In dieser Arbeit wird eine Schulbuchaufgabe in Anbetracht der besonderen sprachlichen Merkmale, die in schulischen Lehrwerken vorkommen, exemplarisch untersucht. Dazu erfolgt zunächst eine theoretische Auseinandersetzung der sprachlichen Register in der Bildungsinstitution Schule. Anschließend werden linguistische Merkmale vorgestellt, die charakteristisch für die sprachliche Gestaltung schulischer Fachtexte sind.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung wächst auch die Forderung digitaler Bildungsmedien. Trotz dessen hat das gedruckte Lehrwerk im schulischen Kontext nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch international nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil, denn noch immer trägt das Lehrwerk zur Vorbereitung des Unterrichts und zur Orientierung an curriculare Vorgaben, die sich in Lehrwerken widerspiegeln, bei.
Auch für SchülerInnen sind Lehrwerke wichtig, da sie die Möglichkeit der Nachbereitung bieten und ihnen auch außerschulisch ein Medium geboten wird, mit dem sie eigenständig lernen können. Darüber hinaus hat eine Untersuchung in Afrika gezeigt, dass der Zugang zu Schulbüchern unmittelbar mit dem Lernerfolg von SchülerInnen zusammenhängt.
Jedoch gibt es in der einschlägigen Literatur nur wenig empirische Befunde zur Nutzung von Schulbüchern, sowohl vonseiten der SchülerInnen als auch von LehrerInnen. In einer Untersuchung von Niederhaus (2015) gaben mehrsprachige SchülerInnen einer Berufsschule an, dass sie deutlich Probleme bei der Rezeption ihres Fachkundebuchs aufweisen. Die Gründe dafür liegen sowohl in der mangelnden Lesekompetenz der SchülerInnen, als auch an den vielen Fach- und Fremdwörtern, sowie komplexen syntaktischen Strukturen der Lehrwerke.
Das wiederum nehme den SchülerInnen die Lust weiterzulesen, weshalb diese schwierigen Fachtexte einen negativen Einfluss auf ihre Lesemotivation bewirken. Doch nicht nur mehrsprachige SchülerInnen, sondern auch diejenigen mit der Muttersprache Deutsch sehen sich zunehmend mit hohen sprachlichen Anforderungen aus Lehrwerken konfrontiert. So ist die sprachliche Komplexität auch seit den ernüchternden Ergebnissen des deutschen Bildungssystems in den PISA- und TIMSS-Studien häufig kritisiert worden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Sprachregister in schulischen Fachtexten
2.2 Merkmale in schulischen Fachtexten
2.2.1 Lexikalische Ebene
2.2.2 Grammatische Ebene
2.2.3 Textebene
3 Analyse
3.1 Analyse auf lexikalischer Ebene
3.2 Analyse auf grammatischer Ebene
3.3 Analyse auf Textebene
4 Fazit und Vorschlag einer sprachsensibleren Version
6 Ausblick
7 Literatur
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung, wächst auch die Forderung digitaler Bildungsmedien. Trotz dessen hat das gedruckte Lehrwerk im schulischen Kontext nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch international nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil, denn noch immer trägt das Lehrwerk zur Vorberei-tung des Unterrichts und zur Orientierung an curriculare Vorgaben1, die sich in Lehr-werken widerspiegeln, bei. Auch für SchülerInnen sind Lehrwerke wichtig, da sie die Möglichkeit der Nachbereitung bieten und ihnen auch außerschulisch ein Medium ge-boten wird, mit dem sie eigenständig lernen können (vgl. Fuchs, Niehaus und Stoletzki 2014: 127). Darüber hinaus hat eine Untersuchungen in Afrika gezeigt, dass der Zu-gang zu Schulbüchern unmittelbar mit dem Lernerfolg von SchülerInnen zusammen-hängt (Kuecken und Valfort 2013).
