Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des weit gefächerten interdisziplinären Feldes der Bionik für die Bereiche Wirtschaft und Umwelt. Damit soll der in der Bionik-Literatur vorherrschende technische bzw. biologische Zugang um den wirtschaftlichen und ökologischen Aspekt erweitert werden.
„Die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Nation hängt wesentlich von ihrem technologischen Entwicklungsstand ab.“ Daher ist es notwendig, rasch auf neue technische Optionen zuzugehen und Innovationen hervorzubringen, um das Wachstum und die Entwicklung einer Volkswirtschaft zu sichern.
Ein Ansatz dazu, der in den letzten Jahren immer größeren Anklang in Wissenschaft und Wirtschaft gefunden hat, ist das „Lernen von der Natur“. Die Natur hat in einem über Millionen von Jahren kontinuierlich betriebenen Evolutionsprozess zahlreiche Probleme in hoher Perfektion gelöst. Sie erreicht ihre Ziele mit einem Minimum an Energie und führt ihre Abfälle meist vollständig wieder in den natürlichen Kreislauf zurück. Genau an diesem Punkt setzt die noch junge Wissenschaftsdisziplin BIONIK an. Die Bionik, eine Wortschöpfung aus den Begriffen „BIOlogie“ und „TechNIK“ befasst sich systematisch mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktionen, Verfahren und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
2 Zur Bedeutung von Innovationen
2.1 Innovation im Zeitablauf
2.2 Entwicklungen im Unternehmensbereich
2.3 Innovationstätigkeit in Österreich
3 Bionik – Umsetzung von Lösungen aus der Natur
3.1 Einführung in die Welt der Bionik
3.2 Entwicklung der Bionik: Bionik gestern – heute – morgen
3.3 Teilgebiete der Bionik
4 Bionik-Aktivitäten im deutschsprachigen Raum und International
4.1 Österreich
4.2 Schweiz
4.3 Deutschland
4.3.1 Bionik-Kompetenznetz BioKon
4.3.1.1 Was ist BioKon?
4.3.1.2 Netzwerkpartner
4.3.1.3 Aktuelle Forschungsprojekte des BioKon
4.3.1.4 Die Zukunft des BioKon
4.3.2 Kompetenznetz Biomimetik
4.3.3 Terra Bionica
4.3.4 Gesellschaft für Technische Biologie und Bionik
4.4 Internationale Bionik-Aktivitäten
4.4.1 Center for Biomimetics, University of Reading
4.4.2 Laboratoire de Neuro Biologie, CNRS, Marseille
4.4.3 Dept. of Integrative Biology, Berkeley
4.4.4 Dept. of Zoology, University of Cambridge
5 Bionik in Wirtschaft und Umwelt
5.1 Erwartungen von einem „Lernen von der Natur“
5.2 Ausgewählte Beispiele für bionische Innovationen
5.2.1 Der Lotus-Effekt
5.2.2 Sparen mit der Haihautfolie
5.2.3 Das Leichtbauprinzip bei BMW
5.2.4 ADIDAS und »Die Wand hochgehen« mit Gecko-Schuhen
6 Resümee
Quellenverzeichnis
Literaturquellen
Internetquellen
Vorwort
Ich bedanke mich bei allen, die mich bei der Erstellung der Arbeit unterstützt haben.
Besonders möchte ich meine Eltern nennen, deren Unterstützung mir meine Ausbildung ermöglicht hat, sowie meinen Freund Bernhard Höfler, der mir verständnisvoll zur Seite steht.
Herrn Ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Stummer möchte ich für die Betreuung und insbesondere für die Vermittlung der Freude am wissenschaftlichen Arbeiten danken (auch im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Innovations- und Technologiemanagement). Ich bedanke mich auch bei Herrn Dipl.-oec. Axel Focke, der mich mit dem Thema Bionik im Rahmen seiner Lehrveranstaltung konfrontierte und mein Interesse dafür weckte.
Nicht zuletzt bin ich zu großem Danke all jenen verpflichtet, von denen ich im Laufe meiner Recherche zu den Bionik-Aktivitäten stets freundliche und kompetente Unterstützung erwarten konnte. Dieser Dank gilt insbesondere Herrn Dr. Reiner Bappert vom Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, Herrn Dr. Reinhard Golebiowski, Abteilungsdirektor des Naturhistorischen Museums in Wien, Frau Univ.-Ass. DI Petra Gruber von der Technischen Universität Wien, Herrn Knut Braun, Generalsekretär der Gesellschaft für Technische Biologie und Bionik in Saarbrücken, und Herrn Thomas Bachofner, Leiter des Bereichs Kommunikation vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie in Bern.
