Ziel dieser Arbeit soll es sein, herauszufinden, wo die Wurzeln sozialdemokratischer Identität sind. Ich möchte Antworten auf die Fragen finden, was geblieben ist in den Irrungen und Wirrungen einer mehr als 150 Jahre währenden Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und welche Folgen Eduard Bersteins Revisionismus für die Identitätssuche und die politische Ausrichtung der SPD hatte.
Dabei werde ich aufzeigen, dass in der Tat Parallelen zwischen Bernsteins Revisionismus und sozialdemokratischer Regierungspolitik im 21. Jahrhundert existieren; Parallelen, die entscheidende Umbrüche und Wendungen, in denen der Charakter der Partei auf den Kopf gestellt wird, markieren.
Bernsteins theoretische Überlegungen, die vor allem die bereits eingetretene Diskrepanz zwischen politischer Strategie und Realität reflektieren, sind dabei der Ausgangspunkt der Identitätskrisen - wenn man so will die Hauptverursacher, der Urkrise, in der die Partei bis heute steckt.
Es wäre jedoch falsch von „Verlusten“ zu sprechen, wenn die SPD heute nicht mehr die Vergesellschaftung der Produktionsmittel fordert und in ihrem Bremer Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm den Begriff der „Sozialen Demokratie“ dem des „Demokratischen Sozialismus“ vorzieht . Im Gegenteil: Aus sich ändernden gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen sowie aus gesellschaftlichen Wandlungsprozessen resultierende parteipolitische Neuerungen bedeuten für die deutsche Sozialdemokratie immer auch neue Perspektiven. Sie markieren jene Umbrüche der SPD auf dem Weg zu der Partei, die sie heute ist und stellen deshalb trotz schmerzhafter Identitätswandlungen immer auch neue Einsichten und neue Erfordernisse des Daseins¬zwecks einer Partei in Aussicht.
Meine Ausführungen zum SPD-Partei¬tag in Bad Godesberg 1959 werden dies belegen. Die Wende von Bad Godesberg, der Abschied der deutschen Sozialdemokratie von den Lehren von Marx und Engels und die Neuausrichtung der SPD als große linke Volkspartei, zeigt, dass begrenzte Identitätsverluste vom Ballast falscher Gewissheiten und dem „Korsett veralteter Glaubenssätze“ befreien können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung Die Identitätssuche der deutschen Sozialdemokratie
- Überblick zur Forschungslage
- Der Revisionismus Eduard Bernsteins Die erste Identitätskrise der Partei: Anfang vom Ende?
- Grundsätzliches ,,Das Endziel ist nichts, die Bewegung ist alles“
- Philosophie Dialektik, historischer Materialismus und Determinismus
- Ökonomie Abkehr von Wert- und Mehrwerttheorie
- Staat und Strategie Demokratie als Mittel zum Zweck
- Der Parteitag von Bad Godesberg 1959 Anpassung an die,,bürgerliche Gesellschaft": Bernsteins später Sieg
- Sozialdemokratische Politik Ende des 20. / Anfang des 21. Jahrhunderts Die Öffnung zur,,Neuen Mitte“
- Sozialdemokratische Reformpolitik Reaktionen auf sich wandelnde ökonomische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
- Programmatische Modernisierung Neue Identität oder Abschied in die Profillosigkeit?
- Epilog
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese wissenschaftliche Hausarbeit untersucht die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und die Herausforderungen, die sie im Laufe ihrer Existenz in Bezug auf ihre eigene Identität und ihre politische Ausrichtung bewältigt hat. Dabei steht der Revisionismus Eduard Bernsteins im Mittelpunkt der Analyse, der als ein Wendepunkt in der Entwicklung der Partei gilt.
- Die Identitätssuche der deutschen Sozialdemokratie im historischen Kontext
- Der Revisionismus Eduard Bernsteins und seine Auswirkungen auf die Partei
- Die Rolle der Sozialdemokratie in der deutschen Gesellschaft im 20. und 21. Jahrhundert
- Die Anpassung der Sozialdemokratie an sich verändernde politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
- Die Debatte um die Zukunft der Sozialdemokratie und die Frage nach ihrer Identität
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik der Identitätssuche der deutschen Sozialdemokratie ein und beleuchtet die Herausforderungen, vor denen die Partei im Laufe ihrer Geschichte stand. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über die bestehende Forschungslage zum Thema des Revisionismus. Kapitel drei widmet sich dem Revisionismus Eduard Bernsteins und seinen Auswirkungen auf die Sozialdemokratie. Dabei werden seine philosophischen, ökonomischen und politischen Ansichten analysiert. Das vierte Kapitel behandelt den Parteitag von Bad Godesberg 1959, der als ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Partei gilt. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Sozialdemokratischen Politik Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts und der Anpassung der Partei an sich verändernde ökonomische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Das sechste Kapitel betrachtet die Debatte um die Zukunft der Sozialdemokratie und die Frage nach ihrer Identität.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Sozialdemokratie, Revisionismus, Eduard Bernstein, Identität, Politik, Geschichte, Deutschland, Bad Godesberg, Arbeiterbewegung, Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie, Reformpolitik, Programmatische Modernisierung und die „Neue Mitte".
- Quote paper
- Raoul Giebenhain (Author), 2007, Der Revisionismus Eduard Bernsteins und die Identitätssuche der deutschen Sozialdemokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88299