In dieser Seminararbeit, welche innerhalb des Seminars eine Überblicksfunktion hat, soll der Aufbau von Cassiodors Variae unter die Lupe genommen werden.
Dabei sollen sprachliche und inhaltliche Besonderheiten herausgestellt werden.
Die zwölf Bücher der Variae enthalten eine Sammlung von insgesamt 470 Schriftstücken Cassiodors. Den größten Teil davon bilden die 369 Briefe, welche an die unterschiedlichsten Adressaten wie oströmische Kaiser, Goten, Römer oder den Papst sowie weitere kirchliche Würdenträger gerichtet sind.
Hinzu kommen zwei Praefationes, neun Edikte, 18 Beförderungsschreiben für die Kanzlei des Praefectus praetorio und 72 Musterformeln, vor allem für die Ernennungsschreiben der höchsten Magistraten. Etwa zwei Drittel davon sind nicht direkt datierbar bzw. nur im Zusammenhang mit anderen, schreibt O’Donnell . Als eine Art Anhang kann die Schrift „De anima“ gesehen werden.
In dieser Seminararbeit, welche innerhalb des Seminars eine Überblicksfunktion hat, möchte ich den Aufbau von Cassiodors Variae unter die Lupe nehmen. Dabei sollen sprachliche und inhaltliche Besonderheiten herausgestellt werden.
Welche Motive hatte Cassiodor wirklich dafür, dass er die Variae auf die Weise zusammengestellt hat, wie sie uns letztendlich vorliegen? Welche Ideen und politischen Zusammenhänge liegen dem zugrunde? Als Hintergrund dazu werde ich Cassiodors Leben, vor allem seinen politischen Werdegang und damit auch seine Beziehungen zu den Ostgoten und Römern mit einbeziehen. Cassiodor selbst schreibt zunächst auf den Titel des Werkes bezogen, dass sich die Bezeichnung „Variae“ nicht auf Verschiedenheiten im Inhalt, sondern auf die unterschiedlichen Sprachstile beziehe (Var. Praef. I 15):
„...necesse nobis fuit stilum non unum sumere, qui personas varias suscepimus ammonere. aliter enim multa lectione satiatis, aliter mediocri gustatione suspensis, aliter a litterarum sapore ieiunis persuasionis causa loquendum est, ut interdum genus sit peritiae vitare quod doctis placeat.“ Er bringt in diesem Abschnitt zum Ausdruck, dass es notwendig war, mehr als nur einen Sprachstil zu verwenden („necesse nobis fuit stilum non unum sumere“), weil er sich an unterschiedliche Personen wende („personas varias“). Er unterscheidet nachfolgend grob drei Sprachebenen. Hier sind zunächst die Gebildeten wie Könige oder andere hohe Würdenträger zu nennen, welche sehr belesen sind („multa lectione satiatis“).
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zweck der Variae nach Cassiodors Worten
3. Cassiodors politischer Werdegang
4. Gliederung und Chronologie
4.1. Grundzüge
4.2. Die Bücher I – V
4.3. Die Bücher VI und VII
4.4. Die Bücher VIII – XII
5. Gestaltung
5.1. Sprache
5.2. Aufbau
5.3. Wirkliche Absichten
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
7.1. Quellen
7.2. Sekundärliteratur
1. Einleitung
Die zwölf Bücher der Variae enthalten eine Sammlung von insgesamt 470 Schriftstücken Cassiodors. Den größten Teil davon bilden die 369 Briefe, welche an die unterschiedlichsten Adressaten wie oströmische Kaiser, Goten, Römer oder den Papst sowie weitere kirchliche Würdenträger gerichtet sind.
Hinzu kommen zwei Praefationes, neun Edikte, 18 Beförderungsschreiben für die Kanzlei des Praefectus praetorio und 72 Musterformeln, vor allem für die Ernennungsschreiben der höchsten Magistraten. Etwa zwei Drittel davon sind nicht direkt datierbar bzw. nur im Zusammenhang mit anderen, schreibt O’Donnell[1]. Als eine Art Anhang kann die Schrift „De anima“ gesehen werden.
