„Kindesmisshandlung ist nicht allein die isolierte gewaltsame Beeinträchtigung eines Kindes. Die Misshandlung von Kindern umfasst vielmehr die Gesamtheit der Lebensbedingungen, der Handlungen und Unterlassungen, die dazu führen, dass das Recht der Kinder auf Leben, Erziehung und wirkliche Förderung beschnitten wird. Das Defizit zwischen diesen ihren Rechten und ihrer tatsächlichen Lebenssituation macht die Gesamtheit der Kindesmisshandlung aus.“ (Engfer, 1986. S.2)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Misshandlung von Kindern in der Familie und betrachtet dabei besonders ihre weitere Entwicklung in der Heimerziehung. Im Zentrum stehen vor allem die Möglichkeiten der stationären Einrichtung zur Verbesserung der Situation der Kinder.
Gewalt gegen Kinder ist ein Problem, das trotz zunehmender Thematisierung und damit verbundener Sensibilisierung der Öffentlichkeit nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Die Gewalthandlungen finden meistens im familiären Binnenräumen statt, die Täter sind oft die einzigen Vertrauenspersonen der Kinder, dadurch bleiben diese Angriffe in der Verborgenheit.
Dieses Thema ist besonders aktuell, deshalb geben die Medien immer wieder neue Fälle von Kindesmisshandlung bekannt. Aktuelle Berichterstattungen in der Presse lauten: „In Kaiserslautern ist ein 17 Monate alter Junge von seiner Mutter gequält und misshandelt worden“, „In Hamburg lässt eine Frau ihre 2 jährige Tochter qualvoll verhungern“, „27 jährige Mutter aus Köln schleudert ihr Baby gegen die Wand.“ Täglich werden wir mit solchen Meldungen konfrontiert. Es handelt sich aber nur um einen Bruchteil von dem eigentlichen Ausmaß, dass Gewalt gegen Kinder in der Familie annimmt.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Einleitung
1 Kindesmisshandlung
1.1 Begriffsbestimmung der Kindesmisshandlung
1.1.1 Kindesmisshandlung aus rechtlicher Sicht
1.1.2 Kindesmisshandlung aus medizinischer Sicht
1.1.3 Kindesmisshandlung aus sozialpädagogischer Sicht
1.2 Erscheinungsformen der Kindesmisshandlung
1.2.1 Körperliche Misshandlung
1.2.2 Psychische Misshandlung
1.2.3 Sexueller Missbrauch
1.2.4 Vernachlässigung
1.3 Ursachen von und Erklärungsansätze zu Kindesmisshandlung
1.3.1 Psychopathologisches Erklärungsmodell
1.3.2 Soziologisches Erklärungsmodell
1.3.3 Sozial–situationales Erklärungsmodell
1.4 Die Folgen der Misshandlung für die Entwicklung der Kinder
2 Rolle, Funktion und Aufgaben des Jugendamtes und der Erziehungshilfe bei Kindesmisshandlung
2.1 Funktion des Jugendamtes
2.2 Aufgaben der Erziehungshilfe
2.3 Die Kooperation zwischen Jugendämtern und Erziehungshilfe
3 Die stationäre Erziehungshilfe
3.1 Die Heimerziehung
3.2 Ziele und Grenzen von Heimerziehung
3.3 Die Bedeutung der Heimunterbringung für die betroffenen Kindern
4 Der sozialpädagogische Handlungsauftrag
4.1 Die Rolle des Erziehers und der Sozialarbeiter
4.2 Pädagogische Programme für die Arbeit mit misshandelten Kindern
4.3 Strukturelle Bedingungen für die angemessene Arbeit mit misshandelten Kindern
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Kinder als Opfer von Delikten gem. §176 StGB und Misshandlung von Kindern sowie Schutzbefohlenen gem. der §§ 225 und 174 StGB (nach PKS der Jahrgänge 1995-2005)
Tab. 2: Kindheitserfahrungen mit körperlicher Erziehungsgewalt durch Eltern (N=3249, Mehrfachnennungen möglich) (nach Wetzels, 1997. S.145)
Tab. 3: Vorkommen verschiedener Schweregrade des sexuellen Missbrauchs (nach Deegener, 2005. S.49)
Tab. 4: Psychopathologisches Modell der Kindesmisshandlung (Gelles, 1982, S.613, zit. n. Amelang/Krüger, 1995. S.64)
Tab. 5: Opfer körperlicher elterlicher Gewalt (insgesamt) und sozioökonomischer Status der Herkunftsfamilie (nach Wetzels, 1997. S.148)
Tab. 6: Drei Gruppen häufiger Kurzzeitfolgen von Kindesmisshandlung (nach Moggi, 2005a. S.95)
Tab. 7: Formen der Hilfe in Belastungs- und Krisensituationen (Gintzel/Jordan et al., 1997, zit. n. Jordan/Sengling, 2000. S.161)
Tab. 8: Modelle der Vollzeitpflege (nach Biermann, 2001. S.615)
Tab. 9: Bilanzierte Entwicklungen der jungen Menschen; Gesamtbilanz- mit oder ohne Angebote der Elternarbeit während der Hilfe (nach BMFSFJ, 1998. S.221)
Einleitung
„Kindesmisshandlung ist nicht allein die isolierte gewaltsame Beeinträchtigung eines Kindes. Die Misshandlung von Kindern umfasst vielmehr die Gesamtheit der Lebensbedingungen, der Handlungen und Unterlassungen, die dazu führen, dass das Recht der Kinder auf Leben, Erziehung und wirkliche Förderung beschnitten wird. Das Defizit zwischen diesen ihren Rechten und ihrer tatsächlichen Lebenssituation macht die Gesamtheit der Kindesmisshandlung aus.“ (Engfer, 1986. S.2)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Misshandlung von Kindern in der Familie und betrachtet dabei besonders ihre weitere Entwicklung in der Heimerziehung. Im Zentrum stehen vor allem die Möglichkeiten der stationären Einrichtung zur Verbesserung der Situation der Kinder.
