Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit folgender Frage: In welcher Form kann kulturelle Diversität in Fußballteams den Erfolg beeinflussen? Dazu ist die Arbeit in folgende Teile gegliedert: Eine kurze Heranführung an die Entwicklung des globalen Transfermarktes im professionellen Fußball leitet zu einem Überblick über Diversität in der Wirtschaft und im Fußball hin. Nachdem die bisherigen Studien zum Thema bezüglich ihrer unterschiedlichen Vorgehensweise betrachtet wurden, kann mit der fußballerischen Akkulturation ein neues Maß eingeführt und zur Debatte gestellt werden. Die Überprüfung der aufgestellten Forschungshypothesen beginnt mit der Vorstellung des Datensatzes und der Methodik. Nachdem die Auswertung dieser Untersuchung erfolgt ist, wird der Blick auf die möglichen Auswirkungen kultureller Vielfalt in bestimmten Teilen der Mannschaft gerichtet. Nach der Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse werden die Schwächen und Stärken der Arbeit diskutiert und kurz zusammengefasst.
Zu Zeiten fortgeschrittener Globalisierung ist der Wettbewerb um Humankapital ein weltweiter. Je mehr Menschen mobil und international ausgerichtet sind, desto mehr steht ein Pool potentiellen Personals mit vielfältigeren Fähigkeiten zur Verfügung. Führungskräfte aus aller Welt scheinen überzeugt davon, unterschiedliche Kulturen und Regionen brächten Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten hervor, die kombiniert zum Erfolg führen. Prominentestes Beispiel: Im global gespielten Fußball werden Spieler über Kontinente hinweg beobachtet, nach ihrem Können beurteilt und für Millionensummen zwischen ihren Arbeitgebern transferiert. Dabei hat der Anteil ausländischer Spieler in den fünf größten Ligen seit der Jahrtausendwende konstant zugenommen.
Vorliegende Studien erforschen nicht nur, ob multikulturelle Teams mehr leisten können, sondern auch, wie Diversität gemessen werden kann. Die vorliegende Arbeit vergleicht Diversitätsmaße, ergänzt um einen neuen Aspekt und untersucht die Effekte der Messmethoden. Zusätzlich werden Aussagen zur Erfolgswirkung kultureller Diversität in verschiedenen Mannschaftsteilen getroffen. Daten aus 21 Saisons der deutschen Fußball-Bundesliga und die Ergebnisse weisen auf einen überwiegend signifikanten, negativen Effekt von kultureller Heterogenität auf den Mannschaftserfolg hin und stimmen mit der zugrunde gelegten Theorie insofern überein, dass die sich ergebenden Nachteile für kulturell vielfältigere Teams die Vorteile überwiegen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Diversität
2.1.1 Diversität in der Wirtschaftsforschung
2.1.2 Diversität im Fußball
2.2 Unterschiede in Diversitätsstudien und -maßen
2.3 Akkulturation im Fußball
2.4 Hypothesen
3 Analyse
3.1 Datensatz
3.2 Methodik
3.3 Deskriptive Statistik
3.4 Regressionsergebnisse
3.5 Kulturelle Diversität in bestimmten Mannschaftsteilen als (Miss-) Erfolgsfaktor?
3.6 Interpretation der Ergebnisse
4 Diskussion der Ergebnisse
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zunahme ausländischer Spieler in den europäischen Big Five Ligen (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von transfermarkt.de)
Abbildung 2: Ausgaben für Spielerpersonal in der Bundesliga (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von transfermarkt.de)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Vergleich von fünf ausgewählten Diversitätsstudien
Tabelle 2: Variablen und Bedeutungen auf Teamebene
Tabelle 3: Korrelationstabelle aller Variablen auf Teamebene
Tabelle 4: Modelle und einbezogene Größen
Tabelle 5: Deskriptive Statistik
Tabelle 6: Regressionsergebnisse der Schätzung mit den Kontrollvariablen AKKN, AKKH, SIZE, SIZE² und CARDS; Abhängige Variable: POINTS
Tabelle 7: Regressionsergebnisse der Schätzungen ohne die Kontrollvariablen AKKN, AKKH, SIZE, SIZE² und CARDS; Abhängige Variable: POINTS
Tabelle 8: Koeffizienten bei stufenweisem Ausschluss von CARDS und SIZE ("C&S") sowie AKKN und AKKH ("AKK"); abhängige Variable wie zuvor POINTS
Tabelle 9: Ergebnisse der Regression nach Diversität in untergliederten Mannschaftsteilen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Zu Zeiten, in denen die Globalisierung weit fortgeschritten ist, wird auch der Wettbewerb um Humankapital ein weltweiter. Denn sind mehr Menschen mobil und international ausgerichtet, so steht ein größerer Pool potentiellen Personals mit vielfältigeren Fähigkeiten zur Verfügung. Bei einer Umfrage unter 1.322 Firmenchefs des Wirtschaftsprüfernetzwerks PWC (Snowden & Davies, 2015) gaben 24,5 % an, bereits gezielt nach Mitarbeitern verschiedener Nationalitäten und Ethnien zu suchen. 81 % nannten die Suche nach einer größeren Bandbreite an Fähigkeiten als Motivation. Sie scheinen überzeugt von der zugrundeliegenden Annahme, unterschiedliche Kulturen und Regionen brächten Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten hervor, die kombiniert zum Erfolg führen können.
Am prominentesten lassen sich Folgen des offenen Arbeitsmarktes im Sport vergegenwärtigen. Im Fußball, der global verfolgten und gespielten Sportart, werden professionelle Spieler über Kontinente hinweg beobachtet, nach ihrem Können beurteilt und für Millionensummen zwischen Vereinen, den Arbeitgebern, transferiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Zunahme ausl ändischer Spieler in den europäischen Big Five Ligen (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von transfermarkt.de)
Dabei hat der Anteil ausländischer Spieler in den fünf größten europäischen Ligen seit der Jahrtausendwende konstant zugenommen (siehe Abb. 1), auch oder gerade bei Spitzenteams. Im Finale der Champions League 2015/16 standen sich beispielsweise zwei Mannschaften aus derselben Stadt, Madrid, gegenüber. Von 22 Spielern in der Startaufstellung hatten nur acht die spanische Staatsbürgerschaft. Ähnlich verhält es sich in den zehn Jahren zuvor, in denen nur einmal mehr als zehn der 22 Final-Stammspieler aus dem Land ihrer Vereine stammten.