In dieser Seminararbeit, welche innerhalb des Seminars eine Überblicksfunktion hat, möchte ich den Aufbau von Cassiodors Variae unter die Lupe nehmen. Dabei sollen sprachliche und inhaltliche Besonderheiten herausgestellt werden.
Welche Motive hatte Cassiodor wirklich dafür, dass er die Variae auf die Weise zusammengestellt hat, wie sie uns letztendlich vorliegen? Welche Ideen und politischen Zusammenhänge liegen dem zugrunde? Als Hintergrund dazu werde ich Cassiodors Leben, vor allem seinen politischen Werdegang und damit auch seine Beziehungen zu den Ostgoten und Römern mit einbeziehen.
2. Zweck der Variae nach Cassiodors Worten
Cassiodor selbst schreibt zunächst auf den Titel des Werkes bezogen, dass sich die Bezeichnung „Variae“ nicht auf Verschiedenheiten im Inhalt, sondern auf die unterschiedlichen Sprachstile beziehe[2] (Var. Praef. I 15):
„...necesse nobis fuit stilum non unum sumere, qui personas varias suscepimus ammonere. aliter enim multa lectione satiatis, aliter mediocri gustatione suspensis, aliter a litterarum sapore ieiunis persuasionis causa loquendum est, ut interdum genus sit peritiae vitare quod doctis placeat.“
Er bringt in diesem Abschnitt zum Ausdruck, dass es notwendig war, mehr als nur einen Sprachstil zu verwenden („ necesse nobis fuit stilum non unum sumere“), weil er sich an unterschiedliche Personen wende („ personas varias“). Er unterscheidet nachfolgend grob drei Sprachebenen. Hier sind zunächst die Gebildeten wie Könige oder andere hohe Würdenträger zu nennen, welche sehr belesen sind („ multa lectione satiatis“). Des Weiteren möchte er auch mittelmäßig Gebildete („ mediocri gustatione“) sowie weniger Gebildete, quasi das gemeine Volk (humillimi) ansprechen[3].
Cassiodor stellt aber mit dem gebräuchlichen literarischen Topos der Bescheidenheit heraus, dass er selbst die höchste Stilebene nicht erreicht zu haben denkt. Darüber sagt er, solle der Leser selbst urteilen (Var. Praef. I 18: „...summum vero, quod propter nobilitatem sui est in editiore constitutum, nos attigisse non credimus. (...) vestra potius iudicia sustinemus.“)
Außerdem wurden manche Dinge in großer Eile - und damit möglicherweise fehlerhaft, andere mit wohl etwas mehr Zeit zur Reflektion verfasst (Var. Praef. I 17: „ alia contigit sub festinatione profundere, alia vero licuit cogitata proferre “).
Somit ist mit diesen Erweiterungen nach Cassiodors Ansicht der Titel für seine Zusammenstellung zusätzlich gerechtfertigt (ebenfalls Var. Praef. I 17: „...ut merito variarum dicatur, quod tanta diversitate conficitur. “) Auf die Feinheiten im Sprachstil werde ich in Punkt 3 ausführlicher eingehen. Zunächst sollen jedoch weiter Cassiodors eigene Darlegungen für die Herausgabe der Variae behandelt werden. Hierbei sticht eine weitere Aussage ins Auge (Var. Praef. I 9):
„Noli, quaesumus, in obscurum silentii revocare, qui te dicente meruerunt illustres dignitates accipere. Tu enim illos assumpsisti vera laude describere et quodam modo historico colore depingere.“
Krautschick schreibt für diese Stelle von imaginären Gesprächspartnern, welche Cassiodor beauftragt haben, ihre Verdienste für die Nachwelt festzuhalten und sie somit in ganz besonderem Licht darzustellen[4]. In diesem ebenfalls bekannten Stilmittel scheint eine historiographische Absicht, wie sich nachfolgend noch zeigen wird, vor allem in Bezug auf eine Person gegeben zu sein.