Wien, November 2003 Anna Maria Köck
I Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Innovative Unternehmen in den Jahren 1998 bis 2000
Tabelle 2: Mit Produktinnovationen und Marktneuheiten erzielte Umsätze im Jahr 2000
Abbildung 1: Die fünf langen Konjunkturwellen (Kondratieff-Zyklen)
Abbildung 2: Halbwertszeiten des Wissens
Abbildung 3: Die Bedeutung der Entwicklungszeit
Abbildung 4: Bruttoinlandsausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung in Prozent des BIP
Abbildung 5: Entwicklung der F&E-Ausgaben und der F&E-Quote, 1990-2002
Abbildung 6: Zusammenspiel von Technischer Biologie und Bionik (Strömungsanpassung von Körpern)
Abbildung 7: Zusammenwirken von Technischer Biologie und Bionik (Antirutschbelag)
Abbildung 8: Skizzen Leonardo da Vincis zur Flügelkonstruktion
Abbildung 9: Vom Storch zum Gleitflugapparat
Abbildung 10: Die bisherige (A) und die mögliche zukünftige (B) Stellung von Biologie und Technik
Abbildung 11: Teilgebiete der Bionik
Abbildung 12: Diatomeen-Schale und technisches Analogon
Abbildung 13: Schalenform nach natürlichem Vorbild
Abbildung 14: Die Zentren des BioKon
Abbildung 15: Pneumatischer Muskel der Firma FESTO
Abbildung 16: Der Sandskink (Scincus scinus)
Abbildung 17: Feststellung des Gleitreibungswinkels der Oberflächenstruktur des Sandfisches
Abbildung 18: Byssusfäden an der Miesmuschel
Abbildung 19: Die Lotusblume (Nelumbo nucifera)
Abbildung 20: Eine auf Selbstreinigung optimierte doppelt strukturierte biologische Oberfläche
Abbildung 21: Flüssigkeitstropfen auf einer superhydrophoben Oberfläche
Abbildung 22: Modell der Haifischhaut
Abbildung 23: Vom konventionellen zum optimierten Modell
Abbildung 24: Ein an der Unterseite einer Glasscheibe haftender Gecko
Abbildung 25: Setae und ihre spatelähnlichen Fadenendungen an den Füßen eines Geckos
II Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Ein führung
„Die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Nation hängt wesentlich von ihrem technologischen Entwicklungsstand ab.“[1] Daher ist es notwendig, rasch auf neue technische Optionen zuzugehen und Innovationen hervorzubringen, um das Wachstum und die Entwicklung einer Volkswirtschaft zu sichern.[2]
Ein Ansatz dazu, der in den letzten Jahren immer größeren Anklang in Wissenschaft und Wirtschaft gefunden hat, ist das „Lernen von der Natur“. Die Natur hat in einem über Millionen von Jahren kontinuierlich betriebenen Evolutionsprozess zahlreiche Probleme in hoher Perfektion gelöst. Sie erreicht ihre Ziele mit einem Minimum an Energie und führt ihre Abfälle meist vollständig wieder in den natürlichen Kreislauf zurück. Genau an diesem Punkt setzt die noch junge Wissenschaftsdisziplin[3] BIONIK an. Die Bionik, eine Wortschöpfung aus den Begriffen „BIOlogie“ und „TechNIK“ befasst sich systematisch mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktionen, Verfahren und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme. Charakteristisch für die Bionik ist eine interdisziplinäre Vorgehensweise – eine Zusammenarbeit zwischen Biologen und Technikern – bei der Lösung anwendungsorientierter Fragestellungen, die sich keinesfalls auf eine Kopie biologischer Vorbilder beschränkt. Erforderlich ist vielmehr die Kreativität des Ingenieurs oder Naturwissenschaftlers, um aufgrund der Analyse biologischer Systeme zu Anregungen für eigenständige Neu- oder Weiterentwicklungen zu gelangen.
Im Zusammenhang mit der Nutzung der in der Natur bewährten Techniken steht auch deren ökologische Verträglichkeit: Technik und Wirtschaft sowie der Umgang mit Produkten laufen oftmals nach Prinzipien ab, die bereits vom Ansatz her Umwelt belastend sind.[4] Vor allem in ersterem Bereich ist die Verantwortung für die durch die Entwicklung immer naturfernerer und wirkmächtigerer Technologien entstandene ökologische Krise zu suchen. Durch den technischen Fortschritt wurde es möglich, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und die Umgestaltung der Erdoberfläche immer effektiver durchzuführen.[5] Technischer Fortschritt ist jedoch wichtig und notwendig – der Schlüssel liegt aber nicht in einem „Arbeiten gegen die Natur“. Die Entwicklung Umwelt schonender Technologien ist gefordert. Ob bzw. inwieweit die Bionik eine ökologischere Lösung bietet, sei jedoch in Frage gestellt.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des weit gefächerten interdisziplinären Feldes der Bionik für die Bereiche Wirtschaft und Umwelt. Damit soll der in der Bionik-Literatur vorherrschende technische bzw. biologische Zugang um den wirtschaftlichen und ökologischen Aspekt erweitert werden.
Zunächst wird die Wichtigkeit von Innovationen generell dargelegt, um ein Verständnis für die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Neuerungsprozesses zur Sicherung des Wohlstands und der Weiterentwicklung einer Gesellschaft zu schaffen. An die folgende Einführung in die Wissenschaftsdisziplin Bionik, die auch die zeitliche Entwicklung und eine Untergliederung in die verschiedenen Teilgebiete beinhaltet, schließt der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit: Die Untersuchung der Bionik-Aktivitäten im deutschsprachigen Raum und international sowie, damit zusammenhängend, das Ausmaß der Präsenz der Wissenschaftsdisziplin Bionik in Wirtschaft und Umwelt. Letztgenannter Bereich beinhaltet eine Darstellung über die in ein „Lernen von der Natur“ gesetzten Erwartungen. Dabei wird einerseits auf die Argumente für die Bionik im Hinblick auf die im Laufe der Evolution perfektionierten Vorgänge der Natur eingegangen; andererseits wird diskutiert, ob eine auf dem Lernen von der Natur basierende Technik auch umweltverträglicher ist. Anschließend werden, um der Themenbeleuchtung von der wirtschaftlichen Seite genüge zu tun, ausgewählte Beispiele für bionische Innovationen mit deren positiven und möglicherweise auch negativen Auswirkungen angeführt. Darunter findet sich u. a. das von BMW entwickelte Leichtbauprinzip sowie eine Darstellung eines derzeit laufenden Forschungsprojektes zur Haftfähigkeit der Füße des „Geckos“, einer kleinen tropischen Echse, die die Fähigkeit besitzt, beispielsweise an der Unterseite einer Glasscheibe problemlos Halt zu finden. Ein Resümee in Kapitel 6 beschließt die Arbeit.
2 Zur Bedeutung von Innovationen
„Ohne Wandel kein Wachstum – wer abbaut, verliert“[6]
Diese provokante Aussage aus dem Titel des Buches „Der Innovationskreis“ von Tom Peters, einem bekannten amerikanischen Autor, Seminarleiter und Forschungsreisenden, soll verdeutlichen, dass Veränderungen im Sinne von „Erneuerung“ eine wesentliche Antriebskraft für gesellschaftliche und wirtschaftliche Fortentwicklung darstellen. Der Begriff „Erneuerung“, der sich aus dem lateinischen „innovatio“ ableitet und heute als „Innovation“ zum Modewort geworden ist, betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, vor allem jedoch Unternehmen.
