Erstspracherwerbstheorien zerstreuen sich auf stark unterschiedlichen Prämissen beruhend über ein weites Feld. Die derzeit gängigste Strömung – die nativistische Konzeption – geht von angeborenen Spracherwerbsmechanismen aus. In ihrer strengen Auslegung postuliert sie eine universale, deduktive Entwicklung des Erstspracherwerbs, die von genetisch vorprogrammierten Prinzipien geleitet wird. Spracherwerbsdaten belegen aber eine einzelsprachlich individuelle Entwicklung; so erwerben deutsche Kinder früher als spanische Kinder Daktylen und das Wortbildungsverfahren der Komposition, spanische Kinder wiederum bewältigen schneller die Produktion von Artikeln und amphibrachen Wortstrukturen. Dazu werden deutsche Daten aus einer Longitudinalstudie und spanische Daten aus der CHILDES-Datenbank untersucht.
Beim Erlernen einer unbekannten Sprache sind wir zunächst auf unsere Wahrnehmung angewiesen. Wir verstehen noch kaum ein Wort, müssen aber versuchen aus dem Redefluss Wörter zu isolieren. Für Säuglinge und Kleinkinder stellt sich die Sache ganz ähnlich dar, aber doch vollkommen anders: Sie verfügen noch nicht über muttersprachliches Wissen, das sie benutzen könnten, um eine Sprache auf Grundlage bereits erworbener Artikulationsmuster und Ähnlichkeiten nachzubilden. Allein ihre motorischen Fähigkeiten sind derart unreif, dass sie nicht einfach Wörter nachsprechen können, sondern sich in einem langen Reifungsprozess dorthin entwickeln ein Wort produzieren zu können. Da Kinder längere Zeit nur Teile von Wörtern abbilden können, wird es wichtig, welche Wortteile sie äußern; immerhin wollen Kinder mit Wörtern kommunizieren, sodass die Erkennbarkeit der kindlichen Wörter immense Bedeutung bekommt. Diese Wortteile sind die akzenttragenden Strukturen.
Wir wollen nun zeigen, dass Kinder im Erstspracherwerb zunächst die akzenttragenden Strukturen ihrer Sprache aufbauen und der weitere phonologische und morphosyntaktische Erstspracherwerb von der Akzentumgebung determiniert wird. In Kapitel I erfolgt eine Analyse der spanischen und deutschen Prosodie (I.1 bis I.3) und des jeweiligen Sprachrhythmus (I.4). Kapitel II.2 untersucht, auf welche Weise Hörer des Deutschen und des Spanischen ihre Sprachen segmentieren – unter der Annahme, dass perzeptiv isolierte Spracheinheiten besondere Bedeutung für die frühphonologische Produktion haben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rhythmus und Prosodie
- Das verschobene Zeitmaß
- Die prosodischen Grundsteine des Deutschen und des Spanischen
- Phonemsysteme
- Die More und die Silbe
- Metrische Phonologie: Struktureinheiten
- Verzweigungsmodalitäten
- Der Fuß und der Takt
- Autosegmentale Phonologie: Melodieeinheiten
- Das Prosodische Wort
- Der Wortiktus im Deutschen
- Der Wortakzent im Spanischen
- Die Intonationsphrase
- Phonetische Korrelate des Akzents
- Akzentkonstanz im Spanischen
- Akzentplatzierung im Deutschen
- Das Prosodische Wort
- Sprachrhythmus
- Vergleich von Akzent und Alignment im Deutschen und Spanischen
- Die Rolle der Akzentstruktur im Deutschen und Spanischen und ihre Auswirkungen auf den Spracherwerb
- Die Entwicklung des prosodischen Wortkonzepts im Deutschen und Spanischen
- Der Einfluss des Sprachrhythmus auf die Segmentierung und Kategorisierung des Wortflusses bei Kindern
- Die Bedeutung der Phonological Bootstrapping Hypothesis für den Erwerb grammatischer Strukturen
- Die Interaktion von phonologischen und morphosyntaktischen Strukturen im Spracherwerbsprozess
- Kapitel I: Dieses Kapitel analysiert die prosodischen Eigenschaften des Deutschen und Spanischen, einschließlich der Phonemsysteme, der Silbenstruktur, der metrischen Phonologie und der Intonationskonturen. Es beleuchtet die Unterschiede in der Akzentuierung und dem Alignment der beiden Sprachen, die wichtige Auswirkungen auf den Spracherwerb haben.
- Kapitel II: Hier wird untersucht, wie Kinder den Wortfluss in den ersten beiden Lebensjahren wahrnehmen und segmentieren. Es werden verschiedene Hypothesen über die Rolle von Phonemen und prosodischen Einheiten in der Sprachrezeption diskutiert und die Bedeutung der Phonological Bootstrapping Hypothesis für den Einstieg in den Grammatikerwerb hervorgehoben.
- Kapitel III: Dieses Kapitel befasst sich mit dem Erwerb von phonologischen Strukturen in den ersten beiden Lebensjahren, den Stadien der Prosodischen Wörter und den Zusammenhängen zwischen phonologischem und morphosyntaktischem Erwerb. Es werden verschiedene Theorien des Spracherwerbs vorgestellt, darunter die nativistische, die holistische und die interaktionistische Konzeption.
- Kapitel IV: In diesem Kapitel werden die in der Arbeit untersuchten Daten und ihre Analyse vorgestellt. Die Daten zeigen die unterschiedliche Entwicklung von Artikeln und Komposita im Deutschen und Spanischen. Es wird argumentiert, dass die Unterschiede in der Akzentstruktur, der Fußbildung und dem Alignment der beiden Sprachen einen entscheidenden Einfluss auf den Spracherwerb haben.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss von Rhythmus und Prosodie auf den morphosyntaktischen Erstspracherwerb im Deutschen und Spanischen. Der Fokus liegt auf der Analyse der Unterschiede in der Entwicklung von Artikeln und Komposita in den beiden Sprachen und der Erklärung dieser Unterschiede durch prosodische Faktoren.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schlüsselwörter Rhythmus, Prosodie, Akzent, Alignment, Erstspracherwerb, Artikel, Komposita, Phonological Bootstrapping Hypothesis, Universal Bilingualism, Sprachrhythmus, silbenzählende Sprache, akzentzählende Sprache.
- Quote paper
- Michael Bradley (Author), 2007, Der Einfluss von Rhythmus und Prosodie auf den morphosyntaktischen Erstspracherwerb, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88618