Und schließlich will Cassiodor, wie er schon zu Beginn seiner Praefatio als seine Hauptabsicht darlegt, seinen Nachfolgern in den von ihm bekleideten Ämtern grundlegende Formeln an die Hand geben (Var. Praef. I 14: „ cunctarum itaque dignitatum sexto et septimo libris formulas comprehendi, ut et mihi quamvis sero prospicerem et sequentibus in angusto tempore subvenirem“).
Dies sind kurz zusammengefasst, Cassiodors niedergeschriebene Motive für die Variae; jedoch ist hier eine tiefer gehende Untersuchung notwendig, um weitere dahinter liegende Absichten herauszufinden. Dafür werde ich nun in geraffter Form Cassiodors politischen Werdegang mit einbeziehen.
3. Cassiodors politischer Werdegang
Cassiodors Lebenszeit wird auf etwa 480 bis 575 datiert. Über seine grundlegende Ausbildung ist nicht viel bekannt. Im Anecdoton Holderi steht lediglich, dass sich Cassiodor als Consiliarius seines Vaters während dessen Zeit als Praefectus praetorio erste Verdienste in der Politik des Ostgotenreiches erworben hat. Dies dürfte etwa um das Jahr 500 gewesen sein[5]:
„Iuvenis adeo, dum patris Cassiodori Patricii et Praefecti Praetorii consiliarius fieret et laudes Theodorichi regis Gothorum facundissime recitasset, ab eo quaestor est factus.“[6]
Meyer-Flügel stellt heraus, dass Cassiodor zu dieser Zeit einen Panegyricus auf König Theoderich gehalten hat. Das wurde mehrfach scharf kritisiert, unter anderem von Hartmann, der davon spricht, dass Cassiodor bereit war, „mit dem Wortschwall des Hofmannes und Rhetors die Regierung zu loben, die gerade am Ruder war“. Die dabei verwendeten Phrasen habe Cassiodor so verdreht, dass der Eindruck entstand, er wäre „ein Künstler in seinem Handwerke“, so Hartmann weiter.
Persönlich denke ich, dass Hartmann hier nicht unrecht hat, zumindest ebnete Cassiodor diese „Lobhudelei“ zusammen mit den guten Beziehungen über seinen Vater den Weg in das Quaestoren-Amt, welches er ab ca. 506/7 bekleidete. Als weitere politische Stationen Cassiodors sind das Amt des Magister officiorum als Nachfolger des „abgesetzten“ Boethius von 523 bis etwa 526 und seine Zeit als Praefectus praetorio von 533 bis ca. 537 zu nennen.
Bis zum Tode Theoderichs am 30. August 526[7] war er mit ihm sehr eng verbunden – und auch wenn das Verhältnis zwischen beiden unter Historikern vielfach umstritten ist, so ist Cassiodors positive Darstellung Theoderichs und damit der Ostgoten nicht von der Hand zu weisen.
4. Gliederung und Chronologie
4.1. Grundzüge
Um die grundsätzliche Einteilung der Variae, welche sich auf die datierbaren Schreiben stützt, vor Augen zu führen, verwende ich die übersichtliche tabellarische Darstellung von Krautschick, in welcher nachfolgend die Regierungszeiten der Ostgotenkönige und der allmähliche politische Aufstieg Cassiodors in den Jahren 508 bis ca. 537[8] gut erkennbar sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1
Gliederung der Variae nach Regierungszeiten der Ostgotenkönige und Amtszeiten Cassiodors
in: Krautschick, Stefan. Cassiodor und die Politik seiner Zeit (Habelts Dissertationsdrucke Alte Geschichte 17), Bonn 1983
Über die erkennbaren Lücken von 527 bis 533 bzw. 511-523 gibt es leider keine Informationen, schreibt O’Donnell[9]. Durch den Wechsel der Könige nach 526 bzw. ein Jahr danach wurde Cassiodor anscheinend aus seinem Amt nach „draußen“ gedrängt. Er hatte vermutlich besonders nach Theoderichs Tod keinen Gönner mehr auf der politischen Bühne. Erst Amalasuntha brachte ihn wieder „zurück“, diesmal sogar in den Rang des Praefectus praetorio[10].