Gewalt gegen Kinder ist ein Problem, das trotz zunehmender Thematisierung und damit verbundener Sensibilisierung der Öffentlichkeit nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Die Gewalthandlungen finden meistens im familiären Binnenräumen statt, die Täter sind oft die einzigen Vertrauenspersonen der Kinder, dadurch bleiben diese Angriffe in der Verborgenheit.
Dieses Thema ist besonders aktuell, deshalb geben die Medien immer wieder neue Fälle von Kindesmisshandlung bekannt. Aktuelle Berichterstattungen in der Presse lauten: „In Kaiserslautern ist ein 17 Monate alter Junge von seiner Mutter gequält und misshandelt worden“, „In Hamburg lässt eine Frau ihre 2 jährige Tochter qualvoll verhungern“, „27 jährige Mutter aus Köln schleudert ihr Baby gegen die Wand.“ Täglich werden wir mit solchen Meldungen konfrontiert. Es handelt sich aber nur um einen Bruchteil von dem eigentlichen Ausmaß, dass Gewalt gegen Kinder in der Familie annimmt.
Die Persönliche Motivation für die Wahl meines Themas ist die Begegnung vor etwa sechs Jahren mit der Institution Heim. Ich hatte eine Stelle für ein Praktikum gesucht und hatte ein Vorstellungsgespräch in einem Heim für Kleinkinder.
In dem Gespräch mit der Erzieherin erfuhr ich die Ursachen für die Heimunterbringung dieser Kinder. Sie hatten alle eine traurige Geschichte hinter sich, sie wurden körperlich misshandelt, vernachlässigt oder ausgesetzt. Nach diesem Gespräch hatte ich mich immer wieder gefragt, welche Hilfe diese Kinder von staatlicher Seite bekommen, außer der Heimunterbringung, die nur ein Dach über den Kopf ist und ihnen die Sicherheit vor weiterer Misshandlung durch die Eltern bietet.
Mich interessieren vor allem folgende Fragen: In wie weit kann die Misshandlung eines Kindes seine weitere Entwicklung beeinflussen? Welche öffentlichen Institutionen haben die Möglichkeit einer Intervention?
Ziel meiner Arbeit ist es, herauszufinden, ob und wenn ja, wie die seelischen Wunden eines Kindes, die infolge von Misshandlungen entstanden sind, noch heilbar sind.
Der Fokus meiner Arbeit liegt auf der Misshandlung von Kindern bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahr.
Zum Aufbau der Arbeit
In Kapitel 1 werde ich zunächst auf die Begriffsbestimmungen der Kindesmisshandlung aus drei unterschiedlichen Sichtweisen eingehen und die Erscheinungsformen von Misshandlung definieren. Mit Hilfe von Statistiken wird das Ausmaß der einzelnen Misshandlungsformen in der Bundesrepublik Deutschland deutlich gemacht. Im letzten Teil des Kapitels werden die Ursachen von Misshandlung an Kindern und die Folgen für ihre weitere Entwicklung ausführlich erläutert.
In Kapitel 2 werden die Aufgaben und die Rolle des Jugendamtes und der Erziehungshilfe sowie die Kooperation zwischen ihnen im Falle von Kindesmisshandlung vorgestellt.
In Kapitel 3 wird die stationäre Erziehungshilfe ausführlich erläutert. Dabei werde ich auf die Ziele, Grenzen und besonders auf die Bedeutung der Heimunterbringung für die betroffenen Kinder eingehen.
In Kapitel 4 werden die Rollen, Aufgaben und Programme der pädagogischen Fachkräfte (Erzieherin und Sozialarbeiterin) sowie die strukturellen Bedingungen, die für eine angemessene Arbeit mit misshandelten Kindern von Bedeutung sind, vorgestellt.
Auf den gesamten Aufgabenbereich des Jugendamtes und der Erziehungshilfe kann ich nicht eingehen. Ich lasse bewusst diesen eigentlich wichtigen Punkt aus, da sonst der Rahmen meiner Arbeit gesprengt würde.
Im Ausblick werden die Ergebnisse dieser Arbeit erneut aufgegriffen und es wird eine anschließende Positionierung in Bezug auf die Ausgangsfrage vorgenommen.
Darüber hinaus wird aufgezeigt, welche thematischen Aspekte aufgrund der räumlichen Begrenzung unbenannt blieben oder zu knapp behandelt werden mussten.
Mit dem Begriff Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen sind die pädagogischen Fachkräfte gemeint, diese schließen immer die männliche Form mit ein.
1 Kindesmisshandlung
Der Begriff „Kindesmisshandlung“ wird als Synonym für den Begriff der Gewalt gegen Kinder verwendet. Dieser steht für die Gesamtmenge aller Formen negativ bewerteter Einwirkungen, die Kinder treffen (Wetzels, 1997. S.59).
„Kindesmisshandlung ist eine gewaltsame psychische oder physische Beeinträchtigung von Kindern durch Eltern oder Erziehungsberechtigte. Diese Beeinträchtigungen können durch elterliche Handlungen (wie bei körperlicher Misshandlung, sexuellem Missbrauch) oder Unterlassungen (wie bei emotionaler und physischer Vernachlässigung) zustande kommen.“ (Engfer, 1997. S.21)
1.1 Begriffsbestimmung der Kindesmisshandlung
Mit der Problematik der Kindesmisshandlung befassen sich alle Berufsgruppen die mit Kindern und Familien zu tun haben. Hierzu gehören: Juristen, Mediziner, Sozialpädagogen, Soziologen und Psychologen (Engels, 2002. S.789).
In dieser Arbeit werden die Sichtweisen der ersten drei Berufsgruppen näher erläutert.
1.1.1 Kindesmisshandlung aus rechtlicher Sicht
Der Strafrechtliche Instrumentarium reicht von der „Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht“ (§171 StGB), über „Sexuelle(r)[n] Missbrauch von Schutzbefohlenen“ (§174 StGB), „Sexuelle(r)[n] Missbrauch von Kindern“ (§176 StGB) bis zur „Körperverletzung“ (§223 StGB), und „Misshandlung von Schutzbefohlenen“ (§225 StGB) aus (Wiesner, 2005. S.298).
