Beschriebene Blätter
Sind Sie ein unbeschriebenes Blatt? Die jungen Männer, um die sich diese Arbeit rankt, sind es nicht. Man würde ihnen allerdings Unrecht tun, sie ausschließlich darauf zu reduzieren. Doch bevor ich näher auf diesen Aspekt eingehe, möchte ich kurz erzählen, wie es zu der Schreibwerkstatt mit straffälligen Jugendlichen kam. Vor gut einem Jahr sprach mich der befreundete Sozialpädagoge und Schriftsteller Wolfgang A. Senft an, ob ich Interesse an der Durchführung einer Schreibwerkstatt in der Jugendstrafanstalt Ebrach hätte. Da ich seit mehreren Jahren selber schreibe und die lustvolle, bereichernde und erleichternde Wirkung des Schreibens aus eigener Erfahrung kenne, sagte ich zu. Darüber hinaus teile ich die Ansicht, dass jeder Mensch über kreatives Potential und damit eine unverwechselbare Stimme verfügt.
Hörte ich soeben einen leisen Widerspruch?
„Kriminelle und dichten, wie Goethe und Schiller, Rilke und Mann?“
Ich glaube, Gedichte und Geschichten zu verfassen, ist bis zu einem gewissen Grad durch die Methoden des Kreativen Schreibens erlernbar. Die Kulturtechnik des Schreibens und die eigene Motivation vorausgesetzt. Aber gerade in Deutschland herrscht diesbezüglich tendenziell ein anderer Geist. Seit der Romantik setzt der Gedanke der „Genieästhetik“ Schriftsteller mit Göttern und Genies nur allzu oft gleich und negiert damit die Erlernbarkeit des Schreibens. Was in den angloamerikanischen Ländern längst als selbstverständlich vorausgesetzt wird, stößt hierzulande nach wie vor auf Widerstand.
Nichtsdestotrotz machten wir uns gemeinsam mit den Jugendlichen ans Werk. Sie sollten nicht „nur“ im Umgang mit Worten, sondern auch von und mit ihren Mitmenschen lernen. Wir wollten den jungen Männern in ihren Texten größtmögliche Freiheit gewähren und ihre eigene Stimme so wenig als möglich verfälschen. Wir wollten ihnen literarisches Handwerkszeug geben, damit sie auf ihren autobiografischen Erfahrungsschatz zurückgreifen und ihn damit bearbeiten können. Die jungen Männer sollten trotz ihrer Haft ganz nach der Sartreschen Maxime handeln: „Ich bin meine Freiheit“. Vielleicht werden sie mit der Befreiung der Worte auch den Grundstock für ihre zukünftige, andauernde Freiheit legen? Zu wünschen wäre es ihnen.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Theoretischer Zugang
- 1. Beschreibung und Eingrenzung des Begriffes Jugend
- 1.1 Entwicklungsaufgaben Jugendlicher
- 1.2. Identität
- 1.2.1. Psychodynamische Theorie nach Erikson
- 1.2.2. Identitätskonzept nach Storch
- 2. Delinquenz
- 2.1. Jugenddelinquenz
- 2.2. Delinquenz und Geschlecht
- 3. Aufgaben und Ausgestaltung des Jugendstrafvollzuges
- 4. Resozialisierung
- 4.1. Begriffsbestimmung
- 4.2. Inhalte der Resozialisierung
- 5. Kreatives Schreiben und Soziale Arbeit
- 5.1. Begriffsbestimmung Kreatives Schreiben
- 5.2. Autobiografisches Schreiben
- 5.3. Poesietherapie
- 5.4. Kreatives Schreiben als Spiel
- 5.5. Literarisches Schreiben
- 5.6. Cluster
- 6. Schreibwerkstätten
- 6.1. Begriffsbestimmung
- 6.2. Schreibwerkstätten in Justizvollzugsanstalten
- 7. Kreatives Schreiben mit straffälligen Jugendlichen als Mittel der Resozialisierung
- 1. Beschreibung und Eingrenzung des Begriffes Jugend
- C. Praktischer Teil
- 8. Konzeptionelle Grundlagen der Schreibwerkstatt
- 8.1. Institutionsanalyse
- 8.2. Rahmenbedingungen der Organisation
- 8.3. Situationsanalyse
- 8.3.1. Zielgruppe
- 8.3.2. Eingrenzung der Zielgruppe nach Merkmalen
- 8.3.3. Problemerklärung
- 8.4. Zielformulierung
- 8.5. Auswahl und Planung der Intervention
- 8.5.1. Organisatorische Vorüberlegungen
- 8.5.2. Kreatives Schreiben in einer Schreibwerkstatt
- 8.5.3. Schreibgruppenarbeit
- 9. Durchführung der Schreibwerkstatt
- 9.1. Allgemeiner Ablauf
- 9.2. Exemplarische Darstellung einer Sitzung
- 9.3. Ziel und Inhaltsüberblick der weiteren Sitzungen
- 10. Evaluation
- 10.1. Evaluation der Rahmenbedingungen
- 10.2. Angemessenheit der Mittel- und Zielerreichung
- 10.3. Wirkung auf die Teilnehmer
- 10.4. Fazit
- 8. Konzeptionelle Grundlagen der Schreibwerkstatt
- D. Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit der Anwendung von kreativem Schreiben als Instrument der Resozialisierung bei straffälligen Jugendlichen. Ziel ist es, die Möglichkeiten und Grenzen des kreativen Schreibens in einer Schreibwerkstatt im Kontext des Jugendstrafvollzuges zu untersuchen.
- Entwicklungsaufgaben Jugendlicher im Spannungsfeld von Identität und Delinquenz
- Konzeption und Durchführung einer Schreibwerkstatt für straffällige Jugendliche
- Die Rolle des kreativen Schreibens in der Resozialisierung
- Evaluation der Schreibwerkstatt und ihrer Auswirkungen auf die Teilnehmer
- Theoretische und praktische Herausforderungen bei der Anwendung von kreativem Schreiben in der Jugendhilfe
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel A: Einleitung: Einführung in das Thema und den Kontext der Arbeit. Vorstellung der Entstehungsidee und der zentralen Fragestellungen.
- Kapitel B: Theoretischer Zugang: Analyse der relevanten theoretischen Konzepte, darunter Jugend, Delinquenz, Resozialisierung, Kreatives Schreiben und Soziale Arbeit, sowie Schreibwerkstätten.
- Kapitel C: Praktischer Teil: Detaillierte Darstellung der konzeptionellen Grundlagen, Durchführung und Evaluation der Schreibwerkstatt.
Schlüsselwörter
Kreatives Schreiben, Jugenddelinquenz, Resozialisierung, Schreibwerkstatt, Jugendstrafvollzug, Sozialpädagogik, Identität, Entwicklungsaufgaben, Evaluation, Soziale Arbeit.
- Quote paper
- Diplom-Sozialpädagoge (FH) Leonhard Florian Seidl (Author), 2007, Beschriebene Blätter - Kreatives Schreiben mit straffälligen Jugendlichen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88266