Es scheint sich der Glaube verfestigt zu haben, dass national und kulturell heterogene Teams bessere Ergebnisse liefern können als Teams, die hauptsächlich aus Akteuren derselben Herkunft zusammengesetzt werden. Ob diese Tendenz wissenschaftlich nachweisbar ist, konnte im Wirtschaftskontext bislang nur limitiert überprüft werden und brachte im Sportkontext gemischte Ergebnisse hervor. So ist es im Sport möglich, unter geregelten Rahmenbedingungen Daten genauer und umfangreicher zu erfassen und Implikationen für den Arbeitsmarkt zu abstrahieren1. Die Schwierigkeiten, verschiedene Sprachen, Wertesysteme und Gewohnheiten unter den Teammitgliedern zu überwinden, stellen jedoch Gegenargumente zur Leistungssteigerung durch kulturelle Vielfalt dar. Die bislang vorliegenden Studien werfen nicht nur die Frage auf, ob multikulturelle Teams mehr leisten können, sondern auch, wie Diversität gemessen werden kann. Neben den Nationalitäten wurden Sprachen, quantifizierte Facetten der Kultur und Abstammungen durch Völkerwanderung zu Rate gezogen. Die vorliegende Arbeit vergleicht diese Diversitätsmaße, ergänzt um einen neuen Aspekt und untersucht die Effekte der verschiedenen Messmethoden. Zusätzlich wird der Versuch unternommen, differenzierte Aussagen zur Erfolgswirkung kultureller Diversität in verschiedenen Teilen der Mannschaft zu ermöglichen. Dazu werden Daten aus 21 Saisons der deutschen Fußball- Bundesliga erhoben, die eine Gegenüberstellung mit den bereits durchgeführten Studien in demselben Untersuchungsfeld gestatten. Die Ergebnisse weisen auf einen überwiegend signifikanten, negativen Effekt von kultureller Heterogenität auf den Mannschaftserfolg hin und stimmen mit der zugrunde gelegten Theorie (Lazear, 1999) insofern überein, dass die sich ergebenden Nachteile für kulturell vielfältigere Teams ihre Vorteile überwiegen. Zugleich können sie als Aufruf zum bewussten Umgang mit dem globalisierten Arbeitsmarkt verstanden werden.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich also mit folgender Frage: In welcher Form kann kulturelle Diversität in Fußballteams den Erfolg beeinflussen?
Dazu ist die Arbeit in folgende Teile gegliedert: Eine kurze Heranführung an die Entwicklung des globalen Transfermarktes im professionellen Fußball (Punkt 2) leitet zu einem Überblick über Diversität in der Wirtschaft (2.1.1) und im Fußball (2.1.2) hin. Nachdem die bisherigen Studien zum Thema bezüglich ihrer unterschiedlichen Vorgehensweise betrachtet wurden (2.2), kann mit der fußballerischen Akkulturation (2.3) ein neues Maß eingeführt und zur Debatte gestellt werden. Die Überprüfung der in Punkt 2.4 aufgestellten Forschungshypothesen beginnt mit der Vorstellung des Datensatzes und der Methodik (3.1 – 3.2). Nachdem die Auswertung dieser Untersuchung erfolgt ist (3.3 – 3.4), wird der Blick auf die möglichen Auswirkungen kultureller Vielfalt in bestimmten Teilen der Mannschaft gerichtet (3.5). Nach der Interpretation der gewonnenen Erkenntnisse (3.6) werden die Schwächen und Stärken der Arbeit diskutiert (4) und kurz zusammengefasst (5).
2 Theoretische Grundlagen
Bevor die Wirkung kultureller Heterogenität im Fußball behandelt werden kann, erscheint es sinnvoll, sich eine der Hauptursachen für wachsende Diversität vor Augen zu führen. Bis zum Jahr 1995 waren die Ablöseregel und die Ausländerklausel zentrale Institutionen des Profifußballs. Vereine konnten nur eine bestimmte Anzahl ausländischer Spieler – zuerst zwei, später drei – in Pflichtspielen einsetzen. Ansinnen dieser Beschränkung war es, in den Profivereinen hauptsächlich einheimischen Spielern Einsätze zu garantieren (vgl. Berthold & Neumann, 2005). Aufgrund des Bosman-Urteils des Europäischen Gerichtshofes galt ab 1995 jedoch die Freizügigkeit des europäischen Fußballprofis2, wodurch EU-Ausländer nun in beliebiger Anzahl eingesetzt werden konnten. 2006 einigten sich Vertreter der Bundesliga zu einer weiteren Regelung der Ausländerbeschäftigung, die Beschränkungen für Nicht-UEFA-Ausländer3 abschaffte und lediglich eine Mindestanzahl an deutschen Lizenzspielern (12), in Deutschland (8) und davon im eigenen Verein (4) ausgebildeten Spielern festlegte. Ähnlich grenzöffnend verhielt es sich in den anderen europäischen Ligen, was für den globalen Fußballmarkt Veränderungen brachte (siehe Abbildungen 1 und 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Ausgaben f ür Spielerpersonal in der Bundesliga (Quelle: Eigene Darstellung, Daten von transfermarkt.de)
Den Produktionsfaktor „Spieler“ zog es nun dorthin, wo er besonders stark nachgefragt und die Zahlungsbereitschaft hoch war. In Form von hohen Zuschauer-, Werbe- und Fernseheinnahmen verfügten die Vereine aus Mittel- und Südeuropa (England, Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland) über diese Voraussetzungen und konnten sich aus einer größeren, vielfältigeren Auswahl das passende Personal suchen. Andere, finanzschwächere Vereine verloren zwar mehr Talente an reichere Vereine, doch diese waren vielfältiger, nämlich international ersetzbar (vgl. Berthold & Neumann, 2005, S. 2 ff). Wettbewerb und Spielstärke innerhalb der Ligen nahmen zu, Talente aus aller Welt wurden zu Mannschaftsgefügen kombiniert und Ablösesummen sowie Gehälter stiegen konstant an (siehe Abb. 2). Letzteres war und ist sicher auch der Förderung durch Großsponsoren geschuldet, die die weltweite Aufmerksamkeit auf Fußballclubs für eigene Werbezwecke nutzen möchten. Das so zirkulierende Geld treibt auch die Professionalisierung des Personals außerhalb des Platzes voran, woraus international erfahrene Funktionäre, eine Marketing-Ausrichtung auf Fans verschiedener Nationen und weltweite Scouting-Netzwerke resultieren. Die Fußballwelt ist eine globale geworden und die Mannschaftskader sind dafür das plakativste Beispiel.