§171 StGB „Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht“
Durch die in §171 StGB festgesetzte Norm wird die gesunde körperliche und psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unter sechzehn Jahren geschützt (SK-StGB, Horn/Wolters §171 Rn 2).
Eine erhebliche körperliche Entwicklungsschädigung wird dann angenommen, wenn der normale („natürliche“) Ablauf des körperlichen Reifeprozesses dauerhaft oder nachhaltig gestört ist.
Beispiele für „gröbliche Pflichtverletzung“ sind:
- unzureichende Gewährung von Nahrung und körperlicher Pflege,
- die Unterbringung in unzureichenden Behausungen (wie Ställen oder Kellern) oder,
- das Unterlassen der Behandlung von ernsten Krankheiten.
Durch grober Pflichtverletzung wird der Schutzbefohlene in einer konkrete Gefahr gebracht, die zu erheblicher Schädigung der körperlichen Entwicklung des Kindes/Jugendlichen führen kann (SK-StGB, Horn/Wolters §171 Rn 4).
Der Schutzbefohlene kann in eine Gefahr gebracht werden, entweder durch ein aktives Tun
oder durch Unterlassung. Gegen den Paragraphen verstößt auch derjenige, der bei der Entstehung eines Gefahrenzustandes entgegen seiner Fürsorge- oder Erziehungspflicht diesen nicht abgewendet hat (ebd., Rn 8).
Eine Fürsorge- oder Erziehungspflicht (Pflichtenverhältnis) gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren haben Eltern (Vormund, Pfleger etc.), Angestellte aus einem öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich (Sozialarbeiter des Jugendamtes etc.) oder aber Personen, die sich zu der Übernahme des Jugendlichen verpflichtet haben (Pflegeeltern, Internatsleiter etc.) (ebd., Rn 12).
Strafbar macht sich auch derjenige, der den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen (§171 StGB).
§174 StGB „Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“
Der Gesetzgeber unterscheidet bei dem Schutz des Sexuallebens von Kindern und Jugendlichen nach dem Alter der Opfer. Der Schutz der Kinder unter vierzehn Jahren ist unbeschränkt. Hier besteht ein generelles Verbot der Vornahme sexueller Handlungen. Bei Personen unter sechzehn Jahren und unter achtzehn Jahren gilt dies nur dann, wenn diese dem Täter „zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut“ worden sind. Jugendliche unter achtzehn Jahren sind nur gegenüber leiblichen oder Adoptiveltern (§ 174 Abs.1 Nr. 3) ohne weitere Voraussetzung geschützt (SK-StGB, Wolters/Horn §174 Rn 1b).
Diese Vorschrift enthält zwei Tatbestände. In Absatz 1 werden Fälle erfasst, bei denen es zu sexuellen Handlungen kommt und sich die Körper von Täter und Opfer berühren („an“ oder „an sich “). In Absatz 2 werden sexuelle Handlungen benannt, bei denen eine sexualbezogene Berührung ausbleibt („vor dem Schutzbefohlenen“ oder „vor sich “). Der Gesetzgeber sieht bei körperlichen Berührungen eine stärkere Gefahr für die ungestörte Sexualentwicklung der Minderjährigen gegeben (SK-StGB, Wolters/Horn §174 Rn 1c).
Gem. §174 Abs. 1 wird derjenige bestraft, der sexuelle Handlungen „an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt.“ Die Vorschrift bezweckt in erster Linie den Schutz der sexuellen Entwicklung Minderjähriger vor Störungen (ebd., Rn 1d/2).
Die Erziehung bedeutet, dass die Lebensführung des Jugendlichen, also dessen geistige oder sittliche Entwicklung über einen längeren Zeitraum überwacht und geleitet wird (SK-StGB, Wolters/Horn §174 Rn 4).
Ein Ausbildungsverhältnis ist gem. §174 dann gegeben, wenn der Täter dem Jugendlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in einem bestimmten Wissens- und Lebensbereich vermittelt. Durch die Ausbildung wird die Persönlichkeit des Jugendlichen mitgeprägt (ebd., Rn 5).
§176 StGB „Sexueller Missbrauch von Kindern“
Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr stehen auf Grund der zentralen Vorschrift des §176 StGB unter einem absoluten gesetzlichen Schutz vor sexuellem Missbrauch (Blumenstein, 2002. S.614). Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass die sexuelle Entwicklung von Kindern gestört wird (SK-StGB, Wolters/Horn §176 Rn 2).
Bei der Erfüllung des Tatbestandes hat es keine Bedeutung, ob das Kind bereits geschlechtlich erfahren ist oder ob die Initiative zu sexuellen Handlungen von diesem ausgegangen ist. Dabei spielt auch keine Rolle, welche Art der Beziehung die „Sexualpartner“ unterhalten oder welchen Altersunterschied diese aufweisen (ebd., Rn 2).
Es macht sich derjenige strafbar, der eine sexuelle Handlung an einem Kind (Person unter vierzehn Jahren) vornimmt oder durch das Kind an sich vornehmen lässt. Hierzu spielt das Geschlecht des Täters wie das des Kindes keine Rolle. Von Bedeutung ist hier der Begriff „an“ durch welchen ein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen dem Täter und dem Kind stattfindet (ebd., Rn 3). Der Täter macht sich auch strafbar, wenn er eine sexuelle Handlung „an sich“ von einem Kind vornehmen lässt (SK-StGB, Wolters/Horn §176 Rn 4). Strafbar macht sich auch, wer ein Kind dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen (ebd., Rn 4a).
Strafbar ist auch, wer auf das Kind „durch Schriften“ (§11 Abs.3) einwirkt, um dieses zu sexuellen Handlungen zu bringen (ebd., Rn 24b). Der Täter muss durch die Schriften den Zweck verfolgen, das Kind „zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll“ (ebd., Rn 24c). Der Täter kann auf das Kind einwirken, indem er ihm pornografische Abbildungen oder Darstellungen zeigt (ebd., Rn 25). Durch das Abspielen von Tonträger mit pornografischen Inhalt oder durch entsprechendes Reden kann der Täter auf das Kind einwirken (ebd., Rn 25a).
Am 1. April 2004 ist das SexualdelÄndG im Kraft getreten, welches keinen Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle mehr vorsieht, die Verhängung von Geldstrafe ist damit entfallen (ebd., Rn 13a).
