An mehreren Stellen im Corpus aristotelicum werden Sätze erwähnt, die als endoxa bezeichnet werden. Damit sind Sätze gemeint, die eine anerkannte Meinung zum Ausdruck bringen. Indem sie durch eine Autorität Anerkennung zugesprochen bekommen, unterscheiden sich endoxa von Sätzen die "bloß" eine Meinung (doxa) vertreten. Diese Autorität wird entweder qualitativ oder quantitativ begründet. Demnach ist ein Satz ein endoxon, wenn er entweder von vielen Leuten angenommen wird, oder von wenigen, dafür aber besonders angesehenen Leuten.
Durch ihre autoritative Legitimation gewinnen sie für Aristoteles an Interesse, weil sie in die Nähe von beweiskräftigem Wissen über eine Sache rücken. Sie haben nicht den gleichen Anspruch an Richtigkeit und Wahrheit wie ein Beweis, aber in ihren jeweiligen Gebieten können sie ähnliche Funktionen erfüllen.
Das Anliegen meiner Hausarbeit besteht darin, die Bedeutung der endoxa in der aristotelischen Philosophie zu untersuchen. Dabei setzte ich drei besondere Schwerpunkte. Zunächst werde ich auf das erste Buch der Topik eingehen und die Gründung der Dialektik auf endoxa besprechen. In diesem Buch der Topik geht Aristoteles erläuternd auf die endoxa ein, und erklärt ihren Nutzen für die dialektische Deduktion.
Der zweite Schwerpunkt ist die Anwendung der endoxa in der Ethik. G.E.L. Owen entdeckte, dass mit den in der Nikomachischen Ethik angesprochenen phainomena, in erster Linie nicht empirische Tatsachen gemeint sind, sondern die endoxa, als Ausdruck von Erkenntnis. Jonathan Barnes geht auf dieses Problem ein, und konzipiert eine aristotelische Methode der endoxa, die ich besprechen möchte.
Der dritte Schwerpunkt soll die Relevanz der endoxa, für die Auffindung der ersten Prinzipien der Wissenschaften klären. Aristoteles erwähnt diesen besonderen Nutzen nur nebenbei in der Topik und bleibt eine genauere Klärung schuldig. Unter Einbeziehung von C.D.C. Reeves Buch „Practise of reason“, werde ich versuchen diese epistemologische Basis der aristotelischen Philosophie darzustellen. Aristoteles beginnt die Topik mit der Angabe des zu erreichenden Zieles. Er will eine allgemeine Methode entwickeln, mit deren Hilfe aus endoxa Deduktionen gebildet werden können. Anhand von formalen Regeln, soll es einerseits ermöglicht werden zu jedem beliebigem Problem Deduktionen zu bilden und andererseits sollen diese Regeln vor Widersprüchen in der Argumentation bewahren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die endoxa in der Topik
- Endoxa als Basis der dialektischen Deduktion
- Wann X ein endoxon ist
- Der Nutzen der endoxa in der Topik
- Die endoxa in der aristotelischen Philosophie
- Thithenai ta phainomena
- Die Methode der endoxa
- Die endoxa und die ersten Prinzipien der Wissenschaft
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Bedeutung der endoxa in der aristotelischen Philosophie. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf drei Schwerpunkte: Erstens wird die Gründung der Dialektik auf endoxa im ersten Buch der Topik besprochen. Zweitens wird die Anwendung der endoxa in der Ethik anhand der phainomena der Nikomachischen Ethik und der Methode der endoxa von Jonathan Barnes beleuchtet. Drittens wird die Relevanz der endoxa für die Auffindung der ersten Prinzipien der Wissenschaften geklärt, unter Einbeziehung von C.D.C. Reeves „Practise of reason“.
- Die Rolle der endoxa in der dialektischen Deduktion
- Die Verwendung der endoxa in der aristotelischen Ethik
- Die epistemologische Basis der aristotelischen Philosophie und die Bedeutung der endoxa für die Auffindung der ersten Prinzipien der Wissenschaften
- Die Unterscheidung zwischen endoxa und doxa
- Die Relevanz der Autorität in der Bestimmung von endoxa
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Begriff der endoxa vor und erklärt die Bedeutung von endoxa für Aristoteles. Es wird die Zielsetzung der Hausarbeit erläutert und die drei Schwerpunkte der Arbeit dargestellt.
Die endoxa in der Topik
Endoxa als Basis der dialektischen Deduktion
Aristoteles erläutert in der Topik die drei Arten der Deduktion: die apodiktische, die dialektische und die eristrische Deduktion. Die Prämissen der dialektischen Deduktion werden aus endoxa gebildet, während die Prämissen der apodiktischen Deduktion aus ersten und wahren Sätzen (archai) bestehen. Die eristrischen Deduktionen werden abgelehnt, da sie keinen Wahrheitsgehalt haben.
Wann X ein endoxon ist
Endoxa sind anerkannte Meinungen, die entweder von vielen Menschen oder von wenigen, dafür aber besonders angesehenen Leuten, als richtig angesehen werden. Aristoteles betrachtet Meinungen als relevant für die Erforschung der Wahrheit und vertritt die Ansicht, dass wir einen natürlichen Zugang zur Wahrheit haben. Die endoxa werden als „plausible Meinungen“ interpretiert, wobei der Fokus auf der Quelle der Anerkennung liegt. Es wird argumentiert, dass die Autorität der Weisen in der Bestimmung von endoxa einen entscheidenden Stellenwert hat.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter der Arbeit sind: endoxa, doxa, Dialektik, Deduktion, Ethik, Nikomachische Ethik, Phainomena, erste Prinzipien, Epistemologie, C.D.C. Reeves, „Practise of reason“, Aristoteles, Topik, Common Sense, Weisen.
- Quote paper
- M. A. Martin Hagemeier (Author), 2002, Die Anwendung von anerkannten Meinungen (endoxa) in der Philosophie Aristoteles’, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87818