Schnelle Veränderungen von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hervorgerufen durch verschärfte Konkurrenz aufgrund von Internationalisierung und Globalisierung der Märkte, prägen das heutige Bild der Wirtschaft. Um sich schnell auf diese neuen Rahmenbedingungen einstellen zu können, müssen Betriebe und Unternehmen flexibel sein, um ihr Überleben zu sichern und um Gewinne erzielen zu können. Sehr steif angelegte Unternehmensorganisationen oder Strukturen, führen dabei meist zu einer gewissen Trägheit, weshalb eine schnelles Reagieren auf neue Bedingungen häufig nicht möglich ist. Eine häufiger werdende Managementstrategie bei diesen Unternehmen, ist eine Umstrukturierung des Unternehmens, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Diese Entwicklung kann daran belegt werden, dass „seit den achtziger Jahren in der Industriesoziologie verstärkt über Restrukturierungsprozesse auf Unternehmensebene diskutiert wird (vgl. Hurrle u. Hurrle 1995: 149-150). Speziell die Unternehmensvernetzung ist hierbei eine der häufig genannten Formen. Allerdings auch häufig im negativen Sinne, da diese Reorganisationsform oft zu einer Abnahme der Beschäftigtenzahlen in den betroffenen Betrieben führt (vgl. Hurrle u. Hurrle 1995: 150). Neben dem Industriesektor finden diese Restrukturierungsprozesse in Form von Unternehmensvernetzung allerdings auch vermehrt auf dem Dienstleistungssektor statt (vgl. Riess 1995: 134).
In dieser Arbeit wird daher untersucht, warum Dienstleistungsunternehmen in den letzten zwei Jahrzehnten häufiger Netzwerkbeziehungen eingegangen sind, wie diese zu Stande kamen und welche Auswirkungen diese Unternehmensvernetzungen auf die Akteure der industriellen Beziehungen haben. Dabei wird der Fokus auf die Prozesse und nicht auf die Strukturen innerhalb einer Netzwerkbeziehung und deren Entstehung gelegt.
Als theoretischer Rahmen wird daher in dieser Arbeit ein handlungstheoretischer Ansatz verwendet. Und zwar die Negotiated Order Theory ausgehend von dem Ansatz von Anselm Strauss. Die ausführliche Darstellung der Negotiated Order Theory bildet dabei einen Schwerpunkt, da an der Unternehmensvernetzung bzw. der betrieblichen Interessenvertretung in Unternehmungsnetzwerken untersucht werden soll, ob die NOT eine adäquate Analyse der Untersuchungsgegenstände geben kann. Insbesondere im Hinblick auf einen Wandel der industriellen Beziehungen durch die Reorganisationsform der Unternehmensvernetzung.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Negotiated Order Theory
2.1 Negotiations als Aus- und Verhandlungsprozesse
2.2 Das Konzept der social worlds
2.3 Stile industrieller Beziehungen und Routinen
2.4 Macht in der Negotiated Order Theory
3. Unternehmensvernetzung
3.1 Unternehmensvernetzung durch Quasi-Externalisierung
3.2 Betriebliche Interessenvertretung in Unternehmensnetzwerken
4. Quasi-Externalisierung einer Lebensmittelabteilung
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Schnelle Veränderungen von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hervorgerufen durch verschärfte Konkurrenz aufgrund von Internationalisierung und Globalisierung der Märkte, prägen das heutige Bild der Wirtschaft. Um sich schnell auf diese neuen Rahmenbedingungen einstellen zu können, müssen Betriebe und Unternehmen flexibel sein, um ihr Überleben zu sichern und um Gewinne erzielen zu können. Sehr steif angelegte Unternehmensorganisationen oder Strukturen, führen dabei meist zu einer gewissen Trägheit, weshalb eine schnelles Reagieren auf neue Bedingungen häufig nicht möglich ist. Eine häufiger werdende Managementstrategie bei diesen Unternehmen, ist eine Umstrukturierung des Unternehmens, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Diese Entwicklung kann daran belegt werden, dass „seit den achtziger Jahren in der Industriesoziologie verstärkt über Restrukturierungsprozesse auf Unternehmensebene diskutiert wird (vgl. Hurrle u. Hurrle 1995: 149-150). Speziell die Unternehmensvernetzung ist hierbei eine der häufig genannten Formen. Allerdings auch häufig im negativen Sinne, da diese Reorganisationsform oft zu einer Abnahme der Beschäftigtenzahlen in den betroffenen Betrieben führt (vgl. Hurrle u. Hurrle 1995: 150). Neben dem Industriesektor finden diese Restrukturierungsprozesse in Form von Unternehmensvernetzung allerdings auch vermehrt auf dem Dienstleistungssektor statt (vgl. Riess 1995: 134).
