Geschichte bezeichnet in erster Linie die historische Entwicklung der Menschen; Menschen werden geboren, bilden Familien, migrieren und sterben. Und nahezu überall erfasst(e) eine Administration – aus verschiedenen Gründen und zu unterschiedlichen Zeiten – diese Sachverhalte in Statistiken. Hauptgegenstand der Geschichtswissenschaft ist die Geschichte der Menschen seit Erfindung der Schrift. Dementsprechend versucht die Historische Demografie zu beantworten, wieviele Menschen wo und wann geboren wurden, gelebt und geheiratet haben, in diesem oder jenem Alter starben. Sie versucht desweiteren eine Beziehung herzustellen zwischen der demografischen Entwicklung eines lokalen oder regionalen Bereichs und Gegebenheiten, die für die Entwicklung der Menschen in diesem Bereich eine Rolle spielten. Gegebenheiten, wie z.B. Ernteausfälle, Epidemien und veränderte Lebens- und Beschäftigungsverhältnisse.
Diese Arbeit versucht, einen Überblick über die Besonderheiten der frühneuzeitlichen norddeutschen Bevölkerungsgeschichte zu bieten, denn sie beschäftigt sich mit der Frage, welche besonderen Varianten demografischen Verhaltens innerhalb Norddeutschlands in der Frühen Neuzeit existierten. Dafür hat sich erstens Literatur über allgemeine Bevölkerungsgeschichte von Josef Ehmer (2004), Christian Pfister (1994), Walter G. Rödel (1990) und Arthur E. Imhof (1977), zweitens Material über historisch-demografische Besonderheiten norddeutscher Regionen von Franz Bölsker-Schlicht (1994), Katrin Keller (1999) sowie Wilhelm Norden (1984) als aufschlussreich erwiesen. Ausserdem standen Quellen zur Bevölkerungsgeschichte der Frühen Neuzeit zur Verfügung, die von Wilhelm Norden (1984), Franz Bölsker-Schlicht (1994), Michael Herrmann (2003) und Günter Köster (2005) zusammengetragen wurden.
Historische Demografie ist stets mikroregional orientiert. Daher werden im folgenden zwei unterschiedliche Regionen Norddeutschlands beispielhaft beleuchtet, die schließlich für die Frühe Neuzeit eine Abgrenzung von Sonderfällen zu regelhaften Determinanten widerspiegeln können. Zunächst wird die Methodik der Historischen Demografie erläutert und danach werden sowohl die besondere Entwicklung der ländlichen Bevölkerung am Beispiel der norddeutschen Küstenregion um Butjadingen sowie der städtischen (Göttingen) und kleinstädtischen Bevölkerung (Emsland) untersucht.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Quellen und Methoden historisch-demografischer Forschung
1.1 Wichtige Begriffe der Historischen Demografie
1.2 Die historisch-demografischen Quellen
1.2.1. Quellen des weltlichen Bereichs
1.2.2. Quellen des kirchlichen Bereichs
1.3. Die Auswertung historisch-demografischer Quellen
1.3.1. Die aggregative Methode
1.3.2. Die Familienrekonstitutionsmethode
1.3.3. Probleme bei der Auswertung der Quellen
2. Butjadingen – Ein historisch-demografischer Überblick
2.1. Butjadingen – Eine norddeutsche Küstenregion
2.1.1. Die räumliche Abgrenzung der Wesermarsch
2.1.2. Historische Physiogeografie Butjadingens
2.2. Aspekte der Bevölkerungsentwicklung Butjadingens
2.2.1. Quellen zur Bevölkerungsgeschichte Butjadingens
2.2.2. Mortalität und Fertilität
2.2.3. Migration, Konjunkturen und Krisen
2.3. Phasen der Bevölkerungsentwicklung Butjadingens
3. Norddeutsche Städte – Ein historisch-demografischer Überblick
3.1. Städtetypisches demografisches Verhalten
3.2. Der Bevölkerungsaufbau einer norddeutschen Stadt
3.3. Migration und Binnenkolonisation am Beispiel Papenburgs
4. Resümee
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1. Edierte Quellen
5.2. Darstellende Literatur
5.3. Internet
Anhang
Einleitung
Geschichte bezeichnet in erster Linie die historische Entwicklung der Menschen; Menschen werden geboren, bilden Familien, migrieren und sterben. Und nahezu überall erfasst(e) eine Administration – aus verschiedenen Gründen und zu unterschiedlichen Zeiten – diese Sachverhalte in Statistiken. Hauptgegenstand der Geschichtswissenschaft ist die Geschichte der Menschen seit Erfindung der Schrift. Dementsprechend versucht die Historische Demografie zu beantworten, wieviele Menschen wo und wann geboren wurden, gelebt und geheiratet haben, in diesem oder jenem Alter starben. Sie versucht desweiteren eine Beziehung herzustellen zwischen der demografischen Entwicklung eines lokalen oder regionalen Bereichs und Gegebenheiten, die für die Entwicklung der Menschen in diesem Bereich eine Rolle spielten. Gegebenheiten, wie z.B. Ernteausfälle, Epidemien und veränderte Lebens- und Beschäftigungsverhältnisse.
