Mit den Begriffen „Schamanismus“ und „Schamane“ werden in der ethnologischen Fachliteratur weltweite religiöse Phänomene bezeichnet, obwohl die diesen Konzepten zugrunde liegenden ethnographischen Daten aus der Beobachtung religiöser Spezialisten und der Glaubens-vorstellungen nord- und zentralasiatischer Gruppierungen gewonnen wurden. In dieser Arbeit werden Ursprung, Begriffsgeschichte und gegenwärtige Verwendungen der Konzepte „Schamanismus“ und „Schamane“ untersucht , um daraufhin anhand Weltanschauung und religiöser Spezialisten zweier mesoamerikanischer Gruppierungen den Sinn dieser Begriffsverwendung in ethnologischer Arbeit besonders über Mesoamerika zu reflektieren. Untersucht man in synchroner Perspektive die Verwendung beider Begriffe in der neueren Fachliteratur, so wird schnell deutlich, das „Schamanismus “ und „Schamane“ einerseits sehr häufig zur Charakterisierung bestimmter Rollen und weltanschaulicher Elemente ethnographisch untersuchter Gesellschaften verwendet, andererseits aber durchaus unterschiedlich verstanden werden. Auch werden die beiden Konzepte nicht immer deckungsgleich verwendet; wie allgemein die Wortendung -ismus in der deutschen Sprache sowohl ideologische Systemen mit deduktiv erarbeiteten Grundprämissen („Leninismus“, „Katholizismus“) wie auch musterhaft auftretende empirische Phänomene („Albinismus“, „Alkoholismus“) kennzeichnet, steht „Schamanismus“ (bzw. „shamanism“) in der ethnologischen und archäologischen Literatur einerseits für die Anwesenheit spezifischer religiöser Spezialisten in der beschriebenen Gesellschaft (Furst 1968, Peters 1981, Dow 1986) und andererseits auch für die Ideologie oder Religion von Gesellschaften, in denen Schamanen existieren (Basilov 1984, Schele et al. 1993). In letzterer Art der Begriffsverwendung wird Schamanismus als weltweit verbreitete Ideologie von Ranggesellschaften und egalitären Gesellschaften betrachtet, in deren geteilter religiöser Vorstellungswelt verschiedene typische Punkte wie
* eine Einteilung des Kosmos in mehrere verbundene Welten (meist in eine Ober- ,
Unter – und Mittelwelt)
* zwei- oder mehrstufige Seelenvorstellungen (etwa aus Körperseele und Traumseele)
* die Existenz eines vielfältigen Pantheons von Geistern oder Göttern, die häufig als
Personifikationen von Bestandteilen der Umwelt oder Naturphänomene betrachtet
werden
sowie manchmal zusätzlich auch
Inhaltsverzeichnis
- Zum Begriff Schamanismus
- Schamanismus im heutigen Mesoamerika
- Weltanschauung
- Schamanen und religiöse Spezialisten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Verwendung der Begriffe „Schamanismus“ und „Schamane“ in der ethnologischen Literatur zur Beschreibung religiöser Phänomene in gegenwärtigen indigenen Gesellschaften Mesoamerikas. Sie hinterfragt die Übertragbarkeit dieser Konzepte, die ursprünglich aus Beobachtungen nord- und zentralasiatischer Gruppen stammen, auf mesoamerikanische Kontexte. Die Analyse konzentriert sich auf die Begriffsgeschichte, die aktuelle Verwendung und eine Reflexion der Sinnhaftigkeit ihrer Anwendung anhand von Weltanschauungen und religiösen Spezialisten in zwei mesoamerikanischen Gesellschaften.
