Die Fernsehübertragung als zweiseitiger Markt

Wohlfahrtsauswirkungen einer Satellitengebühr


Seminar Paper, 2007

19 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zweiseitige Märkte
2.1 Eigenschaften und Definition zweiseitiger Märkte
2.3 Das „canonical model“ zweiseitiger Märkte

3. Die Satellitengebühr im zweiseitigen Fernsehübertragungsmarkt
3.1 Modellierung des Fernsehübertragungsmarktes
3.2 Wohlfahrtsauswirkungen einer Satellitengebühr

4. Fazit, Kritik und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Vierzehn Millionen Haushalte empfangen derzeit in der Bundesrepublik Deutschland Satellitenfernsehen ohne eine Empfangsgebühr zu entrichten (Vgl. ARD, 2007).[1] Anfang des Jahres 2006 wurde jedoch offiziell, dass der Satellitennetzbetreiber SES Astra zusammen mit den beiden TV-Oligopolisten Pro Sieben Sat.1 und RTL die Einführung einer Empfangspauschale plant (Vgl. FAZ, 01.03.2006).[2] SES Astra betrachtet solch eine Gebühr als „technische Zugangspauschale“ (Vgl. FAZ, 06.08.2006), die die Zukunft der digitalen Satellitentechnologie sichern soll. RTL verteidigt die Gebühr zudem mit dem Argument, dass sie einen „effektiven Programmschutz“ vor Raubkopierern darstelle (Vgl. FAZ, 03.08.2006).

Martin Stadelmaier[3] hingegen vermutete hingegen eine Verlängerung der Wertschöpfungskette der privaten Sender (Vgl. FAZ, 11.03.2006), um sich mit Hilfe ihrer marktbeherrschenden Stellung und einer Kartellabsprache eine zusätzliche Rente abzuschöpfen. Das Bundeskartellamt ermittelte nach Ankündigung der Satellitengebühr wegen des Verdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gegen SES Astra, Pro Sieben Sat.1 und RTL (Vgl. FAZ, 01.03.2006). Nachdem deutlich wurde, dass das Kartellamt eine negative Vorentscheidung in Form einer Abmahnung vorbereitete (Vgl. FAZ, 20.10.2006), wurde die Einführung einer Satellitengebühr wieder aufgegeben (Vgl. FAZ, 06.12.2006).

Soweit die Tagespresse. Um eine Thematik zu durchdringen ist jedoch eine genauere Analyse nötig, als sie einem Tageszeitungen zur Verfügung stellen.[4] In dieser Arbeit wird die Einführung einer Satellitengebühr wissenschaftlich untersucht und die Bedingung herausgearbeitet unter der sie die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt steigert. Hierzu wird die Fernsehübertragung als zweiseitiger Markt charakterisiert und anhand des so genannten „canonical model“ zweiseitiger Märkte von Rochet und Tirole (2004) abgebildet.

Die Arbeit ist wie folgt gegliedert: Abschnitt 2 führt in die Thematik zweiseitiger Märkte ein, nennt ihre Eigenschaften und führt eine Definition an. Am Ende von Abschnitt 2 wird daraufhin das „canonical model“ zweiseitiger Märkte vorgestellt. Dieses wird in Abschnitt 3 auf den Fernsehübertragungsmarkt angewendet und dabei die Bedingung herausgearbeitet unter der die Einführung einer Satellitengebühr wohlfahrtssteigernd ist. Abschnitt 4 enthält eine kritische Würdigung, gibt einen Ausblick und fasst schließend zusammen.

