In dem Konflikt der Russländischen Föderation (RF) mit der Autonomen Republik Tschetschenien treffen verschiedene Akteure und Faktoren aufeinander. Einen wichtigen Aspekt bilden dabei die russischen Interessen in der Konfliktregion des Kaukasus‘, die mit dem Bestreben der Tschetschenen nach Unabhängigkeit konfligieren. Auf die Wahrung wirtschaftlicher und geopolitischer Interessen pochend, betrachtet die russische Führung Tschetschenien als integralen Bestandteil der RF und besteht darum auf der Wiederherstellung des Status quo ante.
Diese Faktoren erklären aber nicht die Tatsache, dass es „erst“ am 11. Dezember 1994 zu einem offenen Krieg kam, drei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Tschetscheniens. In diesem Zeitraum, vom Ende der Sowjetunion 1991 bis zum Jahr 1994, hat sich ein entscheidender Wechsel der politischen Machtverhältnisse in der RF vollzogen, der sich, in Bezug auf die tschetschenische Situation als folgenschwer erwies.
Diesen Prozess möchte ich in meiner Hausarbeit in den Vordergrund stellen, und dagegen auf eine historische oder ethnische Begründung des Konfliktes verzichten. Historische und ethnische Hintergründe des Konfliktes sind für das Verhältnis von RF und Tschetschenien bedeutsam, aber ich möchte zeigen, dass sich letztendlich die politischen Akteure in Moskau aus verschiedenen Machtinteressen gegen eine politische Lösung des Konfliktes stellten. Dabei möchte ich zunächst kurz auf die Ereignisse in der Sowjetunion bis zum Augustputsch 1991 verweisen und die Situation in Tschetschenien in den Jahren 1990-94 wiedergeben, ehe ich auf die russischen Interessen und die innenpolitischen Hintergründe des Tschetschenienkrieges eingehe.
Das Verlangen nach Souveränität konnte, nach den politischen Veränderungen in den Jahren 1988-90, im Staatenverbund der ehemaligen UdSSR nicht mehr unterdrückt werden. Im Laufe des Jahres 1990 erklärten die Unionsrepubliken der UdSSR ihre Souveränität, deren Beispiel die RSFSR am 11. Juni 1990 folgte. Diese Bestrebungen verliefen allerdings nicht nur auf Ebene der Unionsrepubliken. Die Desintegration erfasste auch die einzelnen Gebietskörperschaften der RSFSR. Nach dem Vorbild der Unionsrepubliken entstanden emanzipatorische Bewegungen, die sich zu organisierten Volksfronten entwickelten und zur Gründung von nationalen Volksvertretungen und Volksparlamenten führte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Subjekte der ehemaligen Sowjetunion und das Verlangen nach eigenstaatlicher Souveränität
- Die Situation in Tschetschenien 1990-94
- Die Unabhängigkeitsbewegung Tschetscheniens 1990-91
- Die Folgen des Augustputsches in Tschetschenien
- Tschetschenien 1992-94
- Der Ausbruch des Krieges Nov./Dez. 1994
- Hintergründe des Tschetschenienkrieges
- Aspekte der russischen Innenpolitik 91-94
- August 91 – September 93
- Oktober 93 – Dezember 94
- Der Sicherheitsrat
- Russische Interessenpolitik in Tschetschenien
- Die Interessen der RF in Tschetschenien
- Die Interessen der Akteure im Kreml
- Exkurs über die russische Nationalitätenpolitik
- Aspekte der russischen Innenpolitik 91-94
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht den Ausbruch des ersten Tschetschenienkrieges im Dezember 1994. Die Arbeit konzentriert sich auf die politischen Entwicklungen in der Russländischen Föderation (RF) von 1991 bis 1994 und untersucht, wie diese Entwicklungen den Konflikt mit Tschetschenien beeinflussten.
- Der Prozess der Desintegration der Sowjetunion und die damit verbundenen Souveränitätsbestrebungen der einzelnen Republiken und Regionen
- Die Rolle des Augustputsches von 1991 und seine Auswirkungen auf die Machtverhältnisse in Russland
- Die politischen Kräfte in Tschetschenien und ihre unterschiedlichen Ziele bezüglich der Unabhängigkeit
- Die russischen Interessen in der Konfliktregion des Kaukasus und die innenpolitischen Hintergründe des Tschetschenienkrieges
- Die Bedeutung der russischen Nationalitätenpolitik und ihre Auswirkungen auf den Konflikt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Konflikt zwischen der RF und Tschetschenien als ein Aufeinandertreffen verschiedener Akteure und Faktoren dar. Die Arbeit konzentriert sich auf die russischen Interessen in der Konfliktregion des Kaukasus, die mit dem Bestreben der Tschetschenen nach Unabhängigkeit kollidieren.
Kapitel 2 analysiert die Prozesse der Desintegration der Sowjetunion und die Souveränitätsbestrebungen der einzelnen Republiken, einschließlich der RSFSR. Es wird gezeigt, wie sich diese Entwicklungen auf die Autonomen Republiken der RSFSR auswirkten und zu emanzipatorischen Bewegungen führten, die sich zu organisierten Volksfronten entwickelten.
Kapitel 3 untersucht die Situation in Tschetschenien von 1990 bis 1994. Es werden die Entstehung der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewegung und die Rolle des Nationalkongresses sowie des Obersten Sowjets der tschetscheno-inguschetischen ASSR beleuchtet. Die Folgen des Augustputsches in Tschetschenien und die Rolle von Dshocha Dudaev als Vorsitzender des Nationalkongresses werden analysiert.
Schlüsselwörter
Der Konflikt in Tschetschenien, Russländische Föderation (RF), Desintegration der Sowjetunion, Souveränität, Autonome Republiken, Nationalitätenpolitik, Augustputsch, Dshocha Dudaev, politische Machtverhältnisse, Interessenpolitik, Unabhängigkeitsbewegung, Konfliktregion Kaukasus, Status quo ante.
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- M. A. Martin Hagemeier (Autor), 2002, Wie entstand der Krieg in Tschetschenien?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87820