Aufgrund dessen werden in diesem Kapitel einerseits unterschiedliche ökonomische Theorien dargestellt und andererseits wird auf ausgewählte Beispiele zu Veränderungen im Zusammenhang mit Innovationen im Unternehmensbereich eingegangen. Im Anschluss daran folgt ein Überblick zur Innovationstätigkeit in Österreich, der sich vorwiegend auf ausgewählte Ergebnisse der „3. Europäischen Innovationserhebung“ sowie des Österreichischen Forschungs- und Technologieberichtes 2002 bezieht.
2.1 Innovation im Zeitablauf
Innovationstheorie nach Schumpeter
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts definierte der österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter Innovationen als „Durchsetzung neuer Kombinationen“ mit denen Unternehmen aus Gewinnstreben die „ausgefahrenen Bahnen der statischen Wirtschaft verlassen“[7]. Die wirtschaftliche Entwicklung wird jedoch nach Ansicht Schumpeters erst durch die „schöpferische Zerstörungskraft“ der Innovationstätigkeit vorangetrieben. In seinem Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“, das erstmals 1912 erschien, unterscheidet Schumpeter zwei Personengruppen, auf die er das Grundphänomen der ökonomischen Weiterentwicklung von Unternehmen und Volkswirtschaften zurückführt[8]: Dynamische Unternehmer und Financiers.
Aufgrund seiner Risikobereitschaft, seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Weitblick gelingt es dem „dynamischen Unternehmer“ als Erstem, neue Erfindungen wirtschaftlich zu nutzen. Erzielen diese Erfindungen einen erheblichen Vorteil gegenüber der bestehenden Situation, beginnt der Prozess der schöpferischen Zerstörung, der für die gesamte Volkswirtschaft relevant ist: Die bis dato etablierten Produkte und Verfahren werden von der erfolgreichen Neuerung im Zeitablauf abgelöst. Wenn der dynamische Unternehmer durch seine Neuerung einen Wettbewerbsvorsprung vor den Konkurrenten erreicht und damit eine monopolähnliche Stellung einnehmen kann, profitiert er von Pioniergewinnen, die die so genannte „Monopolrente“ darstellen. Eine Monopolstellung eines Wettbewerbers stellt jedoch einen für die Wettbewerbssituation unbefriedigenden Zustand dar. Dieser Nachteil wird aber dadurch (mehr als) ausgeglichen, dass die gesamte Volkswirtschaft durch die Neuerung des dynamischen Unternehmers von einer höheren Produktivität und, zusammenhängend damit, von einem höheren Wohlfahrtsniveau profitiert. Durch die Imitation der Neuerung im Zeitablauf kommt es zu einem Anpassungsprozess, der in einem wirtschaftlichen Gleichgewicht, jedoch auf höherem Niveau, resultiert. Dieses Gleichgewicht wird erst durch weitere erfolgreiche Innovationen gestört.
Die „dynamischen Financiers“ stellen den zweiten Faktor im Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung dar. Da ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten (nach Schumpeter in der Regel Bankkredite) erst die Durchsetzung von Innovationen ermöglichen, kommt den Kapitalgebern (Bankiers) durch die Investition in mehr oder weniger riskante Neuerungen eine besondere Bedeutung im Innovationsprozess zu.
Neben Schumpeter vertrat auch der deutsche Volkswirt Helmut Arndt die Auffassung, dass die ständige Konkurrenz innovativ-bahnbrechender Pionierunternehmen und imitierender Nachfolger die einzig sinnvolle Form des ökonomischen Wettbewerbs darstellt und unterstrich den elementaren gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Charakter von Innovationen und von Unternehmen, die Innovationen durchführen.[9]
Die Werke Schumpeters und Arndts stellen erste Meilensteine der modernen Innovationsforschung dar, weil sie zeigen, dass der technologische Fortschritt die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen, Regionen und/oder ganze Nationen positiv beeinflusst.
Die Wachstums- und Konjunkturtheorie
Eine makroökonomische Theorie, die die Bedeutung von Innovationstätigkeit für wirtschaftliches Wachstum unterstreicht, ist die „Wachstums- und Konjunkturtheorie“. Diese Theorie stellt die stark positive Korrelation zwischen der Existenz und der Intensität der Innovationstätigkeit einerseits und dem Ausmaß des gesamtwirtschaftlichen Wachstums andererseits dar. Für Produkt- und Prozessinnovationen konnten jedoch unterschiedliche Folgewirkungen[10] identifiziert werden:
Produktinnovationen sind neu entwickelte materielle oder immaterielle Wirtschaftsgüter, die auf die bedarfsgerechte Erneuerung und Verbesserung der Erzeugnisse oder Dienstleistungen von Unternehmen abzielen[11]. Deren positive Auswirkung in volkswirtschaftlicher Hinsicht besteht in der Befriedigung konkreter Kundenbedürfnisse sowie der verbesserten Erlössituation und Marktposition der Anbieter (hervorgerufen durch die abgesetzte Menge und/oder die erzielten Absatzpreise). Prozess- oder Verfahrensinnovationen hingegen zeigen ihre Wirkung auf der Angebotsseite, da ein effizienterer Leistungserstellungsprozess eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität zur Folge hat und somit das volkswirtschaftliche (Real-) Einkommen gesteigert werden kann.[12]
Die Kondratieff-Zyklen
Ein weiterer Faktor von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung sind die Sachinvestitionen, die die Innovationstätigkeiten von Unternehmen mit sich bringen: Die Errichtung von F&E-Abteilungen, der Kauf neuer Maschinen oder die Rekrutierung von zusätzlichem Personal. Dieses Investitionsverhalten wirkt sich sowohl bei Lieferanten und Dienstleistern auf der Beschaffungsseite als auch beim Handel (Absatzseite) positiv aus. Um die volkswirtschaftliche Bedeutung zu untermauern, werden im Folgenden die so genannten „Kondratieff-Zyklen“ dargestellt, die lange Konjunkturwellen darstellen und im Jahre 1926 vom russischen Wissenschaftler Nikolai D. Kondratieff theoretisch analysiert wurden.
Abbildung 1: Die fünf langen Konjunkturwellen (Kondratieff-Zyklen)
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vahs, Burmester (2002), S. 6, und Nefiodow (1999), S. 3
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, können für den Zeitraum der letzten zwei Jahrhunderte fünf klassische lange Konjunkturwellen nachgewiesen werden. Diese sind auf epochale (technische) Basisinnovationen zurückzuführen, die jeweils eine Aufschwungphase von 50 bis 60 Jahren (auch durch weitere Zusatzinnovationen bedingt) zur Folge haben bzw. hatten und zu einer Erhöhung des Volkseinkommens beitragen bzw. beigetragen haben.
