Vor dem Hintergrund, dass die Effektivität eines Unternehmens maßgeblich von der Leistungsbereitschaft und der Motivation der Mitarbeiter abhängt, haben viele Unternehmen in den letzten Jahren variable Vergütungssysteme eingeführt. Die Grundlage für die variable Komponente der Vergütung bilden dabei meist Zielvereinbarungen.
Während es im Zielvereinbarungsprozess darum geht, anspruchsvolle Ziele in überschaubaren Zeiträumen mit begrenzten Mitteln zu erreichen, soll die variable Vergütung mehr Flexibilität in die Personalkosten bringen und gleichzeitig die Motivation der Mitarbeiter und vor allem der Leistungsträger im Unternehmen erhöhen.
Theorie und Praxis liegen dabei oft recht weit auseinander. Es kommt zu Fehlern bei der Anwendung von Zielvereinbarungen und variabler Vergütung. Die Folgen sehen dann in der Praxis so aus, dass Führungsinstrumente, die eigentlich zur Motivation und Leistungssteigerung der Mitarbeiter beitragen sollen, eher Demotivation und Enttäuschung hervorrufen. Systeme, die in guter Absicht eingeführt wurden, werden durch Anwendungsfehler, die nicht zwangsläufig sein müssen, gestört.
Zielvereinbarungen im Kontext eines variablen Vergütungssystems finden auch immer mehr Anwendung im Bankengewerbe. Die Deutsche Postbank AG hat mit dem am 01.01.2004 in Kraft getretenen neuen Entgelttarifvertrag variable Vergütung durchgängig im Unternehmen eingeführt.
Es bietet sich daher an, eine empirische Untersuchung in Form einer Mitarbeiterbefragung bei der Postbank Berlin zu dem Thema durchzuführen. Ziel dieser Arbeit ist es, die Motivationswirkung von Zielvereinbarungen im Kontext eines variablen Vergütungssystems am Beispiel der Deutschen Postbank AG am Standort Berlin zu prüfen. Die Chancen und Risiken, die sich aus dieser Verknüpfung ergeben, werden gegenübergestellt und aus dem Blickwinkel der Motivation betrachtet. Im Rahmen dieser Arbeit soll am Beispiel des Postbankstandortes Berlin folgenden Fragestellungen nachgegangen werden: Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus Zielvereinbarungen und deren Verknüpfung mit variabler Vergütung? Welchen Einfluss hat die unternehmensinterne Ausgestaltung auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter? Wie kann die Akzeptanz für variable Vergütung auf der Grundlage von Zielvereinbarungen gesteigert werden?
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Vorgehensweise
2 Zielvereinbarungen – Theoretische Grundlagen
2.1 Definition
2.2 Ablauf des Zielvereinbarungsprozesses
2.2.1 Besonderheiten bei der Zielformulierung
2.2.2 Zielvereinbarungsgespräch
2.2.3 Zielerreichungsgespräch
2.3 Zielvereinbarungen aus Sicht des Unternehmens
2.4 Zielvereinbarungen aus Sicht des Mitarbeiters
3 Motivation – Theoretische Grundlagen
3.1 Definition
3.2 Motivationstheorien
3.2.1 Inhaltstheorien der Motivation
3.2.1.1 Bedürfnishierarchie von Maslow
3.2.1.2 ERG-Theorie von Alderfer
3.2.1.3 Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
3.2.2 Prozesstheorien der Motivation
3.2.2.1 Gleichgewichtstheorie von Adams
3.2.2.2 Anreiz-Beitrags-Theorie von March und Simon
3.2.2.3 VIE-Theorie von Vroom
3.2.2.4 Zieltheorie von Locke und Latham
4 Variable Vergütung – Theoretische Grundlagen
4.1 Definition
4.2 Finanzierung eines variablen Vergütungssystems
4.3 Anforderungen an ein variables Vergütungssystem
4.4 Variable Vergütung aus Sicht des Unternehmens
4.5 Variable Vergütung Aus Sicht des Mitarbeiters
5 Chancen und Risiken bei der Verknüpfung von Zielvereinbarungen und variabler Vergütung
5.1 Chancen
5.1.1 Motivation und Identifikation mit den Unternehmenszielen
5.1.2 Feedback und Förderung der Personalentwicklung
5.1.3 Gerechtigkeit und Transparenz
5.2 Risiken
5.2.1 Grenzen der Motivierung
5.2.2 Leistungsintensivierung und Erhöhung der Kontrolle
5.2.3 Fehlsteuerungen
5.2.4 Risiken in der Gestaltung des variablen Vergütungssystems
5.2.5 Risiken im Zielvereinbarungsprozess
5.2.5.1 Risiken bei der Zielformulierung
5.2.5.2 Risiken im Zielvereinbarungsgespräch
5.2.5.3 Risiken im Zielerreichungsgespräch
5.2.6 Bürokratisierung und Formalismus
6 Deutsche Postbank AG - Zielvereinbarungen und variable Vergütung
6.1 Das Unternehmen Deutsche Postbank AG
6.1.1 Geschichte
6.1.2 Personalstruktur
6.2 Zielvereinbarungsprozess
6.2.1 Besonderheiten bei der Zielformulierung
6.2.2 Jahresgespräch
6.3 Variable Vergütung
6.4 Zielvereinbarungen und variable Vergütung aus Sicht der Postbank
7 Empirische Untersuchung
7.1 Hypothesenbildung
7.2 Die Datenerhebung und –Auswertung
7.2.1 Erstellung und Konstruktion des Fragebogens
7.2.2 Konzeption und Durchführung der Befragung
7.2.3 Auswertungsmethode
7.3 Untersuchungsergebnisse
7.3.1 Die Befragten
7.3.2 Unternehmensziele
7.3.3 Zielvereinbarungen
7.3.4 Mitarbeitergespräch und Rückmeldung
7.3.5 Zielerreichung
7.3.6 Variable Vergütung
7.3.7 Offene Fragen
7.4 Zusammenfassung und Überprüfung der Hypothesen
7.5 Handlungsempfehlungen
8 Fazit
LITERATURVERZEICHNIS
ANLAGEN
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Varianten des MbO
Abb. 2: Von der Aufgaben- zur Ergebnisorientierung