In dieser Arbeit wird daher untersucht, warum Dienstleistungsunternehmen in den letzten zwei Jahrzehnten häufiger Netzwerkbeziehungen eingegangen sind, wie diese zu Stande kamen und welche Auswirkungen diese Unternehmensvernetzungen auf die Akteure der industriellen Beziehungen haben. Dabei wird der Fokus auf die Prozesse und nicht auf die Strukturen innerhalb einer Netzwerkbeziehung und deren Entstehung gelegt.
Als theoretischer Rahmen wird daher in dieser Arbeit ein handlungstheoretischer Ansatz verwendet. Und zwar die Negotiated Order Theory ausgehend von dem Ansatz von Anselm Strauss. Die ausführliche Darstellung der Negotiated Order Theory bildet dabei einen Schwerpunkt, da an der Unternehmensvernetzung bzw. der betrieblichen Interessenvertretung in Unternehmungsnetzwerken untersucht werden soll, ob die NOT eine adäquate Analyse der Untersuchungsgegenstände geben kann. Insbesondere im Hinblick auf einen Wandel der industriellen Beziehungen durch die Reorganisationsform der Unternehmensvernetzung. Denn mit den üblichen Instrumenten, die man durch die Theorien der industriellen Beziehungen zur Verfügung hat, wird es immer schwieriger, die neuartigen Arbeitsbeziehungen insbesondere im Bereich der Dienstleistungen zu erklären. Grund dafür ist ein, in der aktuelleren Forschung häufig beschriebener, Wandel der industriellen Beziehungen (vgl. Wirth 2000: 45). Dieser Wandel bewirkt unter anderem auch ein Aufbrechen oder Änderungen der traditionellen Institutionen der industriellen Beziehungen, da neue Anforderungen an diese gestellt werden. Diese neuen Arbeitsbeziehungen werden am Beispiel der Unternehmensvernetzung dargestellt.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Betrachtung der Auswirkungen von Unternehmensvernetzung auf die betriebliche Interessenvertretung. Denn wie auch Müller-Jentsch und Ittermann feststellen, sind die Betriebsräte „insbesondere im Zusammenhang mit den vielfältigen Maßnahmen zur Unternehmensreorganisation zu einer Schlüsselinstitution der industriellen Beziehungen geworden.“ (Müller-Jentsch und Ittermann 2000: 209). In erster Linie wird bezüglich der Interessenvertretung durch den Betriebsrat hinterfragt, mit welchen Möglichkeiten er auf diese spezielle Reorganisationsform der Unternehmensvernetzungen Einfluss nehmen kann und wie oder ob Entlassungen im Zuge von Unternehmensvernetzung verhindert werden können.
Problematisch erweist sich hierbei die Lage der Forschungsliteratur. Es liegen zwar Arbeiten vor, die Netzwerkbeziehungen und Unternehmensvernetzung anhand ihrer strukturellen Organisation und ihrem Aufbau untersuchen, allerdings ist festzustellen, dass „Prozesse in Netzwerkbeziehungen kaum untersucht wurden und somit gegenwärtig noch eine erhebliche Forschungslücke vorliegt (Wirth 1999a: 3). Außerdem hat sich die Negotiated Order Theory, bisher wenig durchgesetzt gegenüber anderen Handlungstheorien, weshalb die Forschungsliteratur ebenfalls relativ dürftig ausfällt.