Die Erfindung der Dampfmaschine durch den Engländer James Watt im Jahre 1769 etwa kann als eine grundlegende Voraussetzung für den Übergang von der handwerklichen zur industriellen Produktion bezeichnet werden, da durch die Möglichkeit der ortsungebundenen Energieerzeugung Industriebetriebe mit Serien- und Massenproduktion entstanden. Die zweite Kondratieff-Welle steht für die Entwicklung der Stahlindustrie und die Etablierung des Eisenbahnverkehrs. Die gestiegene Mobilität und die vermehrte Herstellung von Investitionsgütern durch die Schwerindustrie brachten grundlegende Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum mit sich. Ab 1880 führte der vermehrte Einsatz von Elektrizität, vor allem in Chemie- und Automobilsektor, zu weitreichenden Innovationen (Farbenherstellung, Verbrennungsmotor), die eine rasant gestiegene Nachfrage zur Folge hatten. Durch Innovationen im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik sowie in der Fernsehtechnik wurde die Möglichkeit geschaffen, große Entfernungen schnell und vergleichsweise kostengünstig zu überwinden, was auch große Bedeutung für die zunehmende Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten hatte. Die (vorerst) letzte epochale Innovation ist die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die neue Wirtschaftszweige, Beschaffungs- und Fertigungsmethoden entstehen ließ, Auswirkungen auf die Bereiche Arbeits-, Freizeit- und Konsumwelt hat und vor allem in der westlichen Welt zum Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft beiträgt.[13]
Einer der wichtigsten Vertreter der Theorie der langen Wellen ist Leo A. Nefiodow, der die Ansicht vertritt, dass die durch die IKT ausgelöste Aufschwungphase schon in den 1990ern, bedingt durch zunehmende Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung, stark schwankende Währungen, unzureichende Investitionen trotz stabiler Preise und niedrige Zinsen, zu Ende gegangen ist. Nefiodow empfiehlt daher, sich auf den sechsten Kondratieff-Zyklus zu konzentrieren, für den das Gebiet der Life-Sciences (Umwelt- und Biotechnologie), die optischen Technologien (inklusive Solartechnik) und der Gesundheitsbereich in Frage kämen.[14]
Sicherung der wirtschaftlichen Stellung
Vor allem auf Grund der Globalisierung (die als „increasing economic integration of final products, intermediate goods, services and financial markets across countries“[15] definiert werden kann) und den sich damit weiter verschärfenden Kostenwettbewerb besteht die Gefahr der Verlagerung der Produktionsfaktoren in andere (kostengünstigere) Märkte. Um die internationale wirtschaftliche Stellung und das Wirtschaftswachstum nachhaltig zu sichern bzw. zu verbessern besteht für die einzelnen Volkswirtschaften die Notwendigkeit, einerseits durch erfolgreiche Innovationen Wettbewerbsvorteile zu lukrieren und andererseits fortschrittliche Technologien zu beherrschen.[16]
2.2 Entwicklungen im Unternehmensbereich
Die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens hängt wesentlich von dessen Innovationstätigkeit ab, andernfalls wird es sich langfristig gesehen nicht gegen die Konkurrenten durchsetzen können. Die Globalisierung spielt eine entscheidende Rolle, da, wie erwähnt, Entfernungen durch die IKT und verbesserte Transportmöglichkeiten an Bedeutung verlieren. Nachfolgend sollen wichtige Aspekte und Entwicklungen im Zeitablauf im Unternehmensbereich bzw. in ganzen Branchen dargestellt werden.
Innovationskultur
Ein Unternehmen, dessen erfolgreiche Entwicklung nicht zuletzt durch seine Innovationstätigkeit begründet ist, ist der 3M Konzern. Das folgende Beispiel soll die Wichtigkeit des F&E-Bereichs unterstreichen.
3M ist ein Unternehmen, das weltweit über 60.000 verschiedene Produkte verfügt und jährliche Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen („R&D related expenditures“) von durchschnittlich rund einer Milliarde US-$ verbucht. Durchschnittlich 30 % des Jahresumsatzes erzielt 3M mit Produkten, die innerhalb der letzten vier Jahre entwickelt wurden. Nahezu jeder elfte der 70.000 Mitarbeiter ist im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Notwendige Freiräume für schöpferisches Denken werden durch ein Anreizmodell geschaffen, das den Wissenschaftlern ermöglicht, 15 % ihrer Arbeitszeit Projekten eigener Wahl (ausgestattet mit finanziellen Mitteln) widmen zu können. Der hohe Forschungsanteil und die Schaffung einer „Innovationskultur“ machen sich insofern bezahlt, als durchschnittlich jeden Tag ein neues Produkt auf dem Markt vorgestellt werden kann.[17]
Produktlebens- und Innovationszyklen
Wir leben in einem „Zeitalter der Diskontinuitäten“. So formulierte der amerikanische Managementwissenschaftler Peter F. Drucker[18] schon Ende der 60er Jahre die Tatsache, dass Produkte und Technologien sich immer schneller und häufiger ändern. Durch die Verkürzung der Produktlebenszyklen wie auch der Innovationszyklen sind Unternehmen nicht nur gezwungen Innovationen hervorzubringen, sondern dies auch in immer kürzer werdenden Abständen zu realisieren. Daher ist das Kriterium „time-to-market“ aufgrund der Wettbewerbsdynamik in vielen Branchen von großer Bedeutung. Zahn merkt dazu an, dass nicht allein die Schnelligkeit wettbewerbsentscheidend ist, sondern auch, wie sorgfältig neue technologische Problemlösungen am Markt eingeführt werden.[19] Zeidler sieht im Zusammenhang mit den immer kürzeren Produktzyklen vor allem die Beschleunigung der F&E-Leistungen, also die Verbesserung der Durchlaufzeit einer Produktentwicklung, als besonders wichtig an.[20] Die folgenden Beispiele zeigen die Entwicklung der Produktlebenszyklen im Zeitablauf:
Zwischen den 1960er und 1990er Jahren haben sich in der Pharmaindustrie die Produktlebenszyklen von 24 auf acht Jahre verkürzt. (Dies entspricht einer Verkürzung um zwei Drittel.) Im Nahrungsmittelbereich erfolgte eine Verringerung von 20 auf fünf Jahre (ein Minus von 75 %).[21]
Weiters lässt sich der Innovationsdruck am Beispiel Sony verdeutlichen: 1979 führt Sony als erster Anbieter den Walkman ein. Seitdem hat das Unternehmen ca. 370 neue Modelle oder Modellvariationen des Walkmans auf den Markt gebracht und insgesamt etwa 140 Millionen Stück verkauft. Die Lebenszyklen der einzelnen Modelle betrugen in der Regel nicht mehr als sechs Monate.[22]
Wissensmanagement und Zeitwettbewerb
Die Basis für die erfolgreiche Innovationstätigkeit eines Unternehmens bilden das Wissen, das für die Wertschöpfungsprozesse einer Organisation relevant ist und das Wissensmanagement.[23] Unter Wissensmanagement versteht man die „gezielte Koordination des Produktionsfaktors ‚Wissen’ und das Management von Rahmenbedingungen, welche die Vernetzung von individuell vorhandenem Wissen zu organisationalem Wissen unterstützten“[24]. Dem Wissensmanagement kommt auch deshalb eine große Bedeutung zu, weil allgemein festzustellen ist, dass die so genannte „Halbwertszeit des Wissens“, das ist der Zeitraum, in dem die einmal erlernten Kenntnisse gültig und anwendbar sind, im Allgemeinen abnimmt.[25] Im EDV- und im technologischen Bereich unterliegt das Wissen bedingt durch die immer schneller verlaufende Entwicklung vergleichsweise kurzen Halbwertszeiten. Demgegenüber bleibt das in der Schule erworbene Wissen über einen relativ langen Zeitraum auf einem hohen Niveau erhalten und fällt linear. Die folgende Abbildung zeigt die Halbwertszeiten der verschiedenen Bereiche.
Abbildung 2: Halbwertszeiten des Wissens
Quelle: Vahs, Burmester (2002), S. 10
Die permanente Aktualisierung des für die Organisation nutzbaren Wissens stellt daher einen wichtigen Faktor für die Innovationstätigkeit eines Unternehmens dar. Unternehmen befinden sich jedoch nicht nur in einem Wissenswettbewerb, sondern auch in einem Zeitwettbewerb. Vor allem die Entwicklungszeit wurde von Sommerlatte als die Einflussgröße auf den Ertrag eines Unternehmens identifiziert. So hat eine Erhöhung der Entwicklungszeit um 10 % Ertragseinbußen von 25 bis 30 % zur Folge. Produktionskostensteigerungen von 10 % resultieren in einer Ertragseinbuße von 15 bis 20 %. Entwicklungskosten bewirken, wenn sie um
50 % vom Sollwert abweichen, „lediglich“ eine Ertragseinbuße von 5 bis 10 %.[26] Grafisch lässt sich dies wie folgt darstellen:
Abbildung 3: Die Bedeutung der Entwicklungszeit
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sommerlatte (1991), S. 13
Kurze Innovationszeiten haben demnach eine wesentliche Auswirkung auf Fortbestand und Wachstum eines Unternehmens, denn die Höhe der Erträge aus einer erfolgreichen Innovation wirkt sich direkt auf die Höhe der Finanzmittel aus, die für Folgeinvestitionen in F&E verwendet werden. Zur Untermauerung dieser These bietet sich Novartis an:
Novartis ist ein Schweizer Unternehmen und eines der weltweit Führenden in der Gesundheitsindustrie. Vor allem in dieser innovativen Branche spielen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung eine wichtige Rolle. Mit 360 Niederlassungen in 140 Ländern und 71.116 Beschäftigten verzeichnete Novartis im Jahr 2001 F&E-Ausgaben in Höhe von rund vier Milliarden CHF, das entspricht 13,1 % des Umsatzes. Gegenüber dem Jahr 2000, in dem sich der F&E-Aufwand auf 13,8 % des Umsatzes belief, konnte Novartis seinen Umsatz um fast drei Milliarden CHF steigern.[27]
2.3 Innovationstätigkeit in Österreich
Nach der näheren Betrachtung einzelner Unternehmen im Hinblick auf Innovationen folgt hier die Darstellung der gesamtösterreichischen Situation. Dazu wurden Daten aus der so genannten „3. Europäischen Innovationserhebung“ (CIS3 = Community Innovation Survey 3) der Statistik Austria, die für den Referenzzeitraum 1998 bis 2000 durchgeführt wurde, herangezogen. Darüber hinaus enthielt der Österreichische Forschungs- und Technologiebericht 2002 wichtige Ergebnisse zur Innovationstätigkeit in Österreich, die ebenfalls dargestellt und erläutert werden.
Innovative Unternehmen
Welche Rolle Innovationen in österreichischen Unternehmen spielen, ist in den beiden folgenden Tabellen dargestellt. Die Daten dafür stammen aus der Erhebung der Statistik Austria. Tabelle 1 stellt die Innovationstätigkeit österreichischer Unternehmen dar. Die Differenzierung erfolgte nach Wirtschaftszweig bzw. Beschäftigungsgrößenklasse und es wurde der Anteil an Unternehmen mit Innovationsaktivitäten ermittelt. Innerhalb dieser Unternehmen wurde zwischen „Unternehmen mit Produktinnovationen“ und „Unternehmen mit Prozessinnovationen“ unterschieden.
Tabelle 1: Innovative Unternehmen in den Jahren 1998 bis 2000
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2002), S. 148
Zu dieser Tabelle ist anzumerken, dass nur Unternehmen mit mehr als neun Beschäftigten in die Berechungen einbezogen wurden. In der Kategorie „Unternehmen mit Innovationsaktivität“ sind solche mit Produkt- und/oder Prozessinnovationen und/oder laufenden, noch nicht abgeschlossenen und/oder abgebrochenen Innovationsaktivitäten verzeichnet.
