Von 1967 – 1990 hatte im Südjemen die PDRY (People`s Democratic Repbublic of Yemen = Volksdemokratische Republik Jemen) bestand. Die grundlegende Frage dieser Arbeit lautet, welches der Rahmen war, indem in einer südarabischen Kolonie, welche zudem eines der unterentwickeltsten Länder der Welt war, eine marxistische Umwälzung hat stattfinden können.Darüber hinaus soll anschließend das ökonomische Erbe des Kolonialismus im südlichen Jemen angesprochen werden. Hierzu wird die Phase zwischen der Unabhängigkeit 1967 bis zum Sturz Isma’ils 1978, der maßgeblich für den marxistischen Korrekturkurs der späten 60er Jahre verantwortlich war, unter ökonomischen Gesichtspunkten untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Zeit der britischen Besetzung
1. Gründe für die britische Besetzung
2. Die Besetzung Adens und die Kolonialpolitik Großbritanniens
3. Widersprüche zwischen Bevölkerung und Kolonialmacht
3.1. Der Streit um das Wahlrecht
3.2. Der Beitritt Adens in die Föderation
Aden – Aufstieg zur Hafenmetropole
Arbeiterbewegung in Aden
Die NLF und der Kampf um die Unabhängigkeit
Die Wirtschaft in der post-kolonialen Ära zwischen 1967 und 1978
Das Erbe der Briten
Die neue Politik der Ökonomie
Diskussion
Literaturverzeichnis
Einleitung
Von 1967 – 1990 hatte im Südjemen die PDRY (People`s Democratic Repbublic of Yemen = Volksdemokratische Republik Jemen) bestand. Außergewöhnlich ist die sozialistische Staatsideologie. Bewusst wird hier auf den Begriff der sozialistischen Staatsform verzichtet, denn die Staatsform entspricht, wie bei anderen ehemaligen sozialistischen Ländern, nicht komplett übereinstimmend dem ideologischen Überbau. Holger Albrecht schreibt zwar, dass der Jemen das einzige arabische Land war, welches sich einer konsequent marxistischen Linie verschrieben hat, konstatiert zugleich aber auch, dass dieser Weg eher als die offizielle Propaganda anzusehen ist, während die Realität von einer zumeist pragmatischen Politik geprägt war[1]. Dennoch hatte die Staatsführung viele wichtige Veränderung auf ökonomischem und sozialem Gebiet zustande gebracht. Dies betraf unter anderem die Verstaatlichung von beinahe der gesamten Wirtschaft bis hin zu Angleichungen der Löhne, zumindest im städtischen Bereich, sowie die Bereitstellung von grundlegenden Lebensmitteln.[2]
Besonders interessant ist die Staatsbildung des sozialistischen Jemen, wenn man folgende drei Faktoren betrachtet. Zum einen war der Südjemen von extrem konservativen Staatengebilden, wie Saudi-Arabien und dem Nordjemen, umgeben. Auch herrschten in den Aden umgebendenden südjemenitischen Protektoratsgebieten selbst konservative bis rückständige Sultane[3], die einer sozialistischen Machtübernahme feindlich gegenüberstanden. Der zweite Punkt liegt ebenfalls im Jemen selbst, denn dieser war und ist noch immer geprägt von einer uralten Stammesstruktur und von dem Gegensatz zwischen urbanisierten Zentren und dem rückständigen Hinterland[4]. Als Drittes ist anzuführen, dass im Jemen keine bloßen Stellvertreter der Sowjetunion die Macht übernommen hatten. Vielmehr war es eine durchaus selbstständige und theoretisch gut geschulte Gruppe[5], die das Britisch Empire zum Rückzug aus dem Jemen veranlasste.
Die grundlegende Frage dieser Arbeit lautet daher, welches der Rahmen war, indem in einer südarabischen Kolonie, welche zudem eines der unterentwickeltsten Länder der Welt[6] war, eine marxistische Umwälzung hat stattfinden können. Das Problem ist keinesfalls eindeutig zu beantworten und muss mehrdimensional betrachtet werden, denn für die Staatsbildung im Südjemen sind mehrere Einflüsse von Bedeutung.