§223 StGB „Körperverletzung“
Durch dieses Rechtsgut wird die körperliche Unversehrtheit geschützt. Dieses Rechtsgut wird dann verletzt, wenn jemand „körperlich misshandelt“ und/oder wenn seine Gesundheit verschlechtert wird. Die körperliche Misshandlung kann (muss aber nicht) auch die Gesundheit beeinträchtigen (SK-StGB, Horn/Wolters §223 Rn 3).
Eine körperliche Misshandlung gem. §223 StGB ist erst dann zu verzeichnen, „wenn diese Beeinträchtigung für einen objektiven Betrachter als nicht bloß unerheblich erscheint“. Bei Verlust an Körpersubstanz (etwa von Blut, eines Zahnes oder von Haaren) ist das als gegeben anzusehen, auch wenn dieser Verlust auf natürlichem oder künstlichem Wege wieder ausgeglichen werden kann und dies nicht mit einer erheblicher Beeinträchtigung von Körperfunktionen verbunden ist (ebd., Rn 6).
Das Züchtigungsrecht, wonach nur entwürdigende Erziehungsmaßnahmen unzulässig waren und die Eltern die Anwendung von Gewalt gegen ihre Kinder als erzieherische Maßnahme begründen konnten, ist im Jahre 1998 aufgehoben worden (Bussmann, 2005b. S.261). Das Züchtigungsrecht der Eltern stellte einen „strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund dar und (schließe)[schloss] damit die Strafbarkeit körperlicher Gewalt gegen das Kind aus“ (Wiesner, 2005. S.298). Im Jahre 2000 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch ein explizites Verbot von Körperstrafe für Eltern eingeführt und somit die Gewalt in der Kindererziehung gesetzlich geächtet (Bussmann, 2005a. S.243).
Gem. §1631 Abs. 2 BGB haben „Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafung, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“. Der Gesetzgeber hat somit ein absolutes Verbot von Körperstrafen gegen Kinder eingeführt, um das Bewusstsein bei den Eltern für eine gewaltfreie Erziehung zu schärfen (Bussmann, 2005a. S.243). Somit kann die Misshandlung eines Kindes nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des elterlichen Erziehungsrechts gerechtfertigt werden (SK-StGB, Horn/Wolters §223 Rn 13). Körperliche Züchtigung seitens der Eltern wird ebenso behandelt wie jeder andere körperliche Übergriff wenn das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Strafbar sind Schläge an den Kopf oder in das Gesicht sowie Schläge mit Gegenständen (ebd., Rn 14).
Gesundheitsschäden wie z.B. Wunden, Nerven- oder Organerkrankungen machen immer einen Heilungsprozess erforderlich (ebd., Rn 20). „Jede unmittelbare und psychische Einwirkung auf den Organismus eines anderen (…) erfüllt den objektiven Tatbestand des §223 in der Form der Misshandlung.“ (ebd., Rn 36)
§225 StGB „Misshandlung von Schutzbefohlenen“
Durch diese Rechtsvorschrift werden Personen geschützt, die unter achtzehn Jahren sind sowie Menschen, die wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlos sind. Gebrechliche und Kranke sind dann wehrlos, wenn ihnen die Möglichkeit, sich gegen Angriffe auf den Körper zu wehren, auf Grund ihres Zustandes nicht mehr gegeben ist (SK-StGB, Horn/Wolters §225 Rn 3).
In §225 werden drei Tatbestände zusammengefasst. Die Verletzung kann entweder durch „das Quälen“, die „rohe Misshandlung“ oder durch die „böswillige Sorgepflichtvernachlässigung“ herbeigeführt werden. Die Körperverletzung richtet sich gegen Personen, die gegen Angriffe dieser Art allgemein empfindlich, besonders angreifbar und schutzbedürftig sind (minderjährige und wehrlose Personen) und in einen bestimmten Abhängigkeitsverhältnisses zum Täter stehen (ebd., Rn 2).
Der Gesetzgeber unterscheidet Personen, die zum Täter in einen „Abhängigkeits- oder Schutzverhältniss“ stehen. Personen, die:
- der Fürsorge des Täters oder seiner Obhut unterstehen,
- seinem Hausstand angehören,
- von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden sind oder
- ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet sind (SK-StGB, Horn/Wolters §225 Rn 4).
Durch das Quälen wird das Verursachen länger dauernder oder sich wiederholender erheblicher Schmerzen oder Leiden hervorgerufen (ebd., Rn 10). Wenn dem Handeln eine unbarmherzige und gefühllose Gesinnung zu Grunde liegt, handelt es sich um „rohe“ Misshandlung (ebd., Rn 16).
Strafbar macht sich auch derjenige, der einen drohenden Gesundheitsschaden durch böswillige Vernachlässigung der Sorgepflicht nicht abgewendet hat (ebd., Rn 17).
Wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch einen Angriff im Sinne des Abs. 1 in die „Gefahr der Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung“ oder „einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung…“ gebracht hat, macht er sich strafbar gem. §225 StGB (ebd., Rn 23).
Die Aufklärung der Straftat und die Überführung des Täters sind die unmittelbaren Ziele des Strafverfahrens (Wiesner, 2005. S.283). Die primären Erwartungen an das Strafrecht sind <Schutz des Kindes> und <Schutz vor dem Täter>. Die Generalpräventiven Aspekte spielen hier eine untergeordnete Rolle (Fegert et al., 2001. S.55).
Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist in Deutschland die einzige Datenquelle, die auf nationaler Ebene jährlich Informationen über das Ausmaß von Gewalt gegen Kinder enthält. Diese erfasst die Gesamtheit der in Deutschland zur Anzeige gekommen und polizeilich registrierten Verdachtsfälle strafrechtlich relevanter Delikte (Wetzels, 1997. S.24).
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es keine Meldepflicht, daher kann man keine verlässlichen Aussagen über die Häufigkeit der Kindesmisshandlung machen (Engfer, 2005. S.7).