- Begriffsgeschichte von „Schamanismus“ und „Schamane“
- Vergleichende Analyse der Verwendung der Begriffe in der Fachliteratur
- Untersuchung der Konzepte in mesoamerikanischen Gesellschaften
- Reflexion der Übertragbarkeit des Konzepts „Schamanismus“ auf mesoamerikanische religiöse Praktiken
- Diskussion der Kritik an der Verwendung des Schamanismus-Konzepts in der Ethnologie
Zusammenfassung der Kapitel
Zum Begriff Schamanismus: Dieses Kapitel analysiert die synchrone und diachrone Verwendung der Begriffe „Schamanismus“ und „Schamane“ in der ethnologischen Literatur. Es zeigt auf, dass „Schamanismus“ sowohl für die Anwesenheit spezifischer religiöser Spezialisten als auch für die Ideologie oder Religion von Gesellschaften mit Schamanen verwendet wird. Die verschiedenen Definitionen und die Überschneidung mit anderen religionsethnologischen Konzepten wie Animismus und Animatismus werden diskutiert. Das Kapitel beleuchtet kritische Stimmen, die die Anwendung des Begriffs in vielen Gesellschaften aufgrund des oft marginalen Status der Schamanen infrage stellen. Die diachrone Perspektive verfolgt die Entwicklung des Begriffs „Schamane“ von seiner ersten Verwendung im 18. Jahrhundert in Bezug auf tungusische Gruppen bis zu seiner Verbreitung in der heutigen ethnologischen Literatur. Es wird die Frage nach einem möglichen Lehnwort-Ursprung des Begriffs und die Theorie eines durch den Buddhismus beeinflussten Schamanismus bei den Tungusen untersucht, basierend auf den Arbeiten von Shirokogoroff.
Schlüsselwörter
Schamanismus, Schamane, Mesoamerika, Ethnologie, Religionsethnologie, Weltanschauung, religiöse Spezialisten, Begriffsgeschichte, Animismus, Animatismus, Tungusen, Sibirien, Zentralasien, Buddhismus, Kosmologie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Mesoamerikanischer Schamanismus – Eine begriffskritische Untersuchung
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Anwendung der Begriffe „Schamanismus“ und „Schamane“ in der ethnologischen Literatur zur Beschreibung religiöser Phänomene in gegenwärtigen indigenen Gesellschaften Mesoamerikas. Sie hinterfragt kritisch die Übertragbarkeit dieser ursprünglich aus nord- und zentralasiatischen Kontexten stammenden Konzepte auf mesoamerikanische Verhältnisse.
Welche Aspekte werden im Detail behandelt?
Die Analyse umfasst die Begriffsgeschichte von „Schamanismus“ und „Schamane“, einen Vergleich der Verwendung dieser Begriffe in der Fachliteratur, eine Untersuchung der Konzepte in ausgewählten mesoamerikanischen Gesellschaften, eine Reflexion über die Übertragbarkeit des „Schamanismus“-Konzepts auf mesoamerikanische religiöse Praktiken und eine Diskussion der Kritik an der Verwendung des Begriffs in der Ethnologie.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit beinhaltet ein Kapitel zum Begriff „Schamanismus“, das die synchrone und diachrone Verwendung des Begriffs in der ethnologischen Literatur analysiert. Es diskutiert verschiedene Definitionen, Überschneidungen mit Konzepten wie Animismus und Animatismus und kritische Stimmen zur Anwendung des Begriffs. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Schamanismus im heutigen Mesoamerika, inklusive Weltanschauung und religiösen Spezialisten.
Welche Schlüsselbegriffe werden behandelt?
Schlüsselbegriffe sind Schamanismus, Schamane, Mesoamerika, Ethnologie, Religionsethnologie, Weltanschauung, religiöse Spezialisten, Begriffsgeschichte, Animismus, Animatismus, Tungusen, Sibirien, Zentralasien, Buddhismus und Kosmologie.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Verwendung der Begriffe „Schamanismus“ und „Schamane“ in mesoamerikanischen Kontexten kritisch zu hinterfragen und deren Übertragbarkeit aus anderen kulturellen Kontexten zu bewerten. Sie untersucht, inwiefern diese Begriffe angemessen sind, um religiöse Phänomene in mesoamerikanischen Gesellschaften zu beschreiben.
Welche Methodik wird angewendet?
Die Arbeit verwendet eine begriffskritische Methode, indem sie die Begriffsgeschichte analysiert, die Verwendung in der Fachliteratur vergleicht und die Anwendung der Konzepte in mesoamerikanischen Gesellschaften untersucht. Die Übertragbarkeit des Konzepts „Schamanismus“ wird kritisch reflektiert.
Wo liegt der Fokus der Arbeit?
Der Fokus liegt auf der kritischen Auseinandersetzung mit dem Begriff „Schamanismus“ und seiner Anwendung auf mesoamerikanische Kontexte. Es wird untersucht, ob und inwieweit der Begriff geeignet ist, die religiösen Praktiken und Weltanschauungen dieser Gesellschaften zu beschreiben.
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- M.A. Christopher Knapp (Author), 2001, Schamanismus - Zum Begriff Schamane und seiner Gültigkeit für mesoamerikanische religiöse Phänomene, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89784