Das UG 2002 verlangt von den Universitäten den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems. Qualität, Qualitätsmanagement, Evaluierung – Begriffe, die verwirren und Ablehnung hervorrufen. Wie Expertenorganisationen – im Besonderen Kunstuniversitäten, die darüber hinaus noch zusätzliche Besonderheiten aufweisen – sich dieser Herausforderung stellen, welche Möglichkeiten genutzt werden und wie damit auch das Ineinandergreifen der Lenkungssysteme (Universitätsrat - Rektorat – Senat; Leistungsvereinbarung und Zielvereinbarung) transparent gestaltet werden kann, wurde analysiert und daraus Thesen abgeleitet worauf hierbei zu achten ist.
Inhaltsverzeichnis
1 Rahmenbedingungen Österreichischer Akademien und Universitäten
1.1 Die rechtliche Stellung in der Gesellschaft - universitäre Autonomie
1.2 Expertenorganisation Universität
1.3 Besonderheiten von Kunstuniversitäten
1.4 Dienstleistungsorganisationen
1.5 Systemsteuerung - Steuerung universitärer Systeme?
1.5.1 Leistungs- und Zielvereinbarungen als Steuerungsinstrumente
2 Kontroversen in der Diskussion um QM-Systeme für Kunstausbildungsstätten
3 Anforderungsprofil von Kunstuniversitäten an QM-Systeme
3.1 Implizite und explizite Qualitätsanforderungen
3.2 Zweck eines Qualitätsmanagementsystems
4 Gängige Qualitätsmanagementmodelle
4.1 EN ISO 9000er-Familie
4.2 EFQM-Modell
4.3 CAF - Modell
4.4 Alternative Qualitätsmanagementsystem-Zugänge:
4.5 (T)QM an Universitäten
4.6 Internal Quality Assurance in Higer Music Education
5 Erklärung und Thesen
6 Literaturverzeichnis
7 Abbildungsverzeichnis
8 Anhang
Präambel
Mit dem in Kraft treten des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien, UG 2002 [1] wird es zur gesetzlichen Auflage:
§ 14. (1): Die Universitäten haben zur Qualitäts- und Leistungssicherung ein eigenes Qualitätsmanagementsystem aufzubauen.[2]
Und weiter § 14. (2):
Gegenstand der Evaluierung sind die Aufgaben und das gesamte Leistungsspektrum der Universität.[3]
Absatz (2) legt unmissverständlich nahe, dass das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur unter einem Qualitätsmanagementsystem Evaluierungen versteht. Diese Annahme wird durch die folgenden 7 Absätze nur bestärkt.[4] Doch, stimmt das auch? Haben Universitäten ein Qualitätsmanagement, wenn sie Evaluierungen durchführen?
Fünf Jahre später ist auf der Homepage vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung im Zusammenhang mit dem Bologna Stocktaking Report 2007 zu lesen, das
Österreich bei der Umsetzung der drei prioritären Bologna-Ziele Qualitätssicherung, zweigliedrige Studienstruktur (Bakkalaureat und Magisterarchitektur) sowie Anerkennungsfragen im Spitzenfeld liegt.[5]
Weiter unten wird noch deutlicher annonciert:
Durch die Umsetzung der Standards und Richtlinien im Bereich der Qualitätssicherung und die Einbeziehung internationaler ExpertInnen und Studierender in Qualitätssicherungsmaßnahmen konnte Österreich in diesem Bereich in die Spitzengruppe vorstoßen.[6] Was versteht Minister Hahn unter einem QM-System?
Denn - sicherlich, seit dem in Kraft treten des UG 2002 ist an den Universitäten viel geschehen, von einer flächendeckenden Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen (QM-Systemen) an Österreichs Universitäten und Kunstakademien wird dennoch nicht so bald die Rede sein können.
Eine realistische Standortbestimmung des Managementools nimmt Univ.-Prof. Dr. Badelt, Rektor der Wirtschaftswissenschaftlichen Universität in Wien und Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz vor, wenn er auf dem Kongress der AQA[7] im Juni 2007 klarlegt, „dass die einstmals vom Bund getragenen Lenkungs- und Kontrollfunktionen in Zukunft von den Qualitätsmanagementsystemen an den autonomen Hochschulen und Universitäten übernommen werden.“[8] Was nichts anderes bedeutet, als dass ein Qualitätsmanagementsystem die universitäre Steuerung übernimmt. Ist das richtig? Übernimmt hiermit ein QM-System die „Macht der Entscheidung“ des Führungsapparates Rektorat, Universitätsrat, Senat?