In Tabelle 1 sind Opferzahlen für Kinder unter 14 Jahren für Misshandlung sowie sexuellen Missbrauch von Kindern gem. §176 StGB und Schutzbefohlenen als Opfer von Delikten gem. §225 „Misshandlung von Schutzbefohlenen“ sowie gem. §174 StGB „Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ in dem Zeitraum von 1995 bis 2005 dargelegt.
Tab. 1: Kinder als Opfer von Delikten gem. §176 StGB und Misshandlung von Kindern sowie Schutzbefohlenen gem. der §§ 225 und 174 StGB (nach PKS der Jahrgänge 1995-2005)[1]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bundeskriminalamt, 2005 (PKS)
Die Zahlen der Opfer in der Polizeilichen Kriminalstatistik stellen aufgrund des Dunkelfeldes nur einen Ausschnitt des tatsächlichen Ausmaßes dar. Es handelt sich hierbei nur um Delikte, die zur Anlage einer polizeilichen Ermittlungsakte und solche Delikte deren Weiterleitung an die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht geführt haben. Fälle, die (noch) in den Zuständigkeitsbereich anderer Instanzen (wie z.B. des Jugendamtes, der Familienfürsorge) fallen, bleiben so lange „unregistriert“ bis diese zur einer polizeilichen Ermittlungsarbeit führen (Amelang/Krüger, 1995. S.25f.).
Die Misshandlung von Kindern ist nach Angaben der Polizeilichen Kriminalstatistik im Vergleich zu früheren Jahren deutlich gestiegen. Für das Delikt „sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen“ zeigt die Tabelle dagegen auf, dass es sich um die niedrigste registrierte Zahl für die letzten zehn Jahre handelt. Die Zahlen von Delikten für den sexuellen Missbrauch von Kindern sind im Vergleich zu den anderen Delikten jedoch insgesamt deutlich höher.
Bei extrafamilialen Taten sind Strafverfahren häufiger. Das könnte erklären, warum die Zahlen von sexuellem Missbrauch von Kindern höher sind als bei den anderen Delikten. In den Fällen von Misshandlung und sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, handelt es sich um intrafamiliale Taten, bei denen häufig auf eine Anzeige verzichtet wird (Fegert et al., 2001. S.213).
1.1.2 Kindesmisshandlung aus medizinischer Sicht
Laut medizinischer Befunde sind Kinder vor dem Vorschulalter am stärksten gefährdet, von den Eltern misshandelt zu werden. Infolgedessen ist eine diagnostische Wachsamkeit des Arztes für das Überleben gerade dieser Kinder von hoher Bedeutung (Jungjohann, 1996. S.53).
Jungjohann (1996) spricht über die Aufgaben der Ärzte und Helfer bei Verdacht auf Kindesmisshandlung: Wenn die Ergebnisse der Untersuchung durch den Arzt mit den Erklärungen der Eltern über die Ursachen der Verletzungen eines Kindes nicht übereinstimmen, ist es zunächst wichtig, den Eltern keine Vorwürfe zu machen. Hierdurch würde nur erreicht, dass diese alles abstreiten (ebd., S.58).
Bei einer Untersuchung müssen folgende Formen von Gewalt in Betracht gezogen: Beißen, Schlagen mit der Hand oder mit Gegenständen, Treten, Fesseln, Ersticken, Verbrühen, Verbrennungen und Vergiftungen (Motzkau, 1997. S.56f.).
Auf entsprechende Verletzungen ist zu achten.
Bei sexuellem Missbrauch sind typischen Verletzungen im Bereich des Unterbauchs, der Oberschenkel sowie im Genital- und/oder Analbereich zu finden (Motzkau, 1997. S.57).
Bei der körperlichen Untersuchung eines Kindes sollte der Arzt auf folgende Befunde achten:
im Hautbereich:
- Hämatome mit Blau- und Rotverfärbungen (durch Stöße und Schläge),
- Schwellungen, Rötungen und nässende Wunden an Haargrenzen im Hals- und Nackenbereich,
- Bisswunden oder Marken an Brust, Unterbauch, Oberschenkeln und im Genitalbereich (können Hinweise auf sexuellen Missbrauch sein),
- Greif- und Prellmarken an den Oberarmen und an der seitlichen Brustwand und
- Brandblasen durch Zigaretten oder Verbrühungen (Jungjohann, 1996. S.63).
Verletzung des Skeletts:
- Frakturen des Schädels (bei Kinder bis zu zwei Jahre), im Thoraxbereich und an den Extremitäten (Motzkau, 1997. S.57).
Verletzungen der inneren Organe:
- Milz- und Leberrupturen und weitere stumpfe Verletzungen der Bauchorgane (Jungjohann, 1996. S.64).
Bei dem Verdacht auf eine Vergiftung ist eine Blutprobe erforderlich.
Es gibt „alterstypische Verletzungsbereiche“: Bei Kindern bis zum zweiten Lebensjahr sind dies Kopfverletzungen, zwischen drei und zwölf sind es Verletzungen an den Beinen, am Gesäß und am Becken (Motzkau, 1997. S.57).
Das physische Trauma kann in der Regel durch adäquate medizinische Versorgung behoben werden. Die psychischen Schäden bleiben von der Versorgung jedoch ausgenommen (Steele, 2002. S.126).
Diese Daten bilden zugleich die rechtliche Grundlage für Interventionen von außen, die die Sicherheit des Kindes zum Zweck haben sollen (ebd).
Kindesmisshandlung ist ein „zeitlicher Prozess“. Durch die Berücksichtigung der Diagnostik und durch daran anschließende therapeutische und andere Behandlungen können weitere Schädigungen des Kindes verhindert werden (Jungjohann, 1996. S.58).
1.1.3 Kindesmisshandlung aus sozialpädagogischer Sicht
Soziale Arbeit unterscheidet sich von anderen „helfenden“ Professionen dadurch, dass nicht nur ein Teilbereich menschlicher Existenzbedingungen im Mittelpunkt der Aufgaben steht, sondern die Problematik von einzelnen und Gruppen in ihrer Komplexität erfasst wird. Zu den berufsspezifischen Funktionen dieser Arbeit gehören Beratung, Unterstützung, Organisation von Lernprozessen sowie Vermittlung und Koordinierung von Hilfen (Galuske, 2002. S.33f.).