2. Zweiseitige Märkte

Die Forschung zu zweiseitigen Märkten ist noch sehr jung, jedoch aufstrebend (bspw. Armstrong 2004; Evans, 2003, 2006; Kohlschein 2005; Parker & Alstyne, 2005; Reisinger, 2004; Rochet & Tirole, 2002, 2003, 2004; Schmidtke, 2006).[5] Thematisch ist sie eng verwandt mit der Literatur zu Netzwerken und Netzwerkexternalitäten[6] sowie zur Preisbildung (Vgl. Rochet & Tirole, 2004, S. 3). In der Theorie der Netzwerkexternalitäten (bspw. Katz & Shapiro, 1985) wird die Preisstruktur außer Acht gelassen (Vgl. Rochet & Tirole, 2003, S. 993), da sie unter Annahme des Coase-Theorems[7] als irrelevant für Gewinne und Markteffizienz angenommen wird (Vgl. Rochet & Tirole, 2004, S. 10). In der Preisbildungstheorie hingegen werden Externalitäten vernachlässigt. Zweiseitige Märkte liegen thematisch zwischen diesen beiden Theoriesträngen und verbinden sie miteinander (Vgl. Rochet & Tirole, 2003, S.993).

In diesem Abschnitt werden zunächst die maßgeblichen Eigenschaften zweiseitiger Märkte genannt und eine Definition herausgearbeitet. Anschließend wird das so genannte „canonical model“ zweiseitiger Märkte von Rochet & Tirole (2004) vorgestellt, welches sodann in Abschnitt 3 auf den Fernsehübertragungsmarkt angewendet wird.

2.1 Eigenschaften und Definition zweiseitiger Märkte

Zwei- bzw. mehrseitige Märkte sind zum einen dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen ein Intermediär existiert, dessen Plattform notwendig ist, um zwischen unterschiedlichen Endnutzergruppen – bspw. Käufer und Verkäufer – Transaktionen zu ermöglichen (Vgl. Evans, 2003). Die Endnutzer treten also nicht miteinander in direkten Kontakt und können somit nicht miteinander verhandeln. Die vermittelten Transaktionen stiften ihnen einen Nutzen und der Intermediär lässt sich diese Vermittlung entlohnen.[8] Der Intermediär agiert dabei zwischen den Endnutzern und ist somit mit beiden Seiten in Kontakt. Im Gegensatz zu der üblichen vertikalen Sicht auf Märkte, bei der die Plattform nur mit einer Seite in Kontakt steht (siehe Abbildung 1), ergibt sich daher eine horizontale Sicht, wie in Abbildung 2 dargstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zum anderen ist ein zweiseitiger Markt dadurch charakterisiert, dass der Intermediär versucht, die zu verbindenden Seiten durch eine adäquate Gebührenstruktur und Gebührenaufteilung „an Bord“ zu holen. Das Merkmal adäquat sagt aus, dass die Gebührenaufteilung zwischen den Endnutzen entgegen dem Coase-Theorem nicht neutral ist. Diese Nichtgültigkeit ist dann gegeben, wenn die Endnutzer keine effiziente Ressourcenalokation durch Verhandlungen erreichen können[9] (Vgl. Rochet & Tirole, 2004, S. 14) und ist notwendige – wenn auch nicht hinreichende – Bedingung für einen zweiseitigen Markt (Vgl. Rochet & Tirole, 2004, S. 10).

In zweiseitigen Märkten hängen die Netzwerkeffekte und damit der Nutzen eines Mitglieds einer Marktseite davon ab, wie viele Nutzer auf der anderen Seite auf derselben Plattform agieren (Vgl. Armstrong, 2004, S.1). Somit treten Netzwerkeffekte nicht (nur) innerhalb einer Gruppe von Endnutzern auf, sondern (auch) zwischen den jeweiligen Gruppen an Endnutzern. Es handelt sich folglich um indirekte Netzwerkeffekte (Vgl. Evans, 2003, S. 192). Diese Netzwerkeffekte werden ohne Intermediäre nicht (vollständig) internalisiert (Vgl. Rochet & Tirole, 2004, S. 3). Zweiseitige Märkte weichen somit von der Betrachtungsweise der klassischen Mikroökonomie[10] ab (Vgl. Rochet & Tirole, 2003, S. 991), in der Externalitäten von den Endnutzern internalisiert werden.[11]

