Der Begriff der Mediengesellschaft beschreibt, in stark simplifizierter Form, moderne Gesellschaften, in welchen die Kommunikation über Medien, die „über technische Hilfsmittel realisierte Bedeutungsvermittlung“ (Saxer 1998: 53), alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens durchdringt und die Wahrnehmung der Wirklichkeit signifikant beeinflusst. Der Münsteraner Professor für empirische Kommunikationsforschung Klaus Merten, suggeriert mit dem Titel seiner 2005 veröffentlichten Arbeit Zur Ausdifferenzierung der Mediengesellschaft, eine Beschreibung der Veränderungen in dieser Gesellschaft. Dabei kommen jedoch Erläuterungen des damit einhergehenden sozialen Wandels zu kurz. Statt dessen konzentriert sich Mertens Arbeit auf die mediale Wirklichkeitskonstruktion und die gegenseitige Austauschbarkeit von Fakten und Fiktionen, welche als Indikator für Mediengesellschaften festgestellt werden. Die Darstellung gesellschaftlicher Entwicklungen wird jedoch lediglich auf ein verändertes Rezeptionsverhalten reduziert: Der Rezipient sucht nicht mehr nach der authentischen Widergabe von Wirklichkeit, sondern orientiert sich an den Konsequenzen der medialen Beobachtung und v.a. an der Beobachtung anderer Rezipienten. In diesem Kontext wird die Orientierung an Meinungsführern als ein Aspekt der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung genannt.
Die vorliegende Arbeit untersucht das Konzept des Meinungsführers und wie dieser in Klaus Mertens Skizze einer ausdifferenzierten Mediengesellschaft an Relevanz gewinnt. Zu diesem Zweck wird zunächst erläutert, wie Merten aus der Kritik an der von Paul Lazarsfeld, Bernard Berelson und Hazel Gaudet entdeckten Figur heraus, dieses Konzept weiterentwickelt und zu dem Meinungsführer gelangt, welchen er in seiner Arbeit (Merten 2005) beschreibt. Anhand verschiedener praktischer Beispiele, soll dieses Konzept dann kritisch diskutiert werden. Das Ziel der Arbeit ist es, die Rolle des Meinungsführers, wie er von Merten dargestellt wird, kritisch zu beleuchten und dabei zu eruieren, welche Relevanz er in einer ausdifferenzierten Mediengesellschaft hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Konzepte der Meinungsführerschaft
- Meinungsführerschaft und das Zweistufenkonzept
- Merten: Die Ausdifferenzierung der Mediengesellschaft
- Das Zweistufenkonzept und der Meinungsführer
- Kritik
- Reale und virtuelle Meinungsführer
- Soziale Netzwerke und sozialer Wandel
- Virtuelle Meinungsführer
- Zusammenfassung der Entwicklung
- Meinungsführerschaft und das Zweistufenkonzept
- Diskussion der Praxis
- Talkshows
- Interaktive Kommunikation und das Internet
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Konzept des Meinungsführers und dessen Relevanz in der von Klaus Merten beschriebenen ausdifferenzierten Mediengesellschaft. Sie analysiert, wie Merten das Konzept des Meinungsführers weiterentwickelt und untersucht dessen Rolle in der heutigen Medienlandschaft. Die Arbeit befasst sich mit der Kritik am ursprünglichen Zweistufenkonzept und analysiert, wie Merten dieses Konzept weiterentwickelt hat. Schließlich wird diskutiert, welche Bedeutung der Meinungsführer in einer Welt geprägt von sozialen Netzwerken und interaktiven Medien hat.
- Die Ausdifferenzierung der Mediengesellschaft nach Klaus Merten
- Die Rolle des Meinungsführers in der Mediengesellschaft
- Die Kritik am ursprünglichen Zweistufenkonzept
- Die Entwicklung des Meinungsführer-Konzepts bei Merten
- Der Einfluss von sozialen Netzwerken und interaktiven Medien auf das Konzept des Meinungsführers
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Arbeit führt den Begriff der Mediengesellschaft ein und beschreibt, wie Klaus Merten in seiner Arbeit „Zur Ausdifferenzierung der Mediengesellschaft“ die Veränderungen in dieser Gesellschaft untersucht. Dabei wird jedoch der soziale Wandel nur oberflächlich behandelt. Mertens Fokus liegt auf der medialen Wirklichkeitskonstruktion und der Austauschbarkeit von Fakten und Fiktionen. Die Arbeit stellt die Veränderung im Rezeptionsverhalten dar: Der Rezipient sucht nicht mehr nach authentischer Wirklichkeit, sondern orientiert sich an den Konsequenzen der medialen Beobachtung und an der Beobachtung anderer Rezipienten. In diesem Kontext wird die Orientierung an Meinungsführern als ein Aspekt der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung betrachtet.
Konzepte der Meinungsführerschaft
Meinungsführerschaft und das Zweistufenkonzept
Dieser Abschnitt beginnt mit einem Vergleich des Konzepts der Meinungsführerschaft bei Merten mit dem ursprünglichen Konzept von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet. Er beleuchtet die Kritik Mertens an diesem Konzept und dessen Weiterentwicklung. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Frage, wie dieses Konzept den sozialen Wandel in einer ausdifferenzierten Mediengesellschaft beschreibt.
Merten: Die Ausdifferenzierung der Mediengesellschaft
Merten beschreibt den Wandel zur Mediengesellschaft als einen Prozess der Substitution, der durch die gegenseitige Austauschbarkeit von Fakten und Fiktionen gekennzeichnet ist. Da alle sozialen Handlungen als kommunikative Handlungen darstellbar sind, können diese Abbildungen das eigentliche Handeln ersetzen. „Reale und fiktionale“ Wirklichkeit verschmelzen zu einer neuen, „aktuellen“ Wirklichkeit. Durch diese Prozesse nehmen die Medien eine generalisierende Stellvertreterfunktion ein, die das wachsende Informationsangebot nach Relevanz filtert. So entsteht nach Merten die Wirklichkeitskonstruktion der Medien, die die Aufgabe der Orientierungsfunktion übernimmt: Was nicht in den Medien ist, kann nicht relevant sein.
Das Zweistufenflusskonzept (Two-Step-Flow) und der Meinungsführer (Opinion Leader)
Dieser Abschnitt behandelt die Panelstudie von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet aus dem Jahr 1940, die das Verhalten der Wähler im Zeitraum der letzten sieben Monate vor der Präsidentschaftswahl unter dem Einfluss der Massenmedien untersuchte. Die Studie ergab, dass die Wählerschaft weniger von den Massenmedien, als vielmehr durch Meinungsführer beeinflusst wurde. Diese Studie legte den Grundstein für die Erforschung des Zwei-Stufen-Fluss-Modells in der Kommunikation.
Reale und virtuelle Meinungsführer
Dieser Abschnitt setzt sich mit der Entwicklung des Konzepts des Meinungsführers in der digitalen Welt auseinander. Es werden die Auswirkungen von sozialen Netzwerken auf den sozialen Wandel und die Entstehung von virtuellen Meinungsführern diskutiert. Der Abschnitt untersucht, wie die Entwicklungen der digitalen Medien die Rolle des Meinungsführers verändern.
Schlüsselwörter
Mediengesellschaft, Meinungsführerschaft, Ausdifferenzierung, Zweistufenkonzept, soziale Netzwerke, virtuelle Meinungsführer, Wirklichkeitskonstruktion, Fakten und Fiktionen, Rezeptionsverhalten, strategische Wirklichkeit, metamediale Phänomene.
- Quote paper
- Udo Michel (Author), 2007, Meinungsführer in der Mediengesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89270