Abb. 3: Zielkaskade eines Unternehmens
Abb. 4: Unterschied Top-down und Gegenstromverfahren
Abb. 5: Zielarten
Abb. 6: Zieltheorie von Locke
Abb. 7: Einfluss der Zielvereinbarung auf die Motivation
Abb. 8: Personalstruktur der Postbank
Abb. 9: Geschlecht der Befragten
Abb. 10: Alter der Befragten in Kategorien
Abb. 11: Dauer der Unternehmenszugehörigkeit der Befragten
Abb. 12: Art des Arbeitsverhältnisses der Befragten
Abb. 13: Unternehmensziele
Abb. 14: Mittelwerte Abteilungsziele
Abb. 15: Identifikation mit Abteilungszielen in Abh. vom Arbeitsverhältnis
Abb. 16: Rolle von Zielvereinbarungen in Abh. vom Arbeitsverhältnis
Abb. 17: Motivation in Abh. von der Unternehmenszugehörigkeit
Abb. 18: Mitgestaltung und Motivationssteigerung
Abb. 19: Zielformulierung und Förderung der Fähigkeiten
Abb. 20: Mittelwerte Mitarbeitergespräch
Abb. 21: Rückmeldung
Abb. 22: Zielrealisierung, Umfeldbedingungen und Objektivität
Abb. 23: Variabilität der Vergütung
Abb. 24: Einfluss Zielerreichung in Abh. von der Unternehmenszugehörigkeit
Abb. 25: Gerechtigkeit und Konkurrenz
Abb. 26: Mittelwerte Transparenz, Attraktivität, Erfolgsbeteiligung
Abb. 27: Beantwortung der offenen Fragen in Kategorien
1 Einleitung
Vor dem Hintergrund, dass die Effektivität eines Unternehmens maßgeblich von der Leistungsbereitschaft und der Motivation der Mitarbeiter[1] abhängt, haben viele Unternehmen in den letzten Jahren variable Vergütungssysteme eingeführt. Die Grundlage für die variable Komponente der Vergütung bilden dabei meist Zielvereinbarungen.
Während es im Zielvereinbarungsprozess darum geht, anspruchsvolle Ziele in überschaubaren Zeiträumen mit begrenzten Mitteln zu erreichen, soll die variable Vergütung mehr Flexibilität in die Personalkosten bringen und gleichzeitig die Motivation der Mitarbeiter und vor allem der Leistungsträger im Unternehmen erhöhen.
Theorie und Praxis liegen dabei oft recht weit auseinander.[2] Es kommt zu Fehlern bei der Anwendung von Zielvereinbarungen und variabler Vergütung. Die Folgen sehen dann in der Praxis so aus, dass Führungsinstrumente, die eigentlich zur Motivation und Leistungssteigerung der Mitarbeiter beitragen sollen, eher Demotivation und Enttäuschung hervorrufen. Systeme, die in guter Absicht eingeführt wurden, werden durch Anwendungsfehler, die nicht zwangsläufig sein müssen, gestört.
Zielvereinbarungen im Kontext eines variablen Vergütungssystems finden auch immer mehr Anwendung im Bankengewerbe. Die Deutsche Postbank AG hat mit dem am 01.01.2004 in Kraft getretenen neuen Entgelttarifvertrag variable Vergütung durchgängig im Unternehmen eingeführt.
Durch mein seit neun Jahren bestehendes Arbeitsverhältnis bei der Deutschen Postbank AG Berlin konnte ich die Einführung des neuen Vergütungssystems auf Basis von Ziel-vereinbarungen selbst miterleben und möchte mich auch in Anbetracht der obigen Entwicklungen im Rahmen meiner Diplomarbeit damit auseinandersetzen. Es bietet sich daher an, eine empirische Untersuchung in Form einer Mitarbeiterbefragung bei der Postbank Berlin zu dem Thema durchzuführen.
1.1 Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Motivationswirkung von Zielvereinbarungen im Kontext eines variablen Vergütungssystems am Beispiel der Deutschen Postbank AG am Standort Berlin zu prüfen. Die Chancen und Risiken, die sich aus dieser Verknüpfung ergeben, werden gegenübergestellt und aus dem Blickwinkel der Motivation betrachtet. Im Rahmen dieser Arbeit soll am Beispiel des Postbankstandortes Berlin folgenden Fragestellungen nachgegangen werden: Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus Zielvereinbarungen und deren Verknüpfung mit variabler Vergütung? Welchen Einfluss hat die unternehmensinterne Ausgestaltung auf die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter? Wie kann die Akzeptanz für variable Vergütung auf der Grundlage von Zielvereinbarungen gesteigert werden?
1.2 Vorgehensweise
Diese Arbeit folgt inhaltlich folgendem Aufbau. Es werden zunächst die theoretischen Grundlagen für Zielvereinbarungen, Motivation und variable Vergütung dargestellt. Die nachfolgende Betrachtung deckt dabei diese Bereiche nicht in ihrer Gänze ab, sondern richtet sich nach den für diese Arbeit relevanten Aspekten. Danach erfolgt eine zusammenfassende Darstellung der Chancen und Risiken, die sich aus dem Zusammen-wirken von Zielvereinbarungen, Motivation und variabler Vergütung ergeben. Die im Theorieteil gegenübergestellten Chancen und Risiken dienen dabei als Grundlage für die empirische Untersuchung und sind auch in die Fragestellungen des Fragebogens eingegangen. Es wird der Ablauf des Zielvereinbarungsprozesses und das variable Vergütungssystem der Deutschen Postbank AG vorgestellt. Im Hauptteil dieser Arbeit werden die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung, die bei der Postbank Berlin durchgeführt wurde, ausgewertet. Aus den Untersuchungsergebnissen werden Handlungsempfehlungen für die Postbank Berlin speziell und für das Unternehmen Postbank im Allgemeinen gegeben.
