Im 19. Jahrhundert war der Roman zur beherrschenden Literaturgattung Europas geworden. Allein im deutschsprachigen Raum fand eine andere Entwicklung statt. Die hier dominierende Gattung war nach wie vor die Novelle. Gerade in Deutschland hegte man eine besondere Vorliebe für diese Form der Erzählung und Theodor Mundt nannte sie gar einmal ein "Deutsches Haustier" . Über die Gründe für die unterschiedliche Rangordnung zwischen Roman und Novelle ist viel spekuliert worden. Werner Preisendanz bemerkt dazu:
"Als welthaltigste Gattung, die sich öffnete auf Wirklichkeitsbereiche, welche zuvor nicht als kunstfähig und kunstwürdig galten, schien der Roman die Kriterien poetischer Literatur nur zweifelhaft zu erfüllen; diese Einschätzung verzögerte in Deutschland trotz der Romantik im Gegensatz zu Frankreich und England die Emanzipation bis weit ins 19. Jahrhundert hinein."
Auch Theodor Storm war von der Gattung der Novelle fasziniert. Sein narratives Werk besteht ausschließlich aus Erzählungen, die dieser Form entsprechen. Besonders seine Chroniknovellen, die in der zweiten Hälfte seines dichterischen Schaffens entstanden, spielen in seiner Prosa eine wichtige Rolle. Besonders die Hexenthematik interessierte Storm in seiner späteren Schaffensphase. Schon 1858 schreibt er an seine Frau Constanze über jene "furchtbarste, finsterste Region einer - freilich erst vergangenen Vorzeit." Das Motiv der Hexe und ihrer Verfolgung findet sich in vielen Novellen Storms wieder. "Renate" jedoch "has been described as ′Storms eigentliche Hexennovelle′ [...] because of the central significance of the witchcraft theme." Die literarische Gestaltung der persönlichen Schicksale in Storms Chroniknovellen sieht Zhiyou Wang als "überzeugende Beweise dafür, daß er die Vergangenheit als Gleichnis der Gegenwart verwandte [...] Der Dichter schildert in seinen Novellen die Geschichte niemals um der Geschichte willen, sondern um für seine antifeudalen und antiklerikalen Grundgedanken, für seine Verteidigung der Menschenwürde einzutreten." Ob dieses Zitat verifiziert werden kann und in wie fern sich Storm auf tatsächlich Geschehenes bezog soll Thema dieser Arbeit sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Gattung der Novelle
- Die Chroniknovelle
- Aufbau und Struktur der Novelle
- Zur Funktion der Rahmen- und Binnenerzählung
- Fiktion Oder Wirklichkeit: Die Suche nach Quellen
- Die Örtlichkeit: Schwabstedt und Umgebung
- Der Schwabstedter Hof und der Fingaholi
- Die Personen der Novelle
- Renate - Die letzte Hexe?
- Petrus Goldschmidt und seine Widersacher
- Die Örtlichkeit: Schwabstedt und Umgebung
- Schluß
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert Theodor Storms Chroniknovelle „Renate" und untersucht, inwiefern die Erzählung auf historischen Quellen basiert und welche Rolle fiktive Elemente spielen. Ziel ist es, die Entstehung der Novelle im Kontext von Storms Schaffen und seiner Beschäftigung mit der Hexenthematik zu beleuchten.
- Die Gattung der Chroniknovelle
- Die Beziehung zwischen Fiktion und Wirklichkeit in Storms Werk
- Die Rolle historischer Quellen und Persönlichkeiten
- Die Darstellung des Hexenmotivs und des Aberglaubens
- Die Kritik am Christentum und der Inquisition
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Hausarbeit ein und stellt die Gattung der Novelle und ihre Entwicklung im 19. Jahrhundert dar. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf die Chroniknovelle, die durch ihre Verbindung von historischem Stoff und fiktiver Erzählung gekennzeichnet ist.
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Entstehung der Chroniknovelle und ihren charakteristischen Merkmalen. Dabei wird auf die Bedeutung von Rahmen- und Binnenerzählungen sowie auf die Verwendung altertümlicher Sprache und den Anspruch auf historische Authentizität eingegangen.
Das zweite Kapitel analysiert den Aufbau und die Struktur der Novelle „Renate". Die Rahmenhandlung, die Chronik von Josias und der abschließende Brief des Pastors Jensen werden in ihren Funktionen und ihrem Beitrag zur Gesamtstruktur der Novelle beleuchtet.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Frage nach den Quellen und historischen Hintergründen der Novelle. Es werden die Örtlichkeiten Schwabstedt und Umgebung sowie die in der Novelle vorkommenden Personen untersucht, wobei auf die Parallelen zwischen fiktiven Figuren und historischen Persönlichkeiten hingewiesen wird.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Chroniknovelle, Theodor Storm, „Renate", Hexenthematik, historische Quellen, Fiktion und Wirklichkeit, Aberglaube, Christentum, Inquisition, Humanismus, Literaturgeschichte und 19. Jahrhundert.
- Arbeit zitieren
- Julia Irsch (Autor:in), 2000, Theodor Storm - Renate - Eine Chroniknovelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8816
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