Doch welchen Effekt bringt ein multikultureller Kader genau mit sich? Steht lediglich eine größere Menge von ähnlich guten Spielern für dieselbe Anzahl an Teams zur Auswahl, weshalb sich allgemein die Spielstärke erhöht? Bringt Multikulturalität Probleme für den Kader? Oder bieten Spieler mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen die Möglichkeit, durch die Kombination ihrer landesspezifischen Ausbildungen und Mentalitäten eine weitere Leistungssteigerung für ihre Mannschaft zu erzielen?
Welche Rolle Diversität in solchen Konstellationen spielen oder nicht spielen kann, war folglich Gegenstand zahlreicher Studien.
2.1 Diversität
Der Ursprung der Forschung zu kulturellen Unterschieden in Arbeitsgruppen kann in der Sozialpsychologie (Steiner, 1972) ebenso wie in der politischen (Borjas, 1994a; Borjas, 1994b) und in der Personalökonomie (besonders Lazear, 1999) gefunden werden. Lazear verwendet den globalisierten Arbeitsmarkt als Scheinwerfer unter dessen Licht er Gruppenarbeitsprozesse und Entscheidungen der Teamzusammenstellung betrachtet. Er geht von der Grundprämisse aus, dass sich verschiedene Kulturen durch unterschiedliche Wissens- und Fähigkeitsverteilungen auszeichnen und Individuen derselben Kultur mit höherer Wahrscheinlichkeit ähnliches oder gleiches Können zeigen wie Individuen aus einander fremden Kulturen. Er wiegt mögliche Chancen und Probleme interkultureller Arbeitsgruppen in „global firms“ ab, deren Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern und Kulturen stammen, und legt damit den Grundstein für nachfolgende Untersuchungen. Verschiedene Hintergründe, Erfahrungen, Wissensschätze und Spezialfähigkeiten – kurz: die verschiedenen „information and skill sets“ (Lazear, 1999, S. 2) – stehen auf der Seite der Chancen, sofern sie kombiniert, ausgetauscht und zugänglich gemacht werden. Diese Ergänzungsprozesse sind dann am nutzbringendsten, wenn die „skill sets“ besonders unterschiedlich und zugleich besonders relevant für die Aufgabe des Teams sind. Überlappen sich große Teile der Fähigkeiten oder können sie zur Tätigkeit der Gruppe kaum beitragen, wird der Aspekt der Teamdiversität irrelevant. Das gilt noch absoluter für die Erlernbarkeit der Fähigkeiten, die die Übertragung beschleunigen, aber auch verhindern kann. Denn wenn besondere Stärken nur von einem Mitglied eingebracht, anderen aber nicht vermittelt werden können, ist der kollektive Gewinn deutlich geringer. Besondere Herangehensweisen sind also nur dann von Bedeutung für die Gruppe, wenn sie allen Mitgliedern möglichst problemlos zur Verfügung gestellt werden können. Stehen die Parameter in günstigem Verhältnis zueinander, kann das kollektive Wissen innerhalb der Arbeitsgruppe vergrößert werden und durch die verschiedenen Denkweisen flexibler und kreativer agiert werden (Earley, 1999; Gebert, 2004; McLeod et al., 1996). Demgegenüber stehen Kommunikations-, Koordinations- und Transaktionskosten für die Gruppe. Die Interaktion zwischen Teammitgliedern fußt in hohem Maße darauf, sich verständigen zu können. Wird nicht oder unzureichend über (fremd-)sprachliche Kenntnisse verfügt, scheinen jegliche Nutzenaspekte von Diversität klein im Vergleich zu den Kosten, sich verständlich zu machen. Zweisprachige Akteure erweisen sich in Lazears globalen Firmen als besonders wichtig, selbst wenn dies lediglich den Spracherwerb eines ausländischen Mitarbeiters meint. In Kontexten, in denen kooperiert oder gar kollaboriert werden soll, stellt die Sprachbarriere die offensichtlichste, jedoch nicht die einzige Problemquelle dar. Denn selbst wenn multilinguales Personal zur Vermittlung eingestellt wird, können unterschiedliche Werte- und Normensysteme das Arbeitsklima gefährden (vgl. Lazear, 1999). Unter anderem Koopmans und Veit (2014) zeigen, dass ethnische Diversität innerhalb von Berliner Stadtteilen einen negativen Effekt auf die individuelle Kooperationsbereitschaft hat. Putnam (2007) findet diesen Effekt in Bezug auf das Vertrauen von Bürgern untereinander. In städtischen Wohngebieten der Niederlande wurde eine negative Wirkung von kultureller Diversität auf die Wohnpreise, zugleich ein kleinerer positiver Effekt auf Preise und Vielfalt von Konsumgütern festgestellt (Bakens, Mulder & Nijkamp, 2013). Ursache und Folge der Ergebnisse können Vorurteile gegenüber anderen Nationalitäten oder Gruppenbildung innerhalb derer sein (Ayub & Jehn, 2006).
Kleingruppen scheinen vor der Aufgabe zu stehen, den für sie optimalen Diversitätsgrad zu finden, wobei die Vorteile die Nachteile übersteigen oder zumindest minimieren sollen. Die zentrale Frage Lazears lautet:
“Are there real world circumstances where different cultures do have disjoint and complementary skills that can be combined to create a whole that is greater than the sum of its parts?” (Lazear, 1999, S.8)
Er vermutet also, dass es möglich ist, die Summe aller Einzelqualitäten der Gruppenmitglieder zu übertreffen, wenn letztere nach einer bestimmten Art und Weise geführt und zusammengestellt werden. Im Erwerb und in der Entlohnung müssen stets unterschiedliche Preise für unterschiedliche Fähigkeiten berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass manche Fähigkeiten für bestimmte Unternehmen relevanter sind, andere Qualitäten möglicherweise weniger zielführend erscheinen. Auf dem Arbeitsmarkt wird die eine Fähigkeit höher entlohnt als die andere, was auf die Wahl von Teammitgliedern einen nicht zu vernachlässigenden Effekt hat (vgl. Lazear, 1999). Gebert (2004) schlägt daher „diversity management“ vor, um die Austauschprozesse unter Gruppenmitgliedern verschiedener Nationalitäten zu moderieren und Missverständnisse zu verhindern. Damit sollen im Vorhinein gezielt Problemherde der Gruppe gelöscht und das Maximum an Nutzen für alle erzielt werden.