2 Zielvereinbarungen – Theoretische Grundlagen
Hinter der Idee zu Zielvereinbarungen verbirgt sich keine einheitliche Theorie. Den meisten Anwendungen von Zielvereinbarungen ist aber gemein, dass sie ihren Grundgedanken in dem allgemeinen Führungskonzept Management by Objectives (im Folgenden kurz: MbO) haben, das im Deutschen meist mit „Führen durch Ziele“ übersetzt wird (Breisig 2000, S. 29f.). MbO wurde in der angloamerikanischen Führungspraxis entwickelt und erstmals theoretisch durch Peter Druckers Abhandlung „The Practice of Management“ begründet. Drucker stellt darin fest, dass jeder Mitarbeiter klar umrissene Ziele braucht, wobei die einzelnen Zielsetzungen von denen des Gesamtunternehmens abgeleitet sein müssen. (Drucker 1964, S. 159)
Eine Weiterführung des Ansatzes von Drucker erfolgte durch Odiorne und Humble. Humble versteht unter MbO „ein dynamisches System, das versucht, das Streben des Unternehmens nach Wachstum und Gewinn, mit dem Leistungswillen der Führungskräfte und ihrem Trachten nach Selbstentfaltung zu integrieren“ (Humble 1972, S. 13). Während MbO anfänglich als Führen durch Vorgabe von Zielen konzipiert wurde[3], spricht Humble bereits vom „gemeinsamen Herausarbeiten der Hauptergebnisse und Leistungsnormen“ (Humble 1972, S. 14). Je nach Beteiligung am Zielbildungsprozess sind folgende Ausprägungen von MbO denkbar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Varianten des MbO
Quelle: Schau 1998, S. 59
Bei der autoritären Variante des MbO werden demnach die Ziele durch die Führungskraft vorgegeben. Mit der neutralen Variante erfolgt eine Orientierung an Zielen. Bei der kooperativen Variante legen die Führungskraft und der Mitarbeiter die Ziele gemeinsam fest. Da es sich bei dieser Variante, um die wohl meist genutzte handelt und diese dem Partizipationsgedanken[4] entspricht, beziehen sich die weiteren Ausführungen hierauf. Dazu wird zunächst eine allgemeine Definition für Zielvereinbarungen gegeben. Anschließend wird der Ablauf des Zielvereinbarungsprozesses dargestellt und die Anforderungen an die Zielformulierung, das Zielvereinbarungsgespräch und das Zielerreichungsgespräch als zentrale Elemente vorgestellt.
2.1 Definition
Die Grundidee von Zielvereinbarungen ist, das Unternehmen auf die Unternehmensziele auszurichten, wodurch ein einheitliches und abgestimmtes Vorgehen am Markt erreicht werden soll. Im Mittelpunkt steht dabei das gemeinsame Festlegen von Zielen zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter und die damit einhergehende Verteilung der Kompetenzen. Eine allgemeine Definition für Zielvereinbarungen liefert Kunz:
Eine im partnerschaftlichen Dialog erarbeitete Übereinkunft zwischen mindestens zwei Personen, worin ein unternehmensspezifisch als wünschens-wert aufgefasster, zukünftiger Zustand beschrieben wird. Darüber hinaus werden Verantwortlichkeiten zur Umsetzung, bereitgestellte Ressourcen und Mess- beziehungsweise Erfolgskriterien zur Überprüfung des Erreichens festgelegt. (Kunz 2001, S. 111)
Kernelement von Zielvereinbarungen sind Ziele, welche als „die exakte Beschreibung eines zu erwartenden Ergebnisses oder die konkrete Beschreibung eines gewünschten Zustandes unter Angabe eines festgelegten Zeitpunktes“ verstanden werden können (Meier 2001, S. 61).
Mit der Vereinbarung von Zielen erfolgt ein Wechsel von der Aufgaben- hin zur Ergebnisorientierung (Lurse/Stockhausen 2002, S. 23). Die Definition von Zielen steht demnach im Gegensatz zur Beschreibung von Aufgaben. Während das Ziel den Endpunkt einer Tätigkeit beschreibt, zeigen Aufgaben den Weg dorthin (Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Von der Aufgaben- zur Ergebnisorientierung
Quelle: Lurse/Stockhausen 2002, S. 23
Zielvereinbarungen können als Führungsinstrument und/oder als Vergütungsinstrument eingesetzt werden. Mit steigender Tendenz werden Zielvereinbarungen als Grundlage von variablen Vergütungssystemen verwendet. (Breisig 2000, S. 19f.) In diesem Fall dient die Überprüfung und Beurteilung des Zielerreichungsgrades der Bestimmung einer variablen, leistungsabhängigen Vergütungskomponente.[5] Nachfolgend wird der Ablauf des Ziel-vereinbarungsprozesses dargestellt und insbesondere auf die Formulierung von Zielen, das Zielvereinbarungsgespräch und das Zielerreichungsgespräch eingegangen.
2.2 Ablauf des Zielvereinbarungsprozesses
Damit die vereinbarten Ziele mit denen des Unternehmens übereinstimmen, werden die übergeordneten Unternehmensziele bis auf die unterste Ebene heruntergebrochen. Die Zielbildung geht dabei von der Unternehmensführung aus, welche die Rahmenziele und die strategische Richtung festlegt. Die Ziele werden kaskadenförmig für alle unter-geordneten Bereiche abgeleitet (Abb. 3). Die Ziele nehmen dabei nach unten hin an Detaillierung und Genauigkeit zu. Diese kaskadenförmige Vorgehensweise ist aus Gründen der unternehmensweiten Abstimmung notwendig. Um Widersprüchen und Unvereinbarkeiten entgegenzuwirken, müssen die Ziele von oben nach unten abgestimmt sein. Im Übrigen sollten auch die Ziele gleicher Ebenen nicht widersprüchlich sein. Die Schwierigkeit an dieser Stelle des Zielvereinbarungsprozesses besteht darin, Zielkonflikte zu vermeiden. Die ist insbesondere dann schwierig, wenn z.B. die Kostenziele einer Abteilung im Gegensatz zu den Qualitätszielen einer anderen stehen.[6]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Zielkaskade eines Unternehmens
Quelle: in Anlehnung an Eyer/Haussmann 2003, S. 33
Bei der kooperativen Zielbildung erfolgt die Zielformulierung nicht nur im top-down-Prinzip, sondern ebenso von unten nach oben. Diese Mischform aus top-down-Prinzip und bottom-up-Prinzip wird als Gegenstromverfahren bezeichnet. Dies hat den Vorteil, dass auch die Zielvorstellungen der unteren Ebenen in die Zielformulierung eingehen.[7]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Unterschied Top-down und Gegenstromverfahren
Quelle: Stroebe/Stroebe 2003, S. 24
Für die Formulierung der Individualziele entspricht die folgende Vorgehensweise dem Grundgedanken der Partizipation. Die Führungskraft und der Mitarbeiter beschreiben unabhängig voneinander ihre Zielvorstellungen. Im Zielvereinbarungsgespräch werden diese ausgetauscht, verhandelt und die Ziele anschließend gemeinsam festgelegt (Breisig 2003, S. 212). Voraussetzung ist, dass die Unternehmensziele sowie die Bereichs- und Abteilungsziele beiden Gesprächspartnern bekannt sind (Kunz 2001, S. 122). Die vereinbarten Ziele gelten für eine festgelegte Dauer und werden schriftlich festgehalten. Um Abweichungen von der Zielerreichung festzustellen, ist es sinnvoll, vor Ablauf der Zielvereinbarungsperiode Zwischengespräche zu führen.