Ausgangspunkt meiner Analyse ist der Gedanke, dass durch die Bildung einer Klassengesellschaft, mit kämpferischer Arbeiterklasse und mitziehender Intellektuellenschicht, in der Hafenstadt Aden, die Basis für marxistisches Gedankengut gelegt wurde. Das Auftreten fortschrittlicher Kräfte unter Arbeiterschaft und geistiger Elite führte zum Entstehen einer militanten anti-kolonialen Organisation, der National Liberation Front (NLF), welche ein Pfeiler des Erfolges des Unabhängigkeitskampfes und damit der Staatswerdung bildete. Grundlegend ist zunächst die Besetzung Adens 1839 und die Kolonialisierung durch das Empire. Denn erst durch die Briten erfuhr Aden den Ausbau zu einer bedeutenden Handelsmetropole des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Aber die Bildung von Klassengegensätzen führt nicht automatisch zu einer antikapitalistischen Widerstandsbewegung. Diese formierte sich erst nach und nach, und war das Ergebnis einer sukzessiven Radikalisierung der Arbeiter und einiger antikolonialer Kräfte, durch die Erfahrungen während ihres Kampfes um Unabhängigkeit. Ein Grund für Entstehung einer radikalen Strömung, die in der Lage war die Macht zu übernehmen, lag im Jemen daher in der Politik der britischen Besatzung. Diese verhielt sich repressiv gegen die Arbeiter[7] und wenig kompromissbereit gegen die fortschrittliche Mittelklasse[8], und wurde daher zum Kristallisationspunkt des Widerstandes. Durch eine sich den Gegebenheiten anpassende Kolonialpolitik, hätte England wahrscheinlich die Unabhängigkeit verzögern und das Entstehen einer erfolgreichen sozialistischen Bewegung verhindern können. Andererseits erfuhr die jemenitische Arbeiterklasse aber auch Unterstützung durch den britischen Gewerkschaftsverband, und konnte so gestärkt ihr Klassenbewusstsein entwickeln. Ideologisch liegen die Wurzeln der jemenitischen Sozialisten nicht in der Sowjetunion, sondern im damalig um sich greifenden arabischen Nationalismus[9] gemischt mit den Erfahrungen der Adener Arbeitskämpfe. Für das Entstehen einer marxistischen Linken war auch die ideologische Auseinandersetzung mit dem arabischen Nationalismus von großer Bedeutung[10] Daher sind diese damals starken Bewegungen ein weiterer Faktor für das entstehen der PDRY.
Es sind also 3 große Themenblöcke, die hier als wesentlich für die Herausbildung einer erfolgreichen Unabhängigkeitsbewegung angesehen werden:
1. Besetzung Jemens durch Großbritannien
2. Urbanisierung und Bildung einer Klassengesellschaft
3. Entstehen der tragenden Organisation des Widerstandes
Darüber hinaus soll anschließend das ökonomische Erbe des Kolonialismus im südlichen Jemen angesprochen werden. Hierzu wird die Phase zwischen der Unabhängigkeit 1967 bis zum Sturz Isma’ils 1978, der maßgeblich für den marxistischen Korrekturkurs der späten 60er Jahre verantwortlich war, unter ökonomischen Gesichtspunkten untersucht werden.
Die Zeit der britischen Besetzung
1. Gründe für die britische Besetzung
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die bedeutendste Kolonie Englands die Kronkolonie Indien. Die Politik des Königshauses richtete ihr Interesse darauf, einen reibungslosen Warentransport zwischen dem Inselreich und Indien zu Gewährleisten. Mit dem Aufkommen der Dampfmaschinen bedurften die Schiffe Versorgungsstationen, die sie auf der langen Fahrt mit ausreichend Kohle beliefern konnten. Entlang der arabischen Halbinsel stellte zudem die Piraterie eine zunehmende, wenn auch den Handelsverkehr nicht ernsthaft gefährdende, Bedrohung dar[11]. Zum einen war Großbritannien also auf der Suche nach einer Kohlestation, zum anderen musste es die East India Company vor den seeräuberischen Übergriffen schützen. Aden stellte aufgrund seiner günstigen strategischen Lage am südlichen Rand der arabischen Halbinsel einen strategisch guten Stützpunkt dar, zudem war es der beste Naturhafen Südarabiens[12]. Scheider nennt allerdings einen ausschlaggebenden geopolitischen Grund für die Besetzung Adens. Da Ägypten sein Gebiet bis nach Südarabien erstreckte und das von den Briten unterstützte Osmanische Reich an Macht verlor, sah sich Großbritannien zu einer offensiven Politik getrieben[13]. Kopp führt an, dass es ja Napoleon war, der Ägypten besetzt hatte, und dass das britische Großreich speziell den französischen Expansionsdrang einschränken wollte.[14]
Aufgrund der anschließenden Politik Englands, lässt sich aber ersehen, dass der entscheidende Anstoß für die Okkupation Adens, die Unterstützung der British East Indian Company war. Denn erst 1937 wurde Aden direkt dem Colonial Office in London unterstellt, und war bis dahin unter der Oberherrschaft Indiens[15].
2. Die Besetzung Adens und die Kolonialpolitik Großbritanniens
1839 nahm Großbritannien dann schließlich Aden, welches zu dieser Zeit zwischen 500 und 1000 Einwohner hatte, ein und stationierte die erste Garnison von 2000 Soldaten[16]. Zunächst wurde die Stadt noch von Indien aus verwaltet, was sich aber später noch ändern sollte. Die Unterstellung Adens unter indische Administration zeigt noch einmal, die Ausrichtung der britischen Politik auf ihre südasiatische Kronkolonie.