Lazears (1999) „Market for team-mates“-Theorie kann abschließend in drei Hauptbedingungen zusammengefasst werden: Der Nutzen der Integration verschiedener Kulturen in die Gruppenstruktur ist höher, wenn die Fähigkeiten erstens unterschiedlicher, zweitens leichter erlern-, vermittel- und übertragbar und drittens relevanter für die zugrundeliegende Aufgabe sind, wie in den kommenden Abschnitten anhand von Studien aus Wirtschaft und Sport erläutert wird. Denn während es theoretisch relativ deutlich scheint, wie mit national heterogenen Gruppen zu mehr Leistung gelangt werden kann, sind die empirischen Ergebnisse weit davon entfernt, eindeutig zu sein.
2.1.1 Diversit ät in der Wirtschaftsforschung
An Firmendaten zu gelangen, die es erlauben, Lazears Theorie detailliert zu überprüfen, stellt eine nicht zu vernachlässigende Schwierigkeit dar. Hamilton, Nickerson und Owan (2012) sowie Leonard und Levine (2005) untersuchten Textilhersteller und Einzelhandelsunternehmen und fanden mehr Produktivität bei bestimmten Ethnien4 aber keinen Diversitätseffekt aufgrund von Nationalitäten der Mitarbeiter in Bezug auf die Verkaufsmengen im Einzelhandel. Abgesehen von der Kritik, die zu den Grundvoraussetzungen der Studie geäußert wurde (Kahane, Longley & Simmons, 2013, S. 303ff), stehen solch unterschiedliche Ergebnisse exemplarisch für den Gesamteindruck. Ein Teil der Studien stellt einen positiven Zusammenhang zwischen Diversität und Produktivität fest (Mello & Ruckes, 2006; Watson, Kumar & Michaelsen, 1993; Williams & O'Reilly, 1998), andere einen negativen (Ayub & Jehn, 2006; Kearney, Gebert & Voelpel, 2009), während es für eine dritte Gruppe ein bestimmtes Optimum an Diversität gibt – nicht zu viel und nicht zu wenig. Ashraf und Galor (2012) kommen beispielsweise zum Schluss, dass ein Optimalniveau an kultureller Diversität bestehe, nach dem der Nutzenzuwachs abnehme. Buche et al. (2013) kommen in einer Untersuchung zweier deutscher Betriebspanels zu positiven und negativen Ergebnissen – je nach Betriebsgröße und Belegschaftsgruppe.
Als Hauptgrund für diese widersprüchlichen Resultate wird, wie bereits erwähnt, die zugrundeliegende Aufgabe genannt, die das Team jeweils zu bewältigen hat (vgl. Lazear, 1999; Watson et al., 1993). So scheinen bei Aufgaben, die unkomplizierte, reibungslose Teamchemie erfordern, homogen zusammengesetzte Teams im Vorteil. Demgegenüber scheinen kulturell heterogene Arbeitsgruppen bei der Entwicklung von Innovationen und kreativen Problemlösungen im Vorteil, beispielsweise bei Design- oder Forschungsprojekten (Gebert, 2004; McLeod et al., 1996; Prat, 2002). Dabei können die unterschiedlichen Erfahrungen, Weltsichten und Fähigkeiten, also verschiedene Perspektiven und Kompetenzen besser eingebracht werden. Die Aufgabe kann paradoxerweise der Auslöser für die Suche nach Personal aus der ganzen Welt sein, da die wachsende Vernetzung schneller einen Überblick bietet, wo und durch wen ähnliche Aufgaben am besten gelöst werden. Dort, wo die Best Practice umgesetzt wird, sind Arbeitgeber aus anderen Ländern an der Humankapitalakquise besonders interessiert (vgl. Lazear, 1999). Dass die Denkweisen der Kultur eines Teams zum optimalen Ergebnis beitragen könnten und die Replikation in anderen Ländern problembehaftet sein könnte, fällt möglicherweise erst später auf oder wird nicht ernst genommen.
2.1.2 Diversit ät im Fußball
Bezieht man die gesamtwirtschaftliche Sichtweise nun auf den Sportbereich, ergeben sich unmittelbar Parallelen. Glücklicherweise gelten je nach Sportart die gleichen Regeln für alle Akteure, die permanent von Offiziellen, den Schiedsrichtern, überwacht werden. Darüber hinaus ist die Datenlage zu Leistung und Herkunftsland der Spieler in großen Teilen öffentlich einsehbar. Für das Feld der kulturellen Diversität hingegen ist viel wichtiger, dass professionelle Fußballmannschaften echte „global firms“ nach Lazear (1999) darstellen (Ingersoll et al., 2013). Spieler aus allen Ländern der Welt können verpflichtet werden5 und relativ frei von Migrationsbeschränkungen6 ihrem Beruf nachgehen – nicht zuletzt in Europa, dem größten Fußballmarkt; einem Beruf, der überwiegend aus der gemeinsamen Arbeit von elf Spielern zur Produktion des Sieges über Spiele oder Saisons hinweg besteht.
Der Weg zum Gewinn eines Spiels stellt eine Mischung aus zwei, teilweise gegenläufigen Hauptanforderungen dar: Zum einen muss möglichst reibungslos kommuniziert werden, um die Koordination der gruppentaktischen Bewegungen7 innerhalb der Mannschaft zu gewährleisten. Die Theorie spräche also für kulturell möglichst homogene Teams. Zum anderen müssen aber gerade im Spielaufbau und beim Kreieren von Chancen neue, unerwartete Wege gefunden werden, die nur begrenzt trainiert werden können und stark aus der Kreativität der Einzelspieler entspringen. Bei der Art und Weise, wie gespielt wird, kann die Herkunft eine entscheidende Rolle einnehmen, wie Osborne (2006) für Baseball nachweisen konnte und für Fußball ebenso anzunehmen ist. Neben „gefühlten“ Stereotypen8 legen das die Ausbildungskonzepte der verschiedenen Fußballverbände nahe, die jeweils andere Aspekte besonders fördern9. Zwar werden im heutigen Fußball kaum noch reine Spezialisten ausgebildet; länderspezifische Fähigkeiten, die aus dem internationalen Standard herausragen, sind dennoch regelmäßig zu beobachten. Aus sportlicher Sicht spräche demnach mehreres dafür, möglichst heterogene Mannschaften zusammenzustellen, um die Besonderheiten zu kombinieren. Aus Perspektive des Managements können ausländische Spieler des Weiteren dazu beitragen, den Verein in ihren Heimatländern gewinnbringend zu vermarkten, indem sie als Identifikationsfigur und zentraler Werbeträger fungieren. Lazear (1999) nennt diese Art von Motivation, einen ausländischen, im potenziellen Absatzmarkt kundigen Akteur zu verpflichten, „knowing the ropes“ (S. 8). Zugleich bestehen für Manager beim Scouting in fremden Ländern höhere Barrieren, ein Netzwerk aufzubauen, das ähnlich gesicherte Informationen zum Spieler liefert, wie das heimische. Das Risiko, einen Spieler zu verpflichten, der erstens weniger Leistungsvermögen hat, zweitens weniger Leistungsbereitschaft zeigt und sich drittens abseits des Platzes nicht einleben kann, wird ohne präzises Hintergrundwissen erheblich gesteigert10.