Am Ende einer Zielvereinbarungsperiode findet das Zielerreichungsgespräch statt, bei dem eine Erfolgsanalyse in Form eines Soll–Ist–Vergleichs durchgeführt wird. In der Praxis finden das Zielerreichungsgespräch und das Zielvereinbarungsgespräch meist im Jahres-gespräch statt. Das Gespräch gliedert sich dann in einen Rückblick auf die erreichten Ergebnisse (Zielerreichung) und in einen Ausblick auf die nächste Periode (Zielvereinbarung).
2.2.1 Besonderheiten bei der Zielformulierung
Um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sollte die Anzahl der vereinbarten Ziele überschaubar sein.[8] Für den Erfolg eines Zielvereinbarungssystems gibt es Anforderungen an die Formulierung der Ziele. Eine Möglichkeit ist dabei, diese nach dem SMART–Prinzip zu formulieren (Eyer/Haussmann 2003, S. 34ff.).[9]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Demnach muss ein Ziel eindeutig und exakt formuliert sein (specific). Der Grad der Zielerreichung sollte anhand von definierten Kriterien messbar sein (measurable).
Das Ziel muss innerhalb der vereinbarten Periode mit den vorhandenen Möglichkeiten und Mitteln erreichbar sein (achievable). Ziele dürfen keine Überforderung für den Mitarbeiter darstellen, sollten aber herausfordernd sein (realistic). Schließlich sollten sie auf einen festgelegten Zeitraum bezogen sein und einen Anfangs- und Endtermin haben (timely). (Eyer/Haussmann 2003, S. 34ff.) So könnten beispielsweise mit dem Vertriebsmitarbeiter einer Bank folgende Ziele vereinbart werden: Vermittlung von drei Spezialfonds oder Ertragssteigerung im Passivgeschäft um 10%. Mit dem Mitarbeiter des Backoffice der Bank könnte z.B. vereinbart werden, dass 85% der eingegangenen Kontoführungsfälle am gleichen Tag abschließend bearbeitet werden sollen.
Es können quantitative und qualitative Ziele vereinbart werden. Für quantitative Ziele lassen sich leicht messbare und objektiv nachvollziehbare Ergebnisse definieren. Quantitative Ziele können z.B. die Steigerung des Umsatzes oder die Senkung von Kosten sein. Qualitative Ziele sind häufig weniger objektiv messbar und nachvollziehbar, da sie sich auf das Arbeitsverhalten beziehen (z.B. Qualifikationsziele). Die folgende Abbildung zeigt eine mögliche Unterscheidung von Zielen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Zielarten
Quelle: in Anlehnung an Wildenmann 2002, S. 63ff.
Des Weiteren wird zwischen Individualzielen und Gruppenzielen unterschieden. Bei einem Individualziel verfolgt ein einzelner Mitarbeiter ein spezifisches Ziel, die Ergebnis-verantwortung liegt beim jeweiligen Mitarbeiter. Bei einem Gruppenziel verfolgt eine Gruppe von Mitarbeitern dieses gemeinsam, die Ergebnisverantwortung liegt bei der gesamten Gruppe. Jedes Gruppenmitglied hat Erfolg und Nichterfolg mitzuverantworten. Gruppenziele haben dabei den Vorteil, dass ein geringerer Leistungsdruck auf den einzelnen Mitarbeitern lastet. Der nachteilige Effekt von Individualzielen, dass sich nämlich primär auf die eigenen Ziele konzentriert wird, entfällt ebenfalls. Zielvereinbarungen mit Gruppen sind daher besonders sinnvoll, wenn bei der Zielbildung Abgrenzungsprobleme zu den Zielen andere Mitarbeiter bestehen. Die Risiken von Individualzielen werden an anderer Stelle noch genauer betrachtet.
2.2.2 Zielvereinbarungsgespräch
Der Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist ein wichtiger und erfolgskritischer Faktor bei der Steuerung des Unternehmens über Zielvereinbarungen (Eyer/Haussmann 2003, S. 43). Das Zielvereinbarungsgespräch findet meist einmal im Jahr statt und kann zwischen 15 bis 60 Minuten dauern. In der Literatur ist man sich darüber einig, dass der Vorbereitung des Gespräches erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte und die Gesprächsführung einer hohen Kompetenz der Führungskraft bedarf.[10] Es ist daher notwendig, die Führungskräfte, die Zielvereinbarungsgespräche führen müssen, in diese Richtung zu qualifizieren (Eyer/Haussmann 2003, S. 123). Das Zielvereinbarungsgespräch setzt zudem ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter voraus. Im Mittelpunkt des Gespräches sollte „der gemeinsame Wille zur Vereinbarung realistischer und herausfordernder Ziele stehen“ (Havranek/Niedl 1999, S. 131f.).
2.2.3 Zielerreichungsgespräch
Der Abgleich zwischen den vereinbarten und den erreichten Zielen findet im Ziel-erreichungsgespräch statt. Der Zielerreichungsgrad legt fest, in welchem Ausmaß die Ziele erreicht wurden und kann als „Maßzahl für die Erreichung oder Nicht-Erreichung der Ziele“ definiert werden (Wildenmann 2002, S. 72). Er kann dabei in den Abstufungen weit übertroffen, übertroffen, voll erreicht (100%), nicht ganz erreicht und nicht erreicht festgestellt werden (Havranek/Niedl 1999, S. 206). In der Praxis werden am häufigsten solche vier- bis fünfstufigen Skalen verwendet (Eyer/Haussmann 2003, S. 38).[11]
Das Zielerreichungsgespräch sollte neben der Betrachtung der erreichten Ziele auch eine Bewertung der Kompetenzen vorsehen. Wichtig ist, dass in diesem Rahmen auch die Ursachen für nicht erreichte Ziele geklärt und Absprachen über die Weiterentwicklung des Mitarbeiters getroffen werden (Lurse/Stockhausen 2002, S. 8).