Sozialpädagogik beschäftigt sich mit sozialen Benachteiligungen und Verelendungen von Menschen und fragt zugleich nach den Bedingungen, die diese Notlagen hervorgerufen haben. Sozialpädagogik überlegt, wie diese Bedingungen individuell und gesellschaftlich zu bewältigen sind. Dafür bietet sie konkrete Hilfsangebote und stellt zugleich politische Forderungen (Jordan/Sengling, 2000. S.11).
Der Schwerpunkt der Sozialpädagogik liegt nicht so sehr darin, auf „Schritt“ und „Tritt“ nach verfügbaren wissenschaftlichen Grundlagen zu fragen und zu theoretisieren. Vielmehr geht es darum, zwischenmenschlich zu agieren, in Beziehungen zu treten und Vertrauen herzustellen (Post, 1997. S.81).
In der alltäglichen Arbeit der sozialen Dienste bildet die Kindesmisshandlung ein zentrales Thema (Schone et al., 1997. S.34). Die Aufgabe der sozialpädagogischen Fachkräfte ist es hier, Probleme frühzeitig zu erkennen, leistungsfähige Hilfen bereitzustellen und die Kooperation mit den Eltern (den Personensorgeberechtigten) zu suchen, wobei der Auftrag des notwendigen Schutzes des Kindes, ggf. auch gegen den Willen der Eltern, nicht aus dem Blick zu verlieren ist (ebd., S.35).
Das zentrale Anliegen der öffentlichen Jugendhilfe ist die Sorge um das Kindeswohl, das im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) rechtlich verankert ist. Die „Hilfen zur Erziehung“ umfassen Hilfsangebote für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Zu diesen Angeboten gehören Beratung, verschiedene Formen sozialpädagogischer Betreuung, sowie unterschiedliche Arten der vorläufigen oder langfristigen Unterbringung (Brückner, 2001. S.727).
Das Hilfsangebot orientiert sich gerade im Interesse des betroffenen Kindes bewusst an der gesamten Familie. Die Sozialpädagogik richtet ihren Blick nicht nur auf die Probleme und Defizite der Familie, sondern auch auf ihre Ressourcen und unentwickelten Fähigkeiten, welche es zu fördern gilt (Blum-Maurice, 1997. S.194).
1.2 Erscheinungsformen der Kindesmisshandlung
Die Unterscheidung der verschiedenen Formen der Gewalt gegen Kinder kann nur auf der Basis des Wissens geschehen, dass sich die einzelnen Misshandlungsformen häufig überschneiden. Dornes (1997) erklärt, „dass Kinder selten wortlos verprügelt“ werden. Sie werden meistens auch gleichzeitig angeschrieen, verbal gedemütigt und damit emotional misshandelt (ebd., S.66). Hoffmann, Egle und Joraschky (1997) stellen in Bezug auf sexuelle Gewalt gegen Kinder Ähnliches fest: „Sexueller Missbrauch kommt ausgesprochen selten allein vor. Fast regelmäßig spielen emotionale Vernachlässigung, Misshandlung und andere Formen des Missbrauchs mit.“ (ebd., S.418)
Man kann jedoch davon ausgehen, dass Eltern in stärkerem Maß auf die eine oder die andere Misshandlungsform zurückgreifen (Dornes, 1997. S.66).
Engfer (1997) unterscheidet zwischen einem „engeren“ und einem „weiteren“ Misshandlungsbegriff (ebd., S.21).
Von einer Misshandlung im „engeren Sinn“ wird nur dann gesprochen, wenn Kinder durch Gewalthandlungen körperlich verletzt werden. Bei Gewaltanwendungen, aus denen keine körperlichen Verletzungen resultieren (wie in der Regel bei sexueller oder psychischer Misshandlung), wird auf gesellschaftliche und kulturelle Normen als Kriterien für die Definition zurückgegriffen (Engfer, 1997. S.21f.).
Der Misshandlungsbegriff im „weiteren Sinn“ bezieht auch solche Handlungen und Unterlassungen mit ein, die sich nicht zwangsläufig schädigend auf ein Kind einwirken. Unter diese Kategorie fallen unter anderem das häufige Schimpfen oder Schlagen, Liebesentzug als Strafmaßnahme und andere Vorgehensweisen. Es handelt sich um alle Handlungen, die durch die Häufigkeit des Vorkommens schädigend sind (Engfer, 1997. S.22).
Bei den Daten über die Häufigkeit von Kindesmisshandlung, die durch die Kriminalpolizei ermittelt wurden, wird der Misshandlungsbegriff im „engeren Sinn“ zugrunde gelegt (Engfer, 1990. S.59).
Untersuchungen, die auf der weiten Begriffsdefinition beruhen, werden von den medizinischen und psychosozialen Institutionen durchgeführt. Diese dokumentieren jedoch nur die behandelten und nicht angezeigten oder verurteilten Fälle von Kindesmisshandlung (Moggi, 2005b. S.522).
Nach Schätzungen der Internationalen Untersuchungen sind ein Drittel der Kinder, die eine Misshandlung erlebt haben, unter sechs Jahren (Winkler, 2005. S.712).
1.2.1 Körperliche Misshandlung
„Eine körperliche Misshandlung liegt vor, wenn durch körperliche Gewaltanwendung Kindern ernsthaft vorübergehende oder bleibende Verletzungen oder der Tod zugefügt werden(…)[und/oder] wenn gewalttätiges Verhalten der Eltern oder anderer erziehender Personen ein Grundelement der Kindererziehung ist.“ (Jungjohann, 1996. S.59)
Diese Zufügung körperlicher Schmerzen ist nicht zufällig, sondern von Erwachsenen durchaus beabsichtigt. Es wird dabei in Kauf genommen, dass ernsthafte körperliche Verletzungen und Schädigungen beim Kind entstehen (Wetzels, 1997. S.70).