Angesichts dieser beiden nicht zu vereinbarenden Tendenzen scheint es nicht verwunderlich, dass die fußballspezifische Empirie ebenfalls verschiedene Ergebnisse hervorbringt.
Im Vergleich zu anderen Sportarten (Timmerman (2000), Basketball; Osborne (2006), Baseball; Kahane, Longley & Simmons (2009), Eishockey; Hoisl, Gruber & Conti (2016), Formel 1), bietet die vorhandene Forschung im Fußball mehrere gut miteinander vergleichbare Studien (siehe Punkt 2.1.2 und 2.2). Einen positiven Einfluss von ethnischer Heterogenität und Altersheterogenität stellen Andresen und Altmann (2006) in ihrer Studie zu den Bundesliga-Saisons 1999/2000 bis 2003/2004 fest. Zum selben Schluss kommen Wulf und Hungenberg (2006) sowie Ingersoll, Malesky und Saiegh (2013)11. Brandes, Franck und Theiler (2009) fanden in den Bundesligajahren von 2001 bis 2006 keinen signifikanten Effekt auf Teamebene12, machten allerdings einen negativen Einfluss von nationaler Heterogenität unter den Verteidigern auf den Teamerfolg aus. Diverse Stürmerpaare oder -trios hingegen schneiden besser ab als jene homogener Herkunft. Haas und Nüesch (2012) sehen wiederum einen negativen Einfluss von nationaler Diversität im nahezu selben Zeitraum, während Franck und Nüesch (2010) die positive Erfolgswirkung von Alters- und Talentheterogenität in Teams nachweisen konnten. Dass sich nicht nur Heterogenität im Team sondern auch interkulturelle Erfahrung des Trainers negativ auswirkt, ist ein zentrales Ergebnis von Maderer, Holtbrügge und Schuster (2014). Für Gerhards, Mutz und Wagner (2014) wirkt sich Diversität „nur bis zu einem bestimmten Grad positiv auf den sportlichen Erfolg einer Mannschaft aus“ (S. 244) und kann nach Überschreiten dieses Grades negativ wirken. Dass zu viel Diversität möglicherweise bei der Ausbildung landeseigener Spieler schaden kann, gilt als Sorge einiger Fußballverbände. Aus diesem Grund sind Maßnahmen zur Festschreibung von Mindestanteilen13 inländischer Spieler festgelegt worden. Sogenannte Home-Grown-Player-Rules bestehen derzeit in China (maximal fünf Ausländer auf dem Spielfeld), England (acht von 25 Spielern im Kader in England ausgebildet), den USA (selbst ausgebildete Spieler ohne Draftanmeldung und Aufrechnen in der Gehaltsliste verpflichtbar), Italien (acht Spieler im Kader, von denen vier italienisch und weitere vier zumindest drei Jahre in Italien ausgebildet worden sein müssen), Spanien (nur drei Nicht-EU-Ausländer erlaubt, jedoch zahlreiche Ausnahmen und Umgehungsmöglichkeiten), in allen Wettbewerben der UEFA (acht von 25 Spielern im Heimatland ausgebildet), um nur die prominentesten zu nennen14. Ob diese Maßnahmen die Ausbildung eigener Talente tatsächlich unterstützen, ist derzeit noch nicht absehbar und ähnlich umstritten, wie der generelle Effekt von kultureller Diversität auf Mannschaften und Ligen.
Während die widersprüchlichen empirischen Ergebnisse in Wirtschaftsunternehmen noch mit den unterschiedlichen Aufgaben der Arbeitsgruppen erklärbar waren, fällt dies beim allgemein gültigen Fußballziel, möglichst viele Spiele zu gewinnen, schwerer. Daher wird in dieser Arbeit in den Punkten 2.3 und 3.1 die Vermutung untersucht, inwiefern unterschiedliche Herangehensweisen in den Studien die bisherigen Ergebnisse entscheidend beeinflusst haben könnten. Die unabhängigen Variablen, mit denen kulturelle Diversität dort gemessen wird, unterscheiden sich ebenso wie die jeweils genutzten abhängigen Variablen und die Methoden (siehe Tabelle 1 in 2.2). Aus diesem Grund sollen ausgewählte Studien einem Vergleich unterzogen und anschließend eine weitere, bislang ungenutzte Variable vorgeschlagen werden. Annahmen, die sich bis hierhin ergeben, werden dann in Teil drei überprüft.
2.2 Unterschiede in Diversit ätsstudien und -maßen
Zuerst soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass die hier verglichenen Studien nicht den kompletten Fundus an Diversitätsliteratur im Fußball darstellen. Sie wurden allerdings ausgewählt, weil sie die verschiedenen Arten, sich der Thematik zu nähern, repräsentativ abbilden und aufgrund von ähnlichen Datengrundlagen in ihren Ergebnissen gut vergleichbar sind15. Wie Tabelle 1 zeigt, kann eine Gegenüberstellung in folgenden Kategorien vorgenommen werden: Die zugrundeliegenden Daten, die Maße der Diversität und die Maße des Erfolgs der Teams.