Da es an empirischen Daten mangelt, wird die Analyse von Unternehmensnetzwerken und speziell die Rolle von betrieblichen Interessenvertretungen bei Unternehmensvernetzungen, zuerst hauptsächlich allgemein dargestellt und danach am Beispiel einer Unternehmensvernetzung eines Warenhausunternehmens mit einem Lebensmittelfilialisten, basierend auf einer qualitativen Fallstudie von Wirth, die an 14 Einzelhandelsunternehmen in Baden-Württemberg im Zeitraum von 1991-1993 durchgeführt wurde. Die Perspektive der überbetrieblichen Interessenvertretung, also den Gewerkschaften als Akteur der industriellen Beziehungen, in Unternehmensnetzwerken wird in dieser Arbeit nicht thematisiert.
2. Negotiated Order Theory
Die Negotiated Order Theory (im Folgenden kurz NOT) wird zu den handlungstheoretischen Ansätzen der industriellen Beziehungen gezählt. Den gegensätzlichen Part bilden die systemtheoretischen Ansätze. Als Unterschiede zwischen den beiden Kategorisierungen können genannt werden, dass die systemtheoretischen Ansätze „die Strukturen der industriellen Beziehungen, deren Funktionsweise sowie die geltenden Regeln und Normen betrachten“ (König 2005: 29) und die handlungstheoretischen Ansätze die Interaktionen der handelnden Akteure betrachten (vgl. König 2005: 29). Eine der Spielarten der handlungstheoretischen Ansätze ist die NOT.
König führt die NOT als handlungstheoretischen Ansatz auf den symbolischen Interaktionismus von Mead zurück bzw. genauer auf die Weiterführung des symbolischen Interaktionismus durch Blumer: „Der (…) Negotiated Order-Ansatz kann als Forschungsrichtung interpretiert werden, die die Blumer´schen Gedanken aufgreift, aber dabei die einseitig handlungstheoretische Betrachtungsweise aufzuheben versucht.“ (König 2005: 82).
„Anknüpfend an Meads Ausführungen zu den ´symbolischen Gesten´ entwickelt Blumer die Vorstellung, dass miteinander agierende Akteure gegenseitig darauf Acht geben, was ihr Gegenüber tut bzw. will oder ob die Vorhaben zu den Gruppennormen und –vorstellungen passen. Dementsprechend prüfen sie ihre eigenen Absichten und Wünsche, bekräftigen eigene Pläne, ändern diese ab oder entwerfen neue – kurz, bringen ihre eigenen Handlungspläne in Einklang mit denen anderer.“ (König 2005: 77-78).
Nach Blumer sind Handlungen immer miteinander verkettet; das heißt, dass eine Handlung sich immer auf eine frühere bezieht oder andere nach sich zieht (vgl. König 2005:79). Dadurch, dass laut Blumer manche Handlungen oder Situationen in der Gesellschaft häufiger auftreten, kann man immer wieder auf die vorherige Handlung zurückgreifen, wodurch eine gewisse Stabilität zu Stande kommt. Es entsteht eine Regel für diese Handlungen. Blumers Schlussfolgerung daraus ist, dass nicht die Regeln die Gesellschaft aufrecht erhalten, sondern der soziale Prozess die Regeln schafft (vgl. König 2005: 79). Da der Mensch als individuell handelnder Organismus allerdings nie einfach nur maschinell je nach Situation eine Handlung in seiner Erinnerung abruft und sie schematisch anwendet, sondern immer noch seine eigenen individuellen Wünsche und Bedürfnisse, seine zur Verfügung stehenden Mittel und die antizipierten Handlungen anderer einfließen lässt, verändert er das Handlungsmuster; das bedeutet, er kann zwar anders handeln, baut aber dennoch auf vorigen Handlungen auf. Diese Verkettung bezeichnet Blumer unter dem Begriff Joint Action (vgl. König 2005: 78). Jede Handlung hat somit eine eigene Vorgeschichte, wie Blumer sagt: „each joint action must be seen as having a career or a history. In having a career, its course and fate are contingent in what happens during its formation” (Blumer zitiert nach König 2005: 79).