Diese wenigen aber kontroversen Positionen spiegeln einen Teil des vorherrschenden, höchst fassettenreichen Bildes an expliziten Vorstellungen und Erwartungshaltungen und versteckten Ängsten, Abneigungen und Unkenntnissen über ein System, das namentlich Qualität kreiert und dabei auch noch steuernd kontrolliert. Dieses Bild macht neugierig auf das, was an Österreichs Universitäten derzeit passiert.
Um bei diesem Entwurf das Wesentliche zu verfolgen, sollen nachfolgend die Rahmenbedingungen der Österreichischen Kunstausbildungsstätten[9] nachgezeichnet werden, innerhalb derer die österreichischen Kunstuniversitäten die Einführung ihres Qualitätsmanagementsystems verfolgen.
Die hier vorliegende Arbeit wurde zum Abschluss der Ausbildung zum MSc in Coaching und Organisationsentwicklung von der ARGE Bildungsmanagement approbiert, musste jedoch aufgrund der brisanten Analysethematik unbefristet gesperrt werden. Die Analyse bestätigte die Situation an den Universitäten, wie sie sich durch das Studium der Literatur herauskristallisiert hatte. Ausgehend von diesen beiden Rahmenbedingungen werden in diesem Text somit keine empirischen Ergebnisse ausgewiesen.
1 Rahmenbedingungen Österreichischer Akademien und Universitäten
1.1 Die rechtliche Stellung in der Gesellschaft - universitäre Autonomie
Mit dem Universitätsgesetz 2002 §1 kommen wesentliche strukturelle Neuerungen an die Universitäten: Die Universitäten werden zu Bildungseinrichtungen des öffentlichen Rechts mit Weisungs- und Satzungsfreiheit, die ihre Finanzgebarung über das Handelsgesetzbuch abhandeln. Die einst jährlichen Mittelzuweisungen des Bundes werden auf dreijährige Zuwendungen umgestellt. Begriffe wie Kosten-, Investitions- und Risikoplanung nehmen Einzug und effiziente Planungs- und Finanzsicherheiten werden vor Ort zu Themen.
Dafür schließen die Universitäten mit dem Bund eine Leistungsvereinbarung über einen Zeitraum von drei Jahren ab und verpflichten sich, jährlich mehrere Rechenschaftsberichte[10] über die Ergebnisse und ihre Auswirkungen zu erstellen.
Ein fünf bis siebenköpfiger Universitätsrat übernimmt die strategischen Kompetenzen des Hauses und verlangt Rechenschaft über die operativen Führungsaktivitäten des Rektorats – dem Rektor und seinen weisungsfreien Vizerektoren. Der Senat – das Gremium der Professoren, Assistenten und Studentenvertretungen – erhält die uneingeschränkte Hoheit über das Lehr- und Studienangebot, die Curriculakommissionen jene über die Inhalte von Lehre und Weiterbildung.
Mit dieser Konstellation zog sich der Bund aus der direkten Verantwortung über die Geschicke der Universitäten zurück und beschränkt seine gesellschaftspolitische Steuerungsfunktion über die zu erbringenden Leistungen indirekt auf die outcome-orientierte f ormelgebundene Budgetierung, einem rund 20-prozentigen Anteil vom dreijährigen Globalbudget. [11]
Derart in die Autonomie entlassen, stehen 2002/03 die traditionsreichen Universitäten ähnlich in den Startpositionen, wie private Newcomer. Beide müssen sich strategisch auf einem wettbewerbsorientierten, globalen Markt positionieren, „Produkte“ entwickeln, Risiken abschätzen, Maßnahmen planen und die erreichten Ergebnisse auf Wirksamkeit, Qualität und Effizienz überprüfen.
Doch lassen sich Kunst-/Universitäten so einfach zu privatähnlichen Organisationen umstrukturieren, auch wenn sie mit dem UG 2002 vergleichbare rechtliche Positionen innehaben? Woher kommen die Universitäten, wenn mit dem UG 2002 „[…]die rechtliche Grundlage für eine zukünftige "unternehmerische Universität" geschaffen […]“ wurde?