In Verbindung mit der nicht neutralen (Re)Allokationswirkung von Ressourcen führt dieser Punkt zur Hauptaufgabe des Intermediärs: der Konzeption der Preisstruktur für seine Plattform, um die Netzwerkeffekte zu internalisieren.[12] Diese Aufgabe besteht aus der Definition der Ertragsmechanik[13] für beide Seiten des Marktes; das meint die Festlegung von Anteil und Höhe einer fixen, zf, sowie einer nutzungsbezogenen bzw. variablen Gebühr, zv für beide Endnutzer. Wichtig ist, dass Höhe und Anteil für die beiden Marktseiten unterschiedlich sein können. Im Extremfall kann es sogar sinnvoll sein, für eine Marktseite eine negative Gebühr festzulegen, sie also zu subventionieren.[14] Diese Eigenschaft, dass die Preisstruktur für Profite und Markteffizienz eine herausragende Rolle spielt, wird auch dadurch bestätigt, dass die Preisstruktur eine der Hauptinterventionsfelder der Politik ist[15].

Die wohlfahrtsoptimalen Preise sind dabei nicht zwangsläufig – wie es in der Lerner-Bedingung (Vgl. Lerner, 1934) der Fall ist – gleich den marginalen Kosten (Vgl. Evans, 2003, S.193), so dass ein Intermediär mit Monopolstellung nicht notwendig wohlfahrtsmindernd sein muss.[16]

Nachdem vorstehend die wesentlichen Eigenschaften zweiseitiger Märkte genannt wurden, soll nun eine kurze Definition folgen:

Definition: Ein Markt ist zweiseitig, wenn für Transaktionen zwischen Marktteilnehmern eine Plattform notwendig ist und die Gesamtheit der abgewickelten Transaktionen zwischen den Marktteilnehmern mit der Gebührenaufteilung für die Nutzung der Plattform variiert.

Formal: Sei T die Gesamtheit aller Transaktionen und z die Gesamtheit der Gebühren für die Nutzung der Plattform. Für z gelte: z ≡ zA + zB = const. A und B seien die Gruppen der Marktteilnehmer und T eine Funktion von z: T ≡ f(z).

Ein Markt ist dann einseitig, wenn gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

und zweiseitig, wenn gilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Folgenden soll das „canonical model“ von Rochet und Tirole (2004) vorgestellt werden, um die aufgezeigten Eigenschaften mathematisch zu zeigen und danach in Abschnitt 3 den Fernsehübertragungsmarkt anhand dieses Modells zu analysieren.

2.3 Das „canonical model“ zweiseitiger Märkte

Nachdem im vorangegangenem Abschnitt zweiseitige Märkte definiert wurden und ihre Besonderheit herausgearbeitet wurde, wird nun ein mathematisches – das so genannte „canonical“ – Modell zweiseitiger Märkte von Rochet und Tirole (2004) vorgestellt.[17] Mit Hilfe dieses Modells wird anschließend der Fernsehübertragungsmarkt abgebildet und im Rahmen dieses Modells die Bedingung abgeleitet unter der die Einführung einer Satellitengebühr wohlfahrtsfördernd ist.

[...]


[1] Diese Zahl entspricht knapp 40% aller Fernsehhaushalte in Deutschland.

[2] Für analoges Fernsehen kann keine Empfangsgebühr verlangt werden, da es aus technischer Sicht nicht verschlüsselt werden kann. Die digitale Technik ermöglicht dies jedoch durch so genannte „Quadratur-Signale“, welche auf der Idee komplexer Zahlen basieren (Vgl. Lyons, 2004, S. 335 f.), so dass für die Entschlüsselung der Signale durch einen Decoder eine Gebühr verlangt werden kann.

[3] Martin Stadelmaier ist Chef der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz.

[4] Vergleiche hierzu folgenden Aphorismus von Arthur Schopenhauer: „Die Zeitungen sind der Sekundenzeiger der Geschichte. Derselbe aber ist meistens nicht nur von unedlerem Metalle als die beiden anderen, sondern geht auch selten richtig.“

[5] Das noch sehr junge Alter dieses Forschungszweiges ist auch der Grund, weshalb die einschlägigen Arbeiten zu diesem Themenbereich teilweise noch Working Paper sind, bzw. kurz vor der Veröffentlichung stehen.