Aden wurde ausgebaut und stieg zu einer Hafenmetropole auf, die es für die Briten zu sichern galt. So schreibt Scheider sogar, dass das britische Interesse am südarabischen Hinterland „ausschließlich in der Absicherung Adens“[17] bestand.
Um diese Absicht zu gewährleisten gab es zwei Pläne das Umland ruhig zu halten: Eine dezentrale und eine zentrale Idee. Die Zentralidee sah vor, die Herrschaft der zaiditischen Imame des Nordens auf den Süden auszudehnen. Allerdings stieß dieser Plan bei den Sultanen des Südens auf Widerstand und hätte sich vermutlich nur mit Gewalt durchsetzen lassen[18]. Dies hätte zu Unruhe in dem Gebiet geführt, und das war es, was die britischen Kolonialherren um jeden Preis zu verhindern suchten. Daher blieb nur der dezentrale Plan, der vorsah die einzelnen Herrscher mit Geschenken und Zahlungen gefügig zu machen, ohne sich dabei jedoch in die Fehden der Stämme untereinander einzumischen. Das Kalkül der Briten im Jemen war es, möglichst nicht als Kolonialherren in Erscheinung zu treten um keine Feindschaft unter den Stämmen gegen die Fremdherrschaft zu erwecken. Allerdings war Großbritannien im Laufe der Jahre immer mehr gezwungen aktiv in das Geschehen einzugreifen. So stand die Phase nach dem ersten Weltkrieg im Zeichen von Auseinandersetzungen zwischen dem nach Macht strebenden Imam Yahya und der Royal Air Force zum einen, als direkte Vertreter der britischen Regierung, oder auch den von England hochgerüsteten Sultanen[19] zum anderen. Die 30er und in noch stärkerem Maße die 40er Jahre des 20. Jahrhunderts waren dann geprägt vom Willen der Briten eine zentralisierte Verwaltung in befriedetem Gebiet zu schaffen. Auch hier wurde dennoch versucht, die Rolle des „indirect Ruler“ zu wahren[20]. Seit 1937 wurden, im Zuge der steigenden Einmischung der Briten in das Umland Adens, die einzelnen Sultanate des Südjemen in Protektoratsgebiete gegliedert.
[...]
[1] Albrecht, S. 41 und S. 42
[2] Vgl. Worldbank Country Study, März, 1979
[3] Scheider, S. 29 und S. 38, Scheider beschreibt die Sultane hier als „ultrareaktionäre feudale Sultane“
[4] Vgl. IMF Report 3.6.79, S. 1 und Scheider, S. 20; Auch im Jahr 1979 betrugen die Einkommen auf dem Land nach der Worldbank Country Study, März, 1979 S. IV, noch immer im Durchschnitt nur 1/3 des durchschnittlichen Einkommens in der Stadt
[5] Scheider, S. 66
[6] Durch die Jahre hindurch bis heute wird der Jemen als eines der unterentwickeltsten Länder der Welt bezeichnet. Vgl. Worldbank Country Study, März, 1979, Introduction; http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/COUNTRIES/MENAEXT/YEMENEXTN/0,,menuPK:310170~pagePK:141159~piPK:141110~theSitePK:310165,00.html und Scheider, S. 66
[7] Scheider, S. 49, Scheider beschreibt hier das restriktive Streikgesetz vom 17.8 1960
[8] Scheider, S. 31/32. Zum einen ging es der Adener Mittelklasse um politisches Mitspracherecht, Beteiligung an den hohen Posten und Ämtern. Streitpunkt zwischen Briten und der Stadtelite war der Eintritt Adens in die Föderation, von welcher die Oberklasse eine Bevormundung befürchtete.
[9] So entstand die NLF nicht durch Unterstützung Moskaus sondern durch den panarabischen ANM, siehe Scheider, S. 52
[10] Scheider, S. 66, Scheider sieht in den Erfahrungen mit dem Nasserismus einen wesentlichen Grund dafür, dass sich im Jemen ein „sozialistischer Kaderstamm von erstaunlicher Qualität und Anzahl entwickelte“
[11] Scheider, S. 21
[12] Scheider, S. 21
[13] Scheider, S. 21
[14] Hopp, S. 157
[15] Jacob, Gambke, Mätzig, S. 28
[16] Scheider, S. 21
[17] Scheider, S. 22, vgl. auch Schuster, S. 21
[18] vgl. Scheider, S. 22
[19] vgl. Scheider, S. 23
[20] vgl Scheider, S. 24, Scheider schreibt hier, dass zentrale Elemente der Gewalt in den Händen der einzelnen Herrscher blieben, dass diese allerdings den Rat der jeweiligen britischen Institution anhören oder annehmen mussten
- Quote paper
- Behnam Said (Author), 2006, Die Volksdemokratische Republik Jemen , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87727
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