Diese Arbeit versucht, einen Überblick über die Besonderheiten der frühneuzeitlichen norddeutschen Bevölkerungsgeschichte zu bieten, denn sie beschäftigt sich mit der Frage, welche besonderen Varianten demografischen Verhaltens innerhalb Norddeutschlands in der Frühen Neuzeit existierten. Dafür hat sich erstens Literatur über allgemeine Bevölkerungsgeschichte von Josef Ehmer (2004), Christian Pfister (1994), Walter G. Rödel (1990) und Arthur E. Imhof (1977), zweitens Material über historisch-demografische Besonderheiten norddeutscher Regionen von Franz Bölsker-Schlicht (1994), Katrin Keller (1999) sowie Wilhelm Norden (1984) als aufschlussreich erwiesen. Ausserdem standen Quellen zur Bevölkerungsgeschichte der Frühen Neuzeit zur Verfügung, die von Wilhelm Norden (1984), Franz Bölsker-Schlicht (1994), Michael Herrmann (2003) und Günter Köster (2005) zusammengetragen wurden.
Historische Demografie ist stets mikroregional orientiert. Daher werden im folgenden zwei unterschiedliche Regionen Norddeutschlands beispielhaft beleuchtet, die schließlich für die Frühe Neuzeit eine Abgrenzung von Sonderfällen zu regelhaften Determinanten widerspiegeln können. Zunächst wird die Methodik der Historischen Demografie erläutert und danach werden sowohl die besondere Entwicklung der ländlichen Bevölkerung am Beispiel der norddeutschen Küstenregion um Butjadingen sowie der städtischen (Göttingen) und kleinstädtischen Bevölkerung (Emsland) untersucht.
1. Quellen und Methoden historisch-demografischer Forschung
1.1 Wichtige Begriffe der Historischen Demografie
Historische Demografie beschreibt, analysiert und erklärt die geschichtliche Entwicklung von Bevölkerungsstrukturen (mit den Merkmalen Lebensalter, Geschlecht, Nationalität etc.), natürlichen Bevölkerungsbewegungen (mit den Merkmalen Fertilität und Mortalität) und räumlichen Bevölkerungsbewegungen (räumliche Mobilität) sowie der Ursachen und Wirkungen dieser Veränderungen. Fertilität (lat. fertilis) bezeichnet dabei die Fruchtbarkeit, d.h. die Fähigkeit des Menschen, Nachkommen zu zeugen. Mortalität (lat. mors bzw. mortalitas) bezeichnet die Sterblichkeit. Gerhard Mackenroth prägte für das vernetzte System Fertilität-Heirat-Mortalität den Begriff der generativen Struktur oder der Bevölkerungsweise[1] .