Eine Weiterentwicklung des symbolischen Interaktionismus erfolgte in Form des Negotiated Order-Ansatzes von Anselm Strauss. Er schränkt in erster Linie den Begriff der Interaktionen aus Blumers bzw. Meads Ansatz ein bzw. spezifiziert ihn.
Denn für Strauss entstehen die Regeln für Handlungen nicht durch Interaktionen zweier oder mehr Akteuren, sondern laut ihm sind sie Ergebnis von Aus- und Verhandlungen. Seine zentrale These ist daher, „dass alle sozialen Ordnungen in einem gewissen Sinne auch ausgehandelte Ordnungen sind.“ (König 2005: 82; vgl auch Wirth 1999a: 124 und Wirth 2000: 45).
Sie gehen laut ihm hervor, „aus den Interaktionen der individuellen und kollektiven Akteure; diese produzieren und reproduzieren soziale Ordnungen (…), sei es implizit in stillschweigenden Übereinkünften und stummen Aushandlungen oder explizit in formalen Verhandlungen.“ (Müller-Jentsch 1997: 72). Die soziale Ordnung bzw. nach Strauss die negotiated order „ist das Ergebnis eines Aus- und Verhandlungsprozesses, der negotiation of order.“ (Wirth 1999a: 124).
Zu dieser Annahme kam Strauss aufgrund einer empirischen Untersuchung in amerikanischen psychiatrischen Kliniken in den 1950er Jahren (vgl. König 2005: 82 und Wirth 1999a: 123). Bei speziell zwei dieser Kliniken stellte Strauss eine sehr geringe Anzahl, von der Klinkleitung oder sonstigen externen weisungsbefugten Instanzen vorgegebener, offizieller allgemeingültiger Regeln für den Arbeitsablauf und das Verhalten der Patienten fest. Dennoch funktionierte der Arbeitsablauf reibungslos; Strauss´ Beobachtungen können wie folgt wiedergegeben werden: „Es spielten nicht nur die wenigen vorhandenen ´offiziellen´ Regeln kaum eine Rolle für das Funktionieren des Arbeitsalltags (…), vielmehr konstituierte sich in der Klinik durch Tacit Agreements, Understandings oder Arrangements eine soziale Ordnung heraus, an deren Aushandlungen von den Krankenpfleger(inne)n bis zu den Psycholog(inn)en alle Personen und Hierarchiestufen teilnahmen.“ (König 2005: 82). Daher kam Strauss zu dem Schluss, dass die Koordination des Handelns in dieser Organisation über eine negotiated order erfolgt (vgl. Wirth 2000: 46). Diese negotiated order wird erzeugt und reproduziert, durch die interpersonelle Verständigung mittels Verhandlungen und Aushandlungen der Akteure in dieser Organisation. Diese Ordnung hat so lange Gültigkeit, bis es zu einer Veränderung oder einer Störung der ausgehandelten Übereinkunft kommt, so dass diese neu verhandelt werden muss. „Any changes impinging on the negotiated order – whether something ordinary, such as a new stuff member, a disrupting event, or a betrayed contract (…) – called for renegotiation or reappraisal. This meant consequent changes in the negotiated order.” (Strauss 1988: 6). Wobei die vorige negotiated order meist als Verhandlungsbasis dient. Damit wandelt sie sich und wird nicht von Grund auf verändert. Abgesehen von revolutionären Umstürzen findet man daher laut Strauss bei allen Veränderungen in der Gesellschaft oder in Organisationen eine Verhandlung oder Aushandlung der jeweiligen Situation. Durch diese Beschreibung Strauss´ liegt allerdings die Vermutung nahe, dass diese soziale Ordnung einer starken Fluktuation unterworfen ist, da es jederzeit zu neuen Verhandlungen aufgrund schon kleinster Störungen kommen kann. Trotz diesem fast stetig anzunehmenden Wandel herrscht in unserer Gesellschaft oder in den uns bekannten Organisationen aber keine völlige Anarchie, sondern die jeweilige soziale Ordnung, weist eine gewisse z.T. langwierige Stabilität auf.