1.2 Expertenorganisation Universität
Die traditionelle universitäre Ordnung – so Nickel – ist eine „selbstregulative Ordnung“ mit „hoher Autonomie“ und „kollegial-demokratischer Entscheidungsfindung“ bei einer „flachen Hierarchie.“
„Intrinsische Motivation und Identifikation“ treiben viele der Protagonisten an ihren Häusern an, was die „Unplanbarkeit künstlerisch-kreativer Prozesse“ egalisiert und die fehlende „Input-Output-Relation“ neutralisiert.[12]
Um eine derart partizipative Steuerungs- und Lenkungsordnung zu entwickeln und aufrecht zu erhalten, müssen bestimmte Bedingungen vorliegen. Pasternack beschreibt diese wie folgt:
Die Angehörigen von Expertenorganisation sind charakterisiert durch aufwendige Ausbildung, hohen Spezialisierungsgrad, sehr eigenständigen Umgang mit Wissen und die Lieferung sehr komplexer, nicht trivialer Produkte. Infolgedessen ist die wesentliche sachliche Bedingung, um die Expertentätigkeit ausüben zu können, hohe individuelle Autonomie. Dies korrespondiert mit organisationalen Notwendigkeiten: Das wichtigste Produktionsmittel der Organisation ist das Wissen, und dieses befindet sich in der Hand der Experten; die Leistungsfähigkeiten des Experten und der Expertin stellen das Kapital der Organisation dar; schließlich werden die zentralen Organisationsdienstleistungen sehr oft direkt für Klienten erbracht, was bedingt, daß [sic] dies in Form personaler Beziehungen geschieht – mit entsprechenden Anforderungen an Fertigkeiten und Kompetenzen der Organisationsmitglieder. Aus all dem resultieren eine starke Stellung des Experten in der Organisation sowie der Umstand, dass Leitungsentscheidungen meist mit der fachlichen Arbeit verknüpft sind. Zugleich ist die Expertenorganisation durch den Widerspruch gekennzeichnet, dass ExpertInnen einerseits an ihrer jeweiligen (innovativen) Profession orientiert und andererseits gegenüber ihrer (trägen) Organisation eher gleichgültig sind.[13]
Grossmann, Pellert und Gotwald bringen die Eigenarten von Expertenorganisationen auf den Punkt:[14]
- Hohe Qualifikation, Wissen und Motivation
- Orientierung an der eigenen Profession
- Spezialisierung und Differenzierung
- Die Macht der Subsysteme
- Administration als „Störfaktor“
- Management als „lästig“ empfunden
- Hohe individuelle und geringe institutionelle Autonomie
- Entwicklung der eigenen Managementkompetenzen
- Professionelle Selbstkontrolle
Diese Eigenarten entsprechen so gar nicht den üblichen organisatorischen Strukturen von privaten Unternehmen, deren MitarbeiterInnen – von der Geschäftseinheit abwärts – ausführen, was im Geschäftsleitungsteam diskutiert und entschieden wird. Da die Mehrzahl der Kunstausbildungsstätten mit dem Kunstuniversitätenorganisationsgesetz von 1998 vom Akademie- und Hochschulstatus zur Universität überführt wurden, fragt sich, ob ihre Organisationsstrukturen jenen der traditionellen, wissenschafttsgeleiteten Universitäten ähneln, oder ob zusätzliche Besonderheiten vorliegen?
1.3 Besonderheiten von Kunstuniversitäten
Kunstuniversitäten weisen in der Tat eine ganze Reihe von Sonderheiten auf, die sowohl in Hinblick auf die Einführung eines QM-Systems als auch auf die Evaluierungserfordernisse, ganz spezifische Anforderung darstellen:
Ein Charakteristikum der Kunsthochschulausbildung besteht darin, dass die Studierenden in den künstlerischen Fächern von ihren Professorinnen und Professoren zum Teil auch einzeln unterrichtet werden. […] Die sehr gute Ausbildungssituation an den österreichischen Kunsthochschulen übt auch auf viele Studierende aus aller Welt große Anziehungskraft aus.[15]
Dieses Statement enthält zwei wesentliche Aspekte: den Einzel- bzw. Klein(st)gruppenunterricht und eine besonders umfangreiche Interkulturellität.