Anhand der Übersicht wird des Weiteren der Stellenwert deutlich, den Theoderich in den Variae einnimmt. Die ersten fünf Bücher beziehen sich auf seine Regierungszeit. Buch 6 und 7 enthalten die bereits erwähnten Musterformeln für die Ernennung höherer Beamter. In den Büchern 8 bis 10 werden erstmals mehrere Herrscher „zusammengefasst“. So sind im zehnten Buch neben Briefen im Namen von Amalasuntha, der Mutter Athalarichs, auch welche von Theodahad, seiner Frau Gudeliva und von Wittigis aufgeführt. Die beiden letzten Bücher enthalten schließlich 68 Briefe und Edikte, die Cassiodor in seinem eigenen Namen während seiner Zeit als Praefectus praetorio verfasst hat sowie Formulae für die Beförderungen seiner Kanzlei. Es ist also zunächst eine gewisse grundsätzliche Ordnung bzw. Anordnung erkennbar.
4.2. Die Bücher I – V
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass Cassiodor die jeweils ersten und letzten Briefe der einzelnen Bücher mit Absicht an diese Stelle gesetzt hat, um ihnen auf diese Weise eine heraus ragende Bedeutung zuzuweisen[11]. Dies erscheint plausibel. So stehen am Anfang bzw. Ende oft Briefe an den Kaiser oder die Könige wie den Westgoten Alarich (3,1), den Thüringerkönig Herminafrid (4,1) oder den Wandalenkönig Hilderich (9,1) sowie an hervorragende Römer wie Boethius oder Symmachus[12].
O’Donnell erwähnt in diesem Kontext Van den Besselaar[13], der zwar die beiden ehrenhaften Positionen an Anfang und Ende erkennt, jedoch herausstellt, dass Cassiodor wohl der Stil wichtiger sei als der Adressat. Dies verneint O’Donnell. Er will zeigen, dass der Inhalt bedeutender sei als der Stil und genauso wichtig wie der Adressat[14]. Mit diesen besonderen Positionen soll das ostgotische Reich nach O’Donnell im besten Licht erscheinen: „...for its sophistication of culture as well as its benevolence in government.“[15] Die beiden Ehrenpositionen an Anfang und Ende machen eine Datierung aber meist problematisch, weil eine gewisse chronologische Einordnung schwieriger wird.
[...]
[1] O’Donnell, S.57
[2] vgl. Meyer-Flügel, S.44 f.
[3] O’Donnell, S.74
[4] Krautschick, S.41
[5] vgl. Meyer-Flügel, S.34 ff.
[6] Anecd. Hold. in: Alain Galonnier, Anecdoton Holderi ou Ordo generis Cassiodororum: introduction, édition, traduction et commentaire, AntTard 4, 1996, S.299-312, Z. 15-17
[7] es existieren unterschiedliche Theorien zu seinem Tod, vgl. Ensslin, S.317 ff.
[8] Krautschick, S.48
[9] O’Donnell, S.63
[10] O’Donnell, S.63 f.
[11] O’Donnell, S.77 (neben Krautschick)
[12] Krautschick, S.49
[13] J.J. van den Besselaar, Cassiodorus Senator en zijn Variae, Diss. Nijmegen 1945
[14] O’Donnell, S.79 f.
[15] O’Donnell, S.80
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