Nach Wirth Auffassung von Strauss´ NOT, beansprucht sie allerdings auch, „zu erklären, wie eine soziale Ordnung aufrechterhalten wird, obwohl sie sich in einem permanenten Wandlungsprozess befindet.“ (Wirth 1999a: 126).
2.1 Negotiations als Aus- und Verhandlungsprozesse
König relativiert diese Aussage jedoch noch, indem sie darauf hinweist, dass Strauss nicht im Sinn hatte, „soziale Ordnungen in Gänze zu erklären, sondern seine Position war, dass es keine soziale Ordnung völlig ohne Negotiated Order gebe (König 2005: 82). Wobei Strauss die Negotiations, die zur Negotiated Order führen, sehr allgemein definiert. Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff „negotiation“ soviel wie „Aushandlung“ oder „Verhandlung“, wie er auch oben schon verwendet wurde. Diese Begriffe bilden allerdings einen großen Rahmen, da man sehr viel darunter subsumieren kann, und werden daher im Folgenden genauer eingegrenzt. Andere Begriffe für Verhandlungen wie z.B. „bargain“ oder conference kommen für Strauss nicht in Frage da er der Ansicht ist: „Those definitions give no clear guidance for making distinctions between negotiation and agreements arrived at without negotiation, nor between negotiation an other modes of attaining desired ends(…).” (Strauss 1988: 1). Daher definiert Strauss seinen Begriff der Verhandlungen im weiteren Sinne als “one of the possible means for ´getting things accomplished´“ (Strauss 1988: 2; vgl auch Wirth 1999a: 124 und König 2005: 83).
Um das Verhandlungsparadigma von Strauss bzw. eine Negotiated Order verstehen zu können, hält Strauss es für notwendig, die Aus- und Verhandlungen selbst, als auch die Umwelt in der sie stattfinden, genauer zu analysieren (vgl. König 2005: 83; Wirth 1999a: 132). Die Umwelt und Rahmenbedingungen bezeichnet er hierbei als Kontexte. Wie Wirth auch für Strauss´ Paradigma konstatiert, sind die Schlüsselbegriffe „neben dem Begriff der Verhandlung, der strukturelle Kontext und der Verhandlungskontext.“ (Wirth 1999a: 132). Strauss hält die Einführung bzw. die Verortung der Verhandlungen in Kontexten für notwendig, um die Stabilität und den Wandel von negotiated orders erklären zu können. Dadurch wird er auch der Kritik an Blumers symbolischem Interaktionismus, er sei zu einseitig handlungstheoretisch, wie oben schon gezeigt, gerecht. Strauss grenzt hierzu den strukturellen Kontext von dem Verhandlungskontext ab (vgl. Wirth 2000: 48). Der Verhandlungskontext umfasst, die Eigenschaften der Umwelt, die direkten Einfluss auf die Verhandlungen haben (vgl. ebd.: 48). Wobei Strauss davon ausgeht, dass es eine Vielzahl an Verhandlungskontexten gibt, da diese sich situationsspezifisch immer wieder neu aus mehreren Eigenschaften zusammen setzen können. Einige dieser Eigenschaften, die den Verhandlungskontext bilden sind z.B. die Zahl der verhandelnden Personen, deren Interessen, wen sie repräsentieren, ihre relative Verhandlungserfahrung, das relative Machtverhältnis der verhandelnden Akteure oder Parteien, ob die Verhandlungen einmalig oder häufiger stattfinden, ob sie verbunden sind, der jeweilige Einsatz, der für die Akteure oder Parteien auf dem Spiel steht und die Sichtbarkeit der Transaktionen für andere (vgl. Wirth 1999a: 133; Wirth 2000: 48; König 2005: 84).
