Bereits der deutsche Germanist und Lyriker August Heinrich Hoffmann von Fallersleben erkannte die Notwendigkeit eines ökologischen Bewusstseins, denn die Natur braucht den Menschen nicht, aber der Mensch braucht die Natur zum Überleben. Unser Verantwortungsgefühl sollte sowohl auf die Gegenwart als auch auf zukünftige Generationen gerichtet sein. Dazu gehört vor allem ein umweltbewusstes Verhalten, damit die Natur erhalten bleibt und nicht von Menschenhand zerstört wird. Nicht nur aktuelle Pressemitteilungen, wie zum Beispiel der „Uno-Klimarat: Menschheit muss Trendwende bis 2020 schaffen“, verweisen auf diese wachsenden globalen Konflikte, sondern auch literarische Texte beschreiben den Eingriff des Menschen in die Natur. Die so genannte ökologisch orientierte Literaturwissenschaft, ‚ecocriticism’, hat „sich an amerikanischen Universitäten seit Anfang der 1990er Jahre etabliert“2, denn literarische Texte verschaffen dem Leser eine besondere Position, sich als verantwortliches Individuum zu erkennen und seine Pflichten gegenüber der Natur zu begreifen.
Zu Beginn der Arbeit werden Lawrence Buells Ausführungen zu „What is an environmental text?“ dargestellt, denn er bietet in The Environmental Imagination eine theoretische Grundlage für ‚ecocriticism’. Diese ist Ausgangspunkt für die Analyse von zwei Gedichten aus dem 18. Jahrhundert. Eine Interpretation von William Cowpers „The Poplar-Field“ wird die ersten Ansätze eines ökologischen Bewusstseins widerlegen, während sie bei Robert Burns’ „To a Mouse“ nachgewiesen werden. Themen wie Wechselspiel zwischen Individuum und Umwelt sowie Bedeutung und Konsequenz menschlichen Handelns stehen im Mittelpunkt.
Inhalt
1 Einleitung: Das Motiv ökologischen Bewusstseins in der Literatur
2 ‘ecocritical criteria’ – Zur Einordnung literarischer Texte
2.1 Lawrence Buell „What is an environmental text?“
3 Betrachtungen zu Mensch und Natur in Gedichten
3.1 William Cowper „The Poplar-Field“
3.1.1 Gedanklicher Aufbau und formale Gestaltung
3.1.2 Poetisierung ökologischen Bewusstseins?
3.2 Robert Burns „To a Mouse“
3.2.1 Gedanklicher Aufbau und formale Gestaltung
3.2.2 Poetisierung ökologischen Bewusstseins?
4 Vergleich beider Gedichte
4.1 Gemeinsamkeiten
4.2 Unterschiede
5 Zusammenfassung
5.1 Cowper und Burns im Kanon des ‚ecocriticism’?
6 Anhänge
6.1 Anhang 1: William Cowper „The Poplar-Field“
6.2 Anhang 2: Robert Burns „To a Mouse“
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung: Das Motiv ökologischen Bewusstseins in der Literatur
Es gibt keinen schöneren Tempel, wo man die Opfer seines Dankes darbringt, als die freie Natur. Und es gibt kein größeres Frevlertum, als sich an ihr zu versündigen.[1]
Bereits der deutsche Germanist und Lyriker August Heinrich Hoffmann von Fallersleben erkannte die Notwendigkeit eines ökologischen Bewusstseins, denn die Natur braucht den Menschen nicht, aber der Mensch braucht die Natur zum Überleben. Unser Verantwortungsgefühl sollte sowohl auf die Gegenwart als auch auf zukünftige Generationen gerichtet sein. Dazu gehört vor allem ein umweltbewusstes Verhalten, damit die Natur erhalten bleibt und nicht von Menschenhand zerstört wird. Nicht nur aktuelle Pressemitteilungen, wie zum Beispiel der „Uno-Klimarat: Menschheit muss Trendwende bis 2020 schaffen“[2], verweisen auf diese wachsenden globalen Konflikte, sondern auch literarische Texte beschreiben den Eingriff des Menschen in die Natur. Die so genannte ökologisch orientierte Literaturwissenschaft, ‚ecocriticism’, hat „sich an amerikanischen Universitäten seit Anfang der 1990er Jahre etabliert“[3], denn literarische Texte verschaffen dem Leser eine besondere Position, sich als verantwortliches Individuum zu erkennen und seine Pflichten gegenüber der Natur zu begreifen.
Zu Beginn der Arbeit werden Lawrence Buells Ausführungen zu „What is an environmental text?“ dargestellt, denn er bietet in The Environmental Imagination eine theoretische Grundlage für ‚ecocriticism’. Diese ist Ausgangspunkt für die Analyse von zwei Gedichten aus dem 18. Jahrhundert. Eine Interpretation von William Cowpers „The Poplar-Field“ wird die ersten Ansätze eines ökologischen Bewusstseins widerlegen, während sie bei Robert Burns’ „To a Mouse“ nachgewiesen werden. Themen wie Wechselspiel zwischen Individuum und Umwelt sowie Bedeutung und Konsequenz menschlichen Handelns stehen im Mittelpunkt.