Tabelle 1: Vergleich von f ünf ausgewählten Diversitätsstudien
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Linguistische Distanz, paarweise Gemeinsamkeiten und Verteilung, HHI der Herkunftsländer, Individualismus-Kollektivismus-Skala von Hofstede, Populative Abstammung Wahl der Datengrundlage: Betrachtet man die Daten, die zur Überprüfung des Diversitätseffekts erhoben wurden, fallen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede ins Auge. Vier der fünf Untersuchungen verwenden Statistiken aus der deutschen Bundesliga, Maderer et al. (2014) ziehen zusätzlich die anderen vier größten Ligen Europas (Frankreich, Italien, England, Spanien) heran. Während die Sicht auf eine Liga präzisere Schlüsse auf Spezifika dieses Wettbewerbs zulässt, können bei einer landesübergreifenden Erfassung breitere, potentiell allgemeingültigere Aussagen erhofft werden16. So dürfte die Heterogenität der Kader über die hier untersuchten Betrachtungszeiträume in der Bundesliga wenig Varianz aufweisen, was die Messung ihrer Auswirkungen ebenfalls beeinträchtigt und die Aussagekraft einschränkt. Maderer et al. (2014) können dies zwar durch den Einbezug anderer Ligen vermeiden, aufgrund der Datenmenge werden jedoch lediglich Daten aus einer Saison erhoben, was wiederum in zeitlicher Hinsicht die Tragweite limitiert. Ingersoll, Malesky und Saiegh (2013) betrachten die Spiele von Teilnehmern jener Big Five-Ligen über zehn Saisons der Champions League. Während der Zeitraum wohl gewählt wurde, um eine ausreichende Spieldatenmenge zur Verfügung zu haben, soll mit dem Blick auf ausgewählte Teams der Champions League zweierlei ermöglicht werden. Zum einen sollen Einblicke in den europäischen Spitzenfußball qua definitionem erfolgen, was für europaweit gültige, auf höchstem Leistungsniveau gewonnene Erkenntnisse sorgen soll. Zum anderen versuchen die Autoren so, die Schwierigkeit von Selbstselektionseffekten zu neutralisieren. So scheint für die landesinternen Ligawettbewerbe angenommen werden zu können, dass sich besonders talentierte ausländische Spieler überproportional oft dafür entscheiden, sich ausschließlich den Spitzenteams der Ligen anschließen zu wollen. Ein Prestige-Effekt, bei dem ausschließlich besonders gute oder vermögende Vereine Starspieler verpflichten können und die anderen Vereine selbst bei gleichem finanziellen Aufwand nicht in der Lage sind, solche Spieler zu verpflichten, würde die Aussagekraft von Marktwerten einschränken und den zu untersuchenden Effekt der Diversität auf die Leistung verzerren. Denn sobald außergewöhnliche Talente aus dem Ausland überproportional häufig verglichen zu Finanz- oder Leistungsfaktoren von bestimmten Vereinen verpflichtet werden können, spielen schwer zu erfassende Eigenschaften aus Ansehen, Geschichte und Ruf in den Leistungseffekt dieser Spieler hinein. Indem Ingersoll, Malesky und Saiegh (2013) Champions League-Begegnungen der qualifizierten Teams aus den fünf besten Ligen betrachten, versuchen sie, dieses Auslassen einer relevanten Variable zu vermeiden. Sie führen an, dass die von ihnen betrachteten Vereine in Leistung und Wirtschaftskraft und damit auch in Prestige so homogen sind, dass sich die angenommene Problematik für alle Vereine in gleichem Maße und damit auf das Endergebnis neutral auswirkt. Es kann zwar angenommen werden, dass Champions League-Teilnehmer grundsätzlich alle über hohes Prestige verfügen und dadurch leichter Spieler verpflichten können. Entscheidende Unterschiede bestehen trotzdem, denn Ligen und Vereine haben im untersuchten Zyklus mal mehr und mal weniger Strahlkraft ausüben können. Während gerade zu Beginn des Zeitraumes ab dem Jahr 2003 englische und italienische Klubs um den Titel spielen konnten, waren es zur Mitte hin vermehrt deutsche und gegen Ende hauptsächlich spanische Mannschaften. Von einer Gleichverteilung von Ruhm und Prestige kann erst recht nicht die Rede sein, wenn Teams aus Frankreich inkludiert werden, die im Vergleich deutlich weniger Erfolge vorweisen können. Zusätzlich enthalten die betrachteten Spiele zahlreiche Begegnungen mit Teams anderer Nationen, die somit die Ergebnisse der abhängigen Erfolgsvariable, Tordifferenz pro Spiel pro Jahr, entscheidend beeinflussen. Nicht nur indem schwächere Teams aus kleineren Ligen17 Resultate ungleich deutlicher ausfallen lassen können, sondern auch durch die zufällige Zulosung der Gruppengegner kann es vorkommen, dass Erfolge höher ausfallen als sie im Vergleich zu anderen Teams in anderen Gruppen sein sollten. Während heimische Ligen wie die Bundesliga geschlossene Systeme darstellen, in dem jede Untersuchungseinheit gleich häufig gegen jede andere antritt, trifft dies auf die vorgenommene Studie zur Champions League nicht zu. Der externe Faktor der Leistungsstärke von zugelosten Gegnern könnte die abhängige Variable entscheidend beeinflussen.
Wahl der abh ängigen Variable: Wie die abhängige Variable gewählt wird, ist ein weiterer Aspekt, anhand dessen man die Studien unterscheiden kann. Denn obwohl jeweils Erfolg dargestellt werden soll, finden sich verschiedene Größen, denen dies zugeschrieben wird. Die Platzierung in der Bundesligatabelle zum Saisonende zu nutzen, erscheint intuitiv am plausibelsten. Mit jener von Brandes et al. (2009) instrumentalisierten Größe lassen sich die mittel- und langfristigen Ziele der Vereine erfassen, da sie die Qualifikation oder Relegation zu weiteren Wettbewerben, Auszahlungen von Leistungs- und TV-Prämien sowie die reine sportliche Leistungsfähigkeit zu beinhalten verspricht. Welcher dieser Faktoren jedoch schwerer gewichtet wird und welche Ausprägung ursprünglich erwartet worden war, unterscheidet sich von Team zu Team. Dass die Autoren dieser Studie keinen Effekt feststellen können, könnte in Teilen der vielfältig auslegbaren abhängigen Variable zugeschrieben werden.