Auffallend bei Betrachtung der Innovationstätigkeit nach Beschäftigungsgrößenklassen ist, dass Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten mit 89,2 % den höchsten Anteil an Innovationsaktivität verzeichnen, von den Unternehmen mit zehn bis 49 Beschäftigten bringen lediglich 41,6 % Innovationen hervor. Das lässt auf eine positive Korrelation zwischen der Größe des Unternehmens und dem Umfang seiner Innovationsaktivitäten schließen. Ein Grund dafür könnte die Tatsache sein, dass große Unternehmen in breiteren Aktionsfeldern tätig sind und damit die Chancen, dass einige der neuen Produktideen auch tatsächlich ein Markterfolg werden, steigen (vgl. Tabelle 2). Darüber hinaus haben große Unternehmen bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Form von Kooperationen als kleinere und mittlere Unternehmen.
Auch die Verfügbarkeit von Ressourcen, die regelmäßig mit der Betriebsgröße zunimmt und die umfangreicheren Erfahrungen, die große Unternehmen nicht zuletzt aufgrund ihrer meist längeren Tätigkeit in der jeweiligen Branche besitzen, tragen positiv zum Innovationserfolg bei. Demgegenüber sind mit der zunehmenden Unternehmensgröße auch Nachteile verbunden: So kann sich beispielsweise durch zunehmende Bürokratisierung (formalistische Richtlinien, starre Entscheidungshierarchien) die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit signifikant verschlechtern. So genannte „Diseconomies-of-scale“ im Management- und Organisationsbereich sind die Folge.[28] Wie sich diese Argumente letztendlich auswirken, entscheidet sich im Einzelfall.
Verdeutlicht werden die Vorteile der zunehmenden Unternehmensgröße auch mit Tabelle 2, die die Umsätze, die im Jahr 2000 mit Produktinnovationen und Marktneuheiten erzielt wurden, darstellt. Bei der Gliederung nach Beschäftigten lässt sich wiederum erkennen, dass gerade bei den großen Unternehmen der Umsatzanteil, der mit Produktinnovationen (17,2 %) bzw. mit Produktinnovationen, die Marktneuheiten sind (6,6 %), erzielt wurde, im Vergleich zu den anderen Beschäftigtenklassen am höchsten ist. Die Gliederung nach Wirtschaftszweigen zeigt, dass in der Sachgütererzeugung über 50 % der Unternehmen Innovationsaktivitäten setzen, wobei 36,9 % aller Unternehmen dieser Branche Produktinnovationen und 26,5 % Prozessinnovationen durchführen. Den geringsten Anteil an Innovationsaktivitäten weist laut Tabelle 1 mit 32,8 % der Sektor Bergbau auf, in dem ausschließlich Produktinnovationen anfallen.
Tabelle 2: Mit Produktinnovationen und Marktneuheiten erzielte Umsätze im Jahr 2000
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2002), S. 148
Langfristige Auswirkungen von Innovationen
Dass Innovationen langfristig gesehen von großer Bedeutung für den Umsatz eines Unternehmens sind, soll anhand der Bayer AG, einem internationalen Pharmakonzern, der auch in Österreich vertreten ist, erläutert werden:
Für die Bayer AG nimmt Forschung & Entwicklung einen wichtigen Stellenwert ein:
„Forschung bedeutet Zukunft - besser gesagt: Zukunftsvorsorge. Die Arbeit der Wissenschaftler von heute bildet die Basis für die Unternehmenserfolge von morgen.“[29]
Diese Erkenntnis hat bei Bayer Tradition - schon seit mehr als hundert Jahren forscht das Unternehmen systematisch, sodass heute etwa 10.000 Produkte erfolgreich vermarktet werden. Um für die Herausforderungen der Zukunft noch besser gerüstet zu sein, hat Bayer im Jahr 1995 neben den Pharma-Forschungszentren in Europa (Wuppertal) und Nordamerika (West Haven/USA) in Japan ein drittes Standbein geschaffen. Ergänzt wird die so genannte „Pharma-Forschungstriade“ durch zahlreiche Kooperationen mit innovativen Unternehmen aus dem Bereich der Biotechnologie. Absatz, Umsatz und Ergebnis waren und sind bei Bayer untrennbar verknüpft mit den Leistungen und Erfolgen der Forscher. Im Jahr 1998 wurde in einer von der Bayer AG herausgegebenen Publikation dargelegt, dass gut 50 % des Umsatzes und annähernd 60 % des Gewinnes mit Produkten erzielt wird, die in den letzten 15 Jahren entwickelt wurden.[30] Deshalb setzt Bayer auch weiterhin konsequent auf Forschung, um die Zukunft aktiv mitzugestalten.
Seit dem 1. Juli 2002 arbeitet der Bayer-Konzern in einer neuen Struktur: Diese eröffnet auch den Forschern neue Chancen. Sie sind künftig alle direkt in einen der vier selbstständigen Teilkonzerne oder in die konzernweit als Technologieplattform fungierende „Bayer Technology Services“ integriert. Durch einen engeren Kontakt mit dem Marketing und der Anwendungstechnik soll ermöglicht werden, noch marktnäher und damit noch kundenorientierter als bisher – mit kürzeren Entscheidungswegen, höherer Flexibilität und fokussiert auf ihre Kernkompetenzen zu arbeiten. Eigens gegründete "Community Councils" für die Bereiche Innovation und Technologie stellen den Wissenstransfer zwischen den Forschungs- und Entwicklungsbereichen sicher, identifizieren Synergien und diskutieren zukunftsweisende Themenfelder außerhalb der Teilkonzerne, die eines Tages neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen können.[31]
Österreich im internationalen Vergleich
Nach der mikroökonomischen Betrachtungsweise im Hinblick auf die Bedeutung der Forschung und Entwicklung und in weiterer Folge der daraus resultierenden Innovationen soll nachstehend die Entwicklung der österreichischen F&E-Ausgaben im Vergleich zum EU- und OECD-Raum dargestellt werden. Der Beobachtungszeitraum sind die Jahre 1975 bis 2003. (siehe Abbildung 4). Anzumerken ist, dass für den EU- und OECD-Raum erst ab dem Jahr 1981 Daten verfügbar sind und die derzeit aktuellsten Zahlen für EU und OECD aus dem Jahr 2000 sind.