Jedoch gibt es in der einschlägigen Literatur nur wenig empirische Befunde zur Nutzung von Schulbüchern, sowohl von Seiten der SchülerInnen als auch von Lehrer-Innen. In einer Untersuchung von Niederhaus (2015) gaben mehrsprachige SchülerIn-nen einer Berufsschule an, dass sie deutlich Probleme bei der Rezeption ihres Fach-kundebuchs aufweisen. Die Gründe dafür liegen sowohl in der mangelnden Lesekom-petenz der SchülerInnen, als auch an den vielen Fach- und Fremdwörtern, sowie kom-plexen syntaktischen Strukturen der Lehrwerke (ebd.: 202). Das wiederum nehme den SchülerInnen die Lust weiter zu lesen, weshalb diese schwierigen Fachtexte einen ne-gativen Einfluss auf ihre Lesemotivation bewirken. Doch nicht nur mehrsprachige SchülerInnen sondern auch diejenigen mit der Muttersprache Deutsch sehen sich zu-nehmend mit hohen sprachlichen Anforderungen aus Lehrwerken konfrontiert. So ist die sprachliche Komplexität auch seit den ernüchternden Ergebnissen des deutschen Bildungssystems in den PISA- und TIMSS-Studien häufig kritisiert worden (Fuchs et al. 2014: 23).
Die oben genannte Studie von Niederhaus (2015) belegt, dass defizitäre Sprachkompetenzen nicht nur den Wissenserwerb und die Leistungserbringung im schulischen Kontext erschweren, sondern auch die Erfolgsaussichten im Berufsleben maßgeblich beeinflussen können (vgl. ebd.: 200). Sowohl in der Schule, als auch im Berufsleben werden bildungssprachliche Fähigkeiten vorausgesetzt, die durch die Schule jedoch nicht „gelehrt“ werden (Feilke 2012: 4). Vor allem für SchülerInnen mit einer Zuwanderungsgeschichte dürfte die Aneignung bildungssprachlicher Kompeten-zen eine besondere Herausforderung darstellen, da sie nach Gogolin (2011: 122) stets die Doppelaufgabe zu leisten haben, sowohl die fachlichen Inhalte zu lernen als auch die dazugehörige Sprache, die für sie in der Regel die Zweitsprache ist.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Beherrschung bildungssprachlicher Fähigkeiten in Schule und Beruf eine Voraussetzung ist und defizitäre Kompetenzen in dieser Hin-sicht zu Benachteiligungen führen dürften, erscheint die Auseinandersetzung mit sprachlichen Hürden in schulischen Lehrwerken zwingend notwendig.
Im Zuge dessen wird in dieser Arbeit eine Schulbuchaufgabe in Anbetracht der besonderen sprachlichen Merkmale, die in schulischen Lehrwerken vorkommen exem-plarisch untersucht. Dazu erfolgt zunächst eine theoretische Auseinandersetzung der sprachlichen Register in der Bildungsinstitution Schule. Anschließend werden linguisti-sche Merkmale vorgestellt, die charakteristisch für die sprachliche Gestaltung schuli-scher Fachtexte sind. Zur näheren Betrachtung wurde folgende Schulbuchaufgabe aus dem Lehrwerk „Zugänge zur Philosophie 1“ des Cornelsen Verlags (Aßmann et al. 2004) für das Fach Philosophie der Sekundarstufe II herangezogen:
Diskutieren Sie die Überzeugungskraft der beiden von Schimmel vorgestellten Deutungen des Lebens nach dem Tod unter Rückgriff auf die abgedruckten Ko-ran-Stellen (Aßmann et al. 2004: 95).2
Diese Aufgabe thematisiert eine religiöse Vorstellung, die aus einem philosophischen Blickpunkt heraus behandelt werden soll. Die Auswahl dieser Aufgabe begründet sich darin, dass nur wenig Untersuchungen zur sprachlichen Gestaltung in philosophischen und religiösen Lehrwerken existieren. Die meisten linguistischen Untersuchungen von Schulbuchaufgaben konzentrieren sich primär auf naturwissenschaftliche Fächer oder dem Fach Geschichte.
Um ethische und philosophische Fragestellungen sprachlich auszuhandeln, sind hohe sprachliche Fähigkeiten von Nöten (Pietz, Volke und Voten 2012: 1). Da in den Fächern Philosophie und Religion oft abstrakte Vorstellungen und innere Eindrü-cke verbalisiert werden und die Fächer sich primär mit philosophischen und religiösen Schriften befassen, ist die Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen für die Bewäl-tigung der fachlichen Anforderungen unabdingbar (vgl. ebd).