Die Konsequenzen der Zielerreichung bzw. deren Nichterreichung sind davon abhängig, ob die Zielvereinbarungen an ein variables Vergütungssystem gekoppelt sind. Handelt es sich um ein reines Führungsinstrument, können die Konsequenz Förderungs- und Entwicklungsmaßnahmen sein. Bei Zielvereinbarungen mit Bezug zur Vergütung wird sich die Zielerreichung bzw. deren Nichterreichung zusätzlich auf die Höhe des variablen Anteils der Vergütung auswirken.[12]
2.3 Zielvereinbarungen aus Sicht des Unternehmens
Mit der Einführung eines Zielvereinbarungssystems versprechen sich Unternehmen viele Vorteile. Die Erwartungen beziehen sich vor allem auf die Gesamteffizienz des Unternehmens. Kohnke fasst diese unternehmensbezogenen Aspekte in die Kategorien Verbesserung der Produktivität, Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit, Grundlage für Verbesserungsaktivitäten, Bündelung der Kräfte, Orientierung und Erfolgskontrolle zusammen (Kohnke 2000, S. 172). Die Unternehmensstrategie soll durch das Herunterbrechen der Unternehmensziele konsequent umgesetzt werden und eine breite Akzeptanz bei den Mitarbeitern finden.
2.4 Zielvereinbarungen aus Sicht des Mitarbeiters
Der Nutzen für die Mitarbeiter eines Unternehmens, das mit Zielvereinbarungen arbeitet, liegt in der besseren Orientierung über die Ziele des Unternehmens und des eigenen Bereiches. Zielvereinbarungen wird zugesprochen, dass sie die Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Mitarbeiter erhöhen und mehr Transparenz über die gegenseitigen Erwartungen schaffen. Das Feedback und die Beurteilung erfolgen auf einer nachvollziehbaren Basis und es wird mehr auf die persönliche Entwicklungsziele der Mitarbeiter eingegangen. (Wildenmann 2002, S. 33) Weitere mitarbeiterbezogene Aspekte sind die Erhöhung der Motivation der Mitarbeiter und deren Identifikation mit den Unternehmenszielen. Beides soll das unternehmerische Denken und Handeln der Mitarbeiter fördern. Durch Zielvereinbarungen soll mehr Selbstständigkeit der Mitarbeiter erreicht werden, da sich die Führungskraft mehr auf das Ergebnis[13] als auf den Weg zur Ergebniserzielung konzentriert. (Kohnke 2000, S. 172)
Die vorgenannten Ausführungen zeigen, dass sich Unternehmen viel für die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit von Zielvereinbarungen versprechen. Für die Mitarbeiter wird von Zielvereinbarungen ein deutlicher Motivationsschub und eine höhere Identifikation mit den Zielen des Unternehmens erwartet. Da auf die Chancen und Risiken, die sich aus der Anwendung von Zielvereinbarungen ergeben in den folgenden Abschnitten noch genauer eingegangen wird, erfolgte an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick auf die erhofften Vorteile. Dabei wurde an verschiedenen Stellen auf die Motivationswirkung von Zielvereinbarungen eingegangen. Es ist daher sinnvoll, sich mit Motivation als solches und deren Theorien näher in einem eigenen Abschnitt zu befassen.
3 Motivation – Theoretische Grundlagen
Wohl kaum ein anderes Thema der Personalführung findet soviel Interesse und Beachtung wie der Bereich der Motivation von Mitarbeitern. Forscher und Unternehmen sind gleichermaßen daran interessiert herauszufinden, was Menschen dazu bewegt, Energie in ihre Arbeit zu stecken, sie mit Interesse und Einsatz anzugehen bzw. überhaupt eine Arbeit aufzunehmen (Weinert 2004, S. 188). Die Frage für ein Unternehmen lautet daher: Wie kann die Motivation der Mitarbeiter entwickelt und gefördert werden? Es geht ferner darum, demotivierte Mitarbeiter, die vielleicht schon innerlich gekündigt haben, wieder zu motivieren.[14]
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Mitarbeiter bestimmte Motive hinsichtlich der Arbeit haben. Diesbezüglich wird in diesem Abschnitt zunächst der Begriff Motivation definiert. Es wird zwischen extrinsischer und intrinsischer Arbeitsmotivation unterschieden und die Prozess- und Inhaltstheorien der Motivation, die für Ziel-vereinbarungen und Vergütung relevant sind, vorgestellt. Die Zielsetzungstheorie wird aufgrund ihrer motivationstheoretischen Grundlage für Zielvereinbarungen einbezogen.
3.1 Definition
Als Motiv wird eine relativ stabile angeborene oder erworbene Persönlichkeitseigenschaft bezeichnet, die bei jedem Einzelnen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Die wichtigsten menschlichen Motive sind das Leistungsmotiv, das Machtmotiv und das Anschlussmotiv. Das Leistungsmotiv ist das Bedürfnis, die eigene Leistung an Maßstäben zu messen, das Machtmotiv das Bedürfnis, Einfluss auszuüben und das Anschlussmotiv das Bedürfnis nach sozialen Beziehungen. Das Motiv eines Menschen wird durch entsprechende Anreize in der Umwelt angesprochen, welche dazu führen, den Anreiz zu suchen oder zu meiden. (Weinert 2004, S. 187) Die Bedürfnisse sind den Motiven vorgelagert. Sie stehen für ein Mangelgefühl und versetzen den Einzelnen in Handlungsbereitschaft. (Erfort 1998, S. 20)
Die Motivierungspotenziale der Arbeit variieren von Tätigkeit zu Tätigkeit und sind unter-schiedlich stark ausgeprägt. Arbeitsmotivation entsteht aus dem Zusammenwirken von persönlichen Motiven und den Motivierungspotenzialen der Arbeit. (Rudow 1999, S. 32) Die Arbeitsmotivation setzt sich aus der Richtung, der Intensität und der Ausdauer des Arbeitsverhaltens zusammen. Wobei die Richtung für die Auswahl einer Tätigkeit unter mehreren möglichen steht. Die Intensität ist die Anstrengung, mit der eine Person eine bestimmte Tätigkeit ausübt. Ausdauer steht in diesem Zusammenhang dafür, wie beständig die Tätigkeit ausgeübt wird. (Rudow 1999, S. 31f.)