a) Einzel- bzw. Klein(st)gruppenunterricht
Der Einzelunterricht betrifft in den überwiegenden Studien der Musik an die 30 Prozet des Unterrichts. Zählt man die Ensemble- und Orchesterdienste als Kleinst- bis Gruppenunterricht, steigt der Anteil zu ungunsten wissenschaftlicher Mehrpersonenunterrichtsformen.
b) Interkulturellität
Aus dem statistische Taschenbuch 2006 des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur geht hervor, das im Wintersemester 2005 der Anteil an ausländischen Studierenden 40,7% betrug, bei den forschungs- und wissenschaftlich geprägten Universitäten lag der Anteil im Vergleichszeitraum bei 17,1%.[16]
Folgende Gesichtspunkte kennzeichnen Kunstuniversitäten und Akademien:
c) Die geringe Interdisziplinarität ist ein weiteres Kennzeichen. Sie ergibt sich durch den Einzel- und Klein(st)gruppenunterricht und führt zu einer Spezialisierung innerhalb einer bestimmten Disziplin.
d) Aufnahmeprüfungen. Zu einem künstlerischen Studium werden Studierende nur dann zugelassen, wenn sie erfolgreich ihre künstlerische Eignung nachweisen können.
Nur in wenigen künstlerischen Studien wird, im Gegensatz zu den künstlerisch-pädagogisch ausgerichteten Studien, auch die Reifeprüfung verlangt.[17]
e) Künstler als Lehrer, eine weitere Rahmenbedingung, die nur in Kunstuniversitäten anzutreffen ist.
In einem 2001 gesandten Brief der Universität Mozarteum Salzburg an das Bundesministerium geht hervor, dass eine Kunstuniversität praktizierende, in der Karriere stehende Künstler, die lehren können und wollen, benötigt. Als Besonderheit der Kunstuniversitäten sieht das Mozarteum, dass die Qualität des Lehrers zumeist nicht an der Universität, sondern draußen auf dem Podium entsteht.[18]
f) Kreativität und Individualität künstlerischer Schaffensprozesse
Dass speziell eine Kunstuniversität nicht als Summe von Kennzahlen begriffen werden kann, ist offensichtlich: Künstlerische Schaffensprozesse sind von Individualität, nicht Formalisierbarkeit und Kreativität geprägt und lassen sich im Rahmen von zahlenmäßig quantifizierenden Erfassungsversuchen kaum abbilden.[19]
g) Bewertung künstlerischer Leistungen stellt eine weitere Besonderheit von Kunstuniversitäten dar. Dies zeigt sich besonders deutlich an einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, welcher der Begründung der Musikhochschule München, dass eine Feststellung musischer Begabung nicht normierbar ist, nicht stattgegeben hat, wenngleich eingeräumt wird, dass einzelne Teilbereiche nicht nach objektiven Kriterien als richtig oder falsch qualifiziert werden können.[20]
h) Entwicklung und Erschließung der Künste
Die Entwicklung und Erarbeitung eines Stückes wird - sofern das Ziel die „Erschließung neuer Zugänge zu den Künsten“ ist – „Entwicklung und Erschließung der Kunst“ bezeichnet. Dem gegenüber steht die Forschung, sofern „neue wissenschaftliche Erkenntnisse“ gewonnen werden.[21]
Das folgende Schaubild zeigt die Besonderheiten von Kunstausbildungsstätten eingebettet in den Rahmenbedingungen der Aufbau-, Ablauf- und Projektorganisation[22].
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Besonderheiten von Kunstuniversitäten
Die genannten Eigenarten und Besonderheiten von Akademien und Kunstuniversitäten entsprechen nicht den üblichen organisatorischen Strukturen von privaten Organisationen, in denen die MitarbeiterInnen – von der Leitung der Geschäftseinheit abwärts – ausführen, was das Führungsteam entscheidet und anordnet. Da die Intension des UG 2002 den Umbau der Expertenorganisation zu einem autonomen Dienstleistungsunternehmen vorsieht, müssen die Universitäten – wollen sie dem Folgeleisten[23] – entsprechende Veränderungen durchlaufen. Eine der wichtigsten Veränderungen liegt in der Gestaltung der „Arbeitsbedingungen,[24] die so angelegt werden müssen, dass die Leistungsbereitschaft für die Universität sichergestellt ist und - darauf aufbauend - eine moderne, ressourcenorientierte Steuerung durch das Rektorat aufgebaut und akzeptiert werden kann.
