigt auch, dass er seinen Namen tatsächlich wegen seiner erhellenden Tätigkeit erhalten hat.“[43]
2.3 Walter
„Der Vorstellungskreis des ‚Waltens’ und ‚Verwaltens’ findet in der Figur des ‚Gerichtsrats’ Walter […] Eingang“[44] in das Lustspiel. Dieser achtet auf die korrekte Einhaltung des Ablaufes und der Formalitäten des Prozesses,[45] treibt das Verfahren voran,[46] beruhigt[47] oder ermahnt[48] die Beteiligten. Er ist also Walter, „im strikten Sinne des Wortes“.[49]
Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, Walter verkörpere den Gott der Wahrheit,[50] bzw. sein Name erinnere „an das Walten Gottes“.[51] Dem kann ich mich ebenso wenig anschließen wie Peter Michelsen.[52] Walter ist weder allmächtig, noch allwissend.[53] Er erkennt die Wahrheit über den Tathergang erst sehr spät,[54] und konnte vorher Adams Wunden nicht mit einer potentiellen Täterschaft des Dorfrichters in Verbindung bringen.[55] Noch dazu ist ihm die Ehre des Gerichtes wichtiger als ein gerechtes Urteil. Zu erkennen ist dies an seinem ge“walt“samen Versuch den Prozess zu beenden, bevor Adam als Täter entlarvt werden kann.[56]
[...]
[1] Vgl. Schweikle, Günther, Irmgard Schweikle (Hrsg.): Metzler Literatur Lexikon. Begriffe und Definitionen. 2. Auflage. Stuttgart: Metzler 1990. S. 505.
[2] Im folgenden Text werde ich, wenn ich aus dem Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ zitiere, nur den jeweiligen Vers in der Fußnote angeben. Diese Angaben beziehen sich – wenn nicht anders angegeben – auf die im Literaturverzeichnis angegebene Ausgabe des Lustspiels.
[3] Schmitz – Emans, Monika: Das Verschwinden der Bilder als geschichtsphilosophisches Gleichnis. „Der zerbrochene Krug“ im Licht der Beziehungen zwischen Bild und Text. In: Kleist – Jahrbuch 2002. S. 43.
[4] Debus, Friedhelm: Namen in literarischen Werken. (Er)Findung – Form – Funktion. Stuttgart: Steiner 2002. S. 77.
[5] Thorwart, Wolfgang: Heinrich von Kleists Kritik der gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien. Zu H. v. Kleists Leben und Werk unter besonderer Berücksichtigung der theologisch – rationalistischen Jugendschriften. Würzburg: Könighausen & Neumann 2004. S. 222.
[6] Vgl. V. 17 – 21.
[7] Vgl. V. 9.
[8] Vgl. V. 64.
[9] Grathoff, Dirk: Der Fall des Kruges. Zum geschichtlichen Gehalt von Kleists Lustspiel. In: Kleist – Jahrbuch 1981/82. S. 292.
[10] Ebd.
[11] Vgl. V. 1268.
[12] Vgl. Sembdner, Helmut: Erläuterungen und Dokumente. Heinrich von Kleist „Der zerbrochene Krug“. Stuttgart: Reclam 1973 (UB 8123). S. 52. V. 2197.
[13] Vgl. V. 1895.
[14] Vgl. V. 1877.
[15] Vgl. V. 1928.
[16] Vgl. Grathoff, D.: Der Fall des Kruges. S. 292.
[17] Vgl. Michelsen, Peter: Die Lügen des Adams und Evas Fall. Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“. In: Geist und Zeichen. Festschrift für Arthur Henkel. Hrsg. von Herbert Anton, Bernhard Gajeck und Peter Pfaff. Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag 1977. S. 286.
[18] Vgl. Sembdner, H.: Erläuterungen und Dokumente. S. 47. V. 2026ff.
[19] Vgl. ebd. S. 55. V.2276/2277.
[20] Vgl. Grathoff, D.: Der Fall des Kruges. S. 292.
[21] Vgl. Sembdner, H.: Erläuterungen und Dokumente. S. 53. V. 2221.
[22] Vgl. Michelsen, P.: Die Lügen Adams und Evas Fall. S. 286- 288.
[23] Vgl. V. 64.
[24] Vgl. V. 1916/1917.
[25] Vgl. Sembdner, H.: Erläuterungen und Dokumente. S. 49. V. 2078.
[26] Vgl. ebd. V. 2077.
[27] Vgl. Michelsen, P.: Die Lügen Adams und Evas Fall. S. 280/286.
[28] Vgl. Thorwart, W.: Heinrich von Kleists Kritik der gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien. S. 227.
[29] Vgl. V. 1625.
[30] Vgl. V. 378/379.
[31] Vgl. Wendt, Ernst: O Himmel! Zu einigen Wörtern in Kleists „Zerbrochenem Krug“. In: Kleist – Jahrbuch 1984. S. 64.
[32] Vgl. V. 9ff.
[33] Vgl. V. 27.
[34] Vgl. Schunicht, Manfred: Heinrich von Kleist. Der zerbrochene Krug. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 84 (1965). S. 559.
[35] Vgl. Schmitz – Emans, M.: Das Verschwinden der Bilder als geschichtsphilosophisches Gleichnis. S. 49.
[36] Hettche, Walter: „Ein eigenes Blatt“. Der Schreiber Licht und der Prozeß um den zerbrochenen Krug. In: Heinrich von Kleist. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. München: edition text + kritik 1993. S. 86.
[37] Vgl. ebd. S. 92.
[38] Vgl. V. 1848/1849.
[39] Vgl. V. 1811.
[40] Vgl. V. 1860.
[41] Vgl. Kleist, Heinrich von: Der zerbrochene Krug. In: Sämtliche Werke und Briefe in vier Bänden. Bd. 1. Dramen 1802 – 1807. Hrsg. von Ilse – Maria Barth und Heinrich C. Seeba. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag 1991. S. 815.
[42] Vgl. Labhardt, Robert: Metapher und Geschichte. Kleists dramatische Metaphorik bis zur „Penthesilea“ als Widerspiegelung seiner geschichtlichen Position. Kronberg/Ts.: Skriptor 1976. S. 180.
[43] Hettche, W.: „Ein eigenes Blatt“. S. 97.
[44] Wellbery, David E.: Der zerbrochene Krug. In: Interpretationen: Kleists Dramen. Hrsg. von Walter Hinderer. Stuttgart: Reclam 1997. S. 18.
[45] Vgl. V. 538/805/834/920.
[46] Vgl. V. 884.
[47] Vgl. V. 1297.
[48] Vgl. V. 1199.
[49] Vgl. Wellbery, D.: Der zerbrochene Krug. S. 18.
[50] Vgl. Schadewaldt, Wolfgang: „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist und Sophokles` „König Ödipus“. In: Heinrich von Kleist. Aufsätze und Essays. Hrsg. von Walter Müller – Seidel. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1967. S. 319.
[51] Wittkowski, Wolfgang: „Der zerbrochene Krug“: Gaukelspiel der Autorität, oder Kleists Kunst, Autoritätskritik durch Komödie zu verschleiern. In: Sprachkunst 12 ( 1981). S. 115.
[52] Vgl. Michelsen, P.: Die Lügen Adams und Evas Fall. S. 274.
[53] Vgl. Hettche, W.: „Ein eigenes Blatt“. S.92.
[54] Vgl. V. 1630.
[55] Vgl. V. 1504.
[56] Vgl. V. 1821.
- Quote paper
- Anke Beiler (Author), 2005, Wortspiele in Heinrich von Kleists "Der zerbrochene Krug", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89949
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