Die Werte für 2001 bis 2003 sind demnach nur für Österreich verfügbar. Die Daten für 2002 und 2003 beruhen auf einer Prognose des Wirtschaftsforschungsinstituts vom März 2003.
Abbildung 4: Bruttoinlandsausgaben für Forschung und experimentelle Entwicklung in Prozent des BIP
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2002), S. 515 und Statistik Austria, http://www.statistik.at/fachbereich_forschung/tab1.shtml, Zugriff am 06.08.2003
In obiger Abbildung eindeutig erkennbar ist der Aufwärtstrend, der sich seit 1975 im österreichischen Forschung- und Entwicklungsbereich abzeichnet. Mit einer F&E-Quote in Höhe von 0,95 % des BIP im Jahr 1975 und 1,13 % im Jahr 1981 lag Österreich noch deutlich unter den Durchschnittswerten der EU (1,7 %) und der OECD (1,97 %). Im Jahr 1999 lag Österreich mit einer Quote von 1,86 % mit der EU auf demselben Niveau. Deutlich höher war jedoch der OECD-Vergleichswert mit 2,21 %. Dieser ist auf die Ausgabenniveaus der USA (2,64 %) und Japans (3,04 %) zurückzuführen. Allerdings sind solche Vergleiche nur für Staaten mit ähnlichem Einkommensniveau aussagekräftig, denn im Allgemeinen weisen Volkswirtschaften mit höherem Pro-Kopf-Einkommen höhere F&E-Quoten auf.
Mit einer F&E-Quote von 1,91 % im Jahr 2001 liegt Österreich bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung im EU-Durchschnitt. Österreichs Forschung befindet sich auch weiterhin im Aufholprozess: Die gesamtwirtschaftlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden im Jahr 2002 nach neuesten Schätzungen 4.217,27 Mio. Euro erreichen, was einer Forschungsquote von 1,95 % entspricht.[32]
Obwohl die Forschungsquote für Österreich seit dem Jahr 1981 kontinuierlich gestiegen ist, bleibt sie jedoch deutlich hinter den nationalen Erwartungen bzw. politischen Zielsetzungen. Demnach wären die Zielwerte 2,0 % für das Jahr 2003 und in weiterer Folge 2,5 % für das Jahr 2006. Für das Jahr 2003 rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut mit einem Wert von lediglich 1,96% des BIP.[33] In dieser Schätzung ist bereits ein Zuschuss von rund 167 Millionen Euro berücksichtigt, der aus dem mit insgesamt 508,7 Millionen Euro dotierten „Offensivprogramm F&E“ kommt. Diese Mittel wurden vom Bund im Jahr 2001 bereitgestellt und sollen in den Jahren 2001 bis 2004 verwendet werden.[34]
Österreich befindet sich mit seiner F&E-Quote zwar im Mittelfeld der europäischen Staaten, schneidet aber im Vergleich mit Ländern wie Belgien, den Niederlanden oder Irland, die ein ähnliches Einkommensniveau aufweisen, unterdurchschnittlich ab. Aufgrund der Wirtschaftskraft könnte für Österreich eine Forschungsquote von etwa 2,1 % erwartet werden. Doch auch wenn dieser Wert erreicht wird, läge Österreich noch nicht im Spitzenfeld.
Staaten wie Finnland, Schweden, Deutschland oder Frankreich geben im Verhältnis zu ihrem Einkommensniveau wesentlich mehr für Forschung und Entwicklung aus als Österreich. Aus diesem Umstand darf jedoch nicht auf eine allgemein niedrigere technologische Leistungsfähigkeit der österreichischen Industrie geschlossen werden. Ein wichtiger Grund für dieses Ergebnis sei, laut dem Österreichischen Forschungs- und Technologiebericht 2002, auch die Struktur der heimischen Wirtschaft.[35] Positiv beurteilt der Bericht die Tendenz der österreichischen Forschungsaktivitäten. Trotz des bestehenden Rückstandes hat Österreich seinen Abstand in den 90er Jahren merklich verringern können. So haben sich Österreichs F&E-Ausgaben seit 1990 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4,7 % wesentlich dynamischer entwickelt als der OECD-Schnitt (2,7 %), gegenüber dem EU-Durchschnitt von 1,6 % sind sie sogar mehr als doppelt so schnell gewachsen (vgl. Abbildung 4). Dies führte dazu, dass Länder wie Italien, Kanada oder Australien, die 1990 noch höhere F&E-Quoten aufwiesen, inzwischen überholt werden konnten.
Zusammensetzung der österreichischen F&E-Quote
Treibende Kraft der Entwicklung in den letzten Jahren ist, wie Abbildung 5 zeigt, der öffentliche Sektor, während die Forschungsaufwendungen der Unternehmen im Vergleich dazu deutlich langsamer steigen.
Die Ausgaben des Bundes für in Österreich durchgeführte Forschung und Entwicklung betragen im Jahr 2002 rund 1.457 Millionen Euro und liegen damit um 7,3 % über dem Vorjahresniveau. Der Effekt, dass durch gestiegene öffentliche Ausgaben eine Stimulierung der F&E-Ausgaben in der Privatwirtschaft stattfindet, sei somit noch nicht zu erkennen.