2 ‘ecocritical criteria’ – Zur Einordnung literarischer Texte
Im Zeitalter wachsender globaler Konflikte um schwindende Energieressourcen, Klimaveränderung und Umweltzerstörung muss das Verhältnis zwischen Mensch und Natur unter anderem auch in geisteswissenschaftlichen Überlegungen diskutiert werden. Die appellative Kraft literarischer Texte kann das ökologische Bewusstsein der Leser fördern, zu einem neuen Denken anregen, um „Lehren aus den Fehlern (...) [zu ziehen], welche die Menschheit in die gegenwärtige Umweltkrise geführt haben“[4]. Dies ist das Ziel der ökologisch orientierten Literaturwissenschaft. In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage: Welche Maßstäbe muss ein literarischer Text erfüllen, um in den Kanon der ‚ecocriticism’ aufgenommen zu werden?
2.1 Lawrence Buell „What is an environmental text?“
Der amerikanische Literaturprofessor Lawrence Buell stellt in der Einleitung zu seinem Werk The Environmental Imagination konzeptuelle Grundlagen eines ‚environmental text’ zusammen. Er diagnostiziert die folgenden vier wesentlichen Betrachtungsweisen, die Antwort auf die Frage ‚What is an environmental text?’ geben:
1. Die menschliche und natürliche Geschichte sind miteinander verknüpft. Die nichtmenschliche Umwelt wird nicht bloß als Rahmenbedingung menschlichen Daseins dargestellt, sondern es besteht ein Verhältnis zwischen Mensch und Natur.
2. Menschliche Interessen werden denen der Natur nicht übergeordnet.
3. Der ethische Wert des Textes beinhaltet das menschliche Verantwortungsbewusstsein bezüglich seiner Umwelt.
4. Die Umwelt ist nicht als eine Konstante angegeben, sondern als ein Prozess.[5]
Buell selbst warnt in seinem Werk vor zu allgemein formulierten ‚ecocritical criteria’, die unzählige literarische Texte in den Bereich ‚ecocriticism’ implizieren, sowie vor zu eingrenzenden Kriterien, die eine überaus große Anzahl ausschließen. Dennoch schlägt er die oben genannten Aspekte vor – einer der bedeutendsten Versuche, eine tragfähige
theoretische Grundlage für die ökologisch orientierte Literaturwissenschaft zu schaffen: „[...] a work that is likely to become a landmark in the field of ecocriticism“[6].
3 Betrachtungen zu Mensch und Natur in Gedichten
3.1 William Cowper „The Poplar-Field“
In William Cowpers Gedicht „The Poplar-Field“ ist, wie der Titel bereits verrät, eine Pappellandschaft Mittelpunkt der Betrachtungen. Das lyrische Ich kehrt an diesen für ihn bedeutenden Ort der Vergangenheit zurück und stellt fest, dass er verändert, zerstört ist. Die Natur, deren Schönheit er einst bewunderte, ist vernichtet. Dieser Verlust regt das lyrische Ich zum Nachdenken über die Vergänglichkeit des irdischen Daseins an.
Die erste Version des Gedichts wurde 1785 im The Gentleman’s Magazine veröffentlicht.[7]
3.1.1 Gedanklicher Aufbau und formale Gestaltung
„The Poplar-Field“ besteht aus fünf Strophen mit je vier Verszeilen. Es reimen sich jeweils die Verse eins und zwei, drei und vier, sodass ein Paarreim (aabb) vorliegt.
Inhaltlich ist das Gedicht in zwei Teile zu gliedern. Im ersten Abschnitt (Strophen 1-3) beschreibt das lyrische Ich die Eindrücke über die zerstörte Pappellandschaft und die triste Atmosphäre, die dadurch entsteht. Am Ende (Strophe 4/5) stellt das lyrische Ich fest, dass die Vernichtung der Natur zur Vergänglichkeit des irdischen Seins führt.
Die erste Strophe dient als Einleitung, da sie die lyrische Grundsituation des Gedichts prägt: „The poplars are felled“ (Z.1). Durch den Gebrauch des Präsens Passivs nimmt die Landschaft die zentrale Rolle ein. Die verwendete Passivform stellt die Handlung in den Vordergrund und verdeutlicht die gegenwärtige Lage in der sich die Pappellandschaft befindet. Das lyrische Ich bleibt vorerst ungenannt. Statt dessen offenbart das Eingangsbild die tragende Idee des Gedichts: Das Abholzen bedeutet Abschied nehmen von dem Bild der Schönheit und den Eigenschaften, die sie charakterisierten: „farewell to the shade“ (Z.1), „and the whispering sound“ (Z.2), „The winds play no longer, and sing in the leaves“ (Z.3). Das fehlende Spiegelbild der Bäume im nahe liegenden Fluss ‚Ouse’ ergänzt diese Aufzählung. Die konkrete Ortsangabe hebt den Realitätsbezug hervor und bietet dem Leser die Möglichkeit, sich stärker mit dem lyrischen Ich und seiner Betrachtung zu identifizieren. Obwohl der gegenwärtige Zustand der Pappellandschaft leer und still dargestellt wird, kann sich der Leser die Schönheit der vergangenen Naturidylle visuell und akustisch vorstellen: „sound“ (Z.2), „play“, „sing“ (Z.3), „image“ (Z.4). Der Verlust einer vertrauten Umgebung wird durch die Alliteration sowie Konsonanz in „felled, farewell“ (Z.1) intensiviert.