Für diese Organisationsentwicklung sehen Grossmann, Pellert und Gotwald die wichtigsten Ansatzpunkte in der Optimierung der „Kerngeschäftsprozesse“ (Lehre, Forschung, Weiterbildung, etc), im Ausbau der „Managementarbeit“ sowie in der verstärkten Wahrnehmung und Einbeziehung der „Kundenbedürfnisse“.[25]
Ansatzpunkte wie eine Optimierung, sprich Effektivität- und Effizienzsteigerung, der Kerngeschäftsprozesse, des Management oder der Erfüllung der Kundenbedürfnisse propagiert, repräsentiert die Wertvorstellungen von marketingorientierten Dienst-/Leistungsunternehmen.
Diesen Anforderungen genügen die Grundsätze von anerkannten Qualitätsmanagementsystemen wie das der ISO 9000ff oder das des EFQM-Modells, die ihrerseits die Wünsche der Kunden gemäß den von ihnen bevorzugten Produkteigenschaften, sowie das Management nennen. Doch nicht nur hier finden sich die derzeit gültigen Wertvorstellungen. Als Bemessungsgrundlage für das 80-prozentige Grundbudget werden, neben den „gesellschaftlichen Zielsetzungen,“ die Kriterien „Bedarf“, „Leistung“ und „Nachfrage“ im UG 2002 §14. Leistungsvereinbarungen genannt.
1.4 Dienstleistungsorganisationen
Pasternack erkennt Schnittmengen in den Eigenschaften von Hochschulen und Dienstleistungserbringern und zwar:
[…]nämlich insoweit diese wiederum von anderen Produktproduzenten unterschieden sind:
1. bei Dienstleistungen kann „zunächst nur die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Form von Leistungsversprechen offeriert werden. Die Dienstleistung als immaterielles Produkt entsteht erst, wenn der Kunde das Angebot bereits angenommen hat.“
2. „Beim Verkauf einer Dienstleistung erfolgt keine Eigentumsübertragung wie beim Verkauf anderer Produkte, sondern eine Zustandsänderung am Eigentum des Kunden oder ... am Kunden/Teilnehmer selbst. Das bedeutet, dass [sic] der Kunde selbst mehr oder weniger stark in den Prozeß [sic] der Leistungserstellung einbezogen ist.“
3. „Durch die notwendige Mitwirkung des Kunden am Erstellungsprozeß [sic] der Dienstleistung ist diese immer in einem bestimmten Grade individuell. Folglich ist deren Qualität vorher nur bedingt bestimmbar und auch nur mit gewissen Einschränkungen durch den Dienstleister beeinflußbar [sic]. Das erreichbare Qualitätsniveau bewegt sich so in einer Qualitätsbandbreite, deren unteres Niveau [...] durch den Dienstleister zu gewährleisten ist.“
4. „Aufgrund dessen, daß [sic] eine Dienstleistung eine Zustandsänderung ist, ist sie prinzipiell nicht wiederholbar. Auch wenn die Dienstleistung nicht zufrieden stellt, hat sich der Ausgangszustand sowohl beim Kunden wie beim Dienstleister geändert. Damit sind für eine erneute Dienstleistung andere Ausgangsbedingungen gegeben.“
5. Aus all dem ergibt sich, „das bei Dienstleistungen für den Kunden nicht nur das Ergebnis des Prozesses, sondern oft auch die Qualität des Erstellungsprozesses wichtig sind.[26]
Wenn sich der Fokus des Qualitätsmanagements auf den Prozess der Dienstleistung und der hierzu bestehenden Rahmenbedingungen konzentriert, und „[…]gegenüber den Prozessergebnissen eine gewisse Gelassenheit[…]“[27] entwickelt, scheint ein Qualitätsmanagement auch in Expertenorganisationen möglich. Damit liegen hierin erste Anknüpfungspunkte.
Ein weiterer spannender Aspekt in Bezug auf die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen an Universitäten ist die des Umgangs mit Veränderungen. Durch den Hinweis auf die Eigenheiten von Expertenorganisationen wurden einige relevante Aspekte schon angedeutet, dennoch bleibt eine wichtige Frage offen: In wie weit sind Universitäten soziale und/oder autopoietische Systeme? Denn, Qualitätsmanagementsysteme kennzeichnen sich, wie der Name sagt, durch ihren prozessorientierten, auf sysemtheoretischen Theorien aufbauenden Ansatz aus.