Grundsätzlich ist zwischen intrinsischer und extrinsischer Arbeitsmotivation zu unterschieden. Die Motivation, eine Tätigkeit um ihrer selbst willen auszuüben, wird als intrinsisch bezeichnet. Die Person handelt aus ihrem eigenen Antrieb. Diese Motivationsform bezieht sich auf Arbeitsaufgaben, welche in ihrer Gesamtheit den Inhalt der Arbeit ausmachen. Intrinsisch motivierende Arbeitsmerkmale können der wahr-genommene Sinn der Arbeitsaufgabe, die Abwechslung in der Arbeitstätigkeit, die Selbstständigkeit bei der Erfüllung der Aufgaben, die Möglichkeiten des sozialen Austausches und die Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Tätigkeit sein (Rudow 1999, S. 32f.). Bei der extrinsischen Motivation ist der Mensch überwiegend durch äußere Anreize gesteuert. Extrinsisch motivierende Arbeitsbedingungen sind das Grundgehalt, monetäre Anreizsysteme (z.B. Prämien), Anerkennungen (z.B. Lob), flexible Arbeitszeiten, das Unternehmensimage und die sozialen Leistungen. (Rudow 1999, S. 33f.)
3.2 Motivationstheorien
Dem Thema Motivation hat man sich wissenschaftlich auf verschiedenste Weise genähert. Dementsprechend existieren heute eine Vielzahl von Theorien der Motivation, die teilweise miteinander konkurrieren. Die Motivationstheorien sind grundsätzlich in Inhalts- und Prozesstheorien einzuteilen. Inhaltstheorien erklären, welche Faktoren den Menschen zur Arbeit motivieren, während Prozesstheorien aufführen, wie Arbeitsverhalten entsteht und beendet wird.
3.2.1 Inhaltstheorien der Motivation
Die Inhaltstheorien der Motivation beschreiben das, was in einem Menschen oder seiner Umwelt Verhalten erzeugt und erhält. Sie beschäftigen sich mit der Art, dem Inhalt und der Wirkung der Bedürfnisse und Motive von Menschen. (Erfort 1998, S. 28) Die Bedürfnisse des Menschen werden nach Wichtigkeit geordnet und es wird erklärt, nach welchen Gesetzmäßigkeiten Motive das Verhalten bestimmen. Die folgenden Inhaltstheorien werden hinsichtlich ihrer Aussagen zur Motivationswirkung von Zielvereinbarungen und Vergütung vorgestellt.
3.2.1.1 Bedürfnishierarchie von Maslow
Mit der Bedürfnishierarchie nimmt Maslow an, dass Menschen verschiedene Grundbedürfnisse haben, die in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen. Die grundlegenden Bedürfnisse werden dabei zuerst wirksam. Die hierarchisch darüber liegenden Bedürfnisse werden erst bedeutsam, wenn die darunter liegenden befriedigt sind. Zunächst sind physiologische Bedürfnisse, anschließend Sicherheitsbedürfnisse, die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Wertschätzungsbedürfnisse und letztlich Selbstver-wirklichungsbedürfnisse zu befriedigen. Auf das Arbeitsleben angewandt, dient die Vergütung nach dieser Theorie der Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse und der Sicherheitsbedürfnisse und kann bis zu einem bestimmten Punkt motivieren. (Havranek/Niedl 1999, S. 73f.) Das Vereinbaren von Zielen wiederum kann dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zugeordnet werden, indem es dem Mitarbeiter die Möglichkeit eröffnet, sich selbst zu entfalten. Wenn der Mitarbeiter im Zielvereinbarungsprozess an der Formulierung der Ziele partizipiert, dann wird diesem Bedürfnis entsprochen. (Siegert 1995, S. 185)
3.2.1.2 ERG-Theorie von Alderfer
Die Theorie von Alderfer kann als Weiterentwicklung der Bedürfnishierarchie von Maslow angesehen werden. Alderfer unterscheidet nur noch 3 Klassen von Bedürfnissen, von denen sich der Name ERG-Theorie ableitet: „Existence“ steht für Existenzbedürfnisse, „Relatedness“ für Beziehungsbedürfnisse und „Growth“ für Wachstumsbedürfnisse. Im Gegensatz zu Maslow geht Alderfer davon aus, dass bei der Nichtbefriedigung eines Bedürfnisses auch niedrigere Bedürfnisklassen, bei denen die Befriedigung leichter zu erreichen ist, wieder wichtig werden.
Sind die Existenzbedürfnisse gesichert, gewinnen Beziehungsbedürfnisse an Bedeutung. Werden die Beziehungsbedürfnisse befriedigt, sucht der Mensch nach Wachstum und Selbsterfüllung. Kommt es zur Nichterfüllung eines Bedürfnisses auf einer Ebene, entsteht Unzufriedenheit und Frustration. Auf das Arbeitsleben bezogen, kann die Vergütung der Arbeitsleistung den Existenzbedürfnissen zugeordnet werden. Die Vergütung dient in diesem Sinne der Existenzsicherung. Ist dieses Bedürfnis weitgehend befriedigt, werden Bedürfnisse wie die Suche nach Miteinander und Anerkennung wichtig (Beziehungs-bedürfnisse). Gestaltungs- und Handlungsspielräume und Eigenverantwortung bei der Arbeit können dem Bedürfnis nach Wachstum zugeordnet werden. Der Sinn der Arbeit gewinnt auf dieser Ebene an Bedeutung. Zielvereinbarungen können dies erreichen, indem sie dem Mitarbeiter den eigenen Beitrag bei der Erreichung der Unternehmensziele aufzeigen und ihm mehr Freiräume bei der Ausführung der Arbeit geben.[15]
3.2.1.3 Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
Die Zwei–Faktoren–Theorie von Herzberg geht davon aus, dass es Faktoren gibt, die Arbeitszufriedenheit hervorrufen und solche, die zu Unzufriedenheit mit der Arbeit führen. Die Faktoren, die die Zufriedenheit unbegrenzt erhöhen können, werden „Motivatoren“ genannt. Bei den Faktoren, die Arbeitsunzufriedenheit abbauen bzw. verhindern können, dabei aber keine Zufriedenheit herstellen, handelt es sich um „Hygienefaktoren“.