Eine konkrete Zeitangabe („Twelve years“ Z.5) sowie die Verwendung des Plusquamperfekts („have elapsed“ Z.5) führen den Leser in die Vergangenheit. Das lyrische Ich tritt als Betrachter der Landschaft, seiner Lieblingslandschaft, in Erscheinung: „since I first took a view“ (Z.5) „Of my favourite field“ (Z.6). Die Alliteration von „favourite field“ betont die positive Bedeutung des Ortes für den Sprecher. Die schönen Erinnerungen des lyrischen Subjekts treffen allerdings auf die gegenwärtige Situation der Zerstörung. Der Beginn des siebenten Verses markiert diesen Gegensatz durch die Wörter „And now“. Der Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart wird durch ein Beispiel in Vers 8 verdeutlicht: „And the tree is my seat that once lent me a shade.“ Ein pflanzlicher Organismus ist zu einem leblosen Gegenstand geworden. Das lyrische Ich stellt hier den Bezug zur ersten Strophe her, indem Konsequenzen der Zerstörungen angeführt werden: Sind die Pappeln gefällt worden, spenden sie keinen Schatten mehr, denn „in the grass behold they are laid“ (Z.7). Vervollständigt man diese Gedankenkette, kommt man zu folgendem Schluss: Ohne Bäume gibt es keinen Schatten, ohne Schatten können sich weder Mensch noch Tier vor der Sonne schützen. Die Amsel, die Mittelpunkt des Geschehens in der dritten Strophe ist, braucht allerdings „a screen from the heat“ (Z.10). Der biologische Kreislauf wird durcheinander gebracht. Die Amsel ist gezwungen das schattenfreie Feld zu verlassen und einen neuen schützenden Lebensraum zu suchen: „The blackbird has fled to another retreat“ (Z.9). Das Abholzen ist demzufolge nicht nur ein Eingriff in die Pflanzen-, sondern auch in die Tierwelt. Diesen negativen Einfluss nimmt auch das lyrische Subjekt wahr, denn zum einen hat sich seine Lieblingslandschaft visuell und zum anderen akustisch verändert:
And the scene where his [the blackbird’s] melody charmed me before,
Resounds with his sweet-flowing ditty no more. (Z.11/12)
Wiederholt zeichnet sich das Bild einer leeren und vor allem stillen Pappellandschaft ab, die noch vor zwölf Jahren lebendig und idyllisch war. Der Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt sich vor allem durch die Verwendung der Zeitformen Plusquamperfekt und Präsens.
[...]
[1] August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, in: Dudenredaktion ed. Zitate und Aussprüche (Mannheim, 2002), Band 12, S. 814.
[2] Tagesnachricht vom 21.Februar 2007 auf: www.spiegelonline.de (Zugriff 21.02.2007).
[3] Hannes Bergthaller, „Ökologie zwischen Wissenschaft und Weltanschauung. Untersuchungen zur Literatur der modernen amerikanischen Umweltbewegung: Aldo Leopold, Rachel Carson, Gary Snyder und Edward Abbey.“, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn ( Leverkusen, 2004), S.8, auf: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=973469889&dok_ext=pdf&filename=973469889.pdf (Zugriff 10.02.2007)
[4] Bergthaller, „Ökologie zwischen Wissenschaft und Weltanschauung“, S.8.
[5] Vgl. Lawrence Buell, „What Is an Environmental Text?”, in: Lawrence Buell, The Environmental Imagination. Thoreau, Nature Writing, and the Formation of American Culture (Cambridge, Massachusetts, London, 1995), S.6-14.
[6] Dominic Head, “The (im)possibility of ecocriticism”, in: Kerridge, R. & Sammells, N. (ed.), Writing the environment. Ecocriticism & Literature (London, NewYork, 1998), S.27-39, S. 32.
[7] William Cowper „The Poplar-Field“, auf: www.arts.gla.ac.uk/SESLL/EngLit/ugrad/hons/COWPER.DOC (Zugriff 30.10.2006)
- Arbeit zitieren
- Maria Brüggert (Autor:in), 2007, Mensch und Natur 1785: Poetisierung ökologischen Bewusstseins in der Lyrik. Zu William Cowpers „The Poplar-Field“ und Robert Burns „To a Mouse“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89041