« Sans une virginité nouvelle de l’esprit, sans une nouvelle prise de conscience, purifiée, de la réalité existentielle, il n’y a pas de théâtre, pas de littérature. »
Eugène Ionesco, der heute als einer der wichtigsten Autoren des absurden Theaters gilt, hat aus Abneigung gegen das Theater begonnen, selbst Theater zu schreiben. Durch die Parodie des Theaters schuf er eine neue Form, Stücke zu schreiben.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Funktion er nach dieser Veränderung am klassischen, durch Aristoteles definierten Theater seinen Figuren zukommen lässt. Die Arbeit beschränkt sich dabei auf die beiden ‚Bonnes‘, die Hausangestellten in den Stücken La Cantatrice chauve und La Leçon, sowie die Ménagère, die Hausfrau, in Rhinocéros. Nach einer näheren Betrachtung von Ionescos Absichten und einer kurzen Einführung in die Stücke wird die Funktion der einzelnen Figuren in ihren Stücken untersucht, um abschließend einen Vergleich zwischen den Figuren und ihren Funktionen zu erstellen. In den Notes et contre-notes, in denen Ionesco rückblickend seine Motivation, absurdes Theater zu schreiben, zu erklären versucht, verneint er die Normen des aristotelischen Theaters, das für sich in Anspruch nimmt, wirklichkeitsgetreu abzubilden, und an denen alle vorangegangenen Theaterautoren gemessen wurden. Aristoteles fordert für ein harmonisches Ganzes eine inhaltliche Koheränz innerhalb der von ihm definierten formalen Einheiten und Normen (Einheit der Zeit, des Ortes und der Handlung) . Ionesco wendet sich vor allem der Mimesis, d. h. der Abbildung der Wirklichkeit auf der Bühne ab. Er meint, dass die Fiktion, die von den Schauspielern als Wahrheit dargestellt werden soll, durch die Darsteller selbst zerstört werde, da sie „nur“ spielen, aber nicht eins werden können mit der darzustellenden Rolle: « C’était [le théâtre] pour moi une sorte de tricherie grossière, cousue de fil blanc, inconcevable ». Ionesco setzt dies in seinen ersten Stücken um, indem er sich an die formalen Richtlinien Aristoteles hält, inhaltlich aber keine oder nur eingeschränkte Kohärenz und Logik konstruiert. Alle Figuren, Gegenstände und Handlungen dienen diesem Zweck. In den zu untersuchenden Stücken wird dies in verschieden starkem Maße deutlich, je nachdem, welches weitere Ziel vom Autor intendiert ist.
Inhaltsverzeichnis:
I Einleitung
II Hauptteil
1 Ionescos Schreiben – Einführung in die Stücke
2. Die Bonne in der « Tragédie du langage » : La Cantatrice Chauve
3 Konflikt mit einer Sprache ohne Sinn: La Leçon
4 Fehlende Individualität in unserer Gesellschaft: die Ménagère in Rhinocéros
5 Abschließender Vergleich der Figuren
III Schluss
IV Literaturverzeichnis:
I Einleitung
« Sans une virginité nouvelle de l’esprit, sans une nouvelle prise de conscience, purifiée, de la réalité existentielle, il n’y a pas de théâtre, pas de littérature. »[1]
Eugène Ionesco, der heute als einer der wichtigsten Autoren des absurden Theaters gilt, hat aus Abneigung gegen das Theater begonnen, selbst Theater zu schreiben. Durch die Parodie des Theaters schuf er eine neue Form, Stücke zu schreiben.
In dieser Arbeit soll untersucht werden, welche Funktion er nach dieser Veränderung am klassischen, durch Aristoteles definierten Theater seinen Figuren zukommen lässt. Die Arbeit beschränkt sich dabei auf die beiden ‚Bonnes‘, die Hausangestellten in den Stücken La Cantatrice chauve und La Leçon, sowie die Ménagère, die Hausfrau, in Rhinocéros. Nach einer näheren Betrachtung von Ionescos Absichten und einer kurzen Einführung in die Stücke wird die Funktion der einzelnen Figuren in ihren Stücken untersucht, um abschließend einen Vergleich zwischen den Figuren und ihren Funktionen zu erstellen.
II Hauptteil
1 Ionescos Schreiben – Einführung in die Stücke
In den Notes et contre-notes, in denen Ionesco rückblickend seine Motivation, absurdes Theater zu schreiben, zu erklären versucht, verneint er die Normen des aristotelischen Theaters, das für sich in Anspruch nimmt, wirklichkeitsgetreu abzubilden, und an denen alle vorangegangenen Theaterautoren gemessen wurden. Aristoteles fordert für ein harmonisches Ganzes eine inhaltliche Koheränz innerhalb der von ihm definierten formalen Einheiten und Normen (Einheit der Zeit, des Ortes und der Handlung)[2]. Ionesco wendet sich vor allem der Mimesis, d. h. der Abbildung der Wirklichkeit auf der Bühne ab. Er meint, dass die Fiktion, die von den Schauspielern als Wahrheit dargestellt werden soll, durch die Darsteller selbst zerstört werde, da sie „nur“ spielen, aber nicht eins werden können mit der darzustellenden Rolle: « C’était [le théâtre] pour moi une sorte de tricherie grossière, cousue de fil blanc, inconcevable ».[3]
Ionesco setzt dies in seinen ersten Stücken um, indem er sich an die formalen Richtlinien Aristoteles hält, inhaltlich aber keine oder nur eingeschränkte Kohärenz und Logik konstruiert. Alle Figuren, Gegenstände und Handlungen dienen diesem Zweck. In den zu untersuchenden Stücken wird dies in verschieden starkem Maße deutlich, je nachdem, welches weitere Ziel vom Autor intendiert ist.