Um differenziertere Aussagen treffen zu können, listen Andresen und Altmann (2006) eine Vielzahl von sportlichen und wirtschaftlichen Erfolgsgrößen auf. Sportlich fügen sie dem Tabellenplatz die Tordifferenz und die Punkte zu Saisonende hinzu, wirtschaftliche Variablen sind Umsatz-, Etat- und Personalkosten sowie Einnahmen aus Ticketing und Sponsoring. Somit kann isoliert dargestellt werden, dass die Autoren zwar einen Effekt auf die sportliche Platzierung, hingegen keinen auf wirtschaftliche Kennzahlen finden. Diese Sichtweise kann wiederum kritisiert werden, da zum einen sportliche und wirtschaftliche Ziele miteinander einhergehen und deshalb verwobener betrachtet werden könnten und zum anderen oft der sportliche Erfolg abhängig vom zu Beginn der Saison investierten finanziellen Aufwand betrachtet wird. Um einer solchen Forderung gerecht zu werden, berechnen Maderer et al. (2014) die “points to market value ratio” (nachfolgend “PMVR”, S.11). Indem die durchschnittliche Punktzahl eines Teams pro Spiel über die jeweilige Saison verwendet und durch den Marktwert des Teams geteilt wird, kann die Leistung relativ zum Finanzinput gemessen werden. Der Marktwert wird hier als Proxy-Variable für Transferaufwand, Gehaltskosten und Handgelder beim Vertragsabschluss genutzt und soll einen großen Teil dessen beinhalten, was der Verein investiert, um den Kader und dessen Leistung zu modellieren. Die PMVR kann den sportlichen Erfolg zu den Erwartungen an das Team vor der Saison in Verbindung setzen, was die Wahrnehmung im Management und Umfeld des Klubs präziser abbilden lässt. Eine solche Herangehensweise kommt gängigen Messgrößen in Wirtschaftsunternehmen, wie der Kapitalrentabilität näher, was die Schlüsse vom Fußball auf andere Branchen erleichtert. Während Ingersoll, Malesky und Saiegh (2013) wie bereits erwähnt die durchschnittliche Tordifferenz der Teams pro Jahr heranziehen, um damit differenziertere Aussagen zur Spielleistung machen zu können als nur über Sieg oder Niederlage, nutzen zusätzlich den Punkteschnitt und den Team-Notenschnitt pro Spiel.
Wahl der Kaderdefinition: Es ist wichtig zu erwähnen, dass Nüesch und Haas (2009) in ihrer Studie die einzelnen Spiele betrachten und untersuchen, wie sich die Diversität der elf bis vierzehn eingesetzten Spieler der Mannschaft auf den Spielausgang auswirkt. Die anderen vier dargestellten Studien führen die aggregierten Teamdaten zum Saisonende an. Durch eine Spiel-für-Spiel-Betrachtung kann die unmittelbare Wirkung der eher heterogen oder homogen aufgestellten Akteure gemessen werden, weil ausschließlich jene Spieler einbezogen werden, die direkt auf das Ergebnis Einfluss nehmen können. Dass indirekt eine gute Teamchemie aller Spieler im Kader, Verletzungen, Sperren und flexible Trainerentscheidungen der gegnerspezifischen Taktik zuliebe eine entscheidende Rolle bei der Zusammenstellung der Startelf und deren Leistungsfähigkeit spielen könnten, kann nicht berücksichtigt werden. Es wird versucht, das Optimum aus dem zur Verfügung stehenden Spielerpool und angesichts des anstehenden Gegners zu holen: Ein Ansatz, wie er einer Hauptaufgabe des Trainers nahekommt. Um allerdings Schlüsse für das Management eines Unternehmens ziehen zu können, bietet es sich eher an, Erkenntnisse aus der Performance des gesamten Jahres zu gewinnen. Denn die Zusammenstellung des Kaders, sprich aller spielberechtigten und zum Einsatz vorgesehenen Spieler, wird von den zuständigen Funktionären hauptsächlich in den ersten beiden Monaten der Saison vorgenommen18. Nachbesserungen in der Winterpause halten sich in der Regel in Grenzen und können selten die grundsätzliche Ausrichtung der Mannschaft entscheidend verändern. Vor und zu Saisonbeginn wird der Personalstamm gebildet, der über das gesamte Spieljahr die ihm zugetraute Leistung zeigen und am Ende die geplanten Erfolge einfahren soll. Aus Managementperspektive bietet sich also eher die saisonweise Betrachtung der Kadereigenschaften an. Verletzungen, Sperren und Tagesform von Spielern müssten sich auf diese Weise über alle Teams gesehen ähnlich verhalten und damit weitere Messvorteile bringen.
Im Schatten der Frage, über welche Zeiträume die Kader betrachtet werden, wird der grundlegendere Aspekt, welche Spieler in den Untersuchungen überhaupt als Mannschaft miteinbezogen werden, gerne übergangen. Durch die Spieltagsperspektive von Haas und Nüesch (2012) ergibt sich die Antwort aus logischen Gesichtspunkten: Jeder Spieler, der eingesetzt wurde, also in der Startelf oder als Einwechselspieler, wurde für die Studie erfasst. Hinsichtlich einer ganzen Saison fächern sich die Definitionsmöglichkeiten des Begriffs „Kader“ variantenreich auf. Brandes et al. (2009) führen für den Kern der Mannschaften – das „core team“ – zwar auf, dass sie mindestens die Hälfte aller möglichen Spielminuten auf dem Platz gestanden haben müssen und beziehen für den spielerindividuellen Teil nur Spieler mit mindestens 30 Minuten Spielzeit in der Saison 2004/05 ein. Welche Spieler allerdings zum „Gesamtkader“ gehören, wird wie bei Andresen und Altmann (2006) nicht erwähnt. Ein Verständnisproblem würde dies nicht darstellen, gäbe es innerhalb der gängigen Datenbanken Einigkeit über die Kader. Die meistgenutzten Quellen, das Kicker- Magazin und die Webseite transfermarkt.de, geben allerdings entweder alle Spieler mit mindestens einem Einsatz oder alle mit Profiverträgen ausgestatteten Akteure an. Und auch innerhalb der Vereine wird häufig ein fließender Übergang zwischen den Profi- und Jugendteams gepflegt, wodurch Spieler innerhalb der Saison beliebig oft für beide Mannschaften19 zum Einsatz kommen können. Maderer et al. (2014) wählen alle einmal eingesetzten Spieler aus, während Ingersoll, Malesky und Saiegh (2013) keine genaueren Angaben machen, höchstwahrscheinlich aber die von den Vereinen nominierten 25 Mann starken Champions League-Kader verwenden. Generell stellt sich also die Frage, ob eher Spieler berücksichtigt werden sollten, die einen Großteil der Spielzeit auf dem Feld verbracht haben oder ob als Kader zu den Top-Performern auch die Reservisten, Bankspieler und zwischen Mannschaften pendelnden Jungprofis gezählt werden sollten. Für ersteres spricht, dass vor allem die aktiv spielenden Akteure den sportlichen Erfolg des Vereins bestimmen. Denn