Zu den zentralen Themen der Historischen Demografie zählt die Untersuchung der Fertilität. In diesem Zusammenhang werden Geburtenzahlen analysiert, jedoch auch speziellere Einflussfaktoren betrachtet, wie die regionale Varianz der Fruchtbarkeit (z.B. religiöse und naturräumliche Einflüsse des Nord-Süd-Gegensatzes), der Einfluss der Stillpraktiken (z.B. wurden Säuglinge in Norddeutschland vermutlich häufiger und länger gestillt als in Süddeutschland) sowie die soziale Varianz der Fruchtbarkeit (so heirateten z.B. im Gegensatz zu den Männern der dörflichen sozialen Unterschicht i.d.R. die Männer der dörflichen sozialen Oberschicht jüngerer Bräute, welche wiederum mehr eheliche Kinder gebären konnten)[2]. Ausserdem werden als weitere Einflussfaktoren der Fertilität folgende betrachtet: gesundheitliche Faktoren und Ernährungslagen, Arbeitsmigration in der Ehe, das Verhalten des Anstrebens bzw. Nicht-Anstrebens einer bewussten Beschränkung der Kinderzahl innerhalb der Ehe, konfessionelle Einflüsse, aussereheliche Fertilität und (im Zuge von Aufklärung und sozio-kulturellem Umbruch) verbreitete Kenntnisse der ausserehelichen Empfängnisverhütung.[3] Die Mortalität gilt ebenfalls als zentrales Thema der Historischen Demografie. Die Frage nach der Sterblichkeit ist stets gleichzeitig die Frage nach Lebenserwartung und Todesursachen. So spielen hauptsächlich folgende Faktoren eine Rolle: die Ernährung (denn die Verbesserung der Ernährung erhöht den Lebensstandard und verbessert so den gesundheitlichen Zustand einer Bevölkerung), das Auftreten von Seuchen und Krankheiten bzw. der medizinische Fortschritt, der technische Fortschritt bzw. sanitäre Reformen (Kanalisation und Trinkwasserversorgung bzw. Stadtentwicklung) sowie sozio-ökonomische und politische Veränderungen (Arbeitsalltag, Schutz vor körperlichen Angriffen, Krieg etc.)[4]. Diese generativen Komponenten Fertilität und Mortalität sowie weitere Aspekte, wie Migration und ökonomische Konjunkturen analysiert Historische Demografie mit der Hilfe eines statistischen Instrumentariums.
1.2 Die historisch-demografischen Quellen
Die historisch-demografischen Quellen lassen sich den zwei folgenden Erfassenskategorien zuordnen: den diachron erfassten sog. Bestandesmassen und den synchron erfassten sog. Bewegungsmassen. D.h. dass einerseits durch periodische Erhebungen bzw. Zählungen sowohl der Bevölkerungsstand, als auch die Bevölkerungsstruktur erfasst wurde und wird (Bestandesmassen). Andererseits werden Geburten, Heiraten und Todesfälle (Bewegungsmassen) laufend aufgezeichnet.[5] In der Frühen Neuzeit begann nämlich eine neue Quellenart aufzublühen: der Zensus. Dies bezeichnet die Erfassung der Bevölkerung – meist zum Zweck der Besteuerung, denn mit dem Wachstum der Staatsgewalt erfasste die weltliche Obrigkeit zunehmend ihre Untertanen – doch auch z.B. für die kirchliche Kontrolle, da nach der Reformation die konkurrierenden Konfessionen daran interessiert waren, ihre „Seelen“ zu erfassen.[6]
1.2.1. Quellen des weltlichen Bereichs
Zu den weltlichen demografischen Quellen zählen die sog. Huldigungsrollen, die die Namen aller Untertanen eines Landesherren erfassten, welche nach einem Regierungswechsel im Rahmen einer Zeremonie das gegenseitige Treueverhältnis neu beschwören mussten. Ausserdem zählen die sog. Mannschaftsrödel zu den weltlichen Quellen. In diesen wurden für einen etwaigen Verteidigungsfall wehrfähige Personen militärisch erhoben. Die wichtigsten weltlichen Quellen jedoch sind Steuerlisten, also die Register, welche die Grundlage für die Steuererhebung bildeten. Als Beispiele für erhobene Steuern in der Frühen Neuzeit sollen hier die Reichssteuern (Gemeiner Pfennig, Türkensteuer), die territorialen Steuern (z.B. Bede, Fräulein- und Weihesteuer) sowie die kommunalen Steuern (z.B. Herdsteuer, Bede, Schatzung und Eimergeld des Feuerlöschwesens) genannt sein. Desweiteren gelten die für die Beweisführung herrschaftlicher Rechtsansprüche an Leibeigenschaft angelegten Leibbücher als weltliche demografische Quellen.[7]