Abbildung 5: Entwicklung der F&E-Ausgaben und der F&E-Quote, 1990-2002
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BMBWK, BMVIT (2002), S. 4
Der relativ geringe Anteil der Unternehmen bei Finanzierung und Durchführung von Forschung in Österreich ist die zentrale Strukturschwäche des österreichischen Innovationssystems. Die Bemühungen der Bundesregierung, die Forschungsquote bis 2006 auf 2,5 % des BIP anzuheben, müssen deshalb auch bei der Finanzierungsstruktur ansetzen und diese vor allem durch die Stimulierung der Unternehmensforschung verändern.[36]
3 Bionik – Umsetzung von Lösungen aus der Natur
Wie bereits in Kapitel 2 dargestellt, bilden Innovationen die Grundlage für Wachstum in einer Volkswirtschaft. Ein Ansatz zur Hervorbringung neuer Techniken (und in weiterer Folge Innovationen), der in den letzten Jahren immer größeren Anklang in Wissenschaft und Wirtschaft gefunden hat, ist das „Lernen von der Natur“. Die Natur hat ihre Stoffwechselprozesse, Strukturen, Stoffe, Verfahren und Strategien im Laufe des Evolutionsprozesses über Millionen von Jahren erprobt und optimiert. Das ermöglicht ihr, mit einem Minimum an Material und Energie ein Maximum an Leistung zu erreichen[37] („Minimum-Maximum-Prinzip“). In Zusammenhang damit steht die so genannte „Ressourceneffizienz“: Organismen, Populationen und Ökosysteme streben nach unbegrenzter Vermehrung und unbegrenztem Wachstum. Durch Faktoren wie limitierte Mengen an Wasser oder Nährstoffen sind Vermehrung und Wachstum jedoch beschränkt. Den Überlebensvorteil hat derjenige, der in der Lage ist, dieses begrenzte Angebot am besten auszunutzen.[38] Daher kann von der Natur im Hinblick auf eben diese Ressouceneffizienz viel gelernt werden. Ein weiterer Grund, sich mit den von der Natur angewandten Prinzipien zu beschäftigen, ist die Entwicklung umweltschonender Technologien in Zusammenhang mit der Forderung des „nachhaltigen Wirtschaftens“ und der „nachhaltigen Entwicklung“.
Die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit dem Lernen von der Natur beschäftigt, ist die Bionik. Dieses Kapitel beinhaltet einen Überblick zu dieser Wissenschaftsdisziplin und gliedert sich in drei Bereiche: In eine allgemeine Einführung, eine Darstellung der Entwicklung der Bionik im Zeitablauf und eine Erläuterung der Teilbereiche der Bionik.
[...]
[1] Neumann (1993), S. IV
[2] Vgl. Neumann (1993), S. IV. Nähere Ausführungen dazu finden sich in Kapitel 2.
[3] Die Bezeichnung „Wissenschaftsdisziplin“ im Zusammenhang mit Bionik ist generell umstritten. Die Verfass-
erin hat sich aufgrund der in der verwendeten Literatur mehrheitlich vorherrschenden Meinung, die Bionik
als Wissenschaftsdisziplin zu bezeichnen, angeschlossen.
[4] Vgl. BioKon, http://www.bionik.tuberlin.de/kompetenznetz/BioKon/bilder/AntragBioKon_AllgemeinerTeil.
pdf, Zugriff am 15.03.2003
[5] Vgl. Gleich (2001a), S. 5.
[6] Peters (2000), aus dem Titel.
[7] Vgl. Vahs, Burmester (2002), S. 2f.
[8] Vgl. Schumpeter, J. (1987) Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung – Eine Untersuchung über Unternehmer-
gewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus. Verlag Duncker & Humbolt, Berlin, S. 100ff; zitiert
nach: Vahs, Burmester (2002), S. 3f.
[9] Vgl. Arndt (1952), S. 33ff.
[10] Vgl. Walter (1983), S. 156.
[11] Vgl. Kupsch et al. (1991), S. 1077, Higgins (1996), S. 14, und Vahs (2002), S. 5.
[12] Vgl. Vahs (2002), S. 5.
[13] Vgl. Kondratieff (1984) The Long Wave Cycle, S. 1ff; zitiert nach: Vahs, Burmester (2002), S. 7f.
[14] Vgl. Nefiodow (1999), S.94ff.
[15] Vgl. Kim et al. (2002), S. 4, und Prakash, Hart (2000), S. 1.
[16] Vgl. Vahs (2002), S. 9.
[17] Vgl. 3 M Deutschland GmbH (1997), S. 4, und 3M, http://www.3m.com/about3M/facts/3M_Facts_2002.pdf,
Zugriff am 10.10.2003.
[18] Vgl. Drucker (1969), S. 9.
[19] Vgl. Zahn (1995), S.20.
[20] Vgl. Zeidler (1983), S. 89. Zu den Auswirkungen einer Überschreitung der geplanten Entwicklungszeit siehe
Abbildung 3, Seite 11).
[21] Vgl. Sommerlatte (1991), S. 11.
[22] Vgl. Benkenstein (1993) Integriertes Innovationsmanagement – Ansatzpunkte zum „lean innovation“. In:
Marktforschung und Management, S. 21, und Hoffritz (1996) Arme Schlucker. In: Wirtschafswoche, S. 130;
zitiert nach: Vahs, Burmester (2002), S. 10.
[23] Vgl. Willfort et al. (2000), S. 5.
[24] Willfort et al. (2000), S. 9
[25] Vgl. Vahs (2002), S. 11.
[26] Vgl. Sommerlatte (1991), S. 13ff. Die dargestellten Daten stammen aus einer von Arthur D. Little ermittelten
Stichprobe von Klienten-Unternehmen.
[27] Vgl. Novartis, http://www.novartis.de/servlet/novartismedia?id=405, Zugriff am 28.03.2003.
[28] Vgl. Vahs, Burmester (2002), S. 382.
[29] Vgl. Bayer AG, http://www.bayer.de/geschaeftsbericht2002/forschung/forschung.html, Zugriff am
29.03.2003.
[30] Vgl. Bayer AG (1998) Bayer– Kompetenz und Verantwortung. Bayer AG (Hrsg.); zitiert nach: Vahs,
Burmester (2002), S. 10.
[31] Vgl. Bayer AG, http://www.bayer.de/geschaeftsbericht2002/forschung/forschung.html, Zugriff am
29.03.2003.
[32] Vgl. BMBWK, BMVIT (2002), S. 3.
[33] Vgl. Statistik Austria, http://www.statistik.at/fachbereich_forschung/tab1.shtml, Zugriff am 06.08.2003.
[34] Vgl. Statistik Austria, http://www.statistik.at/fachbereich_forschung/txt.shtml, Zugriff am 06.08.2003.
[35] Vgl. BMBWK, BMVIT (2002), S. 5.
[36] Vgl. BMBWK, BMVIT (2002), S. 11.
[37] Vgl. Hill (1999), S. 9.
[38] Vgl. Gleich (2001a), S. 1.
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- Mag. Anna Maria Köck (Author), 2003, Bionik. Innovationen durch bionische Ansätze und ihre Bedeutung für Wirtschaft und Umwelt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89607
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