wer mehr spielt, kann auch mehr Spiele gewinnen oder verlieren. Die zweite Herangehensweise begründet sich durch das Betrachten des Teams im Jahresverlauf. Alle Profispieler der Mannschaft trainieren zusammen, üben taktische Abläufe zusammen und verbringen einige Zeit vor und nach dem Anpfiff zusammen. Möchte man die kulturelle Heterogenität von Fußballteams erforschen, blickt man auf die Auswirkungen im kommunikativen, sozialen und sportspezifischen Sinne. All diese Aspekte werden im Kollektiv erlebt und entwickeln sich vermutlich im Kollektiv zu dem Grad weiter, an dem sie die Leistung des Teams auf dem Platz beeinflussen können. Wenn es jedoch so weit ist, liegt es wieder ausschließlich an den aufgestellten Spielern. Auf die Frage nach der geeigneten Kaderdefinition scheint eine Vielzahl begründbarer Antwortmöglichkeiten zu bestehen; die getroffene Entscheidung könnte nichtsdestotrotz auf die Ergebnisse Auswirkungen haben. Im besten Fall bilden beide Methoden ein ähnliches, realitätsnahes Bild der Kaderstruktur ab. Im schlechtesten Fall werden einer Mannschaft mit einer kulturell sehr homogenen Startelf Erfolge zugeschrieben, die möglicherweise aus dem Training mit einer insgesamt multikulturellen, vielfältig spezialisierten Mannschaft resultieren. Die profitablen Lerneffekte der Diversität würden fälschlicherweise als Stärke der nationalen oder kulturellen Einheit in der Startelf interpretiert. Im Umkehrschluss könnte ein Verein, der in seinem relativ homogen besetzten Kader nur wenige Spezialisten aus dem Ausland besitzt, diese allerdings konstant in seiner Startelf einsetzt, aus der einen Sicht als wenig divers, aus der anderen Sicht als überdurchschnittlich divers aufgefasst werden. Die dann entstehenden Leistungen würden auf jeden Fall deutlich einer Seite zugeschrieben werden. Dies könnte zumindest ein Hinweis darauf sein, weshalb die Studienergebnisse von Andresen und Altmann (2006) und Haas und Nüesch (2012) so voneinander abweichen (siehe Tabelle 1).
[...]
1 „Professional sports offers a unique opportunity for labor market research. There is no other research setting than sports where we know the name, face, and life history of every production worker and supervisor in the industry. Total compensation packages and performance statistics for each individual are widely available, and we have a complete data set of worker-employer matches over the career of each production worker and supervisor in the industry. (…) Moreover, professional sports leagues have experienced major changes in labor market rules and structure (…) creating interesting natural experiments that offer opportunities for analysis“ (Kahn, 2000, S. 75; ähnlich Rosen & Sanderson, 2001).
2 Vgl. dazu Blainpain (1996)
3 Spieler, deren Landesverband nicht dem europäischen Fußballverband angehört
4 Den sogenannten „Hispanics“ (Hamilton et al. (2012))
5 Vereine der Bundesliga beschäftigten bereits Spieler aus 108 Nationen.
6 Zu den Quoten für heimische Spieler wird weiter unten im selben Abschnitt Stellung genommen.
7 Neben den offensichtlichen Beispielen wie der Abseitsfalle und einstudierten Standards ist darauf hinzuweisen, dass besonders die Defensivbewegungen („Ballnahes Verschieben, Doppeln, Angriffspressing, etc.“) im heutigen Fußball durchweg in der Gruppe einstudiert sind und von bestimmten Bewegungen oder Aktionen des Gegners ausgelöst werden.
8 Wiederholt bemühen die Medien die Bilder von „tricksenden Brasilianern“, „taktischen Italienern“, „passsicheren Spaniern“ und „disziplinierten Deutschen“. Dazu prägen Begriffe wie „italienischer Catenaccio“, „spanisches Tiki-Taka“, „brasilianisches jogo bonito“ oder „englisches kick-and-rush“ auch die Wahrnehmung des eigenen Landes, wie das eigene Spiel auszusehen und man die passenden Spieler zu formen hat. Dadurch kann es auch passieren, dass Länder für bestimmte taktische Positionen sehr viele und für andere zu wenig Spieler ausbilden. Deutsche Torhüter, brasilianische Stürmer und spanische Mittelfeldspieler haben beispielsweise ein zusätzliches, wenn auch stereotypes Qualitätssiegel.
9 Als Beispiel dient hier ein Report zu den Jugendakademien europäischer Vereine, die durchaus Parallelen zu ihren Länderstereotypen erahnen lassen (European Club Association, 2012).
10 Diese Risiken stellen die klassischen Probleme der Prinzipal-Agenten-Theorie dar, auf die in der vorliegenden Arbeit aus Gründen der thematischen Relevanz nicht weiter eingegangen wird.
11 Letztere untersuchten die Champions League anhand verschiedener Diversitätsgrößen. Die Ergebnisse wiesen auf einen durchweg leistungssteigernden Effekt hin.
12 Zu etwas früheren Zeiträumen (1997-2004) konnten Teichmann (2007) und Fritz (2006) ebenfalls keinen signifikanten Effekt nachweisen.
13 Gemessen anhand von Einsatzzeiten oder Spielerquantität im Profikader des Vereins
14 In der algerischen Ligue Professionelle 1 sind sämtliche ausländischen Spieler verboten – der wohl resoluteste Fall von Nationalitätenquote im aktuellen Weltfußball.
15 Die Studien von Wulf et al. (2006) und Gerhards, Mutz und Wagner (2014) untersuchen beispielsweise kulturelle Diversität als Teilthema der gesamten Ungleichheit in Fußballteams und werden nicht in den Vergleich mit aufgenommen, da sie von Andresens und Altmanns Studie (2006) bezüglich der Herangehensweise adäquat vertreten werden.
16 Der Einfluss der verschiedenen Ausprägungen der Home-Grown Player-Rule steht bei Studien zwischen mehreren Ligen ebenfalls zum Vergleich.
17 Osteuropäische, skandinavische und BeNeLux-Vereine verfügen häufig über relativ eingeschränkte Ressourcen aufgrund von kleineren Absatzmärkten, Ligen oder Fußballinteresse in den Ländern.
18 Diese Beschränkung besteht in Form der Transferphasen von Juli bis August und im Januar nur im Fußball und abgewandelt in anderen Sportarten, kann aber ähnlich wie die zyklische Personalplanung in Wirtschaftsunternehmen gesehen werden.
19 Oder sogar für mehr als zwei, beispielsweise U19, U23 und Profikader
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- Karim Teufel (Author), 2017, Fußballkader als multikulturelle Teams. (Wie) Kann kulturelle Diversität gezielt die Mannschaftsleistung verbessern?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/889074
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