In seinem Werk über „soziale Differenzierung“ (1890), erörtert Simmel in dem Abschnitt „das Problem der Soziologie“ die Legitimation der Soziologie als eine eigene Wissenschaft. Soziologie war zu diesem Zeitpunkt eher eine Zusammenfassung aller schon vorhandenen Wissenschaften, somit ein überdiziplinäres Fach „Näher angesehen indes, erzeugt dieses Zusammenwerfen aller bisherigen Wissensgebiet kein neues. Es bedeutet nur, dass alle historischen, psychologischen normativen Wissenschaften in einen großen Topf geschüttet werden und diesem das Etikett: Soziologie—angeheftet wird.“ . Somit ist die Soziologie zunächst eine eklektische Wissenschaft, da ihr zu untersuchendes Material die Produkte anderer Wissenschaften sind, dessen Ergebnisse und Theorien die Soziologie aufgreift und zu neuen Synthesen zusammenfasst. Die Soziologie abstrahiert dabei die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften aus dem alten Kontext und analysiert dieses nun frei schwebende Objekt neu .Simmel definiert Soziologie also einerseits als eine bestimmte Methode von anderen Geisteswissenschaften, die sich mit den Problemen der Menschen befassen . Simmel entflieht mit seiner These dem damaligen Standart anderer Soziologen, die die Soziologie als eine „Universalwissenschaft“ definierten. Weiter versucht Simmel nun aber doch noch eine Begründung der Soziologie als eigene Wissenschaft zu definieren „Welches aber kann das eigne und neue Objekt sein, dessen Erforschung die Soziologie zu einer selbständigen und grenzbestimmten Wissenschaft macht?“ . Da andere Wissenschaften auf Abstraktionen bzw. Teilen oder Zerlegen in einzelne Qualitäten oder Funktion beruhen, findet Simmel in der „Wechselwirkung“ (Kapitel 3) zwischen Individuen einen Bereich, den er durch die Begriffe „Form“ und „Inhalt“ (Kapitel 4) weiter abstrahiert. Dieses Verfahren rückt Simmel nah an Kants „Logik“ , welche unterteilt wird in die
1. Komparation: Dies ist die Vergleichung von Vorstellungen unter einander im Verhältnis zur Einheit des Bewusstseins.
2. Reflexion: Hiermit ist gemeint, wie verschieden Vorstellungen sich unterscheiden.
3. Abstraktion: Dies bedeutet die Abstraktion oder Absonderung alles Übrigen, worin sich die gegebenen Vorstellungen unterscheiden.
Wobei der letzten Punkt der Abstraktion nicht unbedingt als „etwas abstrahieren„ sondern „von etwas abstrahieren“ verstanden werden soll.
Inhaltverzeichnis
1. Der Werdegang von Georg Simmel
2. Soziologie als eine eigene Wissenschaft
3. Der Begriff der Wechselwirkung
4. Vergesellschaftung
5. Soziologie abstrahiert in Form und Inhalt
5.1 Der Begriff des „Inhalts“
5.2 Der Begriff der „Form“
5.3 Zusammenführung von Form und Inhalt
5.4 Die Soziologie als Formsoziologie
6. Die soziologischen Apriori
Literaturverzeichnis
1. Der Werdegang von Georg Simmel
1858
1. März: Georg Simmel wird in Berlin als jüngstes von sieben Kindern des Fabrikanten Edward Simmel und dessen Frau Flora (geb. Bodenstein) geboren. Edward Simmel stammt aus einer jüdischen Familie und ist zum Katholizismus konvertiert. Flora Bodensteins Familie ist vom Judentum zum Protestantismus übergetreten. Georg Simmel wird evangelisch getauft.[1][2]
1874
Bei seinem Tod hinterlässt Edward Simmel ein ansehnliches Vermögen, das seine Kinder finanziell unabhängig macht.
1876-1881
Georg Simmel studiert an der Berliner Universität Geschichte und Philosophie.
1881
Simmels erste Promotionsschrift "Psychologisch-ethnologische Studien über die Anfänge der Musik" wird wegen formaler Fehler und mangelnder Genauigkeit der Thesen nicht angenommen. Auf Fürsprache seiner Gutachter akzeptiert die Fakultät jedoch die im Rahmen eines Wettbewerbs prämierte Abhandlung "Darstellung und Beurteilungen von Kants verschiedenen Ansichten über das Wesen der Materie" als Dissertation.
1885
Er wird mit der Schrift "Kantische Studien" im Fach Philosophie habilitiert und an der Berliner Universität zum Privatdozenten ernannt. Simmels Veranstaltungen avancieren aufgrund der rhetorischen Brillanz seines Vortrags zu einem gesellschaftlichen Ereignis, das auch zahlreiche nichtakademische Zuhörer anzieht. Dies weckt den Argwohn vieler Kollegen.