Kindesmisshandlung in Form körperlicher Übergriffe ist „das deutlichste und unmissverständlichste Anzeichen eines beschädigten Verhältnisses zwischen Pflegepersonen und Kind.“ (Steele, 2002. S.126)
Die Methoden der Gewaltanwendungen gegen das Kind sind vielseitig, angefangen bei Ohrfeigen über Schlagen mit Händen oder Gegenständen bis hin zu Verbrennungen, Vergiftungen und Erwürgen. Eine Sonderform ist das Münchhausen-by-proxy-Syndrom, bei welchem die Bezugsperson Krankheitssymptome beim Kind vorspielt oder künstlich erzeugt, etwa durch Verabreichung von Medikamenten, durch absichtliche Verletzungen und andere Vorgehensweisen (Deegener, 2005. S.37). Durch diese Vorgehensweise erreicht die Bezugsperson des Kindes besondere Aufmerksamkeit von Seiten des Arztes.
Das Münchhausensyndrom findet sich häufiger bei Frauen als bei Männern, im Hintergrund steht das Bedürfnis nach ärztlicher Versorgung (Jungjohann, 1996. S.55).
Die zugefügten Verletzungen können anhand von Aufnahmeberichten, Röntgenaufnahmen, Fotos, Messungen und verbalen Beschreibung nachgewiesen werden (Steele, 2002. S.126).
Die Form, die Härte und die Intensität der Gewaltanwendungen, aber auch die Empfindlichkeit des Kindes, entscheiden über das Ausmaß seiner Schädigung (Engfer, 1997. S.24;. Hasebrink, 1995. S.227).
Auch das Alter bzw. der körperliche und psychische Reifegrad des Kindes beeinflussen die Intensität der Schädigung gewalttätiger Handlungen an ihm mit. Das heftige Schütteln eines Säuglings kann lebensbedrohlich sein (Engfer, 1997. S.24), die gleiche Handlung kann dagegen für ein Kleinkind ungefährlich bleiben.
Im Jahr 1992 führte das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) eine repräsentative Befragung an 3249 Personen im Alter zwischen 16 und 59 Jahren über die Erfahrung von körperlicher Gewalt durch die Eltern durch. Dabei ergaben sich die in Tabelle 2 abgebildeten Zahlen (Deegener, 2005. S.39):
Tab. 2: Kindheitserfahrungen mit körperlicher Erziehungsgewalt durch Eltern (N=3249, Mehrfachnennungen möglich) (nach Wetzels, 1997. S.145)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Anmerkungen: Abgekürzte tabellarische Darstellung, nur Opferraten sind aufgeführt. Mehrfachnennungen bei Einzelitems sind möglich. Opfer körperlicher Züchtigung können zugleich auch Opfer elterlicher Misshandlung gewesen sein. (1) In acht Fällen fehlen Angaben zur Misshandlung.
Insgesamt gaben 74,9% der Befragten (n=2432) an, in ihrer Kindheit körperliche Gewalt durch die Eltern erlebt zu haben. Darunter sind 10,6% (n=350), die Opfer körperlicher Misshandlung wurden und 38,4% wurden häufiger als selten körperlich gezüchtigt, Misshandlungen erlebten 4,7% häufiger als selten (Wetzels, 1997. S.146).
1.2.2 Psychische Misshandlung
Psychische Misshandlung kann als eine integrale Komponente angesehen werden, da sie in allen Misshandlungsformen vorfindbar ist (Weiß, 2003. S.23).
Diese Art von Misshandlung ist äußerst schwer zu diagnostizieren, da ihre Auswirkung oftmals nicht sofort, sondern erst Jahre später erkennbar werden (Hasebrink, 1995. S.227).
Oft werden die Verletzungen der seelischen Misshandlung nicht als solche erkannt, da diese keine sichtbaren Narben hinterlässt und sogar unter der Bewusstseinsschwelle des betroffenen Kindes erfolgen können (Bürgin/Rost, 1997. S.139).
„Unter psychischen Misshandlungen versteht man alle Handlungen oder Unterlassungen von Eltern oder Betreuungspersonen, die Kinder ängstigen, überfordern, ihnen das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit vermitteln und sie in ihrer psychischen und/oder körperlichen Entwicklung beeinträchtigen können.“ (Engfer, 1997. S.24)
Es ist schwierig eine psychische Misshandlung zu identifizieren, weil die Grenzlinie zwischen den weitgehend akzeptierten elterlichen Vorgehensweisen zur Bestrafung der Kinder (Hausarrest, Liebesentzug) und psychisch schädigendem Verhalten nicht klar gezogen werden kann: Auch ständige Bevorzugung eines Geschwisterkindes oder lang anhaltender Liebesentzug können bereits eine Schädigung in der Entwicklung des Kindes bewirken (Engfer, 1997. S.24).
Garbarino und Vondra (1985) nennen drei zentrale Kriterien der psychischen Misshandlung:
1) Ablehnung des Kindes: Die Eltern überfordern das Kind durch ständige Kritik und hohe Erwartungen und vermitteln ihm das Gefühl der Wertlosigkeit.
2) Terrorisieren des Kindes: Das Kind wird durch Drohungen geängstigt und eingeschüchtert.
3) Isolieren des Kindes: Durch Einsperren und den Kontaktabbruch nach außen wird ihm das Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit vermittelt (Engfer, 1986. S.11f.). Durch die „soziale Isolation“ wird dem Kind das Gefühl vermittelt, allein auf der Welt zu sein, auch wenn innerhalb der Familie die emotionalen Bedürfnisse ausreichend zufrieden gestellt werden (Jungjohann, 1996. S.187f.).
In dem 1986 erschienenden Buch „Das psychologische geschlagene Kind“ beschreiben James Garbarino, Edna Guttmann und Jane W. Seeley weitere zwei Formen von psychischen Misshandlungen (Jungjohann, 1996. S.199): „ignorierendes Übersehen“ und „Korrumpieren“ des Kindes (ebd., S.184).
Ignorieren meint das gezielte Nicht-Wahrnehmen der Bedürfnisse des Kindes. Es handelt sich hierbei um eine „lautlose Form“ der psychischen Misshandlung. Die Gleichgültigkeit mit der die Bezugspersonen dem Kind begegnen, kann zur Folge haben, dass sein emotionales, soziales und intellektuelles Wachstum beeinträchtigt wird. Die körperliche Schädigung bleibt aus, da in der Regel die elementare Versorgung des Kindes sichergestellt ist (Jungjohann, 1996. S.192).