1.5 Systemsteuerung - Steuerung universitärer Systeme?
Angenommen, Kunstuniversitäten sind soziale Systeme wie es private Unternehmen sind, dann findet man bei Friz B. Simon Kommunikation als den wesentlichen Steuerungsparameter.
Soziale Systeme sind als Kommunikationssysteme zu verstehen. […] Der Königsweg, in dieser Art von Systemen steuernd Einfluss zu nehmen, führt über die Fokussierung der Aufmerksamkeit. Was nicht in die Aufmerksamkeit der Kommunikationsteilnehmer kommt, wird in der Organisation nicht beobachtet, und was nicht beobachtet wird, hat keine soziale Realität.“[28]
Des Weiteren weist Simon darauf hin, dass die Strukturen von sozialen Systemen nicht passiv sondern, im Gegensatz zu biologischen Systemen, aktiv aufrechterhalten werden müssen.[29] Die aktive Aufrechterhaltung läuft über die Führungsfunktion ab, die vorgibt, über was und worüber kommuniziert wird. Insofern kommt der Kommunikationsfunktion eine bedeutende Rolle zu, bestimmt sie doch den Weg und das Ziel. Thomas Davenport hebt die Vorbildfunktion durch sein Beispiel des „trickle-down“ Effektes hervor. Davenport schreibt:
[…] Employees throughout a company make decisions about what to pay attention to based on their perception of what their leaders pay attention to. Because leaders are busy people, their attention focus is deemed to be most important. Consequently, leaders have to be more careful about how they invest their attention, for themselves and for their subordinates.[30]
Beide Aussagen fokussieren auf eine Steuerung von innen, also ganz im Sinne eines autopoietischen Systems.
Sigrun Nickel bestreitet, dass Universitäten auch soziale Systeme sind, da handlungsfähige Sozialsysteme darauf ausgerichtet sind, ihren Interessen Geltung zu verschaffen, indem sie sich einen möglichst großen Einfluss auf ihre Umgebung sichern. Doch genau dieser Punkt wurde und wird als einer der großen Schwächen von Universitäten gesehen.[31] Nickel geht noch weiter und stellt sogar die Bezeichnung „Organisation“ für Universitäten in Frage. Statt von einer Organisation zu sprechen sollte die „Universitätsorganisation differenziert betrachtet werden, und zwar als lose verbundene, teilweise sogar brüchige Trias aus Verwaltung, Forschung und Lehre.“[32]
Nickels Hauptgrund, Universitäten das soziale, von innen aus gelenkte „autopoietische“ Systemverhalten abzusprechen, liegt in der politischen Steuerung und deren Spielregeln, denen Universitäten unterliegen. Zumindest was ihre Zielsetzungen und Finanzierung betrifft, so Nickel, sind Universitäten von politischen Interessen abhängig[33] und werden insofern von außen gesteuert.
Stellt man Nickels Aussagen den theoretisch möglichen Steuerungsansätzen von sozialen Systemen gegenüber, finden sich in den Arbeiten von Wottawa drei ganz prinzipielle Grundformen. Der betriebswirtschaftlich ausgerichtete Psychologe grenzt weder die Universitäten noch den öffentlichen Dienst aus der Gruppe der sozialen Systeme aus. Bei genauem Hinsehen zeigt sich auch, warum:[34]
[...]
[1] Vergl. Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002).Vergl. Sandra Mukherjee-Cosmidis, Florian Pecenka, Eva Uthe, (2007).
[2] UG 2002 § 14. (1)
[3] UG 2002 § 14. (2)
[4] Vergl. im Anhang: UG 2002: Evaluierung und Qualitätssicherung, § 14
[5] Vergl. Internationalisierung der Hochschulen: http://www.bmwf.gv.at/wissenschaft_aktuell/internationalisierung/?type=98&no_cache=1&sword_list%5B0%5D=bologna,
[6] Ibid
[7] Christoph Badelt, Chancen des Qualitätsmanagements für die Führung von Universitäten, 20.06.2007
[8] An allen Universitäten werden hektisch Diskussionen und Implementierungsansätze verfolgt, die unterschiedlich verlaufen. Der Gewinn des österreichischen Staatspreises Qualität durch das Institut für Betriebswissenschaften an der Montanuniversität Leoben 1999 begründet sich auf Eigeninitative.