2 Theoretischer Hintergrund
Die Sprache in schulischen Lehrwerken lässt sich nicht trennscharf einem einzigen sprachlichen Register zuordnen, vielmehr weist sie Merkmale mehrerer sprachlicher Register auf. Daher erscheint es zunächst sinnvoll, eine begriffliche Eingrenzung und Differenzierung der Register Bildungssprache, Schulsprache sowie der Fachsprache vorzunehmen, bevor im Anschluss ein grundlegender Überblick dieser linguistischen Merkmale vorgestellt wird. Dazu werden im Folgenden aus einer Bandbreite an Theo-riebeständen, die Definitionen der entsprechenden Register herausgearbeitet.
2.1 Sprachregister in schulischen Fachtexten
Die Fachsprache dient der „effizienten und präzisen Kommunikation unter Fachleuten“ (Gogolin und Lange 2011: 112). Sie ist ein Teil der Wissenschaftssprache, die sich auf eine bestimmte fachliche Disziplin beschränkt. Die Fachsprache weist ab-hängig vom jeweiligen Fach eigene und spezielle Besonderheiten in der Wort-, Satz, und Textebene auf, die in anderen sprachlichen Registern nicht vorzufinden sind.
Nach Schneider, Gilg, Dittmar und Schmellentin sind Schulfächer von einer „schulisch gefärbten Fachsprache, die dem Lernen dienen soll“ geprägt (2019: 1). Die jeweiligen Fachsprachen der Schulfächer werden demzufolge didaktisch aufbereitet und dem Lehrzweck entsprechend angepasst. Diese „schulisch gefärbte Fachsprache“ weist nicht nur fachsprachliche Merkmale auf, sondern tangiert Merkmale allgemeiner Wissenschaftssprache und setzt somit disziplinspezifische Sprachkompetenzen sowie bildungssprachliche Kompetenzen voraus (vgl. ebd). In der einschlägigen Literatur wird die Sprache im schulischen Kontext als Bildungssprache und/oder3 als Schulsprache bezeichnet, die zugleich fachsprachliche Merkmale aufweisen. Die Begriffe Bildungs-sprache und Schulsprache sind dabei nicht synonym zu verwenden.
Die Bildungssprache ist ein formelles Sprachregister, dass bestimmte formale Anforderungen beachtet und an den Regeln des Schriftsprachgebrauchs orientiert ist (vgl. Gogolin und Lange 2011: 111). Sie zeichnet sich unter anderem durch Merkmale wie einer Situationsgebundenheit, einem hohen Maß an Informationsdichte und einem elaborierten Code aus, die das Modell der konzeptionellen Schriftlichkeit von Koch und Österreicher (1985) abbilden (Gogolin und Lange 2011; Feilke 2012). Nach Gogolin und Lange (2011: 11) handelt es sich um das Register, dessen Beherrschung von „er-folgreichen Schülerinnen und Schülern“ erwartet wird. Zum Konzept der Schulsprache hingegen besteht aktuell keine systematische Modellierung, jedoch liegen einige Kon-zeptualisierungen für das entsprechende Konstrukt vor (vgl. Webersik 2015: 13). Nach Gogolin und Lange (2011: 112) ist die Schulsprache ein Segment der Bildungssprache, das im schulischen Kontext verortet ist. Sofern die Bildungssprache ausschließlich auf den schulischen Kontext bezogen ist und somit schul- sowie fachsprachliche Merkmale aufweist, empfehlen Gogolin und Lange (2011: 112) den Begriff Schulsprache. Auch Feilke (2012) stellt ein Konzept zur Bildungs- und Schulsprache vor. In seinem Konzept kann die Bildungssprache zwar im weiteren Sinne als Schulsprache betrachtet werden, im engeren Sinn jedoch unternimmt er eine begriffliche Differenzierung zwischen den beiden Begriffen. Er definiert die Schulsprache „im engeren Sinn“ als eine, auf das Lehren bezogene und für den Unterricht zu didaktischen Zwecken gemachte Sprach-und Sprachgebrauchsform, aber auch Spracherwartung (ebd.: 5). Unter sprachlicher Verhaltenserwartung zählen in diesem Sinne das Schreiben von Erörterungen, das von SchülerInnen in der Schule oft erwartet wird.