Zu den „Motivatoren“ gehören nach Herzberg der Leistungserfolg, die Anerkennung der Leistung, die Arbeit an sich, die Verantwortung, das Vorwärtskommen und die Entwicklung. Herzbergs „Hygienefaktoren“ sind die Unternehmenspolitik und interne Organisation, die Überwachung, das Betriebsklima, die Arbeitsbedingungen, die Bezahlung, der Status und die Sicherheit. (Herzberg 1994, S. 10)
Herzberg ist bei seinen empirischen Untersuchungen zu der Erkenntnis gelangt, dass der Leistungserfolg der stärkste „Motivator“ eines Menschen ist. Erfolgserlebnisse aus erreichten Zielen können den Mitarbeiter demnach motivieren. (Siegert 1995, S. 183ff.) Für die Vergütung ist herauszustellen, dass Herzberg diese lediglich als einen „Hygienefaktor“ einordnet und damit auf ihre begrenzte Motivationswirkung hinweist:
Denn Geld, Sozialleistungen und Bequemlichkeiten aller Art sind lediglich „Hygiene“–Faktoren, die Arbeitsunzufriedenheit hervorrufen, wenn sie fehlen, die aber nicht dafür sorgen, daß Menschen innerlich Auftrieb bekommen und an ihrer Arbeit Spaß finden. Was diesen Auftrieb bewirkt, ist die Anerkennung von Leistung, ist der Stolz auf gute Arbeit, größere Verantwortung, berufliches Fortkommen und die Chance zu persönlicher Entfaltung. (Herzberg 1994, S. 7)
3.2.2 Prozesstheorien der Motivation
Prozesstheorien versuchen zu verdeutlichen, wie Motivation losgelöst von Bedürfnis-inhalten entsteht und sich auf das Verhalten auswirkt. Sie erklären die Entstehung, Lenkung, Erhaltung und Beeinträchtigung der Motivation und versuchen, deren Wirkung auf das Verhalten zu beschreiben. (Erfort 1998, S. 32) Die folgenden Prozesstheorien werden analog der Inhaltstheorien auf ihre Aussagen zu Zielvereinbarungen und Vergütung geprüft.
3.2.2.1 Gleichgewichtstheorie von Adams
Mit der Gleichgewichtstheorie nimmt Adams an, dass Mitarbeiter danach streben, dass die Belohnungen für ihre Leistung den wahrgenommenen Belohnungen bei anderen Mitarbeitern entsprechen. Wird dies so empfunden, befindet sich der Mitarbeiter im sozialen Gleichgewicht. Eine Störung dieses Gleichgewichtes tritt auf, wenn der Mitarbeiter das Gefühl einer Unter- oder Überbezahlung hat. Dies regt eine Motivation an, die darauf abzielt das Gleichgewicht (wieder) herzustellen. Für die Vergütung ergibt sich aus dieser Theorie, dass das Gefühl der ungerechten Verteilung der Vergütung im Unternehmen zu vermeiden ist. Transparenz und Gerechtigkeit spielen demnach bei der Ausgestaltung eines Vergütungssystems eine wichtige Rolle. Die Schwierigkeiten, die sich aus einem Ungleichgewicht bei der Vergütung ergeben, werden in den folgenden Abschnitten näher betrachtet.
3.2.2.2 Anreiz-Beitrags-Theorie von March und Simon
Nach dem Ansatz von March und Simon sollte zwischen den Beiträgen des Mitarbeiters und den Anreizen, die ein Unternehmen zur Verfügung stellt, ein Gleichgewicht bestehen. Ein empfundener Gleichgewichtszustand ist erreicht, wenn die Anreize größer oder zumindest gleich groß sind wie die vom Mitarbeiter geleisteten Beiträge. Die Anreiz-Beitrags-Theorie kann wie eine Bilanz verstanden werden: Der Mitarbeiter stellt Beiträge in verschiedenster Form zur Verfügung, z.B. durch Verzicht auf Freizeit, durch Kreativität, durch Konfliktbewältigung und durch den Arbeitseinsatz an sich. Die andere Seite der Bilanz sind die Erträge aus Sicht des Mitarbeiters, also die Leistungsanreize (z.B. Vergütung, Prämien, persönliche Anerkennung) des Unternehmens. Ist die Bilanz für den Mitarbeiter ausgeglichen bzw. zu seinen Gunsten erhöht, entscheidet er sich zu weiteren Leistungsbeiträgen auf dem gleichen oder einem höheren Niveau. Ist die Bilanz für den Mitarbeiter negativ – er nimmt subjektiv wahr, dass seine Beiträge über den vom Unternehmen geleisteten Anreizen liegen – reduziert er seine Leistungsbeiträge so lange, bis das Gleichgewicht (wieder) hergestellt ist. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass die Einschätzung der vom Unternehmen angebotenen Leistungen subjektiv ist. Für die Vergütung ist herauszustellen, dass der Mitarbeiter für seine erbrachten Leistungen (Beiträge) auch entsprechende Erträge (Anreize) erwartet. (Havranek/Niedl 1999, S. 79ff.) Wird diesem Gedanken bei der Ausgestaltung eines Vergütungssystems nicht entsprochen, kann es zu Akzeptanzproblemen bei den Mitarbeitern kommen.