1890
Heirat mit Gertrud Kinel. Simmels Haus wird zu einem Treffpunkt des Berliner Kulturlebens. Die Dichter Rainer Maria Rilke und Stefan George gehören zu seinem Freundeskreis.
Mit der Schrift "Über soziale Differenzierung. Soziologische und psychologische Untersuchungen" begründet Simmel die Sozialpsychologie.
1891
Geburt des einzigen Sohns Hans.
1894
In seinem Aufsatz "Das Problem der Soziologie" entwirft Simmel das Programm der Soziologie als selbständiger Wissenschaft.
1898
Der Antrag der Philosophischen Fakultät auf Erteilung eines Extraordinariats an Simmel scheitert am Widerstand des Kultusministeriums. Neben antisemitischen Motiven spielt auch Simmels Außenseiterposition im akademischen Betrieb eine Rolle.
1900
Der zweite Antrag auf Erteilung eines Extraordinariats ist erfolgreich. In seinem Hauptwerk "Philosophie des Geldes" thematisiert Simmel die Vervielfachung unpersönlicher Beziehungen in modernen Gesellschaften und die zwiespältigen Konsequenzen für das Individuum.
1903
In dem Aufsatz "Die Großstädte und das Geistesleben" zeichnet Simmel idealtypisch das Bild beschleunigter Lebenszusammenhänge in der Moderne und erweist sich damit als einer der scharfsinnigsten Gegenwartsanalytiker seiner Zeit.
1908
Die Philosophische Fakultät der Heidelberger Universität will eine vakante Professur mit Simmel besetzen. Auch Max Weber setzt sich für ihn ein. Die Regierung in Karlsruhe lehnt jedoch ab, nachdem der im Altdeutschen Verband engagierte Berliner Historiker Dietrich Schäfer (1845-1929) in einem Gutachten Simmel als "Israelit durch und durch" verunglimpft und der Soziologie den Rang als Wissenschaft bestreitet.
In der Schrift "Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung" etabliert Simmel mit seiner Formanalyse die Mikrosoziologie, die erstmals auch Objekte des Alltagslebens wissenschaftlich erörtert.
1911
Die Fakultät für Staatswissenschaften der Freiburger Universität verleiht Simmel die Ehrendoktorwürde.
1914
Simmel erhält einen Lehrstuhl an der Straßburger Universität (heute: Strasbourg, Frankreich).
Im Ersten Weltkrieg nähert er sich nationalistischen Positionen an und verleiht einem weit verbreiteten Unbehagen an der Kultur Ausdruck. Simmel hofft, der Krieg werde "die Anbetung des Geldes und des Geldwertes der Dinge" überwinden und die "Einheit und Ganzheit" des Volkes festigen.
1918
26. September: Georg Simmel stirbt in Straßburg.
2. Soziologie als eine eigene Wissenschaft
In seinem Werk über „soziale Differenzierung“ (1890), erörtert Simmel in dem Abschnitt „das Problem der Soziologie“[3] die Legitimation der Soziologie als eine eigene Wissenschaft. Soziologie war zu diesem Zeitpunkt eher eine Zusammenfassung aller schon vorhandenen Wissenschaften, somit ein überdiziplinäres Fach „Näher angesehen indes, erzeugt dieses Zusammenwerfen aller bisherigen Wissensgebiet kein neues. Es bedeutet nur, dass alle historischen, psychologischen normativen Wissenschaften in einen großen Topf geschüttet werden und diesem das Etikett: Soziologie—angeheftet wird.“[4]. Somit ist die Soziologie zunächst eine eklektische Wissenschaft, da ihr zu untersuchendes Material die Produkte anderer Wissenschaften sind, dessen Ergebnisse und Theorien die Soziologie aufgreift und zu neuen Synthesen zusammenfasst. Die Soziologie abstrahiert dabei die Erkenntnisse der Einzelwissenschaften aus dem alten Kontext und analysiert dieses nun frei schwebende Objekt neu[5].Simmel definiert Soziologie also einerseits als eine bestimmte Methode von anderen Geisteswissenschaften, die sich mit den Problemen der Menschen befassen[6]. Simmel entflieht mit seiner These dem damaligen Standart anderer Soziologen, die die Soziologie als eine „Universalwissenschaft“ definierten. Weiter versucht Simmel nun aber doch noch eine Begründung der Soziologie als eigene Wissenschaft zu definieren „Welches aber kann das eigne und neue Objekt sein, dessen Erforschung die Soziologie zu einer selbständigen und grenzbestimmten Wissenschaft macht?“[7]. Da andere Wissenschaften auf Abstraktionen bzw. Teilen oder Zerlegen in einzelne Qualitäten oder Funktion beruhen, findet Simmel in der „Wechselwirkung“ (Kapitel 3) zwischen Individuen einen Bereich, den er durch die Begriffe „Form“ und „Inhalt“ (Kapitel 4) weiter abstrahiert. Dieses Verfahren rückt Simmel nah an Kants „Logik“[8], welche unterteilt wird in die
1. Komparation: Dies ist die Vergleichung von Vorstellungen unter einander im Verhältnis zur Einheit des Bewusstseins.
2. Reflexion: Hiermit ist gemeint, wie verschieden Vorstellungen sich unterscheiden.
3. Abstraktion: Dies bedeutet die Abstraktion oder Absonderung alles Übrigen, worin sich die gegebenen Vorstellungen unterscheiden.