[9] Österreichs öffentlich-rechtlichen Kunstausbildungsstätten sind:
Die Akademie der bildenden Künste, Wien.
Die Universität für angewandte Kunst, Wien.
Die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz.
Die Universität für Musik und darstellende Kunst, Graz.
Die Universität für Musik und darstellende Kunst, Wien.
Die Universität Mozarteum Salzburg in Salzburg.
[10] Leistungsbericht, Wissensbilanz, Rechnungsabschluss, Jahresbilanz
[11] Vergl. UG 2002, Paragraph 1-25
[12] Nickel, 2007, S. 112 - 115
[13] Pasternack, 2001, S.31
[14] Grossmann, Pellert, Gotwald, 1997, S. 24ff
[15] BM für Wissenschaft und Verkehr, Wien, 1998, S. 38
[16] Dillinger-Paller, Reitschmidt, Schifko, Spreitzer, Titz, 2006, S. 68ff
[17] Kasparovsky, Wadsack, 2004; S. 23
[18] Mozarteum, 2001
[19] Wissensbilanz der „Angewandten“ 2005, S.4
[20] VGH, 2007, S.9
[21] Vergl. UG 2002 § 1
[22] siehe hierzu auch die Abb. 3 im Punkt 3b
[23] Vergl. Konrad P. Liessmann, Theorie der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft (2006). „[…]Vieles was unter dem Titel der Effizienzsteigerung zur Reform des Bildungswesen unternommen wird, gehorcht schlicht dem Prinzip der Industrialisierung. Die vielgerühmte Modularisierung von Studien etwa stellt die Übertragung des Prinzips funktional differenzierter Fertigungshallen auf den Wissenserwerb dar. Auch die Einführung der ECTS-Punkte etabliert eine Norm zur Bewertung von Studienleistung, die bis in das Berechnungssystem diversen Industrienormen entspricht. Und nicht zuletzt erweisen sich das vielgerühmte Teamwork und die allerorts forcierten Forschungs- und Projektgruppen als Einrichtung von Produktionsbrigaden, denen problemlos Ziele, Steigerungsraten und Verwertbarkeitsberechnungen vorgegeben werden können und in denen nichts so sehr stört wie individuelle Abweichungen. Sozialpsychologisch interessant ist dabei – wie auch bei ähnlichen Industrialisierungsprozessen – das Phänomen, dass Menschen, die lange – und als beamtete Professoren sogar mit staatlicher Garantie – unter den Prämissen der Souveränität und Freiheit geforscht und gelehrt hatten, ihre Eingliederung in ein hybrides produktions- und Kontrollkonzept relativ problemlos akzeptieren. Dass sie sich durch die simple Rhetorik, die diesen Industrialisierungsprozess unter Etiketten wie „Autonomie“ und „Flexibilität“ propagiert, täuschen lassen, wollen wir in Anbetracht der Intelligenz der Betroffenen – immerhin handelt es sich um die neuen Eliten – nicht annehmen. Jeder Handwerker, der mit Wehmut, Zorn und verletztem Stolz seine Werkbank gegen einen Arbeitsplatz in einer Fabrik tauschen musste, hatte gegenüber gesellschaftlichen Wandlungen vielleicht mehr Sensibilität entwickelt als ein einstens frier Geist, der nun stolz verkündet, alles zu tun, um das Plansoll und die Ziele seines „Unternehmens“ zu erfüllen. S. 41-42
[24] Grossmann, Pellert, Gotwald, 1997, S. 26
[25] Ibid, S. 28ff. Anmerkung: Zur Umsetzung der Ansätze sind die Curriculakommissionen ebenso zuständig, wie das universitäre Management.
[26] Pasternack, 2001, S. 63ff
[27] Ibid, 64
[28] Simon, 2004, S. 13
[29] Simon, 2004, S. 50
[30] Davenport, 2001, S. 137
[31] Nickel, 2007, S. 99
[32] Ibid, S. 87
[33] Ibid, S. 55
[34] Wottawa, 2001, S.151ff
- Arbeit zitieren
- Ing. Mag.(FH), MSc Wolfgang Pölz (Autor:in), 2007, Rahmenbedingungen österreichischer Kunstuniversitäten bei der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89903
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