3.2.2.3 VIE-Theorie von Vroom
Eine der wichtigsten Prozesstheorien ist die VIE-Theorie von Vroom, deren Name aus den Komponenten Valenz, Instrumentalität und Erwartung zusammengesetzt ist. Sie gibt ebenfalls Aufschluss über die persönlichen Bedürfnisse eines Mitarbeiters in Verbindung mit den Arbeitsbedingungen. Diese Theorie nimmt an, dass der Mitarbeiter die Möglichkeit, die den eigenen Nutzen maximiert, wählt. Dabei stehen für ihn die Ergebnisse seiner Handlungen im Vordergrund. Das Ergebnis muss für den Mitarbeiter attraktiv (Valenz) und die Wahrscheinlichkeit (Erwartung) groß sein, dass die Leistung erbracht werden kann. Der erbrachten Leistung muss die entsprechende Belohnung folgen (Instrumentalität). Für Zielvereinbarungen und Vergütung sagt diese Theorie aus, dass bei unrealistischer Zielerreichung die Motivation gering sein kann, selbst wenn das Ergebnis als attraktiv angesehen wird (z.B. hohe Vergütung). Umgekehrt kann die Motivation gering sein, wenn es wahrscheinlich ist ein Ziel zu erreichen, diese Leistung aber nicht zu einem attraktiven Ergebnis führt. (Havranek/Niedl 1999, S. 76) Es kann festgehalten werden, dass den Mitarbeitern materielle Anreize angeboten werden müssen, durch die sie in der Lage sind, ihre individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Das Vergütungssystem sollte demnach die Leistungen der Mitarbeiter angemessen anerkennen. (Erfort 1998, S. 37)
3.2.2.4 Zieltheorie von Locke und Latham
Bei der Zieltheorie handelt es sich um eine Prozesstheorie, die sich speziell mit Zielen und deren Wirkung auf die Motivation beschäftigt.[16] Locke und Latham stellen dabei Ziele als einen entscheidenden Faktor für die Motivation der Mitarbeiter heraus. Nach ihrer Theorie können Ziele die Leistung beeinflussen, wenn der Mitarbeiter diese akzeptiert und sich mit ihnen identifizieren kann. Sie beschäftigen sich außerdem mit der Frage wie der Zielprozess gestaltet werden muss, um eine optimale Wirkung auf die Leistung zu haben.
Innerhalb der Zieltheorie ist die Erkenntnis entscheidend, dass ein Ziel auf den Mitarbeiter eine Art Sogwirkung ausübt und ihn veranlasst, jede Unterbrechung oder Störung abzuwehren, bis das Ziel erreicht ist. Ziele führen zu Spannungen, die wiederum durch intensive Bewegung auf das Ziel hin reduziert werden können. Vereinfacht lassen sich die Zusammenhänge der Zieltheorie so darstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Zieltheorie von Locke
Quelle: Bullinger/Lott 1997, S. 123
[...]
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit auf geschlechtsspezifische Doppelnennungen verzichtet.
[2] Zahlreiche Publikationen in Zeitschriften für das Personalwesen spiegeln diesen Aspekt wider. Hier geht es vor allem darum, wie Zielvereinbarungs- und variable Vergütungssysteme gestaltet werden können, um optimal zu wirken. Um nur einige zu nennen:
Day, Heike: Führen nach Zahlen. In: Personalwirtschaft, Heft 3/2006, S. 29-32.
Femppel, Kurt: Mit Variablen zum Erfolg. In: Personal, Heft 12/2006, S. 48-49.
Hören, Martin/Frey-Hilsenbeck, Michaela: Einführung eines Zielvereinbarungs- und Bonussystems. Qualitätsscheck von Zielen sichert Akzeptanz. In: Personalführung, Heft 5/2006, S. 44-51.
Kunz, Gunnar: Zielvereinbarung. Den Dialog mit den Mitarbeitern fördern. In: Bankmagazin, Heft 8/2006, S. 46-47.
[3] In der deutschen Ausgabe von Odiorne (1967) heißt es im Untertitel „Führung durch Vorgabe von Zielen“.
[4] Partizipation ist die Möglichkeit der Mitarbeiter zur mitwirkenden Teilnahme an Entscheidungsprozessen im Unternehmen (Holtbrügge 2004, S. 172).
[5] Für die Bestimmung einer variablen Vergütungskomponente auf Grundlage von Zielvereinbarungen vgl. auch Gliederungsabschnitt 4.1.
[6] Ein Zielkonflikt in einer Bank kann z.B. zwischen Vertrieb und Controlling bestehen. Die Vertriebs-abteilung verfolgt z.B. das Ziel intensive Kundenbetreuung, während die Abteilung Controlling die Reduzierung der Vertriebskosten zum Ziel hat.
[7] Die Nachteile des einseitigen Vorgehens nach dem top-down-Prinzip wie es auch bei Postbank Anwendung findet, werden in den folgenden Abschnitten genauer beschrieben.
[8] Die Postbank hat sich hier auf eine Zahl zwischen drei und fünf festgelegt. Vgl. dazu auch Gliederungsabschnitt 6.2.
[9] Das SMART-Prinzip wird auch bei Breisig (2003, S. 216), Meier (2001, S. 71), Stroebe und Stroebe (2003, S. 13) und Wildenmann (2002, S. 85) beschrieben. Da auch bei der Postbank die Ziele nach diesem Prinzip formuliert werden, wird auf die Beschreibung anderer Formulierungsprinzipien an dieser Stelle verzichtet.
[10] Vgl. auch Lurse/Stockhausen 2002, S. 11; Eyer/Haussmann 2003, S.43 ff.; Knebel 2005, S. 104 ff.; Kunz 2001, S. 122 ff.; Bay 1994, S. 107.
[11] Die Postbank hat sich in diesem Bereich für eine fünfstufige Skala entschieden. Vgl. dazu auch Gliederungsabschnitt 6.2.
[12] Zum Thema variable Vergütung vgl. auch Gliederungsabschnitt 4.1.
[13] Dies entspricht dem dargestellten Wechsel von der Aufgaben- zur Ergebnisorientierung. Vgl. dazu auch Gliederungsabschnitt 2.1.
[14] Demotivation kann als Zustand beeinträchtigter bzw. zerstörter Motivation definiert werden. Die Remotivierung demotivierter Mitarbeiter bzw. die Vermeidung von Demotivation ist ebenso wichtig wie die Motivation von Mitarbeitern und wird in der unternehmerischen Praxis nicht selten vernachlässigt. (Wunderer 2000, S. 243)
[15] Hier kommt das mit Zielvereinbarungen einhergehende Empowerment der Mitarbeiter zum Tragen. Die Erhöhung des Handlungsspielraums der Mitarbeiter ist hier das entscheidende Merkmal (Weibler 2001, S. 468). Die Aspekte mehr Freiraum und Eigenverantwortung sind Bestandteil des Zielvereinbarungskonzeptes der Postbank. Vgl. dazu auch Gliederungsabschnitt 6.4.
[16] Nicht zuletzt ist das Führungskonzept MbO auf diese motivationstheoretische Basis zurückzuführen und speist seine Ausgestaltung auf die Erkenntnisse dieser Theorie.
- Quote paper
- Anja Lubos (Author), 2007, Zielvereinbarungen als Bestandteil eines variablen Vergütungssystems im Bankengewerbe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89088
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