Der Verhandlungskontext ist selbst wiederum eingebettet in den strukturellen Kontext, der die Umwelt im weitesten Sinne umfasst (vgl. ebd.: 133). Für das Verhältnis von den Verhandlungen zu den beiden Kontexten und umgekehrt ist laut König „das einer gegenseitigen Beeinflussung.“ (König 2005: 84). Wirth stellt allerdings dazu fest, dass diese gegenseitige Beeinflussung von Strauss nur sehr ungenau beschrieben wurde und in späteren Arbeiten zum Verhandlungsparadigma zwar konkretisiert, aber aufgrund der ungenauen Vorlage von Strauss unterschiedlich interpretiert wurde (vgl. Wirth 1999a: 134). Eine der häufigsten Interpretationen und auch die von Wirth, ist die, dass das Verhältnis der Kontexte und Verhandlungen zueinander als Rekursionsverhältnis verstanden werden soll (vgl. ebd.: 134; Wirth 2000: 49). Als Rekursionsverhältnis versteht Wirth, mit einem Verweis auf frühere Formulierungen von Ortmann 1995 und Maines 1982, „wenn die zwei Seiten eines Verhältnisses einander wechselseitig Grundlage und Resultat sind“ (ebd.: 134). Somit sind die Kontexte als Ergebnis von Verhandlungen zu verstehen und stellen auch gleichzeitig die Basis für Verhandlungen dar. Für Strauss Konzept von Stabilität und Wandel ergibt sich allerdings, durch die Verortung der Verhandlungen in Kontexte die sich rekursiv beeinflussen, nun ein Spannungsverhältnis (vgl. Wirth 2000: 49). Verhandlungen begründen zwar Kontexte, können diese aber auch verändern, wodurch die relative Stabilität immer gefährdet ist von Veränderungen.
2.2 Das Konzept der social worlds
Dementsprechend ist auch ein häufig genannter Kritikpunkt an der NOT, wie auch Strauss selbst am Schluss seines Hauptwerks anmerkt, dass die Stabilität der ausgehandelten Ordnungen nicht hinreichend erklärt werden kann (vgl. König 2005: 85). Diesem Vorwurf trägt jedoch laut Wirth und König das von Strauss in späteren Arbeiten zur NOT eingefügte Konzept der „social worlds“ teilweise Rechnung (vgl. König 2005: 85; Wirth 1999a: 142). Eine so genannte soziale Welt wird nach Strauss durch gemeinsame oder ähnliche Aktivitäten von Personen, Gruppen oder Organisationen begründet (vgl. Wirth 1999a: 143). Demnach gibt es z.B. Freizeitwelten, ethnische Welten, industrielle Welten oder auch eine soziale Welt der Kunst. Die sozialen Welten sind wiederum unterteilt in Subwelten an deren Schnittstellen es zu Interaktionen wie Austausch, Konflikt oder Verhandlungen kommen kann (vgl. König 2005: 86). Somit kann also die Gesellschaft als Summe aller sozialen Welten aufgefasst werden (vgl. Wirth 1999a: 143). Betrachtet man z.B. die soziale Welt Betrieb, so kann man diese in die soziale Welt der Beschäftigten, die soziale Welt des Betriebsrates und die soziale Welt des Managements segmentieren. Diese sozialen Subwelten lassen sich dann noch weiter segmentieren z.B. in weibliche und männliche Betriebsratsmitglieder oder in „die dominierende Gruppe und die dominierte Gruppe“ (Wirth 2000: 52). Um diese Akteuren der industriellen Beziehungen bzw. ihr Verhältnis zueinander anhand der NOT erklären zu können und dabei aber nicht das interaktionistische bzw. handlungstheoretische Grundkonzept aufzugeben, betont Strauss, dass sich die sozialen Welten über gemeinsame Aktivitäten definieren, zwar häufig auch ideologisch untermauert sind, aber kommunikativ bzw. durch kollektives Handeln entstehen (vgl. König 2005: 86-87).
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- Quote paper
- Christoph Monnard (Author), 2006, Probleme der betrieblichen Interessenvertretung , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89177
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