Wobei der letzten Punkt der Abstraktion nicht unbedingt als „etwas abstrahieren„ sondern „von etwas abstrahieren“ verstanden werden soll. So ist noch mal verdeutlicht, dass Simmel in seiner Auffassung der Soziologie als Wissenschaft von dem schon bestehenden Einzelwissenschaften Erkenntnisse abstrahiert, und somit das Material der Soziologie zugrunde legt.
3. Der Begriff der Wechselwirkung
In der Diskussion um die Soziologie als Wissenschaft vertritt Simmel die zentrale These, das einerseits bestimmte Grundbegrifflichkeiten, welche von keiner anderen Wissenschaft einschlägig gebraucht werden, vorgelegt werden müssen und anderseits eine Abgrenzung eines eigenen Objektbereiches geschaffen werden muss. „Vorrangig ist die Klärung des Begriffs der Gesellschaft anzustreben, der schließlich qua Abstraktion und neuer Zusammenordnung in dem Konzept der Wechselwirkung … aufgeht.“[9]
Wechselwirkung ist somit der Ausgangspunkt all soziologischer Überlegung Simmels.
Wechselwirkung entsteht immer aus bestimmten Trieben und bestimmten Zwecke willen und nur wo Wechselwirkung zwischen Individuen auftritt existiert eine Gesellschaft. Durch diese Triebe „ in eine Korrelation der Zustände mit anderen tritt“[10]. Somit werden aus Trieb gesteuerten Individuen eine Einheit bzw. eine Gesellschaft. Allerdings ist die Wechselwirkung nicht nur auf Individuen beschränkt, sie setzte quasi nur zwei Pole voraus, welche unterschiedlicher Art sein können (z.B. Gruppen und andere überpersönliche Sozialgebilde).[11] Simmel untersucht sowohl Wechselwirkung die zufällig und kurzfristig, wie der Kauf eines Brotes, als auch langfristige Interaktionen, die ein eher größeres und komplexeres Sozialgebilde ausmachen. Die Gesellschaft besteht somit aus der Summe von Wechselwirkungen und ist somit ein fortdauernder Prozess, somit ersetzt Simmel den Begriff der Gesellschaft durch den Begriff der „Vergesellschaftung“[12].
Nach Herrmann Korte ist diese Erkenntnis, dass alle Menschen in Wechselwirkungen leben, allerdings nur eine neue Betrachtungsweise und noch kein eigens Abstrahierter Bereich einer neuen Wissenschaft. Simmel geht daher noch weiter und Abstrahiert aus der Vergesellschaftung die Form und den Inhalt, wobei Simmel betont, dass diese keine neuen, bisher unentdeckten Gegenstände sind, sondern aus einem neuen Blickwinkel zur Betrachtung von Gesellschaft zustande kommen.
[...]
[1] Vgl. Klaus Lichtblau, Georg Simmel, Campus Verlag, Frankfurt/New York, 1997, S 178/179
[2] Vgl. Dirk Kaesler, Klassiker der Soziologie, Beck`sche Buchdruckerei, 1999, S. 127
[3] Georg Simmel: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 1908 (1. Auflage). Kapitel I, S. 1-21
[4] Georg Simmel: Soziologie S. 2
[5] Andreas Ziemann: Die Brücke der Gesellschaft,UVK Universitätsverlag Konstanz GmbH, 2000, S.93
[6] vgl. Herrmann Korte: Einführung in die Geschichte der Soziologie. Leske + Budrich, Opladen 1998, S. 87
[7] Georg Simmel: Soziologie S. 3
[8] vgl. Andreas Ziemann: Die Brücke der Gesellschaft, S.94
[9] Andreas Ziemann: Die Brücke der Gesellschaft, S. 113
[10] Georg Simmel: Soziologie S. 5
[11] vgl. Herrmann Korte: Einführung in die Geschichte der Soziologie, S. 88
[12] vgl. Herrmann Korte: Einführung in die Geschichte der Soziologie, S.89
- Arbeit zitieren
- Henning Pracht (Autor:in), 2007, Georg Simmel - Das Problem der Soziologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88280
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