1.2.2. Quellen des kirchlichen Bereichs
Seit dem späten Mittelalter sind verschiedene Registrierungen (Kirchenbücher) von kirchlicher Seite angestellt worden. Einerseits bestand das Interesse, mit Hilfe der Kommunikantenlisten bzw. Konfirmantenrödeln etwas über die kirchlichen Praktiken der Gläubigen zu erfahren, andererseits wollte man Ketzer und Wiedertäufer aufspüren. Daneben wurden, um Seelenmessen lesen zu können, sog. Nekrologe (Seelenbücher) gepflegt. So ordnete die katholische Seite mit dem Status animarum auf dem Trienter Konzil 1563 für jede Pfarrei das Führen von Tauf- und Eheregistern an. Manchmal dienten kirchliche Register sogar der Verwaltung von Einkünften des Pfarrers. Als weniger wichtige Quellengattung seien hier ausserdem noch die Visitationsakten genannt, welche ein Registrierungsinstrument der kirchlichen Obrigkeit bei Kontrollbesuchen in den Gemeinden darstellten.[8]
1.3. Die Auswertung historisch-demografischer Quellen
1.3.1. Die aggregative Methode
Die einfache Auszählung der Eintragungen z.B. über Geburten, Heiraten und Sterbefälle in Kirchenbüchern nennt man die aggregative oder die nicht-namentliche Methode. Sie wird in erster Linie zur Analyse von demografischen Strukturen über Zeit und Raum herangezogen (z.B. Heiratsfrequenzen und Säuglingssterblichkeit) und besteht meist aus EDV-unterstützter Auswertung (Addition und Hochrechnung) von Datenmassen. So sollte ein möglichst zusammenhängendes bzw. homogenes Territorium für eine repräsentative Erfassung von vitalstatistischen Wellen gewählt werden (z.B. Gemeinden einer relativ isolierten Küstenregion oder Städte mit vergleichbaren sozio-ökonomischen Strukturen). Die aggregative Methode ist demnach ein Instrument der klassischen Bevölkerungsgeschichte.[9]
[...]
[1] Mackenroth, Gerhard: Bevölkerungslehre. Theorie, Soziologie und Statistik der Bevölkerung. Berlin 1953. S. 96. Pfister, Christian: Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie 1500-1800. München 1994 = Enzyklopädie deutscher Geschichte 28. S. 3f.
[2] Ehmer, Josef: Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1800 – 2000. München 2004 = Enzyklopädie deutscher Geschichte 71. S. 99-103.
[3] Ebd. S. 102-111.
[4] Ebd. S. 86-91.
[5] Emich, Birgit: Geschichte der Frühen Neuzeit studieren. Konstanz 2006. S. 212-214;
Pfister, S. 3-8;
Rödel, Walter G.: Statistik in vorstatistischer Zeit. Möglichkeiten und Probleme der Erforschung frühneuzeitlicher Populationen. In: Oberrheinische Studien 8, 1990. Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Quellen und methodische Probleme im überregionalen Vergleich. S. 10-12.
[6] Emich, S. 211f.
Zum Terminus „Zensus“ vgl. Lexikon des Mittelalters. Onlineausgabe. Veröffentlicht im Auftrag des LexMA-Verlags München durch Brepols publishers online NV. Lizenzierter Zugang unter [http://www.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/db-nt.cgi?app=lexma]. Letzter Zugriff: 16.07.2007.
[7] Emich, S. 211f.; Pfister, S. 4f.; Rödel, S.13;
[8] Wie Anm. 7, ausserdem: Ehmer, S. 3-6; Rechter, Gerhard: Bevölkerungsstatistische Quellen Frankens. Bestand und Probleme, dargestellt am Beispiel des Fürstentums Brandenburg-Ansbach-Kulmbach. In: Oberrheinische Studien 8, 1990. Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Quellen und methodische Probleme im überregionalen Vergleich. S. 71-74.
[9] Emich, S. 213f.;
Imhof, Arthur E.: Einführung in die Historische Demographie. München 1977. S. 97-101.
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