[6] Der Ursprung des Begriffs „Netzwerkexternalität“ liegt in der Telekommunikationsbranche und beschreibt Kompabilitätsvorteile von Nutzern eines „Netzes“ – bspw. des Telefonnetzes –, welche wesentlich davon abhängen, wie viele andere Nutzer sich ebenfalls an diesem Netz beteiligen (Vgl. Adams, 2004)

[7] Das Coase-Theorem besagt, dass bei Möglichkeit von Verhandlungen und Vertragsabschlüssen unter den Betroffenen (hier die Endnutzer), deren Eigentumsrechte wohldefiniert sind,

1. die Allokation der Ressourcen identisch ist – unabhängig davon, wie die Eigentumsrechte anfangs verteilt waren – und

2. die Allokation der Ressourcen effizient ist, so dass kein Externalitätenproblem auftritt.

Annahmen hierfür sind die Absenz von Transaktionskosten sowie die Beständigkeit der relativen Bewertung der Ressourcen bei Reallokation dieser (Vgl. Coase, 1960).

[8] Der Reservationsnutzen der Endnutzer beträgt 0, so dass ihr Nutzen einer Plattform beizutreten und sie zu nutzen größer sein muss als die dafür verlangte Gebühr.

[9] Dies kann z.B. durch fehlende Verhandlungsmöglichkeit, Informationsasymmetrie oder Transaktionskosten begründet sein.

[10] Als klassische Lehrbücher zur Mikroökonomie seien an dieser Stelle Pindyck & Rubinfeld, 2003; Weise, Brandes, Eger & Kraft, 2002, Varian, 2006 und insbesondere Mas-Colell, Whinston & Green, 1995 genannt.

[11] Rochet und Tirole führen hier das Beispiel an, dass derselbe Konsument Rasierer und die dazugehörigen Klingen kauft.

[12] Wenn die Endnutzer diese indirekten Netzwerkeffekte selbst internalisieren könnten, so wäre die Vermittlung über die Plattform nicht notwendig.

[13] Zum Begriff der Ertragsmechanik siehe Knyphausen-Aufseß & Meinhardt, 2002, S.76.

[14] Ein Beispiel hierfür wäre der Kreditkartenmarkt, bei denen die Nutzer zwar (zumeist) eine fixe Gebühr für ihre Kreditkarte zahlen müssen, jedoch über Bonus und Paybacksysteme pro Nutzung der Karte eine variable „Entlohnung“ erhält.

[15] Wäre die Preisstruktur irrelevant für die ökonomische Wohlfahrt, so wäre solch eine Einmischung unnötig.

[16] Rochet und Tirole (2003) zeigen bspw., dass bei linearer Nachfragekurve die Preisstruktur einer privaten Plattform mit Monopolstellung in einem zweiseitigen Markt identisch mit der eines benevolenten Gesellschaftsplaners („Ramsey“) ist.

[17] Soweit nicht anders angeführt bezieht sich dieser Abschnitt auf Rochet und Tirole (2004) S. 20ff.

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Details

Title
Die Fernsehübertragung als zweiseitiger Markt
Subtitle
Wohlfahrtsauswirkungen einer Satellitengebühr
College
University of Hamburg  (Lehrstuhl für WIrtschaftspolitik)
Course
Seminar zur Sport- und Medienökonomie
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
19
Catalog Number
V88331
ISBN (eBook)
9783638024228
ISBN (Book)
9783638924252
File size
561 KB
Language
German
Keywords
Fernsehübertragung, Markt, Seminar, Sport-, Medienökonomie
Quote paper
Ingo Fiedler (Author), 2007, Die Fernsehübertragung als zweiseitiger Markt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88331

Comments

  • Ingo Fiedler on 3/17/2008

    Die Besonderheit zweiseitiger Märkte.

    Die Besonderheit zweiseitiger Märkte ist, dass eine Plattform mit Monopolstellung den Anreiz hat, wohlfahrtsoptimal zu handeln. Dies steht im WIderspruch zu dem verbreiteten Glauben, dass Monopole per se wohlfahrtsschädlich sind.

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Title: Die Fernsehübertragung als zweiseitiger Markt



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