Mit seinem ersten Stück La cantatrice chauve strebte er zunächst an, das klassische Theater zu parodieren; er versuchte die Dialoge und Handlungen stark unnatürlich zu kreieren, so dass die Personen des Stückes als Ganzes wieder natürlich erscheinen. « De cette façon, peut-être, le non-naturel peut apparaître, dans sa violence, naturel, […] ».[4] Die Demonstration der « Tragédie du langage »[5] war eine weitere Motivation für dieses Stück. Der Sprache werden im Laufe des Stückes alle Regeln entzogen, die ihr eigentlich ihren Sinn geben, und es kommt zur absoluten Zerstörung der Sprache. La cantatrice chauve beinhaltet im Vergleich zu den noch kommenden Stücken wenig Gesellschaftskritik, sondern beschränkt sich auf die massive Kritik am klassischen, d.h. aristotelischen Theater.
Mit dem nur ein Jahr später als Auftragsstück geschriebenen Theater La Leçon strebt Ionesco dieselbe oben beschriebene Ablehnung des klassischen Theaters an, es beinhaltet jedoch als zweiten Interpretationsansatz bedeutend mehr Sozialkritik als La Cantatrice Chauve . Die Gier nach Macht, unabhängig von sozialen Schichten oder Grenzen und der Sieg des Stärkeren über den Schwächeren wird in einem zyklisch aufgebauten Stück demonstriert.
In beiden Stücken hat der Autor auf ein Ende verzichtet, indem er die letzten Szenen identisch mit den jeweiligen ersten Szenen macht. Mit dieser kontinuierlichen Wiederholung umgeht der Autor das Entwerfen eines Endes, was wiederum nicht mit Aristoteles‘ Definition von einem harmonischen Ganzen übereinstimmt: „Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat.“.[6] Als weiterer formaler Bruch mit dem klassischen Theater benutzt Ionesco die Bühnenanweisungen weit über ihren ursprünglichen Zweck hinaus. Sie beinhalten teilweise Informationen, die dem Zuschauer nicht zugänglich gemacht werden können, da sie weder vom Ensemble noch vom Bühnenbild umsetzbar sind.
In Les Rhinocéros, das sieben Jahre nach La Leçon veröffentlicht und uraufgeführt wurde, steht die Kritik an der Entindividualisierung der Gesellschaft im Vordergrund. In der Zeit zwischen den beiden Stücken lässt er allmählich davon ab, vehemente Kritik am Theater in seine Stücke einzuflechten. Auch die Absurdität, die v. a. in seinen ersten Stücken durch den fehlenden Sinn in der Sprache ein Merkmal Ionescos‘ waren, lässt nach, die politische und soziokulturelle Botschaft ist ihm nun von größerer Wichtigkeit. Ionesco beschreibt eine Gesellschaft, in der nach und nach alle Menschen ihrem Drang nach Gruppenzugehörigkeit nachgeben, bis nur noch ein einziger Mensch übrig bleibt, der trotz aussichtsloser Situation seine Individualität nicht aufgeben will.
2. Die Bonne in der « Tragédie du langage » : La Cantatrice Chauve
Ionescos Intention, sein erstes Stück La Cantatrice Chauve zu schreiben, war zum einen, die klassischen Normen des aristotelischen Theaters zu parodieren, zum anderen wollte er, indem er die semantischen, syntaktischen und pragmatischen Regeln der Sprache ausser Kraft setzt, dem Publikum die « Tragédie du langage » aufzeigen. Diesem Ziel sind alle Figuren und Gegenstände dieses Stückes untergeordnet, genauso wie die Dialoge, die zwischen den Protagonisten geführt werden. Es besitzt weder Handlung noch Bewegung. Die erste Szene zeigt ein englisches Ehepaar, die Smiths, in einem typisch englischen Wohnzimmer. Die Bühnenanweisung beschreibt das Ambiente des Raumes auf eine Art und Weise, die nur der Leser erfassen kann. Jedem Substantiv folgt das Adjektiv „anglais“, insgesamt sechzehn Mal.[7] Diese einführende Didaskalie stellt die erste Parodie auf das klassische Theater dar, da Bühnenanweisungen eigentlich nur dem Zwecke dienen, die Vorstellungen des Autors zu Verhalten und Reaktion der Darsteller zu beschreiben. Da diese „englische Stimmung“ nur schwer in Szene gesetzt werden kann, verliert die Anweisung ihren ursprünglichen Sinn. Dies kommt ebenfalls in den anderen beiden Stücken vor.
[...]
[1] Ionesco, Eugène: Notes et contre-notes. Paris 1975, S. 14.
[2] S. dazu: Aristoteles: Poetik. Übersetzt und herausgegeben von Manfred Fuhrmann, Stuttgart (1994) 2002.
[3] Ionesco, Eugène: Notes et contre-notes. Paris 1975, S. 3. Im weiteren NCN genannt.
[4] Ders.: NCN.
[5] Ders.: « La Tragédie du langage ». In: ders. NCN. S. 155-160.
[6] Aus: Poetik, S. 25.
[7] In: Ionesco, Eugène: La cantatrice chauve suivi de La leçon. [1954]2003. Im folgenden CC und Leçon genannt.
- Quote paper
- Anja Maier (Author), 2004, Eogène Ionesco: Funktion der Bonnes bzw. der Ménagère in seinen Stücken, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89681
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