Durch das Korrumpieren wird das Kind bewusst oder auch unbewusst durch die Eltern beeinflusst, sich „sozial auffällig“ oder auch „anti-sozial“ zu verhalten. Die Eltern können derartiger Bedürfnisse nicht ausleben und übertragen sie auf ihre Kinder. Der Autor gibt hier das Beispiel eines Richters der nichts gegen das „sozial auffällige“ Verhalten seines Jugendlichen unternimmt (Jungjohann, 1996. S.194).
1.2.3 Sexueller Missbrauch
Früher war das Stereotyp des „bösen fremden Mannes“, der Kinder missbraucht weit verbreitet. Inzwischen gilt es als sicher, dass die Täter und Täterinnen in der Mehrheit Verwandte oder Bekannte sind (Engels, 2002. S.792). Aus diesem Grund handelt es sich bei sexuellen Missbrauch oft um inzestuöse oder um potentiell inzestuöse Übergriffe (Heilmann, 2000. S.154). Nach Steele (2002) ist der innerfamiliale Missbrauch „der eindeutige, offene und symptomatische Ausdruck ernsthaft gestörter Familienbeziehungen, dem in allen Fällen ein größeres oder geringeres Maß an emotionaler Vernachlässigung oder Falschbehandlung vorausgeht.“ (ebd., S.131)
Charakteristisch für den sexuellen Missbrauch ist die Instrumentalisierung des Kindes für die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Täters (Wetzels, 1997. S.71).
Wetzels (1997) definiert sexuellen Missbrauch als „die sexuelle Handlung einer erwachsenen oder in Relation zum Opfer bedeutend älteren Person mit, vor oder an einem Kind, bei welcher der Täter seine entwicklungs- und sozial bedingte Überlegenheit – unter Missachtung des Willens oder der Verständnisfähigkeit eines Kindes – dazu ausnutzt, seine persönlichen sexuellen Bedürfnissee nach Erregung, Intimität oder Macht zu befriedigen(…).“ (ebd., S.72)
Jungjohann (1996) legt in seiner Definition eine Altersdifferenz von mindestens fünf Jahren zwischen Opfer und Täter an (ebd., S.100). Der Alterunterschied von mindestens fünf Jahren wird nach Johns und Kirchhofer (1998) der Tatsache nicht gerecht, dass zum Teil Jugendliche mit nur geringem Altersunterschied zu ihren Opfern zu Missbraucher werden (ebd., S.252).
Um die Unterlegenheit des Kindes in vollem Maße zu begreifen, sind dessen körperliche, psychische, kognitive und sprachliche Entwicklung zu berücksichtigen (Bange, 1995. S.234).
Ein weiterer Aspekt des sexuellen Missbrauchs ist die Ausnutzung der Macht- und Autoritätsposition sowie der Liebe und der Abhängigkeit des Kindes von dem Täter (Deegener, 2005. S.38).
Der sexuelle Missbrauch umfasst jeden Angriff, bei dem die Grenzen von Privatheit, Körperlichkeit und Sexualität der Kinder nicht eingehalten, sondern rücksichtslos zur eigenen sexuellen Befriedigung überschritten werden (Hirsch, 2000. S.79).
Hierbei sind drei verschiedene Formen des sexuellen Missbrauchs zu unterscheiden:
- Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt - durch vorzeigen von pornogra- fische Videos, Bildern und Filmen,
- Sexueller Missbrauch mit Körperkontakt ohne Penetration - durch die Berührungen der genitalen und analen Körperbereich und
- Sexueller Missbrauch durch penetrativen Körperkontakt - genitale, anale oder orale Penetration mit dem Penis (Jungjohann, 1996. S.117).
Die gleichen Kategorien sind auch bei Engfer (1997) zu finden, unter den Bezeichnungen leichte, wenig intensive und intensive Form von Missbrauch (ebd., S.28).
Auch die Ausnutzung der Kinder zur Prostitution und Pornographie fällt in den Bereich des sexuellen Missbrauchs (Jungjohann, 1996. S.100). Kinderpornographie macht nach Engels (2002), die Kinder zweimal zum Opfer: zum einen wird das Leid der Opfer einer interessierten Öffentlichkeit offenbart, zum anderen werden die Kinder durch vorliegende Bilder erpresst (ebd., S.792).
Deegener (1998) geht mit Bezugnahme auf neuere Untersuchungen davon aus, „dass in Deutschland etwa jedes vierte bis fünfte Mädchen und jeder zwölfte bis vierzehnte Junge sexuell missbraucht wird.“ (ebd., S.34)
Nach Wetzels (1997) kann die Anwendung physischer Gewalt kein Definitionskriterium, für sexuellen Missbrauch sein, da Täter ihr Ziel meist mit subtileren Mitteln erreichen können (ebd., S.71). Die misshandelnden Personen benutzen unterschiedliche Mittel um Kinder gefügig zu machen oder zu verhindern, dass diese über die Tat sprechen. Hierzu zählen neben emotionaler Zuwendung Drohungen, Geld, Geschenke sowie die Vermittlung falscher sexueller Normen (Johns/Kirchhofer, 1998. S.255).
„Internationale und deutsche Untersuchungen zeigen, dass etwa jedes fünfte bis dritte Mädchen und jeder zwölfte bis siebte Junge sexuell missbraucht wird“. Bedeutenden Einfluss auf das in den Studien festgestellte Ausmaß von sexuellem Kindesmissbrauch haben die Art der Stichproben, die Methode der Befragung sowie die Definition, die zugrunde gelegt wird (Bange, 1995. S.234).
Das Vorkommen verschiedener Schweregrade des sexuellen Missbrauchs wird durch drei konkretisierte Missbrauchsformen sowie durch den „Sexueller Missbrauch ohne Körperkontakt“ erhoben (vgl. Tabelle 3).
[...]
[1] Anmerkung: Bundesgebiet insgesamt. (Opfer insgesamt). Misshandlung von Kindern ist nicht strafrechtlich zugeordnet. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den aufgeführten Zahlen um die Körperverletzung von Kindern geht.
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