Die Bildungssprache hingegen, umfasst allgemeinere Sprachhandlungsformen, die anders als bei der Schulsprache, nicht zu didaktischen Zwecken konstruiert ist, sondern andere Funktionen übernimmt. Sie wird als „Sprache des Lernens“ bezeich-net, die didaktisch genutzt wird. Nach Morek und Heller (2012) hat die Bildungssprache eine Kommunikative Funktion indem sie als Medium von Wissenstransfer angewendet wird, eine Epistemische Funktion indem sie als Werkzeug des Denkens verwendet wird und eine Sozialsymbolische Funktion indem sie als Eintritts- und Visitenkarte ge-braucht wird.
Demzufolge ist die Bildungssprache von der Schul- und Fachsprache insofern abzugrenzen, als dass sie „viel allgemeinere Sprachhandlungsformen und grammati-sche Formen“ umfasst (Feilke 2012: 5). Entsprechend liefern bildungssprachliche Kenntnisse die Basis dafür, Anforderungen im Fachunterricht sprachlich bewältigen zu können.
2.2 Merkmale in schulischen Fachtexten
Nachfolgend werden zentrale linguistische und nichtsprachliche Merkmale vorgestellt, die charakteristisch für die Sprache schulischer Fachtexte sind und aus der Literatur zusammengetragen wurden. Die meisten Merkmale sind auf der linguistischen Ebene zu finden, innerhalb dieser zwischen der lexikalischen-, grammatischen- und der Text-ebene differenziert wird. Zu den nichtsprachlichen Merkmalen zählen typographische Merkmale sowie die Bild- und Textanordnung. Neben dieser Vielzahl an Merkmalen, die zunächst unabhängig vom jeweiligen Fach sind, sind in schulischen Fachtexten auch fachspezifische Merkmale zu beachten. So kommen in Lehrwerken für das Fach Philosophie, zu dem das hier zu behandelnde Lehrwerk gehört, häufig Primärtexte von Philosophen vor, die i. d. R. sprachlich äußerst komplex sind (vgl. (Leisen 2010: 8). Auch die Aufgabenstellung, die in dieser Arbeit exemplarisch untersucht wird, bezieht sich auf einen Primärtext dieser Disziplin.
2.2.1 Lexikalische Ebene
Schulische Fachtexte weisen eine Vielzahl an bildungssprachlichen Begriffen sowie speziellen fachsprachlichen Begriffen auf. Dieser zahlreiche Wortschatz erschwert die Textrezeption der SchülerInnen besonders dann, wenn abstrakte und mehrdeutige Be-griffe vorkommen, die in einem anderen Kontext oder einem anderen sprachlichen Register unterschiedliche semantische Bedeutungen tragen.4 So kann es bei SchülerIn-nen durch das Phänomen der Polysemie zu Verständnisschwierigkeiten kommen (Go-golin und Lange 2011: 121). Dieses Phänomen kann insbesondere bei der Rezeption von Fachbegriffen entstehen, da die Fachsprache sich aus der Gemeinsprache entwi-ckelt und die Bedeutung der Begriffe sich aus „deren Einbindung in das definitorische Wortschatzsystem“ entwickelt (Roelcke 2010: 62). Obgleich Fachbegriffe durch eine besondere Exaktheit und Eindeutigkeit gekennzeichnet sind, handelt es sich hier um ein subjektives Merkmal das abhängig vom Rezipienten ist, weshalb Fachbegriffe in ihrer Bedeutung voneinander abgegrenzt werden müssen (vgl. Schmölzer-Eibinger und Egger 2012: 20).
[...]
1 Für die Zulassung eines Lehrwerks, müssen die Inhalte den Vorgaben der Curricula entsprechen. Da Schulbücher ein strenges Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen, ist davon auszugehen, dass zu-gelassene Lehrwerke mit den Lehrplänen übereinstimmen (vgl. Fuchs et al. 2014: 23).
2 Siehe Anhang 1
3 Die Verwendung der Register im schulischen Kontext ist nicht eindeutig. Während einige Autoren in die-sem Zusammenhang von Bildungssprache sprechen, nutzen andere Autoren im selben Zusammenhang den Begriff der Schulsprache (vgl. Feilke 2012; Gogolin und Lange 2011).
4 Begriffe, die mehrere Bedeutungen tragen werden auch „Teekässelchen“ genannt. Ein Beispiel dafür liefert der Begriff „Bank“. Er kann sowohl die Sitzbank, als auch ein Geldinstitut meinen.
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